Fernschulung - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Sun, 23 Aug 2020 14:02:24 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Fernschulung - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Die versuchte Wiedergutmachung der Sendung “Kulturplatz” auf SRF in Sachen “Digitalisierter Unterricht” https://condorcet.ch/2020/08/die-versuchte-wiedergutmachung-der-sendung-kulturplatz-auf-srf-in-sachen-digitalisierter-unterricht/ https://condorcet.ch/2020/08/die-versuchte-wiedergutmachung-der-sendung-kulturplatz-auf-srf-in-sachen-digitalisierter-unterricht/#respond Sun, 23 Aug 2020 14:01:25 +0000 https://condorcet.ch/?p=6145

Was haben die Schulen und die Schülerinnen aus der Corona-Zeit gelernt? Was nehmen sie mit ins neue Schuljahr? Diese Fragen versuchte die Kulturplatz-Sendung vom Mittwoch, den 19. August zu beantworten.

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Viele unserer Leserinnen und Leser mögen sich noch an die Propaganda-Sendung von Kulturplatz aus dem letzten Jahr erinnern. Es handelte sich um eine Ansammlung von Fake-News und völlig einseitiger Jubelrhetorik. Die Condorcet-Redaktion intervenierte (https://condorcet.ch/2020/06/liebe-frau-wannenmacher/), es kam zu einem Gespräch mit den Verantwortlichen und dem Versprechen, sich der Sache noch einmal kritischer anzunehmen. Am Mittwoch, den 18. August war es soweit.

Die Sendung war auf Zuspitzung bedacht und ein 10-minütiger Beitrag ist wenig geeignet, den komplexen Zusammenhängen der Digitalisierungsstrategie gerecht zu werden. Trotzdem, dieses Mal bemühte man sich immerhin um Ausgeglichenheit und sprach im Eiltempo einige wichtige Streitpunkte an.

In einem folgenden Beitrag stellt unser Condorcet-Autor Alain Pichard, der in diesem Beitrag prominent als Skeptiker zu Worte kam,  sein vollumfängliches Interview, das er den SRF-urnalisten gab, auf den Blog.

https://www.srf.ch/play/tv/kulturplatz/video/digitale-schule—segen-oder-fluch?id=0fc93633-e021-4bc9-8199-59d0698984da

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So funktioniert Journalismus nicht – Medienvertretern fehlt die Sachkompetenz https://condorcet.ch/2020/04/so-so-funktioniert-journalismus-nicht-medienvertretern-fehlt-die-sachkompetenz/ https://condorcet.ch/2020/04/so-so-funktioniert-journalismus-nicht-medienvertretern-fehlt-die-sachkompetenz/#respond Wed, 29 Apr 2020 19:31:21 +0000 https://condorcet.ch/?p=4799

Matthias Burchardt ist Akademischer Rat am Institut für Bildungsphilosophie an der Universität zu Köln und stellvertretender Geschäftsführer der Gesellschaft für Bildung und Wissen. Er ist entschiedener Kritiker der Bildungsreformen im Namen von PISA und Bologna. Im folgenden Artikel demontiert er den Mythos des digital gesteuerten Fernunterrichts.

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Matthias Burchardt: Ressentiments werden geschürt.

Die digitale Fernbeschulung ist ein gewaltiger Reinfall. Wer ist an allem schuld? Die faulen Lehrer mit ihren Berührungsängsten und ihrem Unvermögen, digitale Plattformen zu bedienen. So zumindest sehen es viele Kommentatoren und bedienen damit die üblichen Ressentiments gegen Lehrkräfte. Wer Lehrer-Bashing betreibt, kann stets mit Beifall rechnen, ohne sich die Mühe machen zu müssen, einen Sachverhalt wirklich zu durchdringen. Nach eigener Erfahrung als Vater fernbeschulter Kinder und Erziehungswissenschaftler an der Universität muss ich entschieden widersprechen:

  1. Digitale Plattformen sind – insbesondere diejenigen, welche eigentlich zunächst in Unternehmen als Tools im Projektmanagement dienen sollten, wie etwa Microsoft Teams – völlig ungeeignet, pädagogischen Mehrwert zu generieren.
  2. Mit der Zustellung von Arbeitsblättern und deren anschließender Kontrolle geschieht noch keine Pädagogik. Entscheidend ist doch, was zwischendurch im Unterricht stattfinden müsste: didaktische Sacherschließung, Lehren und Lernen, Erklären, Üben und Verstehen, Einbettung der fachlichen Fragen in die persönlichen Beziehungen der Menschen und in den Kontext der gemeinsamen Lern-Geschichte.
  3. Online-Aufträge – verkappte Arbeitsblattitis.

    Stattdessen findet digitales Boulevard-Theater statt: Lehrkräfte haben ein schlechtes Gewissen und füllen die Aufgabenslots der Schüler. Schüler geraten in eine Erlediger-Mentalität: Hauptsache, das Aufgabenblatt geht fristgerecht zurück, ob man dabei etwas lernt, ist nachrangig. Eltern verzweifeln, weil sie neben der eigenen Lebensbewältigung plötzlich die Taktungen der Fernbeschulung zum Organisationsprinzip der Familie machen sollen. Wenn sich die Kinder dann als wenig maschinengängig erweisen, wird entweder kapituliert, das Kind drangsaliert oder das Arbeitsblatt elternseits ausgefüllt. Schließlich geht es ja nur um Theater.

  4. Ja, Theater! Eine kollektive Illusion, die verschleiert, dass digitale Fernbeschulung kein Ersatz für, sondern das Gegenteil von schulischer Bildung ist. Wenn jetzt die Digitalisierungsjournaille fordert, die Schauspieler besser zu coachen und mehr Geld für Requisiten auszugeben, mag der schöne Schein das triste Sein trotzdem nicht zu überstrahlen!
  5. Gefragt ist ein realer Dialog unter pädagogischer Führung durch die Lehrkraft.

    Schule und guter Präsenzunterricht sind unersetzbar! Digitale Plattformen sind prinzipiell ungeeignet, Lehren, Lernen und Bildung in einem humanistischen (und sogar in einem funktionalistischen) Sinne zu ermöglichen. Sie suspendieren das essentielle Element und Fundament jeglicher Pädagogik: Die reale Beziehung zwischen Lehrperson und jungen Menschen in geteilter Zuwendung zu einer mehr oder minder anspruchsvollen Sache. Relevanz gewinnt diese Sache nicht durch selbstgesteuerte Arbeitsblattausfüllung oder infantile Lernsoftware, sondern nur im realen Dialog unter pädagogischer Führung durch die Lehrkraft, die sich auf das Thema und die Kunst des Unterrichtens versteht.

