Projektunterricht - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Sat, 02 Sep 2023 10:37:53 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Projektunterricht - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Die 8B und die Liebe zum Kebab https://condorcet.ch/2023/08/die-8b-und-die-liebe-zum-kebab/ https://condorcet.ch/2023/08/die-8b-und-die-liebe-zum-kebab/#comments Thu, 31 Aug 2023 10:40:02 +0000 https://condorcet.ch/?p=14877

Die Junglehrerin Rebecca Schär – sie wurde auf diesem Blog bereits einmal als PH-Studentin interviewt (https://condorcet.ch/2020/12/interview-mit-einer-ph-studentin-habe-mir-den-beruf-nicht-so-cool-vorgestellt/) - startet zum Beginn der Berufswahlkunde mit ihrer Klasse ein mutiges und spektakuläres Projekt. Ihre 8.-Klässler übernahmen kurzerhand eine grössere Kebabbude im Bahnhofquartier von Biel. Ihr ehemaliger Mentor, Condorcet-Autor Alain Pichard, liess sich mit Freunden von den Kids bewirten.

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«Am Mittag war viel Betrieb, die Mittagsgruppe hat das aber gut hingekriegt», sagte die leicht nervöse Klassenlehrerin Rebecca Schär, welche den Schulunterricht für eine Woche in ein Kebab-Imbiss verlagerte. Sie wohnt gerade um die Ecke. In ihrer Wohnung sitzen derzeit vier Schülerinnen – es handelt sich um die Bürogruppe – und kalkulieren die Einnahmen, berechnen Bestellungen und machen natürlich eifrig Werbung für ihr Projekt. Rebecca Schär ist eine Art Stammkundin dieses Restaurants. Die Vegetarierin schätzt die Qualität des berühmten Haloumi-Dürüms und der Falafels sowie die Freundlichkeit des Besitzers. Die aktive Eishockey-Spielerin kommt des Öfteren spät nach dem Training nach Hause und da sei ein kleiner Imbiss Abstecher im «City-Food» ab und zu im Programm. Doch wie kam sie auf die Idee, diesen Laden mit ihren Schülerinnen und Schülern zu übernehmen?  «Im OSZ-Orpund, (ihre Schule) haben die Schülerinnen und Schüler bereits einmal vor Corona das Hostel «Lago Lodge» für eine ganze Woche übernommen mit grossem Lerneffekt und viel Freude. Da sagte ich mir, dass wir das doch auch machen könnten!»

Alain Pichard: Die Schüler haben etwas gelernt
Rebecca Schär, Klassenlehrerin: Am Schluss dieser Woche bin ich ein Kebab.

Rebecca Schär fragte zuerst den Besitzer, Huseyn Sar, ob dieser sich vorstellen könnte, seinen Betrieb einer 8. Klasse für eine Woche zu übergeben. Huseyn Sar, kurdischer Türke, war von Anfang an begeistert und sagte zu. Danach galt es die Einwilligung der Schulleitung einzuholen, sowie das Klassenteam um Unterstützung zu bitten. Die Schulleitung war ohne Problem dabei. Und auch das Klassenteam half tatkräftig bei den Vorbereitungen mit. Die Werklehrerin betreute die Jugendlichen beim Bedrucken der T-Shirts mit Namen und Logo und eine weitere Lehrperson half beim Bauen der Holz-Schilder für den Eingangsbereich. Eine Mutter half, die leckeren Baclavas, welche die Schülerinnen den Gästen nach erfolgter Konsumation auftischen konnten, zu backen.

Viele Eltern sagten zu, dass sie mit ihren Freunden und Verwandten vorbeikommen würden. Huseyn Sar, der die Kids in einem Schnellkurs schulte, ist des Lobes voll: «Die Jungen haben schnell gelernt. Natürlich fehlt ihnen noch das Tempo und die Routine.  Aber die Dürüms werden sehr gut präpariert und eingepackt. Für mich ist das eine «win-win-Situation». Es kommen viele Gäste, die sonst nie das City-Food betreten würden. Und wer weiss, vielleicht kommen sie ja wieder.»

 

City Food befindet sich an zentraler Lage

Huseyin Sar, Besitzer des City Food: Ich arbeite gern mit diesen jungen Menschen.

Ein besonderer Umstand beschert Huseyn Sar noch weitere Kundschaft. Sein Restaurant befindet sich in der Nähe des Bahnhofs und vor der Bushaltestelle der Meinisberger-Linie. Genau dieser Bus bringt viele Ex-Schülerinnen und -Schüler – inzwischen Lehrlinge oder Gymnasiastinnen – nach Ende der Schule in ihre Gemeinden. Sie sehen ihre ehemaligen jüngeren Mitschülerinnen und kommen spontan in das Restaurant.

Die Schüler arbeiten in Schichten, die immer 4 Stunden dauern. Es gibt eine Servicegruppe, eine Kochgruppe, Medienarbeitende, eine Einkaufs- und Finanzabteilung und eine Putzequipe. «Das Putzen machen sie wirklich sehr gut», freut sich Huseyn Sar, «und es ist wirklich streng, denn mein Restaurant wird natürlich vom Lebensmittelinspektorat kontrolliert.»

Wie steht es mit dem Lohn, wollte ich wissen. Rebecca Schär: «Wir haben andere Ziele. Die Schüler erfahren konkret, was es heisst, in einem Restaurationsbetrieb zu arbeiten. Sie arbeiten als Team zusammen, werden gefordert und müssen auch unter Stress cool bleiben. Wir stellen ein kleines Klassenkässeli auf, da können die Besucher, wenn sie wollen und zufrieden sind, uns einen kleinen Zustupf geben. Ansonsten sind wir hier, um herauszufinden, wo unsere Stärken und Schwächen sind und was wir für Ansprüche an unseren künftigen Beruf haben».

Der Stress zu den Stosszeiten machte uns Mühe

Die Schülerinnen und Schüler haben sichtlich Spass an dieser Woche. Neel, der für den Service verantwortlich ist, bedient die Gäste wie ein Profi, aufmerksam, freundlich und immer fragend, ob man noch etwas möchte. Philippa entpuppt sich als wahrer Putzteufel. Levy und Mila kommen aus dem Büro mit den neusten Flyern. Es herrscht ein Kommen und Gehen. «Wenn die Leute am Mittag kommen, wird es streng»,

Philippa erwies sich als wahrer Putzteufel.

Elowan: Zu Hause putze ich nicht so gerne.

meint Elodie, welche an der Theke arbeitet und die Dürüms und Co. vorbereiten muss. Der Stress in den Rushhours sei denn auch die grösste Herausforderung, meint Tonja. Da gäbe es Momente, die ihr nicht gefallen, aber das sei ja wohl auch ein Teil des Projekts, fügte sie hinzu. Elouan hilft im Service und wäscht das Geschirr ab. Zu Hause tue er das nicht gerne, hier gefällt es ihm. Überhaupt hat er ein Auge für anstehende Aufgaben und hilft aus, wenn Not am Mann ist. Ahmed, der im Service arbeitet, ist offensichtlich für die gute Laune zuständig. Seine Fröhlichkeit weht durch alle Ecken des Restaurants. Elodie meint, dass die 4 Stunden gut seien. Am Mittag könnte sie ohne Weiteres länger arbeiten, am Abend sei sie froh, wenn sie nach Hause gehen könne.

Die Schulleiterin Nadine Streit liess es sich nicht nehmen mit ihrer Familie im City Food Mittag zu essen. Für einmal etwas ganz Neues, meinte sie verschmitzt. Sie gab die Bewilligung, ohne zu zögern. Einziger Wermutstropfen: das Tempo bei der Zubereitung der Waren. Während den Stosszeiten bildeten sich Schlangen, was einzelne Kunden dazu bewog, zu einem anderen Kebab-Imbiss zu gehen. «Ich habe am Mittag einfach nicht so viel Zeit», meinte eine Verkäuferin, welche sich jeweils am Mittag ein Sandwich holt. Aber schon am 3. Tag gelangen die Handgriffe geschickter, wurde die Zubereitung geübter, lief die Ausgabe flinker.

Am dritten Tag wurden die Handgriffe flinker.

Ich verlasse das Restaurant mit einem etwas wehmütigen Gefühl. Die Schülerinnen und Schüler der 8b werden am Schluss der Woche viel gelernt haben. Und Junglehrerinnen wie Rebecca Schär bestätigen mit ihren innovativen Ideen eine Weisheit des verstorbenen Buchautors Remo Largo: «Wo Schule schön ist, ist sie ein Geschenk an das Leben.»

