Die Gewalt an deutschen Schulen nimmt weiter zu. Das geht aus Zahlen hervor, die WELT AM SONNTAG exklusiv vorliegen. Demnach meldeten 14 Bundesländer für das vergangene Jahr knapp 27’000 Gewaltdelikte an Schulen. Das sind etwa 1500 Fälle mehr als im Vorjahr. In Bayern etwa stieg die Zahl der polizeilich registrierten Gewaltdelikte im Schulkontext von 2645 Fällen im Jahr 2023 auf 3002 im Jahr 2024. In Hessen wuchs die Zahl von 1734 auf 2038, in Brandenburg von 1333 auf 1583 Fälle.
Auch in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Sachsen und Rheinland-Pfalz wurden Anstiege verzeichnet. Für Bremen und Mecklenburg-Vorpommern lagen bis Redaktionsschluss keine aktuellen Daten vor. Die Zahlen folgen dem Trend der bundesweiten polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Auch diese Statistik verzeichnet für 2024 einen Anstieg der Gewaltkriminalität auf 217’277 Fälle und damit den höchsten Wert seit 2007. Besonders auffällig an der PKS ist der Zuwachs bei jungen Tatverdächtigen: Sie stieg bei Kindern um 11,3 Prozent auf 13’755, bei Jugendlichen um 3,8 Prozent auf 31’383.
Mehrere Bundesländer wiesen bei der Übermittlung der PKS-Zahlen aber darauf hin, dass die Tatörtlichkeit “Schule” nicht unbedingt in jedem einzelnen Fall im Kontext des Schulbetriebes stehen muss, es sich etwa auch um Vorkommnisse in der Nacht auf dem Schulhof handeln kann.
Jugendliche sind häufiger gewaltbereit als noch vor wenigen Jahren. Auch, weil viele schlechter mit Frust umgehen können.
Gegenüber der WELT AM SONNTAG äußern sich führende Bildungs- und Innenpolitiker, Verbände und Experten aber besorgt über die Verrohung der Kinder auf deutschen Schulhöfen. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, die für das kommende Bundeskabinett gehandelt wird, setzt auf einen klaren Kurs und fordert “null Toleranz”. Gewaltvorfälle würden schulrechtlich geahndet und führten zum Ausschluss von Schulveranstaltungen oder zur Versetzung an andere Schulen. Gleichzeitig wolle man stärker vorbeugen. “Wir gucken auf jede einzelne Schule”, so Prien.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbst Reul (CDU) warnt vor einer Verschiebung gesellschaftlicher Werte. “Heute ist es eher okay, Regeln zu brechen und Straftaten zu begehen als noch vor zehn Jahren”, sagt er dieser Redaktion. Eine Dunkelfeldstudie seines Ministeriums zeige zudem: Jugendliche sind häufiger gewaltbereit als noch vor wenigen Jahren. Auch, weil viele schlechter mit Frust umgehen können. “Wenn es mal nicht so läuft, wie gewollt, fliegen eher die Fäuste oder wird sogar das Messer gezückt”, so Reul. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl fordert: Die Schule müsse ein Ort bleiben, “an dem sich Kinder frei von Gewalt entwickeln können.” Strobl verweist auf neue Maßnahmen: So habe die Polizei ihr Präventionsangebot um ein Modul zur Messerkriminalität erweitert.
Eine erschreckende Entwicklung, die zeigt, wie dringend Handlungsbedarf besteht. Gewaltprävention, mehr Schulsozialarbeit und eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten sind wichtiger denn je, um Schulen wieder zu sicheren Orten zu machen.