  6. Es ist ausgesprochen zynisch, wie die Digitalisierungslobby die Sorge der Menschen in den Zeiten der Pandemie ausbeutet, um ihre düstere Agenda im Bildungswesen durchzudrücken.
  7. Das Wesen der kostbaren kulturellen Errungenschaften zeigt sich mitunter erst in ihrem fehlen. Schule, Unterricht und gebildete Lehrkräfte sind das Rückgrat des Gemeinwesens: Sie gewährleisten das Gedeihen von Wirtschaft, Wissenschaft, Demokratie und Kultur. Es käme uns in jeder Hinsicht teuer zu stehen, wenn wir all das aufgeben würden zugunsten einer digitalen Scheinwelt. Die nächsten Monate werden zeigen, dass unser Essen nicht im Internet wächst, dass Surfen am Bildschirm keine Reise ans Meer oder YouPorn nicht den Zauber eines maskenlosen Antlitzes ersetzen kann, dass unsere fernen Facebook-Freunde uns nicht in den Arm nehmen können und dass es Wirtschafts- und Kulturzweige gibt, die der Realität bedürfen.
  8. Das Virus und vielleicht mehr noch die Folgen der Maßnahmen zu seiner «Bekämpfung» werden die nächste Generation vor erhebliche Aufgaben stellen. Digitales Schmierentheater könnte nicht ausreichen, um sie auf dieses harte Leben vorzubereiten.

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Mitteilung in eigener Sache: Condorcet auf Sparflamme! https://condorcet.ch/2020/04/mitteilung-in-eigener-sache-condorcet-auf-sparflamme/ https://condorcet.ch/2020/04/mitteilung-in-eigener-sache-condorcet-auf-sparflamme/#respond Sun, 26 Apr 2020 08:46:59 +0000 https://condorcet.ch/?p=4765

Vielleicht haben Sie es schon bemerkt, liebe Leserinnen und Leser sowie auch die zahlreichen Autorinnen und Autoren des Condorcet-Blogs. Die Aufschaltung der Artikel ist ins Stocken geraten. Der Grund: Die Auswirkungen des Coronavirus und die Belastung der Fernschulung. Lesen Sie die Erklärung der Redaktion.

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Felix Hoffmann, Sekundarlehrer, BL, Redakteur des Condorcet-Blogs: Arbeite weit über mein normales Pensum.

Auf die Frage, weshalb er sich zu den eingegangenen Artikel nicht mehr äussere, schrieb unser Freund, Mitstreiter und Redaktionskollege, Felix Hoffmann: “Ich unterrichte zehn Klassen, muss für diese bereits vorhandene Unterrichtsmaterialien zeitintensiv digitalisieren, Lösungen dazu schreiben und beides mit Begleittexten versehen für zehn Klassen hochladen, online Material-Recherchen betreiben für Deutsch, Englisch und Geschichte zur Bereitstellung neuer Unterrichtsmaterialien, Wochenpläne ausfüllen, mich mit KollegInnen absprechen, Fragen der SuSen beantworten, den zwischenmenschlich wichtigen Chat-Austausch mit SuSen aufrechterhalten, mich mit IT- und Computer-Problemen rumschlagen usw.”

Diesebe Antwort auch von Philipp Loretz, der ja auch noch im LVB-Vorstand sitzt. Oder Yasemin Dinekli, die sich mit den neuen Tools und den Bildungsplattformen herumschlagen muss.

Yasemin Dinekli, Gymnasiallehrerin in Zürich, Präsidentin des Trägervereins des Condorcet-Blogs: Schlage mich mit den Tools unserer Schule herum.

Die Fernschulung stellt uns Condorcet-Macher vor grosse Herausforderungen. Die zeitliche Belastung ist für die Klassenlehrer in unserem Team  kaum noch zu bewältigen. Urs Kalberer, der auch noch den Bildungsblog SchuleSchweiz betreibt korrigiert nach eigenen Angaben ab und zu bis Mitternacht die eingehenden Schülerarbeiten.

Alain Pichard, der ja fast alle Artikel aufschaltet, bittet um Entschuldigung: “Früher konnte ich am Wochenende alle liegengebliebenen Artikel bearbeiten, Fragen beantworten und auf diverse Klagen eingehen. Jetzt fällt das Wochenende mit Korrekturarbeiten der Wochenaufträge und der Erstellung neuer Pläne und Aufträge zusammen. Keine Chance mehr für Condorcet!”

Zeitaufwand pro Artikel zwischen 1 – 3 Stunden

Zur Erinnerung an alle Condorcet-Nutzer und -Autoren: Der Zeitaufwand für einen Artikel von seiner Einreichung, über die Zusendung zur Redaktion, zur Diskussion und Beschlussfassung über das Erscheinen, zur Kommunikation mit dem Autor, zur graphischen Gestaltung, zum Lektorat, Vefassung des Leads, zur Suche nach geeigneten Bildern, zur Aufschaltung und dann noch zur Weiterverbreitung des Links: Dauert zwischen 1 – 3 Stunden.
Bisher erschienen 330 Artikel, 8 in der Warteschlange, man rechne!

Wir, die Redakteure des Condorcet-Blogs, arbeiten alle unentgeltlich. Und wir wollen nicht jammern. 15’000 non permanent Users… 100- 400 pro Tag, in nicht mal einem Jahr, das kann sich sehen lassen.

Bitte um Verständnis

Wir, die Redakteure des Condorcet-Blogs, arbeiten alle unentgeltlich. Und wir wollen nicht jammern. 15’000 non permanent Users… 100- 400 pro Tag, in nicht mal einem Jahr, das kann sich sehen lassen.

Wir bitten einfach um Verständnis für Verzögerungen, liegengebliebene Artikel, Fehler im Lead und die tiefere Kadenz von Artikeln. Bleiben Sie gesund und bleiben Sie uns treu!

Sobald die zeitlichen Ressourcen wieder vorhanden sind, werden wir wieder mit Elan und neuen Ideen unseren liebgewonnenen Blog weiterentwickeln.