Reportage des Lokalradios canal3

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Kreativität einer Integrationsklasse – ein Beispiel aus Biel https://condorcet.ch/2022/09/kreativitaet-einer-integrationsklasse-ein-beispiel-aus-biel/ https://condorcet.ch/2022/09/kreativitaet-einer-integrationsklasse-ein-beispiel-aus-biel/#respond Thu, 15 Sep 2022 11:09:48 +0000 https://condorcet.ch/?p=11597

Immer wieder erreichen uns spannende Unterrichtsprojekte mit der Bitte, diese doch aufzuschalten. Die RIK-Klasse des Oberstufenzentrums Mett-Bözingen (RIK = Regionaler Integrationskurs) hat uns einen Film zugeschickt, den sie zum Schulabschluss mit ihren Lehrkräften produziert hat. Für den Schnitt war die RIK-Lehrerin Sandra Rychener zuständig. Aus unserer Sicht ein absoluter Hammer!

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Die RIK-Klassen sind eine Eigenheit des Kantons Bern. Es gibt sie an verschiedenen Standorten. Ursprünglich beabsichtigte man, die neu ankommenden Migrantenkinder während maximal sechs Wochen in eine Spezialklasse zu schicken, um sie dann in Regelklassen zu intergrieren. Die Praxis hat gezeigt, dass dies nicht funktioniert, zumal vermehrt auch Jugendliche zu uns kommen, die nicht alphabetisiert sind und auch eine andere Schrift haben. In den regionalen Integrationsklassen können die Jugendlichen nun ein Jahr bleiben (manchmal sogar mehr). Sie werden je nach Leistungsstand in die Regelklassen organisiert. Die RIK-Klassen sind ausserordentlich heterogen zusammengesetzt. Zukünftige Gymnasiastinnen lernen neben Schülern mit starker kognitiver Beinträchtigung. Auch die Altersgrenze ist etwas flexibler und kann bis zu 18 Jahren betragen. Die Stimmung in diesen Klassen ist – nach Aussagen der Lehrkräfte – ausserordentlich positiv. Das Potential, das in diesen Kids steckt, zeigt sich in diesem wunderbar schrägen Film. Auch die Lieder wurden von den Schülern selber umgesetzt. Wir ziehen den Hut und wünschen den jungen Erwachsenen alles Gute für die Zukunft und Ihnen, liebe Condorcet-Leserinnen und -Leser,  viel Vergnügen!

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Inside Out – Projekt in Biel – We are! https://condorcet.ch/2022/07/inside-out-projekt-in-biel-we-are/ https://condorcet.ch/2022/07/inside-out-projekt-in-biel-we-are/#respond Fri, 15 Jul 2022 09:01:43 +0000 https://condorcet.ch/?p=11063

Das Inside-Out-Projekt ist ein partizipatives globales Kunstprojekt. Das Oberstufenzentrum Mett-Bözingen in Biel beteiligte sich daran und dokumentierte den Entstehungsprozess in einem kleinen Film.

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Der französische Fotograf JR gewann 2011 den TED-Preis. Mit der Gewinnsumme (100’000 Dollar) initiierte er das Inside-Out-Projekt.

Das Projekt steht jedem offen. Die Idee dahinter ist, die Menschen in ihrem Umfeld in den Vordergrund zu stellen. Neben dem Drucken von Porträts haben die Teilnehmer die volle Kontrolle über den kreativen Prozess (Aufnehmen ihrer Bilder) und den Einfügeprozess (Installation der Poster).Durch die Verwendung von ausschließlich Schwarz-Weiß-Porträts, die gedruckt und dann in einen Außenbereich eingefügt werden, kann jede Gruppenaktion eine Erklärung in Form eines öffentlichen Kunstwerks abgeben und ihre Botschaft mit dem Rest der Welt teilen.

Im OSZ-Mett-Bözingen war die Motivation, Stolz und Freude zu zeigen, das (Schul-) Leben zu feiern, die Vielfalt zu dokumentieren.

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Hauptsächlich Österreicher, Deutsche und Portugiesen buddeln im Tunnel https://condorcet.ch/2021/12/hauptsaechlich-oestreicher-deutsche-und-portugiesen-buddeln-im-tunnel/ https://condorcet.ch/2021/12/hauptsaechlich-oestreicher-deutsche-und-portugiesen-buddeln-im-tunnel/#respond Wed, 01 Dec 2021 08:56:58 +0000 https://condorcet.ch/?p=9975

Die Schüler Kalani Glanzmann, Massimo Jampen und Sascha Zangger liefern ein feine Reportage über einen spektakulären Nachtberuf, den Tunnelbauer.

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Wir drei besichtigten in der Nacht vom Montag einen sehr interessanten Beruf, den des Tunnelbauers. Was man anfangs sofort erwähnen sollte:  Unser ausserordentlich netter Führer, Herr Ranzijn, der Bauleiter des Tunnels, arbeitet normalerweise nicht in der Nacht. Er nahm sich extra für uns Zeit. Hierfür möchten wir uns noch einmal herzlichst bedanken.

Frau Roth fuhr uns mittwochs gegen 22.00 Uhr mit dem Auto direkt vor den A5-Pavillon (A5 – Autobahn zwischen Solothurn und Biel). Im ersten Stock brannte Licht, dort wartete Herr Ranzijn bereits auf uns. Wir klopften an die Tür und ein junger, fröhlicher Herr öffnete. Er begrüsste uns herzlich und bot uns ein Glas Wasser an. Weil wir ein wenig aufgeregt waren, beschlossen wir erst einmal, unseren Durst zu löschen. Jetzt wollten wir es aber schon wissen! Wo sind wir hier?

Dazu meinte er, dass es in der Tat kaum noch Schweizer gebe, die meisten seien Östreicher, Deutsche und Portugiesen.

Die Modelle waren eindrücklich.

Anhand von Modellen konnte er uns erklären, wie das riesige Projekt läuft. Also wechselten wir in den obersten Stock. In diesem Raum waren die verschiedenen Modelle, Zeichnungen und Pläne ausgestellt. Herr Ranzijn erzählte uns eine Unmenge äusserst interessanter Dinge über diese riesige Baustelle. Es handelte sich um die sogenannte Ostumfahrung der Stadt Biel. Es war wirklich faszinierend, diese grossen Modelle vor sich zu haben. Ein Objekt  zeigte die gigantische Bohrmaschine. Der Bereich des Tunnels war im Modell sicher zwei Meter lang und bis in jedes Detail genau nachgebaut. Ein anderes stellte die Seite von Bözingen (Quartier in Biel) dar, dort, wo sich die andere Seite des Tunnels befand. Wir sahen also, wie es nach dem mehrjährigen Bau einmal aussehen sollte, mit all den Auf- und Abfahrten und dem Tunnel. Nachdem wir alles genau unter die Lupe genommen hatten, zeigte uns Herr Ranzijn noch einen kurzen Film. Der Film beschrieb allgemein das Projekt, und behandelte nicht speziell die Nachtarbeit. Kurz darauf kamen wir dann wirklich mit der Nachtarbeit in Berührung. Er gab uns Stiefel, eine Regenjacke und einen Helm. Dies war wirklich lustig, wir fühlten uns wie richtige Bauarbeiter. Als wir umgezogen waren, ging es mit dem Auto auf die Baustelle. Aber irgendwie war da kein Arbeiter im Einsatz. Nach kurzem Suchen kamen einer nach dem anderen dann plötzlich aus der Maschine heraus. Was auffällig war, wir konnten keine Schweizer ausmachen. Also fragten wir unseren Führer danach. Dazu meinte er, dass es in der Tat kaum noch Schweizer gebe, die meisten seien Östreicher, Deutsche und Portugiesen. Nun standen wir vor dieser riesigen Maschine, endlich, es war unglaublich! Dann dieser ohrenbetäubende Krach, als die Maschine sich in Bewegung setzte und sich in die Felswand frass. Wir sahen das in grossem Abstand und dachten uns, wie es wohl für die Arbeiter sei, die sich näher an der Bohrung befinden.

Er arbeitet immer Blockweise, sieben Tage nachts und dann sieben Tage tagsüber. Anschliessend darf er für eine Woche zurück zu seiner Familie nach Deutschland reisen.

Mit den Arbeitern in den Tunnel fahren

Anschliessend betraten wir den Tunnel. Dieser war ein unglaubliches Monster. Mit 12,5 Meter Durchmesser ging es in den Berg hinein. Drinnen, im Schutz vor dem Regen, besprachen wir noch kurz einige Fragen. Danach suchten wir einen Arbeiter auf, der sie uns beantworten sollte. Da kamen wir an einer kleinen Eisenbahn vorbei, welche die Arbeiter an die Bohrmaschine im Berg transportierte. Wieso nicht ein kleines Erinnerungsfoto? Wir stiegen auf und Herr Ranzijn knipste ein, zwei Mal.

