Das Basler «Gewerkschafts»modell ist in der Tat ein spezielles. Neben der staatlichen KSBS gibt es die FSS, die Freiwillige Schulsynode. Erstere ist die Kantonale Schulkonferenz Basel-Stadt, das Mitsprache- und Mitwirkungsorgan aller Lehr-, Fach- und Leitungspersonen an den öffentlichen Schulen im Kanton Basel-Stadt.
Ein Basler Modell von Gewerkschaft
Die FSS hingegen gilt als die offizielle Standesorganisation der Basler Lehrkräfte und ist auch Mitglied des LCH. Die beiden Organisationen sind fest verbandelt und gelten als «staatsnah». Diese Staatsnähe zahlt sich in einem der reichsten Kantone der Schweiz aus, wie ihr Präsident Jean-Michel Héritier in seinem Newsletter (Juni 2019) mit Stolz vermeldet.
- Lohnerhöhung infolge Teuerungsausgleich (erstmals wieder seit neun Jahren)
- Laufende Schulraumverbesserungen in den Kindergärten (ab 2019)
- Rückkehr der Einführungsklassen auf der Schuleingangsstufe (ab 2020)
- Kostenbeteiligung des ED bei privat gekauften Computern (Erleichterung für Lehrpersonen an den Gymnasien bei «Bring Your Own Device»)
- Klassenleitungsentlastung für allen Schulstufen
- Zwei Wochen Weihnachtsferien (neu seit 2018)
- Künftig nur noch halb- bis maximal einjährige Befristungen bei neuen Anstellungsverträgen (anstatt der bisher vierjährigen «Vikariate»)
Mit dieser Stillhalteprämie erkauft sich die Regierung der Stadt Basel das Einverständnis zu fast allen Schulreformen und Drangsalierungen gegenüber aufmüpfigen Kolleginnen und Kollegen.
Die FSS nickt oder schweigt
Die Pleitereform «Frühfranzösisch» wird gehauen und gestochen durchgezogen, an der disparaten Lehrmittelreihe «Passepartout» wird festgehalten, renommierte Wissenschaftlerinnen wie Simone Pfenninger werde öffentlich diffamiert, Lehrkräfte, die sich in einem offenen Brief gegen die Checks wendeten, wurden zitiert und in den Senkel gestellt, Kleinklassen wurden abgeschafft, Noten durch Berichte ersetzt, die Maturquote erreichte schweizweit einsame Spitzen. Die FSS nickt dazu oder schweigt.
20’000 Fr. pro Schülerin und Schüler lässt man sich den Bildungsspass in der Stadt am Rheinknie kosten. Auch das ist schweizweit Rekord!
Ebenfalls rekordverdächtig: Nur 40 Prozent der Basler Schülerinnen und Schüler sind imstande, einfache proportionale Zuordnungen in der Mathematik zu lösen (ÜGK, März 2019). Das ist einsame Spitze (von hinten gesehen).
Der FSS-Präsident Héritier lobt unterdessen den Einsatz von Kopfhörern im Unterricht als «Konzentrationsverstärker» (Condorcet 23.10.19) und die zwei Wochen Weihnachtsferien für die Basler Lehrkräfte.
Man ist mit sich und der Welt zufrieden am Rheinknie!
Alain Pichard
Mit seiner Kritik an der Politik der FSS Basel-Stadt liegt Alain Pichard keineswegs falsch. Die Selbstbeweihräucherung des Jean-Michel Héritier erinnert sehr stark an die Rede von Donald Trump am WEF in Davos dieses Jahr: «We are the greatest!» Wenn man weiss, was die andern Kantone wirklich über die Bildungspolitik von BS denken, ist die Aussage: «Alle schauen in Bewunderung nach Basel.» schon fast unfreiwillig zynisch. Héritier verwechselt die Schwärmereien der Reformideologen in den Behördenstuben der Schweizer Erziehungsdepartemente, die abstrusen Theorien der selbst ernannten Professoren und Worthülsenpoeten der Fachhochschulen, die Werbekampagnen der cleveren Promotoren der IT-Branche und manche tumbe Journalistenschnulze mit dem, was Lehrpersonen, Eltern und echte Uniprofessoren wirklich von Basels Pädagogik der letzten dreissig Jahre halten: abschreckende Beispiele für totale schulische Pleiten: Miesestes Ranking bei Leistungstests seit Jahren, unkritisch vorauseilender Gehorsam der FSS bei unausgegorenen pädagogischen Projekten, eine unrealistische, über 40% liegende Gymnasialquote, soziale Missstände in den Klassen der unteren Leistungsstufen, eine tiefe Rate an Schulentlassenen mit Anschluss an Lehrberufe wegen mangelnder schulischer Qualifikation. Anstatt sich dafür zu schämen oder zumindest sich zurückzuhalten, wirft man sich in die Brust: «Basel is the greatest.» Das ist Realitätsverlust pur.