Ihre Condorcet-Redaktion

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Chinesische Schüler kommen am besten durch die Krise https://condorcet.ch/2020/04/chinesische-schueler-kommen-am-besten-durch-die-krise/ https://condorcet.ch/2020/04/chinesische-schueler-kommen-am-besten-durch-die-krise/#respond Tue, 14 Apr 2020 08:44:16 +0000 https://condorcet.ch/?p=4682

Das für seine seriösen Hintegrundberichte gelobte Sendegefäss Echo der Zeit interviewte den PISA-Chef Andreas Schleicher. Eine spannende Lektion in Pauschalisierung, Framing, Lehrerbashing und Chinalob. Hören Sie die Sendung!

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OECD-Bildungsexperte und oberster PISA-Verantwortlicher Andreas Schleicher: Es hapert bei den Fähigkeiten der Lehrkräfte.

https://www.srf.ch/play/radio/popupaudioplayer?id=2b5535fc-0f9c-4ad8-ae05-44ca957dc914&startTime=5.109

 

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Schülerinnen und Schüler zu Corona https://condorcet.ch/2020/04/schuelerinnen-und-schueler-zu-corona/ https://condorcet.ch/2020/04/schuelerinnen-und-schueler-zu-corona/#respond Thu, 09 Apr 2020 08:05:37 +0000 https://condorcet.ch/?p=4612

Der Condorcet-Blog veröffentlicht in unregelmässigen Abständen Beiträge von Schülerinnen und Schülern, welche über ihre Erfahrungen mit der Fernschulung berichten. Ruth Wiederkehr (Schulleiterin des OSZ-Mett-Bözingen) und Alain Pichard, Lehrer am OSZ-Orpund sammelten einige bemerkenswerte Aussagen aus den Tagebucheinträgen ihrer Schülerinnen und Schüler. Alle Veröffentlichungen sind von den Jugendlichen und ihren Eltern autorisiert.

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Ich mache mir einen genauen Zeitplan

Heute ist Montag, der Anfang einer neuen Woche. Eine neue Woche, in der ich alles besser machen will. Ich habe mir vorgenommen, das riesige Durcheinander der vorherigen Woche zu minimieren. Mir ist klar, dass diese Situation für alle, sogar für die Lehrer, neu ist, deshalb erwarte ich natürlich nicht die reine Perfektion, dennoch brauche ich mein Leben zumindest ein wenig geordnet. Ich kann es nicht leiden, wenn ich nicht weiss, was vor sich geht. Auch gerade der Umstand, dass wir jetzt fast alles auf dem Computer machen müssen, ist für mich eine Herausforderung. Aber nun zurück zu diesem Tag. Ich stelle mir, um dieses Problem zu lösen, einen Zeitplan zusammen. Ich weiss jetzt genau, was ich wann machen muss. Heute habe ich vor, mich als erstes dem Fach zu widmen, welches mir immer am schwersten fällt, nämlich dem Englisch. Überraschenderweise funktioniert dies ohne grössere Schwierigkeiten. Nach diesem Erfolgserlebnis gönne ich mir den ganzen Nachmittag frei.

Zora, 8.Klasse, OSZ-Orpund

 

Spüre eine Trauer

Sedef

Diese 3. Woche verlief eigentlich gut. Alles klappte. Ich konnte meine Aufträge alle erledigen. Und trotzdem spüre ich eine Trauer in mir. Ich weiss nicht, weshalb. Ist es Einsamkeit? Ist es das Eingeschlossensein? Ich weiss es einfach nicht.

Sedef , 8.Klasse OSZ-Orpund

 

 

Drei Wochen,wie ich sie mir schon immer wünschte

Als letzten Freitagnachmittag der Bundesrat entschloss, dass die Schulen geschlossen werden freute ich mich riesig. Nun habe ich für drei Wochen Schule, wie ich es schon immer mal wollte, nämlich selbständig entscheiden, an welchem Fach ich wann und wie lange arbeite. Ich darf meine Zeit selber einteilen, darf mein Schulunterricht selber gestalten, einfach den Auftrag der Schule muss ich erfüllen. Ich bin ja gespannt wie es weiter geht.

Selina, 8. Klasse OSZ-Orpund

 

Emotionslos

Der Tag heute war angenehm und ich habe alle meine Ziele, die ich hatte, erfüllt. Heute habe ich die Wörter im Quizlet geübt, in meinem spannenden Buch gelesen, das Wanderdiktat gemacht, ich konnte gut im Math dabei sein, ich habe Informatik für die Lehre gelernt und noch den BG Auftrag gemacht. Und der Tag ist noch gar nicht vorüber. Ich denke, wenn man immer alles plant, kann man sehr weit kommen.

Wenn ich so zurück an den ersten Tag am 18. März denke, kann ich es fast nicht glauben, dass es schon zwei Wochen her ist. Für mich ist die Zeit sehr schnell vergangen und ich kann mich an fast nichts mehr richtig erinnern, ausser daran, als ich im Wald war. Im Internet habe ich mal gelesen, dass man sich meistens an Sachen erinnert, bei denen man viele Emotionen hatte. Anscheinend waren die Tage alle gleich emotionslos.

Ardit, 9.Klasse OSZ-Mett-Bözingen

Das Buch, das ich suchte

 

Das Buch, das ich suchte

Gegen 16:00 Uhr packte ich eine Trinkflasche und das Buch Sofies Welt in meinen Schulsack, schwang mich auf mein Fahrrad und machte mich auf an die frische Luft. Ich radelte am Fussballplatz und an Luna und Dardan vorbei in Richtung Brügg. Während der Fahrt kamen mir Bilder ins Gedächtnis vom letzten Jahr, als ich etwa zur selben Zeit diese Strecke fuhr. Dieses unbeschreibliche Gefühl von Erwartung und Hoffnung. Es war angenehm warm und einige Leute nutzten dieses Wetter, um in der Natur zu joggen. Oder besser gesagt, um ihre während dem Winter angelegten Kalorien loszuwerden.

An einem schönen Örtchen in Biel bei der Aare angekommen, setzte ich mich auf eine Bank, nahm das Buch aus meinem Schulsack und begann zu lesen.

Ohne zu übertreiben, dieses Buch habe ich gesucht, denn es ist genau das Richtige für mich. Wenn ich so darüber nachdenke, wird mir klar, wie sehr ich mich für Philosophie interessiere.

Von meinem Platz aus konnte ich beobachten, wie ein Haubentaucher grosse Stücke von Farn abriss, um für sein Weibchen ein bequemes Nest zu bauen.

Mir kamen die Tränen, nicht wegen dem, was ich sah, sondern wegen der Sonne, die mir direkt ins Gesicht schien. Ich hatte meine Sonnenbrille vergessen.