So, nun wollten wir uns aber wirklich dem eigentlichen Thema “Nachtarbeit” widmen. Der Kranfüher Hermann Josef Fischer nahm sich kurz für uns Zeit. Seine Arbeit war sehr intensiv, deswegen fielen seine Antworten knapp aus. Doch wir konnten ein paar interessante Dinge notieren. Herr Fischer arbeitet seit vier Jahren auf dem Bau als Kranführer. Er arbeitet immer blockweise, sieben Tage nachts und dann sieben Tage tagsüber. Anschliessend darf er für eine Woche zurück zu seiner Familie nach Deutschland reisen. Er meint, dass dies keine Auswirkungen auf seine Familie und seinen Freundeskreis habe, denn wenn er nicht da sei, gebe es ja auch keine Probleme. Als wir ihn fragten, ob er weniger Freunde als andere hätte, gab er lauthals lachend zurück: „Nein, sicher nicht!“ In der Nacht zu arbeiten, sei viel schwieriger als am Tag, schon allein deswegen, weil man nicht immer alles sehe und man immer aufpassen müsse, wohin man trete.

Deswegen müsse man in der Nacht auch konzentrierter als am Tag arbeiten. Vor allem im Sommer arbeite er gerne in der Nacht, dann sei es sehr angenehm. Doch im Winter, wenn es kalt sei, es regne und schneie, sei das schon nicht so einfach. Auf die Frage, was der Unterschied sei, in der Nacht zu arbeiten, gab er trocken zurück: „Die Dunkelheit!“

Mit der Arbeit hält er sich wach. Energy Drinks und solches gibt es bei ihm nicht. Die Nachtschicht beginnt er um acht Uhr abends und beendet sie um vier Uhr morgens.

Wenn er in der Nacht arbeitet, bekommt er etwa ein oder zwei Franken mehr pro Stunde. Glücklicherweise hat er an Weihnachten frei. Er meinte, dass er den Beruf noch 9 Jahre machen wolle, dann sei er pensioniert. Auf der Baustelle esse er wenig, ab und zu ein Sandwich oder dergleichen. Eigentlich schlafe er gut. Doch in der ersten Nacht nach der Umstellung habe er Mühe. Mit der Arbeit halte er sich wach. Energy Drinks und solches gebe es bei ihm nicht. Die Nachtschicht beginne er um acht Uhr abends und beende sie um vier Uhr morgens. Einmal in ein Restaurant oder ins Kino zu gehen, komme bei ihm nicht in Frage. Wenn er hier sei, dann zum Arbeiten. Nur zum Arbeiten … kein Freizeitvergnügen. Er verdiene hier gut, seine Familie habe in Ostdeutschland ein kleines Haus erworben. Er freue sich immer, wenn er zurückkehren dürfe. Keine gesundheitliche Schäden? Nein, antwortete er, es gehe ihm gut. Man müsse einfach sehr diszipliniert sein, vor allem beim Schlafen.

Wie schon erwähnt, ist seine Haupttätigkeit Kranführer. Und diese Arbeit gefällt ihm sehr. Dann musste er wieder zur Arbeit und wir verabschiedeten uns.

Der Tunneleingang: 12,5 m Durchmesser

Jetzt war wieder Herr Ranzijn am Zuge und er fragte, ob wir noch Lust hätten, den Bohrkopf anzuschauen. Natürlich hatten wir Lust und so fuhren wir mit Herrn Ranzijn nach Brüggmoos, wo der Bohrkopf bereit für den Transport in der Nacht vom Donnerstag lag. Dann soll er mit einem Schwertransportlastwagen und einer Polizeieskorte zurück nach Bözingen gefahren werden, um dort noch den anderen Tunnel zu bohren. Es war für uns unglaublich, welch riesige Maschinen hier im Einsatz waren. Der Bohrkopf war gewaltig. Das hätten wir uns nie im Leben vorstellen können. Die Stimmung im Tunnel war ruhig und wir hatten nicht das Gefühl, dass die Arbeiter irgendwie missmutig waren. Im Gegenteil, sie schienen stolz auf ihre Arbeit zu sein. Es gab trotz aller Maschinen immer noch Leute, die mit der Hand und der Schaufel arbeiten mussten. Langsam schlich sich bei uns auch die Kälte in die Kleider, denn wir standen ja nur herum. Es wehte ein kühler Wind. Herr Ranzijn, der inzwischen mit vielen Leuten gesprochen hatte, kam wieder zu uns zurück. Es war bereits 1.00 Uhr morgens. In der Schule warteten eine Suppe und  heisse Würstchen auf uns. Herr Ranzijn packte uns ins Auto und fuhr uns direkt vors Schulhaus. Er ist ein aufgestellter fröhlicher Mann, der uns die Sache hervorragend erklärt hat.

Nachtreprotage von Kalani Glanzmann, Massimo Jampen, Sascha Zangger

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Das Nachtprojekt – ein Highlight in der Berufswahlvorbereitung https://condorcet.ch/2021/11/das-nachtprojekt-ein-highlight-in-der-berufswahlvorbereitung/ https://condorcet.ch/2021/11/das-nachtprojekt-ein-highlight-in-der-berufswahlvorbereitung/#respond Mon, 29 Nov 2021 17:18:50 +0000 https://condorcet.ch/?p=9950 Fabian Bütikofer und Christoph Schneeberger stellen der Condorcet-LeserInnenschaft ein packendes Projekt vor, das sie als festen Bestandteil der Berufswahlvorbereitung in die Planung aufgenommen haben. Das Nachtprojekt erfreut sich bei den Schülerinnen und Schülern grosser Beliebtheit und bietet gute Lerneffekte.

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Christoph Schneeberger, Lehrer Sekundarstufe 1: Umfangreiche Vorarbeiten.
Fabian Bütikofer, Lehrer Sekunarstufe 1: So viele Nachtberufe.

Den Tag zur Nacht machen. Viele Schulen kennen das bereits. Sie organisieren Filmnächte, Schüler beschliessen, in der Schule zu schlafen, Lehrkräfte veranstalten eine Lesenacht, die Jugendarbeiter bieten sogenannte Nachtevents wie Basketballnights im Sportbereich an.

Im Rahmen der Berufswahlvorbereitung haben wir uns dazu entschlossen, drei Nächte lang den Unterricht in die Nacht zu verlegen.

Die Idee dabei war, dass die Schülerinnen und Schüler mit Nachtarbeit in Berührung kommen, also ganz konkret Nachtberufe kennenlernen, andererseits aber auch selber die Wirkung nächtlicher Arbeit am eigenen Leibe erfahren.

Das Nachtprojekt haben wir an unserer Schule bereits dreimal durchgeführt und es erfreut sich grosser Beliebtheit. Wir schätzen vor allem auch den Lerneffekt und das Gemeinschaftserlebnis als sehr hoch ein, weshalb wir der Leserschaft des Condorcet-Blogs dieses Konzept kurz erklären wollen. Ebenfalls bieten wir Ihnen einige hilfreiche Dokumente zur Vorbereitung eines solchen Vorhabens an.

  1. Bedingungen

Das Projekt ist aufwändig, keine Frage. Es muss gut vorbereitet sein. Unabdingbar ist, dass die Schulleitung, das Kollegium und der Hausdienst es unterstützen. Neben den Klassenlehrkräften benötigen wir auch Speziallehrkräfte, die bereit sind, während der Nacht in die Schule zu kommen, und sei es nur für einen Teileinsatz. Die unmittelbare Nachbarschaft der Schule muss ebenfalls informiert werden. Das erspart unnötige Polizeikontrollen. Auch sind wir nicht nur auf das Einverständnis der Eltern angewiesen, sondern auch auf ihre aktive Mithilfe. Wir benötigen sie für Taxidienste und auch für die Vermittlung von Nachtberufen, die wir begleiten können. Einen Vorschlag für den Elternbrief finden Sie hier: Elternbrief Nachtprojekt März 20-1

  1. Vorbereitung

Das Nachtprojekt sollte in die Jahresplanung einbezogen werden. Ideale Zeitpunkte sind der November oder der März. Einen Monat vor Beginn des Unterfangens werden die Eltern in einem Schreiben informiert (nachdem sie bereits an einer Elternversammlung darauf hingewiesen wurden). Die Teilnahme ist freiwillig, Schüler, die nicht an dem Projekt mitmachen wollen oder es nicht dürfen, besuchen den Normalunterricht in einer anderen Klasse. Es hat sich allerdings bis jetzt nie eine Schülerin oder ein Schüler abgemeldet.

