17. Juli 2025
So schlecht spricht die Schweizer Jugend Französisch

«C’est pourquoi Vour parlons english»: So sieht die triste Franz-Bilanz aus

Die heutige Jugend interessiert sich nicht fürs Französisch, das behaupten die Erwachsenen. Wie schlimm steht es tatsächlich um die Französisch-Kenntnisse der Schüler? Wir bringen einen Bericht von Nadja Pastega, der in der Sonntagszeitung erschienen ist.

In Kürze:

  • Die Französischkenntnisse bei Schülerinnen haben sich während der letzten fünf Jahre massiv verschlechtert.
  • Standardisierte Schultests zeigen erschreckend mangelhafte Französisch-Antworten der Achtklässler im Passepartout-Gebiet.
  • Selbst nach 650 Französischlektionen können viele Neuntklässler keine verständlichen Sätze formulieren.
  • Nur knapp die Hälfte der Schulabgänger versteht einfache französische Texte oder Gespräche.
Nadja Pastega, Sonntagszeitung

Die Franz-Bilanz der Schüler sorgt bei Französisch-Lehrpersonen gerade mal wieder für einen resignierten Seufzer. Wortschatz? Ungenügend. Orthografie? Zum Teil inexistent. Französisch verstehen? Kann man auch nach Hunderten von Französisch-Lektionen nicht. Le Français? Non merci!

Schüler würden immer weniger Französisch können, sagt Philipp Loretz, Präsident des Vereins der Lehrerinnen und Lehrer Baselland. Er stand selber viele Jahre als Französischlehrer vor Oberstufenklassen. Heute stellt er fest: «Es kann nicht länger ignoriert werden – der Sinkflug ist dramatisch. Das Niveau ist vor allem in den letzten fünf Jahren drastisch gesunken.»

Alles nur Panikmache? Dagegen sprechen die Resultate bei den letzten «Checks», den standardisierten Schultests in den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Baselland und Solothurn. Bei den Leistungskontrollen mussten sich die 14-jährigen Achtklässler, die ein Jahr vor dem Schulabschluss stehen, auf Französisch zu verschiedenen Themen äussern. Die Antworten, sagt Loretz , «sind zum Teil schlicht unverständlich».

Schüler scheitern an einer einfachen E-Mail

Der Lehrerverein Baselland hat Beispiele zusammengetragen. Eine Aufgabe lautete: «Luca ist für ein Austauschjahr in deiner Parallelklasse und spricht Französisch. Er hat dich am Wochenende zum Picknicken im Park eingeladen, aber leider hast du keine Zeit. Antworte Luca in einer E-Mail.»

Auf die Pulte und Bildschirme der Korrektoren des Instituts für Bildungsevaluation flatterten Lösungsblätter, auf denen Antworten wie folgende standen: «Mais Luca, merci pour Rendez-vous au parc. J’ai ne Zeit. Nous können aber alle patinge dans 14 heure. Es-tu einverstanden? LG.»

Oder: «Salut Luca, merci pour la email. Je ne parle pas français, C’est pourquoi Vour parlons english. So i’m sorry, but i haven’t time at this date. At first thanks for this invention. We can meat us in a week.»

Schüler weichen auf Englisch und Deutsch aus

Eine andere Aufgabe lautete: «Beschreibe, was dir besser gefällt: Bücher lesen oder Filme schauen?» Zurück kamen auch hier Antworten, bei denen sich manche Franz-Lehrerinnen und -Lehrer gedacht haben dürften: Vielleicht sollte ich umsatteln und ein anderes Fach unterrichten?

Ein Schüler schrieb: «Je aime films, la fantasy, horror, scfi et action. Je ne lis pas livre, ausser livre de Harry Potter. Mai aime film de Spiederman et Harry Potter, on est un action et fantasy film.»

«To la film ville êt garçong reiten to la cheval.»

Schülerin

Eine Schülerin: « Je Film préféré regard. Weil je ne pa ma arm. Je film préfréré à horror êt romentiqu. Ma aimes e Mondpferd. To la film ville êt garçong reiten to la cheval. Êt une ville arrive hexen.»

Einige Schulklassen nahmen auch an den sogenannten Checks für 15-Jährige teil. Sie finden gegen Ende der 9. Klasse statt, wenn die Jugendlichen unmittelbar vor dem Übertritt ins Arbeitsleben stehen – bis zu diesem Zeitpunkt haben sie im Laufe ihrer Schullaufbahn 650 Französisch-Lektionen hinter sich.

Auch hier haben Schülerinnen und Schüler zu kämpfen und pflegen einen eigenwilligen Franz-Umgang.

Aufgabe der Prüfer: «Wie sieht dein perfekter Tag aus?»

Antwort: «Je aime Animaux  i went to the zoo je regard de animaux then wie got to the prk I visit the lake mai journée de rêve de le sest. »

Philipp Loretz, Sekundarlehrer, Präsident des lvb: Das sind keine vereinzelten Ausreisser.

Einer hat die Not zur Effizienz gesteigert: «Mon journée de rêve est resté à la maison ou regarfer un film à la cinema.»

Einen Satz, das ist der ganze Text, mehr hat er nicht geschrieben. Ein Kollege sagte sich offenbar: Je m’en fous. Und liess das mit dem Französisch ganz bleiben – er beantwortete die Aufgabe auf Deutsch, kein einziges Wort Französisch.

Die Hälfte der Schüler versteht nicht, was sie auf Französisch lesen

 «Das sind keine vereinzelten Ausreisser nach unten von Jugendlichen mit besonderen Lernschwierigkeiten», sagt Loretz. Solche Beispiele seien an der Tagesordnung und stammten von Schülerinnen und Schülern aus den mittleren Leistungszügen. «Sogar angehende Gymnasiasten können zum Teil nicht mehr», sagt Loretz.

Kürzlich kam der Bericht zur «Überprüfung der Grundkompetenzen» der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zu einem ähnlichen Befund. Demnach verstehen schweizweit nur 58 Prozent der Schulabgänger, was sie auf Französisch hören, und nur 51 Prozent, was sie lesen.

Umgekehrt heisst das: Über 40 Prozent verstehen nicht, was sie hören, und fast die Hälfte versteht nicht, was sie liest. Dabei geht es nicht um abgehobene literarische oder politische Erörterungen, sondern um einfache Ausdrücke wie «Qu’est-ce qu’un vêtement?»

 

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2 Kommentare

  1. Ich begrüße die sachliche und kritische Berichterstattung sehr. In letzter Zeit ist es doch etwas einseitig auf (Früh)französisch ausgerichtet.
    Wichtige Themen wären meines Erachtens:

    1. Das Scheitern der “Sammelfächer”, besonders im MINT Bereich. Motto: Physik und Chemie wird gerne gleich links liegen gelassen… Und an weiterführenden Schulen beginnt man von vorne. Es braucht wieder Fachunterricht mit Lehrpersonen, die die Begeisterung für ihr Fach wieder rüberbringen dürfen sollten!

    2. Mathematik: Fehlende Übungskultur. Mitverursacher ist sicher das Smartphone, aber nicht nur. Das Problem war zuvor schon da. Ja, Üben ist mühsam. Aber ohne Üben wirds später noch mühsamer. Mathe lässt sich nicht “auswendiglernen”!

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