23. November 2025
Sprachunterricht

Beendet das gescheiterte Dreisprachenkonzept der Primarschule!

Frühfranzösisch hat aktuell aus mehreren Gründen einen sehr schweren Stand. Aus heutiger Sicht wurden in den Reformjahren wirklich haarsträubende Fehler begangen. So ahnten nur wenige, dass mit der Einführung des Frühenglisch im Hinblick auf den Stellenwert des Französisch praktisch die Büchse der Pandora geöffnet wurde. Ein Beitrag von Condorcet-Autor Hanspeter Amstutz.

 

Heute stellen wir fest, dass das allgegenwärtige Englisch, das den Kindern in unserer angloamerikanisch geprägten Popkultur nur so um die Ohren fliegt, dominant den Platz der ersten Fremdsprache eingenommen hat. Man mag das zu Recht sehr bedauern, aber das Rad der Zeit jetzt wieder zurückdrehen zu wollen, dürfte sehr schwierig sein.

Die jungen Primarlehrerinnen haben in ihrer Ausbildung meistens Englisch als Fremdsprache gewählt und möchten ihre Fremdsprachkompetenz im Unterricht anwenden können. Zudem ist Englisch bei der jungen Generation so beliebt, dass ein Zurückbuchstabieren nicht verstanden würde. Während in den Neunzigerjahren noch viele Kinder aus Italien und Spanien dem Französischunterricht Schwung verliehen, hat die Zahl der Schüler aus dem westlichen Mittelmeerraum unterdessen deutlich abgenommen. Die neu Zugezogenen aus dem Südosten Europas haben meistens keine innere Bindung zu den romanischen Sprachen.

Condorcet-Autor Hanspeter Amstutz

Ein weiterer gewichtiger Minuspunkt für das Frühfranzösisch liegt in der Überforderung der Schüler durch das unselige Mehrsprachenkonzept. Dieses Hochrisikoexperiment mit den drei Sprachen in der Mittelstufe hätte gar nie gestartet werden dürfen. Mehr als die Hälfte unserer Schüler schafft das Erreichen elementarster Bildungsziele in mindestens einer der drei Sprachen nicht. Das ist ein pädagogischer Skandal, der nicht länger schöngeredet werden kann. Dazu kommt, dass mit den Vorstellungen vom spielerischen Lernen und den unstrukturierten Lehrmitteln didaktische völlig unsinnige Wege eingeschlagen wurden.

Es braucht jetzt harte Entscheidungen, um welche sich die EDK nicht länger drücken kann. Dabei stellen sich drei zentrale Fragen:

  1. Welche Frühfremdsprache soll in der Primarschule unterrichtet werden, wenn das gescheiterte Mehrsprachenkonzept beendet wird?
  2. Ist es sinnvoll, bei nur einer Fremdsprache in der Primarschule den Kantonen eine Wahlfreiheit zwischen Englisch und Französisch zu gewähren?
  3. Wie gelingt es, die zweite Fremdsprache in der Sekundarschule so zu vermitteln, dass eine Mehrheit der Schüler wirklich davon profitiert?
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5 Kommentare

  1. Richtig analysiert. Doch die ganze Sache ist noch viel schlimmer: Ich kenne keine einzige Reform der letzten dreissig Jahre, die wirklich etwas gebracht hat. Was sich also ändern muss, ist die Besetzung der EDK. Deren offensichtliche und mit unerträglicher Arroganz gepaarte Unfähigkeit, um nicht zu sagen, Borniertheit, ist das Problem.

  2. Hanspeter Amstutz legt den Finger auf den wunden Punkt und stellt die richtigen Fragen, um das unglückliche Sprachenkonzept zu korrigieren. Allerdings gilt es zu bedenken, dass die Ausgangslage für die Kantone sehr unterschiedlich ist und ein einheitliches Konzept politisch ebenso schwierig sein dürfte wie zu Beginn des Jahrhunderts, selbst wenn über die Untauglichkeit des jetzigen Konzeptes Einigkeit bestünde. Ein zweiter Punkt: Die Entscheidungsträger gehören meist einer akademisch gebildeten Schicht an, deren Kinder mehrheitlich eher geringe Probleme mit mehreren Sprachen in der Primarschule haben, sodass sie von den tatsächlichen Schwierigkeiten und Überforderungen vieler Kinder keine familieneigene Vorstellung haben und diese deshalb gerne bagatellisieren.

  3. Wohltuend klare Worte. Angesichts der jüngsten Verlautbarungen von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider und EDK-Präsident Christophe Darbellay drängt sich allerdings die Frage auf, ob man von der Politik tatsächlich Verantwortung in dieser Sache erwarten darf anstelle von verantwortungslosen Phrasen.

  4. Würde global Englisch als 1. Fremdsprache unterrichtet, wäre das ein globaler Gewinn. z.B. in Kroatien das ich seit 37 Jahren besuche, sprechen vorallem die jungen Leute Englisch mit den Touristen und sind sehr stolz darauf. (Seklehrer a.D.)

  5. Würde global Englisch als 1. Fremdsprache unterrichtet, wäre das ein globaler Gewinn. z.B. in Kroatien, das ich seit 37 Jahren besuche, sprechen vorallem die jungen Leute Englisch mit den Touristen und sind sehr stolz darauf. (Seklehrer a.D.)

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