  1. Der Auftrag – die Nachtreportage

Je nach Anzahl der Nachtberufe, die wir im Vorfeld organisieren konnten, bilden wir 2er oder 3er-Gruppen. Diese begleiten dann eine Person während mindestens zweieinhalb Stunden, beobachten, stellen Fragen und machen ein Interview. Daraus entsteht eine Reportage mit dem Titel: Eine Nacht im Leben der Buschauffeuse Jeanette Schilling (Beispiel)

Die Schüler und Schülerinnen werden zuvor während des Deutschunterrichts mit dem Wesen und den Regeln der Reportage vertraut gemacht. Es gibt für die Abgabe einheitliche Kriterien bezüglich Layout, Bildmaterial und Aufbau.

Es ist nicht nur für die Schüler, sondern auch für uns Lehrkräfte immer wieder erstaunlich zu sehen, wie viele berufliche Tätigkeiten in der Nacht durchgeführt werden.

  1. Was sind Nachtberufe?
Auf der Nachtredaktion des Bieler Tagblatts. Hier konnten die Schüler eine Reportage über ihr Nachtprojekt erstellen und es am morgen früh im Lokalradio präsentieren.

Im Gesetz ist die Nachtarbeit zwischen 23.00 – 6.00 Uhr definiert und grundsätzlich verboten. Für berufliche Tätigkeiten in diesem Zeitraum müssen Bewilligungen eingeholt werden. Für dieses Projekt legen wir die Nachtarbeit von 20.00 – 4.00 Uhr fest, also angepasst an die Zeit, in der die Schüler und Schülerinnen offiziell bei uns in der Schule oder eben auf Nachtreportage sind.

Es ist nicht nur für die Schüler, sondern auch für uns Lehrkräfte immer wieder erstaunlich zu sehen, wie viele berufliche Tätigkeiten in der Nacht durchgeführt werden. Hier eine kleine Auswahl der Berufe, die unsere Schüler besucht haben:

Polizei, Tankstellenverkäuferin, Bäcker, Krankenschwester, Schauspieler, Pizzakurier, Buschauffeur, Taxifahrer, Notfalldienste, Feuerwehr, Servicefachangestellte, Sozialarbeiter im Sleep-In, Tunnelarbeiter, SBB-Gleisreparateure, Arbeiter in der Zuckerfabrik, Stellwerkkontrolleure bei der SBB, Lokomotivführer, Fluglotsen, Securitas, Toilettenreiniger, Koch, Arbeiter im Strassenbau, Stahlwerkarbeiter, Radiojournalist …

  1. Wie müssen die Berufe ausgesucht werden?
Nicht alle Polizisten sind begeistert von der Idee, Schülerinnen auf der Patrouille mitzunehmen.

Die Vermittlung der Nachtberufe erfordert viel Zeit und geht nicht ohne persönliche Kontakte. Gerade bei Berufen wie Securitas oder in sozialen Institutionen sind Begleitungen nicht ohne Weiteres möglich. Eine starke Ressource bilden die Eltern. In der Regel organisieren sie einen Viertel der Einsätze. Bei Besuchen in Spitälern oder Altersheimen muss beachtet werden, dass ein Mitgehen zu den Patienten nicht möglich ist.

  1. Taxidienst

Bis 23.00 Uhr können die Schülerinnen und Schüler selbständig zu den ihnen zugeteilten Nachtberuf oder wieder in die Schule zurückkehren. Danach müssen wir einen Taxidienst organisieren. Der wird von uns Lehrkräften aber auch von Eltern garantiert, die diesem Projekt ohnehin sehr positiv gegenüberstehen.

  1. Was läuft sonst noch in der Nacht?
Schüler beim Bau eines Skischlittens: Kreativaufträge sind gefragt.

Es ist ausgesprochen wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler eine Struktur haben. Im Zentrum steht natürlich die Fertigstellung der Reportage. Daneben haben sie aber auch andere Aufträge, an denen sie arbeiten. Schliesslich haben wir einen Wahlpflichtbereich angeboten. Da die Schule leer ist und somit alle Spezialräume frei zur Verfügung stehen, sollte man dies nutzen. So gibt es eine Kochgruppe, die das Essen um Mitternacht vorbereitet, eine Sportgruppe, die ein Spielturnier organisiert, einen Werkauftrag oder ein Gestaltungs- oder Musikprojekt. Manchmal bieten auch Eltern etwas an, wie zum Beispiel der Vater, der mit einer Gruppe Mehl hergestellt und Brot gebacken hat. Das Nachtprojekt eignet sich auch sehr für Einheiten im selbstorganisierten Lernen. Die Schülerinnen und Schüler müssen ein Arbeitsjournal führen.

 

  1. Wie sieht die Organisation aus?

Es ist ratsam, so ein Nachtprojekt innerhalb eines Jahrgangs zu organisieren. Allerdings sind 60 Schülerinnen und Schüler eine maximale Grenze. In der Schule selber herrscht jeweils ein Kommen und Gehen. Daher ist auch das Arbeitsjournal sehr wichtig. Die Schüler kommen um 20.00 Uhr in die Schule und verlassen diese um 5.00 Uhr morgens Um Mitternacht haben sie eine Stunde lang Pause. Auch 4.00 Uhr wäre möglich. Je nach Ort muss die Heimkehr am frühen Morgen begleitet werden.

Die gesammelten Nachtreportagen können auszugsweise bei uns geordert werden unter info@condorcet.ch.
  1. Wie viele Nächte sollte das Projekt dauern?

Ideal sind drei Nächte nacheinander: Dienstag-, Mittwoch-, Donnerstagnacht. Auf keinen Fall sollte man mehr als drei Nächte vorsehen. Das schaffen weder die Schülerinnen und Schüler noch die Lehrpersonen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass es auch mit zwei Nächten geht.

Die gesammelten Nachtreportagen können in einem Magazin präsentiert oder auf der Homepage der Schule aufgeschaltet werden.

In den folgenden Beiträgen stellen wir Ihnen einige Reportagen vor. Ausserdem finden Sie hilfreiche Links zu unserem Projekt, das wir wärmstens zur Nachahmung empfehlen.

Links: Arbeitsgesetz

 

 

 

 

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Reaktionen auf den PUSA-Beitrag des OSZ-Orpund https://condorcet.ch/2021/04/reaktionen-auf-den-pusa-beitrag-des-osz-orpund/ https://condorcet.ch/2021/04/reaktionen-auf-den-pusa-beitrag-des-osz-orpund/#respond Mon, 19 Apr 2021 16:01:28 +0000 https://condorcet.ch/?p=8347

Der Bericht über die PUSA-Arbeiten am OSZ-Orpund haben viele positive Reaktionen ausgelöst. Vor allem freut es uns, dass auch Kolleginnen und Kollegen aus der Schweiz uns um Unterlagen gebeten haben. Der Schulverlag plus verweist auf ein neues Buch und auch eine Wiederaufnahme eines Schulwettbewerbs für Projektarbeiten ist angesagt.

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Vielfalt im Unterrichtsarrangement.

Hans Müller, ehemaliger Direktor des Staatlichen Lehrerseminars Biel, Didaktiklehrer (des heutigen Condorcet-Autors Alain Pichard) und Mitautor einer Lehrmittelreihe “Lernwelten” schrieb uns:

Danke für den Hinweis auf den Condorcet-Beitrag „PUSA: Ein ziemlich guter Jahrgang“. Ich habe ihn mit Interesse gelesen, und war – einmal mehr – beeindruckt von der geleisteten Arbeit der SchülerInnen, aber auch von den begleitenden Lehrern. Dazu gehört auch der Umgang mit Kritik und Selbstkritik. In dieser Hinsicht weiss ich, dass ihr das, was ihr von euren SchülerInnen erwartet, auch selbst lebst.
Wichtig scheint mir, wie ihr im Bericht hervorhebt, dass (auch) RealschülerInnen – gerade bei dieser Art von Lernen – Ausserordentliches zu leisten vermögen. Und ich ergänze – wohl in eurem Sinne: “…wenn die Schule ihnen dazu Gelegenheit gibt“. Dazu haben wir  ja auch die Arbeitshilfen entwickelt. Besonders berührt haben uns in all den Jahren gelungene Arbeiten von Realschülerinnen, die im Rahmen des Wettbewerbs „Projekt 9“ eingereicht wurden.
Ich hoffe, dass diese Art des Lernens an euer Schule, welche du,  Alain, über viele Jahre initiiert und mitgetragen hast, weitergepflegt werden wird.
Es handelt sich ja auch um eine Kultur des Lernens und Lehrens, die – wie die Pro- und Contra-Debatte des Condorcet-Blogs zeigt – auch viele zur Widerrede animiert hat (u.a. “Projektunterricht als Glaubenssatz des pädagogischen Mainstreams von Urs Kalberer). Als Vertreter eines moderaten Konstruktivismus war uns – und ich glaube auch dir – die Vielfalt des Unterrichtsarrangements immer sehr wichtig.
Charles von Graffenried, ehem.PH-Dozent und auch Mitautor der Lehrmittelreihe “Lernwelten” schrieb uns: “Der Beitrag hat mich doppelt gefreut: Erstens gefällt mir euer Projekt sehr und erinnert mich an schon 10 und mehr jahre zurückliegende Zeiten. Die Selbständigen Arbeiten und Gruppenprojekte waren für mich immer Glanzlichter in meinem Lehrerdasein. Und zweitens hat es mich gerührt, dass ihr Hans und mich als “Samen-legrer” eures heutigen Projektunterrichts bezeichnet.”
Ein praktisches Handbuch für Projektarbeiten.