Marius, 8.Klasse, OSZ-Orpund

 

Zu alt, um zu spielen

Am Dienstagnachmittag nach dem Essen kam Leonie zu uns. Trotzdem war uns allen extrem langweilig. Irgendwie spielt man nicht mehr so richtig zusammen. Früher sassen wir stundenlang im Sandkasten, spielten mit Puppen oder fuhren mit unseren Fahrrädern die Strasse neben unserem Haus rauf und runter. Jetzt ist es anders, wahrscheinlich sind wir zu alt zum Spielen.

Jana, 8.Klasse, OSZ-Orpund

 

“Normal” Unterricht haben

Ich hätte viel lieber wieder normal Schule, um 7:50 aufstehen, mich bereit machen, mit meinem Longboard in die Schule fahren, meine Freunde treffen, meine Lehrer treffen, deren ihre Hände anfassen als Begrüssung, an meinem Platz sitzen, auf unsere Art “normal” Unterricht haben, Sport als Klasse haben. Aber aufgrund des Virus ist das alles nicht möglich. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwierig es für die Lehrerist, so einen Unterricht zu durchzuführen. Aber am meisten Schaden schwierigsten finde ich es für die 7. Klässler.  Jeden Tag am Abend, bevor ich einschlafe, mache ich mir solche Gedanken und komme immer zum gleichen Schluss. Ich hasse diese Epidemie. Sie zerstört uns einfach.

André, 9. Klasse, OSZ-Mett-Bözingen

 

«Alles was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch.»

René Descartes.

Die Schülerinnen und Schüler erhielten den Auftrag, zu diesem Zitat einen Eintrag ins tagebuch zu schrieben

René Descartes, Philosoph, Mathematiker, Naturwissenschaftler 1596-1670: Ganz anders als erwartet!

Ich finde mit diesem Zitat hat er recht. Ich habe mir ein paar seiner Zitate angeschaut, und gemerkt, dass all seine Zitate sehr kurz sind.

Zu dem Zitat fallen mir die zwei Unterrichtsstunden MSV mit Frau Aebi ein. Wir haben einmal Wahrscheinlichkeiten berechnet. Ich weiss nicht mehr, wie die Aufgabe ging, aber als wir eine Wahrscheinlichkeit mathematisch berechneten haben, kam eine ganz andere Zahl raus, als wir alle vermuteten vermutet hatten. Wir mussten raten, wie wahrscheinlich irgendwas ist.

Was mir noch zu dem Zitat einfällt, sind die Nachrichten. Oftmals sieht man in den Nachrichten Beiträge, die nur wahrscheinlich sind. Ein Beispiel: In einem Nachrichtenbeitrag sah ich, dass wahrscheinlich die Schulen weiterhin offenbleiben werden. Auch Herr Würgler und Frau Aebi sagten, dass wahrscheinlich die Schulen offenbleiben. Am Ende wurden die Schulen geschlossen, also war alles nur ein «wahrscheinlich».

Albin, 9. Klasse, OSZ-Mett-Bözingen

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Bildendes Lernen braucht Schule und Unterricht – Warum digitales Lernen auch in Krisenzeiten nur ein Notstopfen bleibt https://condorcet.ch/2020/04/bildendes-lernen-braucht-schule-und-unterricht-warum-digitales-lernen-auch-in-krisenzeiten-nur-ein-notstopfen-bleibt/ https://condorcet.ch/2020/04/bildendes-lernen-braucht-schule-und-unterricht-warum-digitales-lernen-auch-in-krisenzeiten-nur-ein-notstopfen-bleibt/#respond Sun, 05 Apr 2020 21:45:26 +0000 https://condorcet.ch/?p=4573

Professor Dr. Jochen Krautz, Mitorganisator der bekannten Times of Change-Tagungen in Wuppertal, Präsident der GBW und fundierter Kenner der Umgestaltungsbemühungen des deutschen Bildungswesens, weiss natürlich sehr genau, wie die gegenwärtige Krise im Sinne der Bildungsreformer genutzt werden soll und hält dagegen.

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Deutsche Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek: Corona-Krise biete grosse Chancen.

Krisenzeiten sind Zeiten, in denen interessierte Kreise gerne versuchen, aus der Not Profit zu schlagen. Dieser Profit kann materieller oder ideologischer Natur sein. Im Falle der Corona- Krise gerieren sich die bekannten Befürworter der „Digitalisierung von Bildung“ als solche ideologischen und materiellen Krisengewinnler. Nun scheint endlich bewiesen, wie dringlich die Umstellung von Schule und Hochschule auf digital gestütztes Lehren und Lernen sei. Und seitens der Politik entblödet man sich nicht, dies auch noch zu forcieren.

Corona-Krise als Change-Instrument für Digitalisierung

So äußerte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, die selbst keine eigene Fachexpertise in beiden Bereichen nachweisen kann, auf die Frage, ob sich nun räche, „dass wir die Digitalisierung an den Schulen verschlafen haben?“: „Die Corona-Krise bietet Deutschland in Sachen digitaler Bildung eine große Chance: Wir können einen echten Mentalitätswandel schaffen. Wir sehen, wie nützlich digitale Lernangebote sein können. Alle sind jetzt bereit, es einfach mal auszuprobieren. Ich sehe eine neue Aufbruchsstimmung. (…)

Alle sind jetzt bereit, es einfach mal auszuprobieren. Ich sehe eine neue Aufbruchsstimmung. Anja Karliczek

Euphorie erzeugen

Euphorie erzeugen!

Aber auch nach der Krise muss die Digitalisierung der Schulen energischer vorangetrieben werden.“1 Damit macht sie deutlich, worum es geht: Die Krise soll als Instrument genutzt werden, um Mentalität, also Einstellungen, Werte und Überzeugungen aufzuweichen und für den „Wandel“ zu öffnen. Dazu soll Euphorie erzeugt werden, die dann auch nach der Krise aufrechtzuerhalten und zu perpetuieren sei.

