Dass theoretisch-analytische Intellektualität die einzig wertvolle menschliche Kompetenz sei – von diesem Irrtum sind wir, denke ich, inzwischen glücklicherweise weitgehend geheilt. Der Gymi-Hype (übrigens in den letzten Jahren pikanterweise parallel gewachsen zum Gymibashing!) ist dabei aber überhaupt nicht kleiner geworden, sondern nur läppischer: Der Gymiweg ist deshalb ‘wertvoll’ (geblieben), weil er, nach wie vor … zum grossen Geld führt – dem einzigen ‘Wert’, den wir heute offenbar noch akzeptieren. (Ausnahmen: der Banklehrling, einmal im Jahrhundert, der es zum CEO der Bank geschafft hat; oder die Handvoll IT-Nerds, die mit ihrer App ein Bedürfnis der digitalen Gemeinde erfüllt haben.) Nicht wegen Goethe oder Einstein wird das Gymi gestürmt, sondern vor allem wegen der von ferne winkenden rosigen finanziellen Aussichten. (Ok, daneben gewiss auch, weil es, zum Beispiel, die Berufsentscheidung vertagt, oder weil das vage Versprechen auf ‘Allgemeinbildung’ lockt.) Und die Gymisucht erscheint so nicht mehr edel verbrämt durch die ideologische Heiligsprechung eines ganz bestimmten Weltverhaltens (eben des ‘intellektuellen’), sondern, gewissermassen enttarnt, in ihrer traurig-krud-materialistischen Gestalt. (Die SchülerInnen einer meiner liebsten Maturklassen verrieten mir post festum – und es war durchaus ein Fest gewesen – ihre Studienentscheide: viele Juristen, sehr viele Ökonomen – und dann das durchaus verschämte Geständnis an den ‘allgemeinbildenden’ Deutschlehrer: ‘Es zieht is halt dert ane, wo sGäld hockt!’)
Der einzige Weg ist wohl das sozialistische Modell
Wie kann man in einer Gesellschaft, in der ‘Verdienst’ ausschliesslich als ‘Lohn’ verstanden wird, die ‘richtigen’ Leute zur richtigen Profession bringen, also etwa die als Schreiner Begabten in die Schreinerei (was gesamtgesellschaftlich äusserst segensreich wäre)? Ich sehe als Weg dazu immer noch einzig das sozialistische Modell ‘gleicher Lohn für alle’. Oder, netter gesagt (damit wenigstens einige überhaupt noch weiterlesen): eine gewisse Abdämpfung der bestehenden Lohnunterschiede – sagen wir vom Faktor 1000 (CH 2019: Bank-CEO gegen seine Putzfrau) auf den Faktor 800, dann wären wir wenigstens wieder auf der Stufe des ach so schröcklichen, weil ständischen Mittelalters (‘800:1!’ hatte mich eine zur geflissentlichen Entrüstung aufgestellte Tafel im Burgund einst über die Einkommensdifferenz zwischen hiesigen Königen und Bauern informiert …). Erst dann könnte die vom Stammvater der kommunistischen Utopie so schön formulierte Richtlinie einer humanen Wirtschaft sich zu entfalten beginnen: ‘Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.’ Und wir Gymilehrkräfte wären sicher die ersten, die das jubelnd unterstützen würden, hätten wir dann doch endlich die SchülerInnen (wieder) vor uns, für deren spezifische – nicht ‘wertvollere’! – Interessen wir als Unterrichtende auch ausgebildet wurden.
Oder etwas bescheidener gesagt: Es wäre immer wieder zu monieren, dass der Weg zur schon lang überfälligen Entheiligung des gymnasialen Bildungswegs nicht primär über ideologisch-moralische Veränderungen zu erreichen ist
Oder etwas bescheidener gesagt: Es wäre immer wieder zu monieren, dass der Weg zur schon lang überfälligen Entheiligung des gymnasialen Bildungswegs nicht primär über ideologisch-moralische Veränderungen zu erreichen ist (‘Nehmt die Cleverness des Schreinermeister bitte ebenso ernst wie die des Herrn Doktor!’), sondern über ökonomische (‘Wertet endlich die Handwerkerlöhne auf!’).
Mit „begabt“ und „gescheit“ wird in der Umgangssprache die Intelligenz oder das Bildungsniveau, das ein Mensch in der Erziehung, Schule und Ausbildung erreicht hat, bezeichnet. Intelligenz ist jedoch nur ein Teilbereich der Persönlichkeit im weiteren Sinne und ein unscharfer Sammelbegriff für die kognitive oder geistige Leistungsfähigkeit eines Menschen.
Die Frage ob Intelligenz vererbt oder erworben wird, wird wissenschaftlich kontrovers diskutiert. Von den beiden Extremen, dem Glauben an die Allmacht der Vererbung und der Allmacht von Umwelt und Sozialisation ist man abgekommen, weil beide vor allem in totalitären Staaten für Eugenik, Rassenhygiene oder Bevölkerungspolitik missbraucht wurden. Heute tendiert die Wissenschaft dazu, dass Bildung mehrheitlich von der Umgebung abhängt. Es gibt nicht das eine Intelligenz-Gen. Was die 1271 Gen-Variationen, die mit dem Bildungsgrad assoziiert werden, wirklich bedeuten, ist unklar.