Natürlich möchten wir es an dieser Stelle nicht versäumen, auch auf das Lehrmittel des Schulverlags plus hinzuweisen. Wenn man die ab und zu etwas penetrante Reformrhethorik überliest, findet man hier doch einige sehr praktische und nützliche Anleitungen.

Ganz besonders freut es uns, dass Christian Graf und die PH Luzern eine Art Neuauflage des ehemaligen PUSA-Wettbewerbs anbieten.
Nähere Informationen finden Lehrpersonen unter:  www.projekt9.schule.

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PUSA: Ein ziemlich guter Jahrgang https://condorcet.ch/2021/04/pusa-ein-ziemlich-guter-jahrgang/ https://condorcet.ch/2021/04/pusa-ein-ziemlich-guter-jahrgang/#respond Sat, 17 Apr 2021 02:58:06 +0000 https://condorcet.ch/?p=8307

Am 17.Februar stellten die Lehrkräfte Christoph Schneeberger, Fabian Bütikofer und Alain Pichard ihr PUSA-Projekt vor. PUSA (nicht zu verwechseln mit PISA) ist die Abkürzung von "Projektunterricht Selbständige SchülerInnenarbeit". Inzwischen sind die Arbeiten abgeschossen und beurteilt worden. Eine Ausstellung (unter Berücksichtigung der Corona-Sicherheitsmassnahmen) für die Eltern fand ebenfalls statt. Zeit für eine Bilanz.

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Die Klassenlehrkräfte Alain Pichard, Fabian Bütikofer, Christoph Schneeberger: Es ist eine Gratwanderung.

Von den 50 SchülerInnen des 9. Jahrgangs entschlossen sich sechs für eine Einzelarbeit. Die restlichen SchülerInnen arbeiteten in Zweiergruppen an ihrem selbstgewählten Projekt. Die Lehrkräfte hatten daher 28 Produkte und deren Dokumentation zu korrigieren und zu beurteilen. Eine dritte Note wurde für die ca. 5-minütige Präsentation vergeben.

Die 30 zur Verfügung stehenden Stunden wurden unterschiedlich genutzt.  Den Arbeitsjournalen (eine sehr intensive Überprüfungsarbeit seitens der Lehrkräfte) konnten wir entnehmen, dass im Grossen und Ganzen recht ordentlich mit der zur Verfügung stehenden Zeit umgegangen wurde. Fünf Arbeiten konnte man als klar ungenügend bezeichnen.

Was uns besonders freut: Mehrere hervorragende Projekte wurden durch RealschülerInnen produziert.

Alle Jahre wieder: Probleme bei der Dokumentation

Der Rest war zufriedenstellend bis gut. Überdurchschnittlich viele Projekte (insgesamt acht) wurden von uns als hervorragend beurteilt. Was uns besonders freut: Mehrere hervorragende Projekte wurden durch RealschülerInnen produziert. Wie immer stellte die Erstellung der Dokumentation mit klaren Formatierungsvorgaben (Inhaltsverzeichnis, Kopfzeile, Seitenzahl, Anhang und ein vorgeschriebener Aufbau usw.) die Schüler vor Probleme. Allerdings wurde die Erstellung von Dokumentationen schon vorher mehrfach eingeübt. Es war also nicht das erste Mal, dass die SchülerInnen diesen Auftrag nach rigiden Vorschriften erstellen mussten. Einen besonderen Wert setzten wir – anders als in früheren Projekten – auf die Sprache und die Rechtschreibung. Diesbezüglich ungenügende Dokumentationen konnten allerdings noch einmal überarbeitet werden (beinhaltete allerdings eine Osterarbeit).

Vielfältige Projekte

Joana und Joya bauten eine Lounge.
Enea und Davide bauten einen Motorradunterstand aus Metall.

Joana und Joya bauten eine Lounge für das Atrium unserer Schule. Enea und Davide schweissten einen Unterstand für 8 Motorräder, Tim und

Tim und Sascha bauten einen mittelalterlichen Tribok.
Sedef malte ein Stillleben
Luna kreirte mit ihrem Partner Dardan einen Salsatanz
Michelle schrieb einen Fantasy-Roman in Englisch.

Sascha konstruierten einen Tribok, der einen Gegenstand mindestens 10 Meter weit schleuderte. Michelle schrieb einen Fantasy-Roman auf Englisch, Sedef gestaltete ein Stillleben und Dardan und Luna lernten die Tanzart Salsa mit Youtube-Tutorials kennen und kreierten einen Tanz, den sie aufnahmen.

Es wurde viel genäht und gehäkelt. Eine eigene Sweatshirt-Kreation von Michelle und Jessica, Pferdeutensilien von Marla und Noelie oder neugestaltete Jacken aus dem Abfall von Leilani und Samira.

Jana und Mara kreierten eine 4-stöckige Wintertorte.

Imposant war die 4-stöckige Wintertorte von Jana und Mara oder die grosse Weltkugel-Torte von Selina und

Anspruchsvolle und sehr erfolgreich waren die selber programmierten und gestalteten Videogames von Davide und von Massimo. Daran hatten nicht zuletzt auch unsere Lehrer grosse Freude. Ein Superprojekt gelang den beiden Realschülern Surya und Dardan. Sie holten sich eine demolierte Stossstange eines Autos und renovierten sie nach aller Kunst wieder vollkommen neu.

Auch Recherchier-Arbeiten standen hoch im Kurs. Elise stellt die 5 Weltreligionen vor und führte ausgiebige Interviews mit allen Vertretern dieser Glaubensrichtungen. Luana und Irina machten einen Selbstversuch: Eine Woche ohne Handys und soziale Medien. Leonie und Lara entschieden sich für eine vollkommen vegane Woche. Eine weitere Lara schrieb einen Bericht über Ihren Grossvater in der portugiesischen Diktatur und dessen Kriegseinsatz in Moçambique.

Grundsätzlich aber stellen sich die organisierenden Lehrkräfte die wichtigste Frage: Was haben die SchülerInnen in diesem Projekt gelernt?

Abgeschlossen wurde das Projekt mit einer (coronakonformen) Ausstellung für die Eltern und Behörden.

Die Rückmeldungen der SchülerInnen waren besser als in den vergangenen Jahren. Bemängelt wurde die knappe Zeit und ab und zu die fehlende Betreuung von uns Lehrkräften.

Beim letzteren Vorwurf handelt es sich um eine Gratwanderung. Wie viel sollen wir Lehrkräfte helfen, wann sollen wir einschreiten? Und ab wann ist das Projekt nicht mehr ein eigenständiges Projekt, das mit den erworbenen Ressourcen der SchülerInnen durchgeführt wurde?

Grundsätzlich aber stellen sich die organisierenden Lehrkräfte die wichtigste Frage: Was haben die SchülerInnen in diesem Projekt gelernt? Eine ganze Menge, wie die Rückmeldungen zeigen. Zeiteinteilung, Fokussierung, Arbeitsteilung, mit Termindruck umgehen können, Dokumentation erstellen, Arbeitsjournal führen, Budget erstellen u. v. m.

Wertvolle Erkenntnisse

Und auch für uns Lehrkräfte bringt dieses Projekt wertvolle Erkenntnisse. So müssen sich die Werklehrkräfte die Frage gefallen lassen, weshalb viele SchülerInnen einfachste Holzverbindungen nicht mehr bewerkstelligen können, ohne die Lehrkräfte zu fragen. Die Deutschlehrer müssen – wieder einmal – zur Kenntnis nehmen, dass viele SchülerInnen nicht in der Lage sind, nach neun Schuljahren eine einigermassen anständige Produktbeschreibung sprachlich hinzukriegen und die Mathelehrer müssen wohl das Kapitel «Pläne und Massstab» noch einmal repetieren.

Wir sind gespannt, welche Ergebnisse und Entdeckungen wir in der nächsten PUSA-Runde machen können.

Christoph Schneeberger, Fabian Bütikofer, Alain Pichard

Unterlagen zu diesem Projekt können bestellt werden unter arkadi@bluemail.ch.

