26. April 2024

Informatik anstatt Französisch und Handarbeit

Die neusten Ideen aus dem Labor Basel-Stadt werden vom Condorcet-Autor Alain Pichard kommentiert

Alain Pichard, Lehrer Sekundarstufe 1, GLP-Grossrat im Kt. Bern und Mitglied der kantonalen Bildungskommission.
Conradin Cramer, Departementschef Bildung in Basel: Mehr Informatik, weniger Französisch.

Die Stadt Basel möchte auf der Sekundarstufe 1 (7.-9. Klasse oder nach Harmos-Zählweise 9.-11. Klasse) das neue Fach “Informatik und Medien” einführen. Departementschef Cramer hat ganz grosse Ambitionen. Er will nicht nur, dass seine Basler Schülerinnen und Schüler wissen, wie man mit dem Computer umgeht, sondern sie sollen auch erste Schritte im Programmieren wagen. Wie das geschehen soll, wenn die Lernenden bereits heute 34 Lektionen Unterricht haben? Nun, Herr Cramer weiss, dass man diese Lektionen nicht einfach zusätzlich draufpacken kann. “Die Jugendlichen müssen noch einen gewissen Freiraum haben”, meint der Bildungschef. Und er hat auch die entsprechenden Abbaupläne.

Mit anderen Worten: die Schüler sind zu schwach für den Franz-Unterricht, aber dann wieder stark genug um anspruchsvolles Wissen wie Programmieren etc. zu verstehen.

Wir ziehen den Hut vor so viel Enthusiasmus und stellen fest: Mit Frühfranzösisch und der neuen Sprachdidaktik ist die französische Sprache als Unterrichtsfach eh erledigt. Da kann man ja auch die “schwachen Schüler” davon befreien. Und wer braucht heute noch Handarbeit? Die Basler Schülerinnen und Schüler sicher nicht. Die Schule müsse mit der Zeit gehen, meinte Herr Cramer. Wir denken. So muss die Schule gehen … mit der Zeit.

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Der Condorcet-Blog wurde seinerzeit gegründet, weil seine Initiatoren der Meinung waren, es werden in den Medien, in den PH’s, in der Verwaltung und in den Parteien nicht mehr alle Meinungen abgebildet oder zugelassen. Ausserdem würde sehr oft versucht, umstrittene Personen mit „Kontaktschuld“ und Etikettierung aus dem Diskurs fernzuhalten. Vier Jahre nach der Gründung unseres Bildungsblogs müssen wir feststellen, dass die Problematik der „Cancel culture“ um sich greift. Wenn verlangt wird, dass Professorinnen, die sogenannt missliebige Studien veröffentlichen, von ihrer Fakultät entlassen oder namhafte Wissenschaftler mit unpopulären Meinungen am Auftreten gehindert werden, müssen wir das klar benennen und uns dagegen wehren. Es widerspricht unseren Prinzipien einer offenen und freien Debatte. Von Anfang an suchten wir immer den Dialog mit Persönlichkeiten, die auch andere Überzeugungen haben und bemühten uns um das Prinzip „Rede und Gegenrede“. In keinem Milieu gedeiht die Einengung des Diskurses so prächtig wie an den Universitäten. Das Verrückte dabei ist: Niemand ist in Deutschland und in der Schweiz so abgesichert wie ein auf Lebenszeit berufener Hochschullehrer. Es kann ihm nichts passieren, wenn er sich querlegt oder einfach nur das macht, was er für richtig hält. Und dennoch ziehen alle sofort den Kopf ein, wenn Ärger droht. Jan Fleischhauer berichtet im Fokus von einem Fall an der Uni Erlangen.

2 Kommentare

  1. Drei Bemerkungen:
    1. Das Zusammenlegen der Halbklassen im Fachkonglomerat Wirtschaft, Arbeit und Haushalt erstaunt am meisten, denn dieses bringt für die Lernenden keine Reduktion der Lektionenzahl, sondern erschwert den Hauswirtschaftslehrerinnen die Arbeit, da sie im Kochen und im Berufswahlunterricht bei doppelter Schülerzahl weniger auf einzelne Jugendliche eingehen können. Es ist bloss eine Einsparung an Lohnkosten, damit der Informatikunterricht kostenneutral auf die Stundentafel gepackt werden kann.
    2. Welch ein Absturz des neuen Fremdsprachenunterrichts! Getreu nach dem Projekt des Europarates erliess die EDK vor ca. 20 Jahren ein Sprachenkonzept, nach dem jedes, wirklich jedes Kind zwei Fremdsprachen lernen sollte. Mit der neuen Didaktik der funktionalen Mehrsprachigkeit sollten die Kinder und Jugendlichen im Sprachbad ab der 3. Primarklasse spielend multilingual Französisch und Englisch lernen, ohne Grammatik, konstruktivistisch, interkulturell, kompetenzorientiert, ohne mühsames Wörterlernen, an strikt authentischem Material, mit Hilfe effizienter Lernstrategien. Und jetzt? Trotz dem mantrahaft wiederholten Bekenntnis zur zweiten Landessprache können Sekundarschüler des A-Niveaus Französisch abwählen, damit die Informatik Platz in der Stundentafel hat. Der Didaktik-Hype “Mehrsprachigkeit” wird damit stillschweigend beerdigt.
    3. Das Departement Cramer hat den Beschluss offenbar ohne Konsultation der Schulkonferenz und der Schulsynode top-down verfügt, ein klarer Verstoss gegen das Schulgesetz, wonach die Lehrerschaft in wichtigen Bildungsfragen einbezogen werden muss. Ob sich die Basler Lehrpersonen dies gefallen lassen und ob sie sich, wie die im BaZ-Artikel genannte Schulleiterin, einmal mehr bedauernd, aber willfährig fügen werden?

  2. Was Felix Schmutz in 2.als Forderungen zur Umsetzung des Fremdsprachenuntrrichts aufzählt, ist Wasser in der Luft kochen. Auch für die neue regierungsrätliche Forderung steht keine Pfanne zur Verfügung.

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