Damit referiert Karliczek lupenrein den Dreischritt des Change-Managements: Um Menschen manipulativ in ihren Überzeugungen zu verändern, erzeugt oder nutzt man eine Schocksituation, der eine Verunsicherung in den eigenen Überzeugungen bewirkt (unfreezing). Darauf forcieren Change-Agenten die Euphorie für das Neue, betonen dessen Alternativlosigkeit und geißeln alle Kritiker als rückständige Bedenkenträger (moving). Und schließlich soll der „Wandel“ verstetigt werden, so dass es keinen Weg dahinter zurück zu geben scheint (refreezing).2 Die darin liegende antidemokratische Anmaßung wird der Ministerin kaum bewusst sein, da sie doch eher Diskurse reproduziert, von denen sie selbst beständig bombardiert wird. So etwa auch von „Mr. PISA“ Andreas Schleicher, der mit maoistisch-kulturrevolutionärer Rhetorik glänzt: „Das Land kann beim digitalen Lernen jetzt einen Riesensprung nach vorn machen.“3

Was das Arbeitsblatt nicht kann und die Eltern überfordert

Doch selbst Herr Schleicher gesteht gleich darauf ein: „Schule im Homeoffice (ist) dauerhaft keine gute Idee. Lernen ist ein Prozess, der viel mit der Beziehung von Lehrern und Schülern zu tun hat. Und für diese Beziehung braucht es echten Kontakt.“

Aber auch das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Warum also braucht Lernen – und wir präzisieren – bildendes Lernen Schule und Unterricht in Realpräsenz? Warum sind Eltern damit auf Dauer grundsätzlich überfordert?4 Und warum können dies auch Lehrerinnen und Lehrer beim besten Willen nicht über digitale Kommunikation leisten und Lernprogramme entsprechender Konzerne erst recht nicht?

Nur schrittige Anweisungen

Das liegt in der Natur des Arbeitsblattes, das per Mail als pdf ins Haus kommt, der im Chat kommunizierten Aufgabe, der im Download von Verlagen (generös kostenlos) verfügbaren Selbstlernmaterialien und auch avancierter interaktiver Lernprogramme. Sie alle können wie deren Vorläufer im „programmierten Lernen“ der 1970er Jahre nur schrittige Anweisungen geben, die aber keinen interpersonalen Dialog und keine empathische Resonanz ermöglichen. Die Techniken können so tun als ob und ein „Feedback“ vorsehen, das aber nicht auf die Verstehensvorgänge des einzelnen Schülers Bezug nehmen kann. Arbeitsmaterialien solcher Art sind also zunächst materialisierter Frontalunterricht der schlechten Art, wie man ihn dem Klassenunterricht der Schule gerne und zu Unrecht unterstellt: Hier wird doziert, auswendig gelernt, ggf. geübt und abgefragt. „Lernen“ heißt hier Informationsentnahme, -verarbeitung und ggf. –anwendung.

Programmiertes Lernen erzeugt keine empathische Resonanz.

E-Learning schafft keine empathische Resonanz

Mit nun auftretenden tatsächlichen Verstehensproblemen wenden sich die Kinder an ihre Eltern. Diese sind jedoch mit der Unterstützung schnell überfordert, weil ihnen die fachliche, didaktische und pädagogische Expertise fehlt, auf die Verstehensprobleme ihrer Kinder sachadäquat und altersgerecht einzugehen. Denn dazu müsste man das fachliche Problem nicht nur selbst beherrschen, sondern in seiner Problemstruktur verstanden haben, um es didaktisch auf die notwendigen fachlichen Voraussetzungen und Problemlagen analysieren zu können; man müsste Wege des fachlichen Verständnisses und auch Missverstehens kennen, deren mögliche Gründe einschätzen können und beim Kind mit Blick auf bisher Gearbeitetes und durch Gespräche eruieren, welchen fachlichen Grund eine Schwierigkeit hat. Zugleich müsste man die individuelle Lernhaltung des Kindes, den persönlichen Hintergrund und seine Lerngeschichte in diesem und anderen Fächern einschätzen, um dann sowohl fachlich wie didaktisch und pädagogisch angemessenen reagieren zu können.

Das sollen Eltern nicht können müssen

All das können Eltern gewöhnlich nicht – und sie müssen es auch nicht können. Dafür sind Lehrerinnen und Lehrer da, dafür gibt es Schule und Unterricht. Dafür absolvieren Lehrkräfte ein langes Fachstudium, dafür erwerben sie pädagogische Expertise, dazu sammeln sie reflektierte Erfahrung in diesen Situationen, und deshalb können sie nach Jahren solche Prozesse im laufenden Unterrichtsgeschehen einer ganzen Klasse in Sekunden erfassen, abwägen, entscheiden und umsetzen. Eben das macht Unterrichten so anspruchsvoll und mitunter anstrengend – noch vor allen sonstigen Herausforderungen. Und zugleich ist das für die allermeisten Lehrerinnen und Lehrer der eigentliche Grund ihres pädagogischen Engagements.

Legen wir nochmals den ambitionierten Wochenplan mit Arbeitsblättern, Lösungs- und Reflexionsbögen sowie Lerntagebuch und Leistungsportfolio daneben: Kinder sollen all das nun

Kompetenzraster im Deutschunterricht:

alleine leisten? Arbeitsblätter sollen dialogisch auf ihr Verstehen und Nichtverstehen eingehen? Feedbackbögen sollen ermutigen, ermahnen, Verständnis zeigen, mit Klarheit oder Humor zurück zur Sache leiten? Videochats sollen das gemeinsame und dialogische Hören, Sehen, Vorstellen, Überlegen, Nachdenken, Ideenfinden und –verwerfen in einer realen Klassengemeinschaft ersetzen? Das wird auch keine K.I. in Gestalt von Lehrrobotern jemals können.

Doch Eltern bemerken schmerzhaft, dass nun erstmalig die postulierte digitale Bildungsrevolution ihre Kinder und Familien frisst. Auch der „große Sprung nach vorn“ des großen Vorsitzenden endete in der Zerschlagung von kultureller Tradition, in der Entwurzelung von Millionen Menschen und einem ökonomischen Desaster. Brauchen wir das erneut im Gewand des schicken iPads?

Unterricht muss Verstehen anleiten

Unterricht zielt auf Verstehen und Nachfragen.

Die Schule ist deshalb ein geeigneterer Ort für die formulierten Aufgaben, weil im guten Falle der Unterricht die Sache in sozialer Gemeinschaft erschließt.5 Unterricht, der auf Bildung zielt, versucht mit didaktischen und pädagogischen Mitteln, die Schülerinnen und Schüler zum selbstständigen Verstehen einer Sache anzuleiten.6 Selbstständiges Verstehen ist aber nicht gleichzusetzen mit der vermeintlich selbstständigen Erledigung von wie digital auch immer übermittelten Arbeitsaufträgen oder gegoogelten Informationen.