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PUSA: Projektunterricht Selbständige Schüler- und Schülerinnenarbeiten https://condorcet.ch/2021/02/pusa-projektunterricht-selbstaendige-schueler-und-schuelerinnenarbeiten/ https://condorcet.ch/2021/02/pusa-projektunterricht-selbstaendige-schueler-und-schuelerinnenarbeiten/#respond Wed, 17 Feb 2021 11:20:28 +0000 https://condorcet.ch/?p=7769

Im vergangenen Sommer gab es auf diesem Blog einen Streit um den Projektunterricht bzw. die selbständige Schülerarbeit. Condorcet-Autor Urs Kalberer eröffnete den Reigen mit einer scharfen Kritik an diesem Unterrichtskonzept. Alain Pichard, ein Anhänger des Projektunterrichts, konterte, die Kollegen Amstutz und Wittenberg zogen nach und kritisierten wiederum den Beitrag von Alain Pichard. Nun ist es wieder an Alain Pichard, seinen Kollegen und vielleicht auch der LeserInnenschaft die Selbständige SchülerInnenarbeit schmackhaft zu machen.

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Alain Pichard. Lehrer Sekundarstufe 1, Orpund (BE): PUSA ist ein Höhepunkt.

Im OSZ-Orpund ist es wieder einmal so weit. Die PUSA-Projekte stehen an. Unsere Schule führt dieses grossangelegte Projekt einer selbständigen SchülerInnenarbeit immer in der 9. Klasse durch. Wie ich in meinem Beitrag vom 4.9.20 (https://condorcet.ch/2020/09/einspruch-kollege-kalberer-projektunterricht-ist-eine-koenigsdisziplin/) beschrieben habe, stehen in meinem Unterricht selbständige SchülerInnenarbeiten hoch im Kurs. Und so ist dieses PUSA-Projekt natürlich nicht das einzige, welches meine SchülerInnen in den vergangenen zweieinhalb Jahren in Angriff nehmen durften oder mussten. An der Selbständigkeit wurde bereits von der 7. Klasse an gezielt mit niederschwelligen Projekten gearbeitet. Das PUSA-Projekt der 9. Klasse ist von seiner Dimension und seinen weitgehenden Freiheiten, die wir den SchülerInnen zugestehen, das aufwändigste. Dabei gingen wir nach dem PUSA-Konzept des Lehrverlags plus vor, das von meinem ehemaligen Didaktiklehrer Hans Müller und seinem Team ausgearbeitet wurde.

Zeitweise gab es schweizerische Wettbewerbe, an denen auch das OSZ-Orpund teilnahm.

Vor rund zwei Wochen wurden SchülerInnen und Eltern über das bevorstehende Projekt informiert.

Wir erklärten den 52 Schülerinnen und Schülern aus drei Klassen unsere Erwartungen an sie.

  1. Ihr wählt euer Thema selber.
  2. Ihr organisiert euch, plant und arbeitet selbständig.
  3. Ihr präsentiert euer Produkt.
  4. Ihr dokumentiert eure Arbeit.

Total 30 Stunden

Zur Verfügung stehen den SchülerInnen sechs volle Schultage in zwei Blöcken (jeweils Mittwoch – Freitag). Das sind rund 24 volle Stunden. Die Arbeitszeit zu Hause berechnen wir mit 6 Stunden. Das ergibt total 30 Stunden, die den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen. Im Vergleich zu früheren Jahren ist diese Stundenzahl etwas geringer, da wegen der Coronasituation auch die Bewegungsfreiheit und die Themenwahl eingeschränkt ist. Erlaubt sind Team- und Einzelarbeiten. Heuer haben sich rund ein Fünftel der Schüler für eine Einzelarbeit entschieden. Die Schülerinnen und Schüler müssen ein Logbuch führen.

PUSA-Projekt 2017: Bastelnachmittag für die Jüngsten

Sie erhielten zunächst eine Woche Zeit, sich ein Projekthema zu wählen. In einem Gespräch mit den Klassenlehrkräften einigte man sich auf den Projektinhalt, bestimmte die Ziele, präzisierte und optimierte, wo nötig. Darauf wurden die Vereinbarungen formuliert und von Schülern, Eltern und der zuständigen Lehrkraft unterschrieben.

Für jedes Schülerprojekt ist eine Lehrkraft verantwortlich. Dabei helfen auch die Fachlehrkräfte (Bildnerisches Gestalten, Sport oder Technisches Gestalten) mit.

Die Themen sind jeweils sehr vielfältig und zum Teil auch überraschend.

PUSA-Projekt 2017:
Dreistöckige Torte, schwieriger als vermutet.

Vom mittelatlerlichen Katapult, zur Fantasygeschichte, vom Selbstexperiment zum Pokerspiel

Eine Knabengruppe möchte ein Modell eines mittelalterlichen Katapults bauen, das funktionstüchtig 10 Meter weit schiessen soll. Ein Mädchenteam baut eine Lounge aus Recyclingmaterial und Paletten. Ein Zucker-Ernährungsprojekt, ein Selbstexperiment ohne digitale Medien, das Schreiben einer Fantasy-Geschichte, das Nähen eines Zweiteilers, das Filmen eines Salsa-Projekts, das Backen einer dreistöckigen Hochzeitstorte, mathematische Berechnungen zum Pokerspiel und deren Anwendungen sind einige Beispiele aus dem breiten Interessenfundus unserer Schülerinnen und Schüler. Am 24. Februar geht es los. Über Verlauf und Resultate und vor allem über die mühselige Arbeit der Erstellung einer Dokumentation werden wir Sie laufend informieren.

Rückmeldungen zu PUSA 2017

Noch ein Blick zu den vergangenen PUSA-Projekten 2017. Von 33 eingegebenen Projekten wurden zwei nicht fertiggestellt. 82% der SchülerInnen gaben an, alle ihre Ziele erreicht zu haben. 6% nicht. 53% hätten gerne wieder ein solches Projekt gemacht, 24% verneinten dies.

67% hatten ihr Zeitmanagement im Griff.

31% hatten Probleme.

67% fanden das Projekt anstrengend.

80% der Gruppen funktionierten gut.

20% hatten Probleme in der Zusammenarbeit.

6 Leute würden nicht mehr mit dem gleichen Partner arbeiten.

Als negativ wurde vor allem die Arbeit an der Dokumentation bewertet.

Anzufügen ist noch, dass ein solches Projekt nur stattfinden kann, wenn das Jahrgangsteam dahintersteht. Deshalb gilt mein Dank auch meinen Kollegen Fabian Bütikofer und Christoph Schneeberger, welche die Parallelklassen als Klassenlehrer führen. Und natürlich auch den Fachlehrerinnen, welche einzelne Projekte betreuen.

Dokumente und Anleitungen können bezogen werden unter arkadi@bluemail.ch – Stichwort PUSA 21.

 

 

 

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Projektunterricht als Glaubenssatz des pädagogischen Mainstreams https://condorcet.ch/2020/09/projektunterricht-als-glaubenssatz-des-paedagogischen-mainstreams/ https://condorcet.ch/2020/09/projektunterricht-als-glaubenssatz-des-paedagogischen-mainstreams/#comments Thu, 17 Sep 2020 04:27:05 +0000 https://condorcet.ch/?p=6398

Mit der Widerrede Urs Kalberers auf die Kritik von Alain Pichard (Projektunterricht ist eine Königsdisziplin) beschliessen wir vorläufig die Diskussion um die Vorzüge und Nachteile des Projektunterrichts. Kommentare sind allerdings jederzeit willkommen.

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wertvolle Bausteine für die Entwicklung des Selbstwertgefühls.

Tiefe emotionale Erlebnisse, besonders auch im musisch-kreativen Bereich, sind wertvolle Bausteine für die Entwicklung des Selbstwertgefühls und der Persönlichkeit jedes Schülers. Es gibt gute Gründe für Gruppenarbeit und Schulprojekte. Diese aber zu einem pädagogischen Konzept zu überhöhen, halte ich für einen gefährlichen Irrtum.

An vielen Schulen herrscht das Primat des selbständigen Arbeitens (damit verbunden sind Projekte, erforschendes Lernen, selbstorganisiertes Lernen, schülerzentrierter Unterricht usw.). Der Lehrer übergibt die Verantwortung fürs Lernen an seine Schüler und steht nur noch beratend zur Seite.

Das Individuelle soll gegenüber dem Allgemeinen gefördert werden: So tönt der aktuelle pädagogische Mainstream.

Schülerinnen und Schüler lernen mehr, wenn sie im Klassenunterricht geführt werden.

