Ob Waschmittel, Würste, Schüler oder Journalisten. Alle werden getestet und benotet.
Unabhängige, qualitativ hochwertige Zeitungen, vorzugsweise auf Papier, sind ein Grundnahrungsmittel der Demokratie. So unverzichtbar wie Kaffee, Brot, Butter, Ei, Honig und Konfitüre zum Frühstück.
Meine Jugend in St. Gallen bereicherten nicht nur politische Gespräche am Familientisch, sondern auch eine breite Auswahl an Zeitungen: Die stockkonservative „Ostschweiz“, der katholische „Appenzeller Volksfreund“, Hoforgan von „Landesgottheit“ Raymond Broger, die sozialdemokratische „AZ“, die „Frankfurter Rundschau“ des NS- Widerstandskämpfers Karl Gerold. Dazu Radio Beromünster. Unvergessen: Gody Baumberger. Später TV (s/w): „Einer wird gewinnen*, die Münchner Lach- und Schiessgesellschaft, der „Internationale Frühschoppen“, Sportschau, Bonanza und Lassie.
Zweimal jährlich besuchte uns ein Vertreter der Büchergilde Gutenberg. Sein Angebot, sehnsüchtig erwartet: Ein Koffer voller Neuerscheinungen, aus dem ich jeweils ein paar Bücher aussuchen durfte. Kaum eines davon dürfte heutzutage die unerbittliche Zensur des Political-Correctness-Wächterrats überstehen.
Per Fax gelangte der Text auf die Post in Les Breuleux, wo ich ihn abholen und anschliessend redigieren konnte. Dann auf dem gleichen Weg zurück ins Gewerkschaftshaus.
Einer meiner ersten Zeitungsbeiträge druckte in den 1960er-Jahren die „Ostschweizer AZ“. Getippt auf einer mechanischen Schreibmaschine. Der spannende Bericht rapportierte die Werbeoffensive für einen neuen Braun-Rasierer im Hotel Hecht. An ein Honorar mag ich mich nicht erinnern, hingegen an das generöse Präsent: ein nigelnagelneues Exemplar des angepriesenen Trockenrasierers.
35 Jahre später präsentierte sich meine Ausrüstung nur unwesentlich moderner. Mitten in der Auseinandersetzung um die Privatisierung der Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) weilte ich in meiner Datscha in den jurassischen Freibergen. In der BaZ hatte sich der grüne Grossrat Guy Morin vehement für die Vorlage von Baudirektor Christoph Stutz ausgesprochen, nun sollte dringend eine Entgegnung des SP-Fraktionspräsidenten her. In Basel setzte sich VPOD-Vizepräsident Willi Gerster an die Schreibmaschine und verfasste eine gepfefferte Antwort. Per Fax gelangte der Text auf die Post in Les Breuleux, wo ich ihn abholen und anschliessend redigieren konnte. Dann auf dem gleichen Weg zurück ins Gewerkschaftshaus. In der BaZ erschien die Replik unter meinem Namen am 15.7.1995.
Regionaljournal via Internet
Ein knappes Vierteljahrhundert danach klebte mir der Blogger Manfred Messmer die Etikette „Generation SRF“ an, weil ich mir die Print-Ausgabe der BaZ per Post in mein Feriendomizil im Schwarzwald nachschicken liess und die nervig umständliche Lieferung in einer Kolumne glossiert hatte. Offenbar hätte ich noch nie etwas von E-paper gehört. Immerhin traute er mir den Besitz eines Radioapparats zu, verbunden mit dem Hinweis, auch das Regionaljournal könnte man aber unterdessen via Internet hören. (arlesheimreloaded, 11.1.2018))
Inzwischen ist auch bei mir der Fortschritt eingekehrt. Die „Dernière“ (Kolumne Nr. 408) schreibe ich am Computer, der Text geht per Mail an den Aeschenplatz. Bewertet wird der Artikel allerdings nicht mehr von den Lesern der gedruckten Ausgabe. Im Zeitalter von „online first“ wird die profitorientierte Relevanz daran gemessen, wie viele Leser das Produkt wie lange auf dem Bildschirm angeklickt haben. Wer zu wenig Klicks einheimst, fällt beim TX Group-Rentabilitätscontrolling in die Grube.
Richtmass bleiben allzu oft die elektronischen Impulse
„Quantität first“ heisst die Devise. „Richtmass bleiben allzu oft die elektronischen Impulse“ moniert Rainer Stadler in der NZZ, „welche die Fernbedienungen und Computermäuse ins Mediensystem jagen.“ In der Blase der digitalen Stammtische versprechen populistische Rundumschläge gegen politische Dilettanten oder gegen Parkplatzvernichter offensichtlich bessere Quoten als Berichte über im Mittelmeer ertrunkene Flüchtlinge oder mafiöse Strukturen und zwielichtige Walliser Figuren im Weltfussballverband Fifa.
Auf meine Artikel habe ich jeweils zahlreiche Reaktionen erhalten. Schriftlich und mündlich. Kritische, lobende, anregende und bösartige. Als BaZ- Kolumnist werde ich nun stillgelegt. Im „Verein für eine deutliche Aussprache“ bleibe ich aktives Mitglied.