Selbstständiges Verstehen ist aber nicht gleichzusetzen mit der vermeintlich selbstständigen Erledigung von wie digital auch immer übermittelten Arbeitsaufträgen oder gegoogelten Informationen.

Damit ist die Sache noch nicht erschlossen, d.h. in ihren Gründen verstanden: Entscheidend ist nicht nur, dass eine mathematische Rechnung richtig ist, sondern warum sie das ist. Die Inhaltsangabe einer Fabel ist nur Voraussetzung, um ihren Gehalt zu interpretieren. Ein historisches Datum sagt noch nichts über dessen Bedeutung für uns heute. Ein biologisches Faktum zu benennen, heißt noch nicht seine Relevanz für Mensch, Tier, Welt und Wissenschaft verstanden zu haben. Und ein Kunstwerk zu beschreiben, sagt noch nichts über dessen historischen und gegenwärtigen Sinn.

Verstehen meint also Sinnverstehen. Sinn meint dabei den Sinn der Sache und den Sinn für uns, die Lernenden. Was geht uns das an? Was bedeutet uns das? Erst dann kann Lernen bildend wirken. Und erst dann löst Schule den in den Verfassungen als Bildungsauftrag verankerten Anspruch der Aufklärung ein, dass junge Menschen lernen sollen, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen, also Selbsterkenntnis und Urteilskraft erwerben, und dass sie Werte wie Mitmenschlichkeit, Achtung und Friedfertigkeit als Haltungen ausbilden und begründen können – mit einem Wort: dass sie mündig werden.

Reduktionistischer Lernbegriff

E-Learning hat enge Grenzen.

Daher operieren Digitalisierungsbefürworter immer mit einem ungeklärten und reduktionistischen Lernbegriff, denn „digitales Lernen“ kann immer nur die Schrumpfform dieses Anspruchs sein. Es läuft letztlich darauf heraus, aufgrund von Reiz und Reaktion Informationen zu beschaffen, auszuwerten, zusammenzustellen, anzuwenden und/oder auswendig zu lernen. Das sind alles unverzichtbare und legitime Teilprozesse schulischen Lernens. Aber eben nur der notwendige Teil, um verantwortliche Selbstständigkeit im Denken und Urteilen, im Sagen und Handeln zu bilden. Dies aber ist per digitalen Medien nicht erreichbar. Auch wenn man diesen Reduktionismus nachsichtig dem Marketingeifer der Digitalbegeisterten zuschreiben mag, so ist er doch unpädagogisch, antiaufklärerisch und widerspricht dem Bildungsauftrag der Verfassungen.

Schule ist ein sozialer Raum

Unterricht erschliesst die Sache in sozialer Gemeinschaft.

Die besondere Qualität solchen Verstehens ist dabei gebunden an das soziale Miteinander von leibhaftigen Personen. Es kann sich nur bilden, wenn sich Menschen wechselseitig wahrnehmen, wenn eine Klassengemeinschaft an einer Sache gemeinsam arbeitet, wenn Ideen entstehen, geäußert, diskutiert, begründet oder verworfen werden, wenn gezeigt, erklärt, mit Händen und Füßen vorgemacht und veranschaulicht wird, wenn zugleich gestritten und versöhnt wird, wenn Auseinandersetzungen geklärt, ein sozial konstruktiver Umgang angeleitet und die Klassengemeinschaft zu Kooperation, gegenseitiger Hilfe und Friedfertigkeit angeleitet wird. Kurz: Wenn im Vollsinne unterrichtet wird.7

Denn Unterricht bedeutet im Kern das Teilen und Mitteilen von Vorstellungen einer Sache.8 Lehrerinnen und Lehrer bemühen sich mit all den Mitteln, dass Schülerinnen und Schüler eine sachgemäße, aber doch immer auch individuell geprägte Vorstellung eines Sachverhalts bilden. Sie versuchen, diese Vorstellungsbildungen der Schüler zu verstehen, greifen sie auf, entwickeln sie weiter, leiten den Austausch der Schülerinnen und Schüler untereinander an und führen das gemeinsame Denken wieder zielführend zusammen, um gemeinsame Erkenntnisse zu formulieren. Insofern ist der Klassenraum ein Raum gemeinsam geteilter Vorstellung, in dem sich die Personen dialogisch miteinander und mit der Sache verbinden. Ja, in gewisser Weise entsteht ein Atommodell in Chemie, eine Raumvorstellung in Geografie, eine Formel in Mathematik oder eine Harmonie in Musik erst in und durch die gemeinsame Vorstellungsleistung. Darin wird Kultur konkret lebendig und von den Schülerinnen und Schülern je individuell reformuliert. Unterricht ist also – bei allem, was man aus soziologischer Sicht ansonsten über die Gründe und Probleme von Schule anführen mag – der spezielle Ort, an dem Menschen ihr kulturelles Leben weitergeben und neu befruchten. Diese spezifische Qualität des Klassenunterrichts kann ein isoliert zu bearbeitender Wochenplan und das digital vereinzelte Arbeiten prinzipiell niemals einholen. Dies spricht nicht gegen sachlich begründetes zeitweises Arbeiten in individuellen Lernformen oder mit digitalen Arbeitsmitteln – aber für deren sekundäre Bedeutung und v.a. gegen deren Verabsolutierung.

In dieser Hinsicht ist so verstandener Unterricht in sozialer Bezogenheit zudem immer auch ein Ort sozialen Ausgleichs, denn er spricht alle jungen Menschen gleichermaßen als lernfähige und bildsame Personen an. Daher ist aus pädagogisch-anthropologischer, lerntheoretischer und inzwischen auch empirischer Sicht klar, dass die Isolierung von Schülerinnen und Schülern in atomisierten Lernsettings die soziale Spaltung forciert. Darauf hat Hermann Giesecke schon früh hingewiesen:

„Nahezu alles, was die moderne Schulpädagogik für fortschrittlich hält, benachteiligt die Kinder aus bildungsfernem Milieu. Sozial selektiert wird bereits mit dem ersten Schultag. ‚Offener Unterricht‘, überhaupt die Demontage des klassischen, lehrerbezogenen Unterrichts, die Wende vom Lehren zum Lernen und damit die übertriebene Subjektorientierung, die Verunklarung der Leistungsansprüche, Großzügigkeit bei der Beurteilung von Rechtschreibschwächen (…) hindern die Kinder mit von Hause aus geringem kulturellen Kapital daran, ihre Mängel auszugleichen, während sie den anderen kaum schaden. (…) Das einzige Kapital, das diese Kinder (Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien) von sich aus – ohne Hilfe ihres Milieus – vermehren können, sind ihr Wissen und ihre Manieren; dafür brauchen sie eine Schule, in der der Lehrer nicht nur ‚Moderator‘ für ‚selbstbestimmte Lernprozesse‘ ist, sondern die Führung übernimmt und die entsprechenden Orientierungen vorgibt. Gerade das sozial benachteiligte Kind bedarf, um sich aus diesem Status zu befreien, eines geradezu altmodischen, direkt angeleiteten, aber auch geduldigen und ermutigenden Unterrichts.“9