Nun gibt es immer mehr Schulen, deren Schüler miserable Kenntnisse vorweisen können. Gerade solche Schulen rühmen sich gegenüber Eltern und in den Medien, besonders gezielt in die individuellen Stärken ihrer Schüler zu investieren. Das Individuelle soll gegenüber dem Allgemeinen gefördert werden: So tönt der aktuelle pädagogische Mainstream. Dabei fällt auf, dass nicht nur schwache Schulen, sondern auch schwache Schüler Projektunterricht bevorzugen. Das Problem ist, dass sie dabei aber weniger lernen als bei geführtem Klassenunterricht. Eine Reduktion der direkten Instruktion zugunsten einer individuellen Förderung schadet also besonders den schwachen Schülern, wie Hattie betont. Und Liessmann hat diese «Rhetorik der Individualität» als das Konzept des jungen Menschen als Humankapital entlarvt.

Wie kann man allgemeingültige Standards einhalten, wenn ein Viertel der Unterrichtszeit (Klasse Alain Pichard) quasi schülerbestimmt sind?

Die Individualisierung scheint auch für den Lehrplan 21 kein Problem zu sein, obwohl ein Lehrplan grundsätzlich ein Standardisierungsinstrument sein sollte. Wie kann man allgemeingültige Standards einhalten, wenn ein Viertel der Unterrichtszeit (Klasse Alain Pichard) quasi schülerbestimmt sind?

Condorcet würde sich im Grabe umdrehen.

Besonders pikant ist, dass Pichard ganz nebenbei auch seinem Vorbild und Namensgeber dieses Blogs widerspricht. Condorcet, der Vorreiter der modernen Schule, drehte sich wohl zu Recht in seinem Grab, wenn man in seinem Namen die Wohltaten der Individualisierung hochleben liesse. Condorcet war ein Kämpfer eines egalitären Curriculums für arm und reich. Uniformität war das Qualitätssiegel der französischen Grundschule, die einen hervorragenden Ruf besass und insbesondere als soziale Klammer eine wichtige Funktion in der französischen Gesellschaft innehatte. Mit der Betonung des selbständigen Lernens in sogenannten «projets» kam in Frankreich der Bruch und der dramatische Absturz.

Das Argument, durch jahrelange Indoktrination in den PH vorbereitet, ist folgendes: Das Ziel der Schule sei nicht in erster Linie der Wissensaufbau in den klassischen Schulfächern. Es gehe vielmehr darum, durch selbstorganisiertes Lernen und Projekte möglichst lebensnahe Probleme zu lösen. Denn wie im wirklichen Leben seien die Herausforderungen

Ziel ist nicht mehr der Wissensaufbau.

nicht nach Schulfächern etikettiert, fächerübergreifendes Denken und Handeln sei gefragt. In der Theorie der Promotoren des Projektunterrichts lautet die Formel: Damit die Schüler lernen, wie Wissenschafter, Geschäftsführer oder Politiker zu denken, müssen wir ihnen Aufgaben liefern, bei denen sie wie diese Experten denken müssen.

Doch Schulabgänger (geschweige denn Primarschüler) sind keine Experten.

Doch Schulabgänger (geschweige denn Primarschüler) sind keine Experten. Bloss so zu tun, als seien sie Experten oder Sachverständige macht sie noch lange nicht zu solchen. Langjährige Berufs- und Lebenserfahrung lässt sich nicht einfach für die Schule imitieren. Dies bedeutet nicht, dass es falsch wäre, Schüler auf das Lösen von Problemen vorzubereiten. Das ist ein legitimes Ziel, doch es sollte nicht auch der Weg zum Ziel sein. Schülerzentrierter Unterricht untergräbt die entscheidende Rolle des Lehrers im Unterricht. Erst die sorgfältig geleitete Instruktion macht Kinder zu unabhängigen Lernern. Mit anderen Worten: Wenn das Lernziel «selbständiges Lernen» lautet und die Methode dazu möglichst viel selbständiges Lernen ist, dann kann es nicht klappen, denn das Ziel und die Methode dazu können nicht gleich sein.

Ausserdem ist es nicht legitim, direkte Instruktion mit Dozieren gleichzusetzen und damit den Schülern passives Konsumieren zu unterstellen. Lehrergeführter Unterricht ist sehr erfolgreich, bei Hattie wird er in der Wirksamkeit nur von Feedback und der Unterrichtsqualität übertroffen. Beide Faktoren stehen nicht im Widerspruch zu lehrergeführtem Unterricht – sie sind sogar Bestandteil davon.

Wenn das Lernziel «selbständiges Lernen» lautet und die Methode dazu möglichst viel selbständiges Lernen ist, dann kann es nicht klappen, denn das Ziel und die Methode dazu können nicht gleich sein.

Hüten wir uns also vor dem Dogma des Projekt- oder Gruppenunterrichts als pädagogischem Allzweckheilmittel. Es gibt genügend Hinweise darauf, dass die Wirkung überschätzt wird und dass darunter besonders die schwachen Schüler leiden.

Literatur

Hattie John, Visible Learning

Liessmann Paul Konrad, Bildung als Provokation

 

 

Urs Kalberer, 6. September 2020

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Einspruch: Nicht Projektunterricht, sondern Unterricht ist eine Königsdisziplin https://condorcet.ch/2020/09/einspruch-nicht-projektunterricht-sondern-unterricht-ist-eine-koenigsdisziplin/ https://condorcet.ch/2020/09/einspruch-nicht-projektunterricht-sondern-unterricht-ist-eine-koenigsdisziplin/#respond Sat, 12 Sep 2020 19:26:49 +0000 https://condorcet.ch/?p=6370

In seinem Beitrag «Einspruch, Kollege Kalberer: Projektunterricht ist eine Königsdisziplin» widerspricht Condorcet-Autor Alain Pichard der dort skizzierten Kritik am konstruktivistischen Lernkonzept. Hier der Einspruch zu Alain Pichards Einspruch! Lutz Wittenberg

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Lutz Wittenberg, TG, Berufsschullehrer: Mehr ideologisch als sachlich motiviert

Vorab: Wir sind alle Kinder unserer Zeit und nicht gefeit, unreflektiert auf der Zeitgeistwelle zu surfen. Und wir haben die Aufgabe, darauf hinzuweisen, wenn jemand dies tut. Alain Pichard macht das zweifelsohne in vorbildlicher Art. Selbstverständlich ist aber auch er nicht gefeit vor interpretativen Verzerrungen unserer Zeit.

Der Vernunft folgend, war auch ich mit meiner Familie in diesen Sommerferien in der Schweiz unterwegs, unter anderem im Nationalpark. Meine Kinder waren vor allem gespannt, ob sie wohl einen Adler sehen werden, aber leider blieben unsere Wanderungen in dieser wunderschönen Umgebung diesbezüglich erfolglos.

Schliesslich buchten wir eine geführte Wanderung ins Val Trupchun, in dem man fast immer verschiedene Wildtiere beobachten kann. Um den Sprachduktus von Alain Pichard aufzugreifen, «dozierte» der sympathische Führer fortwährend Interessantes zu Fauna und Flora der Bergwelt. Unter anderem konnten wir ausführlich Murmeltiere aus nächster Nähe betrachten, während die niedlichen Tiere immer wieder pfiffen.

Der Führer erläuterte uns dazu, dass Murmeltiere unterschiedliche Warnpfiffe von sich geben würden: Mehrfache, eher ruhige Pfiffe bedeuten Bodenalarm, z.B. wenn ein Fuchs oder ein Mensch sich nähert, so dass sich die Grossfamilie in die Bauten zurückziehen kann. Einmalige, kurze und eher vehemente Pfiffe stehen hingegen für Luftalarm, die ein sofortiges Flüchten wegen eines gesichteten Adlers auslösen. Deshalb sei es genau dann sinnvoll, nach oben zu schauen, um eventuell einen Adler beobachten zu können. Leider hörten wir solche Pfiffe während dieser Wanderung nicht.

Zum Glück hatte der Führer im Nationalpark so viel Interessantes «doziert».

Doch auf dem Heimweg pausierten wir auf dem Julier-Pass und liefen noch ein wenig durch die imposanten Berge. Plötzlich ertönt ein kurzer, scharfer Pfiff eines Murmeltiers. Meine Kinder schauten sofort nach oben und sichteten ein kreisendes Adlerpaar. Über eine Stunde hinweg verschwand es immer wieder hinter dem Gipfel und kam dann wieder – herrlich! Wir alle waren begeistert. Zum Glück hatte der Führer im Nationalpark so viel Interessantes «doziert».

