Lehrplan
In Baselland wird seit Jahren ein Kampf ausgefochten zwischen Ideologen im Dunstkreis der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und Unterrichtspraktizierenden angeführt von der Starken Schule beider Basel. Die einen frönen ihrem Fetisch für grosse Zahlen, indem sie die 3’500 Kompetenzen des Lehrplans21 durchsetzen wollen. Die anderen pochen insofern auf einen Praxisbezug des kantonalen Lehrplans, als dass sie den Fokus auf Stoffziele und Lerninhalte legen. Dieser Kampf wird teilweise hinter den Kulissen ausgetragen, teilweise unter Beteiligung der Öffentlichkeit. Bisher gab es eine kantonale Abstimmung zum Thema, weitere werden folgen. Denn die Ideologen sind verwegen und gut vernetzt, insbesondere auch innerhalb der kantonalen Schulverwaltung. Dort und in anderen Gremien schrecken sie selbst davor nicht zurück, Abstimmungsresultate zu ignorieren. Zuletzt geschehen nach der Annahme der Lehrmittelfreiheit in Baselland, wo sich 85% der Wählerschaft zugleich gegen die Passepartout-Lehrmittel aussprachen.
„Zusammengefasst verfügt der Kanton Baselland seit Jahren und bis heute über keinen definitiven Lehrplan. Die Folgen daraus müssten doch eigentlich gravierend sein.“
Kein Lehrplan – ohne gravierende Folgen
Dennoch gelang es den Ideologen, einen Ersatz für Mille feuilles für die ersten beiden Schuljahre auf der Primarstufe vorerst zu verhindern, obwohl zumindest ein anderes Lehrmittel vorläge. Somit wurde die Lehrmittelfreiheit zu Beginn der Primarschule leider um ein Jahr verzögert. Zusammengefasst verfügt der Kanton Baselland seit Jahren und bis heute über keinen definitiven Lehrplan. Die Folgen daraus müssten doch eigentlich gravierend sein.
„Kurz: Der Schulbetrieb nimmt seinen gewohnten Lauf. Somit drängt sich die Frage auf: Wozu dienen denn eigentlich Lehrpläne?“
Schaut man sich die Baselbieter Schullandschaft an, stellt man jedoch fest: Es werden sämtliche Fächer unterrichtet; es fallen weder mehr noch weniger Lektionen aus als sonst; die gängigen Schulanlässe wie Elternabende, Abschlussfeiern und dergleichen finden wie üblich statt; Krisensitzungen an den unterschiedlichen Schulstandorten wegen des fehlenden Lehrplans gibt es keine und auch Arbeitsgruppen werden deswegen nicht eingesetzt; Qualitätsmanagement sowie Schulentwicklung werden seitens der Lehrkräfte mit üblicher Sanftmut zur Kenntnis genommen. Kurz: Der Schulbetrieb nimmt seinen gewohnten Lauf. Somit drängt sich die Frage auf: Wozu dienen denn eigentlich Lehrpläne?
„Ansonsten dienen diese wenig literarischen Werke aber in erster Linie der Beschäftigung der Bildungspolitik.“
BerufseinsteigerInnen werfen zu Beginn ihrer Laufbahn gerne hin und wieder einen Blick in die Curricula ihrer Unterrichtsfächer. Ansonsten dienen diese wenig literarischen Werke aber in erster Linie der Beschäftigung der Bildungspolitik. Zur Lancierung eines neuen Lehrplans werden personalintensiv Stäbe, Gremien, Arbeitsgruppen, Ausschüsse, Kommissionen oder Teams geschaffen, in denen sodann Bildungsexpertinnen, Bildungsräte, Bildungspolitikerinnen, Bildungswissenschaftler, Bildungsforscherinnen, Lehrplanforscher, Fachdidaktikerinnen, Sachverständige und Persönlichkeiten aus der Wirtschaft Einsitz nehmen. Zumeist handelt es sich dabei um Personen, die ohne Unterrichtspraxis zum Thema Schule zwar wenig wissen, aber umso mehr dazu zu sagen haben.
Was bei einer solch geballten Ladung an Mitteilungsbedürfnis herauskommt, zeigt der Lehrplan21. Mit seinen rund 3’5000 Kompetenzen überblickt ihn niemand, und Dagmar Rösler vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) meinte auf die Frage, wie man bei Kindern beurteilen wolle, ob diese bestimmte Kompetenzen hätten oder nicht: „Das ist so ein bisschen auch unsere grösste Frage, auf die wir leider noch keine Antwort bekommen haben.“[1] Auf Grundlage des Lehrplans21 lassen sich mit andern Worten keine Prüfungen schreiben, wodurch sich auch keine Kompetenzen testen lassen. Dies wiederum zieht letztlich die Infragestellung der gesamten Kompetenzorientierung nach sich.
[1] Dagmar Rösler im Studiogespräch, SRF 10 vor 10, 7.11.2019
Und genau deshalb braucht es die geschützte Werkstatt “Bildungsverwaltung” nicht.