Es soll nicht mehr, sondern weniger digitalisert werden

Rückkehr zu Schule und Unterricht

Es ist eine bittere Nebenwirkung des derzeit notfallmäßigen Home-Schoolings, dass dieser Effekt sozialer Spaltung jetzt noch verstärkt werden wird. Daran sind überforderte Eltern in keiner Weise schuld. Umso wichtiger ist aber nach der Rückkehr in den schulischen Normalbetrieb, dass Eltern und Lehrkräfte als Lehre aus der Krise gemeinsam fordern,

  • dass nicht mehr, sondern weniger digitalisiert wird,
  • dass Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitungen und Kollegien ihre Unterrichtsformen überdenken,
  • dass Universitäten und die zweite Lehrausbildungsphase Nachwuchslehrkräften wieder in die vollständige Kunst zu unterrichten theoretisch und praktisch einführen,
  • dass Ministerien den Schulen entsprechende Hinweise geben
  • und die Politik jene Digitaladventisten in die Schranken weist, die Corona für ihr Ostern und Pfingsten hielten

Wenn dann nach der Bewältigung der Krise noch Geld verfügbar ist, das man in den Schulen nicht für dringende Dinge braucht wie etwa Lehrpersonal, Unterstützungsangebote für durch Home-Schooling benachteiligte Schüler, für Bücher, Sporthallen, Kunstwerkstätten, Musikinstrumente, Schulgebäude, funktionierende WCs und dichte Dächer – dann kann man Schule digitaltechnisch auf Grundlage von Open-Source-Lösungen und abgekoppelt vom Internet10 sowie mit Stellen für Systemadministratoren ausstatten und es den Pädagoginnen und Pädagogen überlassen, wie damit pädagogisch, fachlich und didaktisch sinnvoll umzugehen ist. Denn es geht nicht um die Interessen der Hard- und Softwareindustrie, sondern es geht diesmal tatsächlich um die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen.

Prof. Dr. Jochen Krautz Bergische Universität Wuppertal Fakultät für Design und Kunst Gaußstr. 2042119 Wuppertal krautz@uni-wuppertal.de www.kunst.uni-wuppertal.de www.bildung-wissen.eu

 

1 https://www.rnd.de/politik/foschung-gegen-corona-impfstoff-corona-test-internationale- zusammenarbeit-bundesbildungsministerin-karliczek-im-interview- WHIQHCJOGNHZBDCSHE7JLFDBYE.html (Hervorh. J.K.).

2 Vgl. Krautz/Burchardt (2018), https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/bildungspolitik/time-for- change-2.html; Burchardt/Krautz (2019), https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/time-for-change- band-2.html.

3 https://www.rnd.de/politik/pisa-chef-angst-vor-verlorenem-jahr-fur-die-bildung-ist-berechtigt- F7ZBKIEXVRBN3C5PKVT5H6YEOA.html.

4 Vgl. Luig (2020), https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/homeschooling-bildung-und-erziehung-im- leerlauf.html.

5 Vgl. Krautz (2016), https://www.kunst.uni-wuppertal.de/fileadmin/kunst/pdf/Krautz_-

_Bildung_und_Erziehung_als_Grundlage_f%C3%BCr_das_Leben   Fromm_Forum_Web_.pdf.

6 Vgl. Gruschka (2015), https://bildung-wissen.eu/wp- content/uploads/2015/06/gruschka_bildundgs_rat.pdf.

7  Dass im realen Unterricht auch nicht immer in diesem Vollsinne unterrichtet wird, ist dabei eine Binsenweisheit, die wiederum nicht für digitale Medien, sondern für bessern Unterricht spricht.

8 Vgl. Sowa, Hubert (2015): Gemeinsam vorstellen lernen. Theorie und Didaktik der kooperativen Vorstellungsbildung. Schriftenreihe IMAGO. Kunst.Pädagogik.Didaktik, Bd. 2. München.

9 Giesecke (2003), http://hermann-giesecke.de/ns.htm.

10 Vgl. Lankau (2020), https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/digital-first-und-mobil-only.html.

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Schulen in Zeiten von Corona: Das Leben ist wichtiger als der Lehrplan https://condorcet.ch/2020/04/schulen-in-zeiten-von-corona-das-leben-ist-wichtiger-als-der-lehrplan/ https://condorcet.ch/2020/04/schulen-in-zeiten-von-corona-das-leben-ist-wichtiger-als-der-lehrplan/#comments Sun, 05 Apr 2020 15:58:29 +0000 https://condorcet.ch/?p=4554

Stefan Hopmann, Professor für historische und vergleichende Schul- und Bildungsforschung an der Universität Wien, plädiert für eine Fernschulung mit Mass und mit dem Blick auf die sozialen Verhältnisse der Betroffenen.

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Heinz Fassmann, Bildungsminister in Österreich: Keine grossen Probleme mit Fernschulung.

„Sie werden sehen, das wird ein relativ geringes Problem werden“, sagte Österreichs Unterrichtsminister Heinz Faßmann (ÖVP) an dem Tag, an dem die Schulschließungen und die Umstellung auf E-Learning im Gefolge der Ausbreitung des Corona-Virus bekannt gegeben wurden. Was folgte, waren Tage, in denen zahllose Lehrkräfte Engagement und Einfallsreichtum bewiesen. Eine Woche später zeigte sich der Minister in einem erneuten Interview bestätigt: „Das Lernen zu Hause hat gut begonnen, auch die Kommunikation zwischen den Lehrern und den Schülern funktioniert gut. Die Schüler haben genügend Material, manche, glaube ich, mehr als genug. Und wir müssen dann wahrscheinlich eher schauen, wie man einen ganz normalen Schulalltag simulieren kann.“ Er stellt sich darunter vor, dass Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler morgens zeitgleich vor dem Computer sitzen und in munteren Wechselschaltungen den Unterricht durchführen.