Aber wie hat er eigentlich «doziert»? Oh Schreck – über weite Strecken auch theoretisch. Aber mit ausgeprägtem Bezug aufs Konkrete. Und hat er überhaupt «doziert»? Mit dem Hinweis auf den Luftalarm hat er uns die Werkzeuge in die Hand gegeben, wie wir uns selbständig die Natur aneignen können. Natürlich hat er uns nicht nur ein Bild eines Adlers gezeigt oder gar auf dem Computer einen gezeigt, sondern hat ausführlich und lebendig von ihm erzählt. Er war selbst tief beeindruckt von den Wundern der Natur, und unsere Begeisterung ist an seiner noch gewachsen. Auch dadurch sind wir auf immer weitere Fragen gestossen, das heisst, unser Interesse und unsere Aktivität wurden stark unterstützt.

Alain Pichard macht meines Erachtens unbegründet Stimmung gegen vermittelnde Formen des Klassenunterrichts.

Alain Pichard: Projektunterricht ist eine Königsdisziplin
Bild: fabü

Lange Rede von ausserhalb der Schule, kurzer Sinn: Auch wenn Alain Pichard am Ende seines Artikels Stellung nimmt gegen einseitige Darstellungen des konstruktivistischen Lernens, in dem er vor «pädagogischen Kitsch und PH-Wunschprosa» warnt, macht er doch letztlich meines Erachtens unbegründet Stimmung gegen vermittelnde Formen des Klassenunterrichts. Beispielsweise enthält er sich jeglicher Begründung, wenn er bezüglich der Entwicklung der Lernfähigkeit des Schülers sagt: «Diese Lernziele kann der Projektunterricht und auch die Individualisierung sicher besser erreichen als eine dozierende, sprich theoretische Variante.» Gehört es denn nicht zur Entwicklung der Lernfähigkeit, einem Lehrer oder auch einem Mitschüler genau zuzuhören oder sich etwas zeigen zu lassen? Oder haben meine Kinder dadurch, dass sie vorher darauf hingewiesen wurden, schlechter gelernt, wie man Adler entdecken kann?

Ein guter lehrerzentrierter Unterricht hat mit dieser Karikatur nichts zu tun.

Die Lehrperson bringt das Klassengespräch erst  in Gang

Verblendet hier nicht eine gravierende, mehr ideologisch als sachlich motivierte Verzerrung eine realistische Meinungsbildung, wenn über Unterrichtsmethoden diskutiert wird: Die konstruktivistische Begründung, wieso wir Lehrer eigentlich gar nicht mehr unterrichten, sondern ausschliesslich beobachten, Lernstile evaluieren und ein wenig coachen sollen, arbeitet ja genau mit dieser Karikatur des Langweile ausstrahlenden, monologisierenden Lehrers, der es bestenfalls fertig bringt, mit einem Frage-und-Antwort-Schema die Schüler in einen stupides Wechselspiel zu involvieren. Als ob der Unterrichtsstil im Sinne des Nürnberger Trichters sozusagen die Normalität im heutigen Schulzimmer wäre.

Ohne Anleitung, Ansprache, Herausforderung und didaktisch geschickter, altersentsprechender Hinführung passiert gar nichts
Bild: api

Ein guter lehrerzentrierter Unterricht hat mit dieser Karikatur nichts zu tun. Es ist ja nicht erst seit Hattie bekannt, dass wir die geistige Aktivierung unserer Schüler verantworten, beim Projektunterricht wie bei allen anderen relevanten Methoden auch. Von selbst konstruiert sich im Gehirn des Schülers gar nichts. Ohne Anleitung, Ansprache, Herausforderung und didaktisch geschickter, altersentsprechender Hinführung auf Inhalte, die dem Schüler bis dato nichts sagen, sind keine Voraussetzungen geschaffen, damit der Schüler etwas ‘be-greifen’ kann. Die Tatsache, dass der Lehrer versucht, seine Schüler in einen Dialog zu verwickeln, sie zum Nachdenken anzuregen und sie im Klassengespräch aufeinander Bezug nehmen zu lassen – einander überhaupt zuhören zu lernen – ist eine besonders effiziente Methode des sozialen/gemeinsamen Lernens, das so z. B. im Projektunterricht auch nicht per se gegeben ist. Wenn man dort will, dass die Schüler zusammenarbeiten, sich gegenseitige unterstützen, herausfordern, motivieren …, muss der Lehrer dies in einem längerdauernden Prozess mit ihnen systematisch aufbauen.

Alain Pichard benutzt zwar nicht den Kampfbegriff des Frontalunterrichts, aber er übernimmt argumentationslos Vorwürfe, indem er schreibt, dass Vertreter der Direkten Instruktion nicht «berücksichtigen, was die Schüler interessiert, was ihre Interessen bindet, wie sie herausgefordert werden, was sie langweilt und wann sie wirklich nachhaltig lernen.» Bei dem erwähnten eigenen Beispiel einer direkten Instruktion teile ich natürlich seine Einsicht, dass Unterricht manchmal auch nicht so gut gelingt, wie wir es uns wünschen. Daraus aber zu schliessen, dass man Schülerinteressen dann nicht berücksichtigt habe usw. ist wohl eher ein Kurzschluss als eine logische Schlussfolgerung.

Am Schluss halt doch eine Portion “Wunschprosa!”

Fast am Schluss des Artikels meine ich dann doch, «PH-Wunschprosa» zu lesen: «Projektunterricht ist eine Königsdisziplin, die der Lehrkraft und den Lernenden viel abverlangt.» Und weiter: «Es ist unbestritten, dass eigenständig erworbene Erkenntnisse sich nachhaltiger im Gehirn einer Schülerin festsetzen, als wenn man ihnen die Lerninhalte einfach doziert.» Ist es nicht so, dass jede Erkenntnis – so auch die vermittelte – letztlich selbst gemacht und verstanden werden muss? Und wenn die Erkenntnis eingetreten ist, dann sollten wir froh sein und nicht vermittelte Erkenntnisse gerade wieder unbegründet abwerten.

Der grosse Vorteil des Klassenunterrichts liegt darin begründet, dass der Lehrer bei geschickter Führung der Klasse viele Mithelfer hat, wenn ein oder mehrere Schüler Mühe haben, etwas zu verstehen.

Wenn Erkenntnisse im Unterricht nicht gewonnen werden, wurden die Hindernisse, die dem entgegen standen, nicht richtig erkannt und angegangen. Immer klappt dies leider nicht, wie wir wissen. Das liegt aber nicht nur an der Auswahl der Methoden. Der grosse Vorteil des Klassenunterrichts liegt darin begründet, dass der Lehrer bei geschickter Führung der Klasse viele Mithelfer hat, wenn ein oder mehrere Schüler Mühe haben, etwas zu verstehen: Wenn die Klassenkollegen mit ihren Worten erklären, kann dies Wunder wirken. Beim Projektunterricht erhoffen wir uns genau das, nur kann der Lehrer diesen Akt der gegenseitigen Hilfe definitionsgemäss weniger unterstützen.

Urs Kalberer, Sekundarlehrer

Nun bringen Schüler «bildungsferner Schichten» (schreckliche Bezeichnung der Empiriker!) leider häufiger solche Hindernisse mit in den schulischen Lernprozess als solche aus «bildungsnahen Schichten». Hier ist es eine zentrale Aufgabe der Institution Schule, solche Benachteiligungen möglichst abzubauen. Urs Kalberer greift das in seiner Kritik der konstruktivistischen Didaktik auf, indem er schreibt: «Schulprojekte sind deshalb zutiefst ungerecht, da Schüler, welche am wenigsten schwach abschliessen, das nötige Hintergrundwissen notgedrungen anderswo (z.B. im Elternhaus) erworben haben. Es ist ein nobles Ziel, Schülern kritisches Denken und Zusammenarbeit beibringen zu wollen, doch die dazu angewendeten Methoden passen nicht.»

Meines Erachtens ist die mangelnde Chancengleichheit beim konstruktivistischen Ansatz ein wesentlicher Punkt in der Methodendiskussion, der viel zu wenig gewichtet wird – insbesondere unter den sich dem linken Spektrum zugehörigen Bildungsinteressierten. Aus sozialen Gründen ist es unsere Pflicht, ohne Vorbehalte und romantischem Zeitgeist zu untersuchen, wie die Schule diese soziale Aufgabe besser umsetzen kann. Den meisten Studien zufolge geht bei offenen Unterrichtsformen die soziale Schere auf – das dürfen wir nicht bedingungslos hinnehmen. Auch die Tatsache, dass viele kapitalstarken Stiftungen offene Unterrichtsformen propagieren, beruhigt den sozial denkenden Menschen eher nicht.

Damit ist freilich nicht gesagt, dass wir eine Erziehung zur Eigenständigkeit wieder vergessen sollten – aber: Ist Klassenunterricht eigentlich wirklich ein Hemmnis dafür? Ich meine nicht.

Lutz Wittenberg

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