Der Einfluss der Umgebung ist äusserst vielfältig und bei jedem Menschen individuell: Intelligenz hängt davon ab, ob sie ab dem Säuglingsalter gefördert wird. Wie sich die neuronalen Verknüpfungen (Synapsen) im Gehirn des Säuglings in den ersten sechs Monaten bilden, hängt von den Anregungen in dieser Zeit ab. Es kommt darauf an, ob es in dem Haushalt, in dem man aufwächst, Bücher gibt oder nicht. Ob ein Kind ermutigt wird, Neues zu entdecken. Ob es Spass am Lernen entwickelt. Welche Vorbilder ein Kind hat. Welchen Beruf es erlernen möchte.
Es kommt sehr darauf an, ob sich Eltern das Lernen selber und ihren Kindern zutrauen. Je nachdem werden sie einen Berufswunsch unterstützen oder nicht. Die meisten Eltern möchten ihren Kindern den gleichen oder einen besseren Sozialstatus ermöglichen. Reichere Eltern können sich das eher leisten.
Das Sprachumfeld spielt eine wichtige Rolle und hängt eng mit dem sozialen Status der Eltern zusammen. Eine Studie zeigte, dass Eltern aus der Mittel- und Oberschicht wesentlich häufiger und deutlich mehr mit ihren Kindern sprachen als solche aus der Unterschicht, und dass sie komplexere Sätze bildeten. Dies hatte in der Studie einen enormen Einfluss auf die Intelligenzentwicklung. Mit schlechten Sprachkenntnissen ist man in allen Schulfächern benachteiligt.
Eine amerikanische Studie, an der 1450 Schulen teilnahmen, zeigte einen Zusammenhang zwischen der Qualifikation/Persönlichkeit des Lehrers und dem IQ der von ihm unterrichteten Kinder. Selbst nachdem die Einflüsse anderer Faktoren (wie etwa Armut) ausgeklammert worden waren, bedeutete von einem wenig qualifizierten Lehrer unterrichtet zu werden, niedrigere IQ-Werte. Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung stellte fest, dass bei gleicher Ausgangsleistung, die Schüler, die das Gymnasium besuchten, ihre Intelligenzleistung um 11 IQ-Punkte steigern konnten, gegenüber Schülern, welche die Realschule besuchten.
Die Reaktionen auf den Artikel «Hype ums Gymnasium» von Carl Bossard veranlassen mich zu folgendem Klärungsversuch:
1. Mit „begabt“ und „gescheit“ wird in der Umgangssprache die Intelligenz oder das Bildungsniveau, das ein Mensch in der Erziehung, Schule und Ausbildung erreicht hat, bezeichnet. Intelligenz ist jedoch nur ein Teilbereich der Persönlichkeit im weiteren Sinne und ein unscharfer Sammelbegriff für die kognitive oder geistige Leistungsfähigkeit eines Menschen.
2. Die Frage ob Intelligenz vererbt oder erworben wird, wird wissenschaftlich kontrovers diskutiert. Von den beiden Extremen, dem Glauben an die Allmacht der Vererbung und der Allmacht von Umwelt und Sozialisation ist man abgekommen, weil beide vor allem in totalitären Staaten für Eugenik, Rassenhygiene oder Bevölkerungspolitik missbraucht wurden. Heute tendiert die Wissenschaft dazu, dass Bildung mehrheitlich von der Umgebung abhängt. Es gibt nicht das eine Intelligenz-Gen. Was die 1271 Gen-Variationen, die mit dem Bildungsgrad assoziiert werden, wirklich bedeuten, ist unklar.
3. Der Einfluss der Umgebung ist äusserst vielfältig und bei jedem Menschen individuell: Intelligenz hängt davon ab, ob sie ab dem Säuglingsalter gefördert wird. Wie sich die neuronalen Verknüpfungen (Synapsen) im Gehirn des Säuglings in den ersten sechs Monaten bilden, hängt von den Anregungen in dieser Zeit ab. Es kommt darauf an, ob es in dem Haushalt, in dem man aufwächst, Bücher gibt oder nicht. Ob ein Kind ermutigt wird, Neues zu entdecken. Ob es Spass am Lernen entwickelt. Welche Vorbilder ein Kind hat. Welchen Beruf es erlernen möchte.
4. Es kommt sehr darauf an, ob sich Eltern das Lernen selber und ihren Kindern zutrauen. Je nachdem werden sie einen Berufswunsch unterstützen oder nicht. Die meisten Eltern möchten ihren Kindern den gleichen oder einen besseren Sozialstatus ermöglichen. Reichere Eltern können sich das eher leisten.
5. Das Sprachumfeld spielt eine wichtige Rolle und hängt eng mit dem sozialen Status der Eltern zusammen. Eine Studie zeigte, dass Eltern aus der Mittel- und Oberschicht wesentlich häufiger und deutlich mehr mit ihren Kindern sprachen als solche aus der Unterschicht, und dass sie komplexere Sätze bildeten. Dies hatte in der Studie einen enormen Einfluss auf die Intelligenzentwicklung. Mit schlechten Sprachkenntnissen ist man in allen Schulfächern benachteiligt.
6. Eine amerikanische Studie, an der 1450 Schulen teilnahmen, zeigte einen Zusammenhang zwischen der Qualifikation/Persönlichkeit des Lehrers und dem IQ der von ihm unterrichteten Kinder. Selbst nachdem die Einflüsse anderer Faktoren (wie etwa Armut) ausgeklammert worden waren, bedeutete von einem wenig qualifizierten Lehrer unterrichtet zu werden, niedrigere IQ-Werte. Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung stellte fest, dass bei gleicher Ausgangsleistung, die Schüler, die das Gymnasium besuchten, ihre Intelligenzleistung um 11 IQ-Punkte steigern konnten, gegenüber Schülern, welche die Realschule besuchten.