Hurra-Optimismus der Politik

E-Learning: Nutzen hängt massiv von den daneben verfügbaren Ressourcen ab.

Also: Kein Grund zur Sorge? Ganz im Gegenteil! Nur lässt der Hurra-Optimismus der politisch Verantwortlichen befürchten, dass sie nicht wissen, welchen pädagogischen Flurschaden sie in einer ohnehin schwer gebeutelten Gesellschaft anrichten. Fangen wir an mit der durch Forschung sehr gut belegten Tatsache, dass der Nutzen von E-Learning massiv von den daneben verfügbaren Ressourcen abhängt. Es ist leicht zu verstehen, dass man mehr davon hat, wenn jemand in der Familie die schulischen Aufgaben beherrscht und einem helfen kann. Aber das fängt schon bei viel elementareren Voraussetzungen an: Nicht alle Schülerinnen und Schüler haben zuhause einen geeigneten Arbeitsplatz, geschweige denn unbegrenzten Zugang zum Internet.

Nicht alle Schülerinnen und Schüler haben zuhause einen geeigneten Arbeitsplatz, geschweige denn unbegrenzten Zugang zum Internet.

Nicht alle haben die Materialien und Hilfsmittel zur Verfügung, die für viele Aufgaben erforderlich sind. Nicht alle sind fähig, aus eigener Kraft ihren Lerneinsatz zu regulieren. Die Ergebnisse der E-Learning-Forschung sind eindeutig: Einige lernen unter diesen Bedingungen mehr, einige ungefähr genauso viel wie im normalen Schulbetrieb, aber viele deutlich weniger, ja manche fallen gegenüber dem Leistungsstand zurück, den sie vor der Umstellung erreicht hatten.

Niemand wird behaupten können, drei Prozent des Unterrichts seien bedeutsamer als alle Anstrengungen, Kinder und Jugendliche physisch und psychisch gesund zu erhalten.

Corona-Schulhausschliessung: Schüler holen gestaffelt ihr Material ab.

Hinzu kommt, dass es sich bei alldem nicht einfach um ein wohl berechnetes Flächenexperiment zur Umstellung des Schulbetriebes auf E-Learning handelt, sondern sich alles im Schatten einer Pandemie vollzieht, die Alltag und Gesellschaft in einem seit Kriegstagen nicht mehr erlebten Ausmaß aus den Angeln hebt. Manche Eltern müssen von Zuhause aus arbeiten. Andere haben ihre Arbeit gleich ganz verloren. Manchen droht der Ruin. In manche Familien ist die Krankheit bereits eingedrungen, andere leben in der täglichen Furcht vor der Ansteckung: Angst um die Großeltern, erschreckende Nachrichten von entfernten Verwandten oder nahen Freunden, die unvermeidliche Frage nach der eigenen Sterblichkeit.

Selbst in Familien, die vom Schlimmsten verschont sind, machen die Kinder und Jugendlichen eine oft traumatisierende Erfahrung, in der ihr Vertrauen in Gott und die Welt, in ihre Eltern und in ihre eigene Zukunft nachhaltig gestört wird. Wir wissen aus der Forschung über Lernen unter Katastrophenbedingungen (vom Krieg bis Tschernobyl), dass auch diejenigen, die keine auffällige Symptomatik zeigen, durch diese Erfahrung in ihrer Lernbereitschaft eingeschränkt werden. Auch dies wird geprägt durch die unterschiedlichen psychischen, sozialen, ökonomischen usw. Ressourcen, die Familien zum Einsatz bringen können, um ihren Nachwuchs zu schützen.

Anschlag auf familiäre Fürsorge

Eltern sollen ganz Eltern sein dürfen.

In Krisenzeiten wie diesen ist das Kindeswohl die erste Bürgerpflicht. Das Wichtigste, was Familien in dieser Situation geben können, ist ein Gefühl von Gemeinschaft und Geborgenheit, dem nichts wichtiger ist, als den Kindern und Jugendlichen bei der Bewältigung dieser ungeheuren seelischen Belastung zu helfen. Dies setzt voraus, dass Eltern ganz Eltern sein dürfen, und verträgt sich schlecht mit der Erwartung, Eltern sollten als verlängerter Arm des Schulbetriebes gegenüber ihren Kindern Anforderungen durchsetzen, die nicht die ihren sind. Wie die Forschung seit Garfinkels Krisenexperimenten zeigt, kann die Vermischung solcher Rollen schon im normalen Alltag zu Frustrationen und Aggressionen führen. Die Erwartung, Familien sollten ihren Alltag am Stundenplan und den Leistungsforderungen der Schule ausrichten, ist in diesem Sinne ein massiver Anschlag auf die Bedingungen familiärer Fürsorge.

USA und Grossbritannien verzichten auf Prüfungen

Was folgt daraus? Bislang scheinen die Regierungen dieser Welt sehr unterschiedliche Auffassungen davon zu haben, was unter diesen Bedingungen machbar sein sollte. Manche tun wie die österreichische so, als könne man durch E-Learning den Verlust des normalen Schulbetriebs beinah ausgleichen. Andere sind schon längst soweit wie in England oder den USA, für das verbleibende Schuljahr auf zentrale Prüfungen und verbindliche Tests aller Art zu verzichten. Pädagogisch scheinen mindestens die folgenden Konsequenzen unausweichlich:

  1. Es ist gut, wenn Schulen und Lehrkräfte weiterhin Lernmaterial und andere Online-Angebote zur Verfügung stellen. Das verhilft vielen zu sinnvollen Beschäftigungen. Art und Umfang der Teilnahme dürfen nicht verpflichtend sein.
  2. Daraus folgt auch: Niemand darf durch Leistungen oder deren Ausbleiben nach Übergang zum E-Learning ein Nachteil entstehen, keine Note verschlechtert und keine Versetzung gefährdet werden.
  3. Insbesondere ist eine sozial und pädagogisch faire Vorbereitung auf Schularbeiten, Tests und Abschlussprüfungen wie die Zentralmatura (derzeit ab 19. Mai geplant) bis auf Weiteres nicht möglich. Deswegen sollte auf deren Durchführung bis zum Schuljahresende verzichtet und die allfällige Note anhand bis zur Schulschließung erbrachter Vorleistungen vergeben werden.

Alle drei Punkte sollten unverzüglich rechtsverbindlich werden, um Angst und Druck abzubauen. Wer das, wie das Ministerium zurzeit, verweigert, handelt vorsätzlich sozial ungerecht und pädagogisch unverantwortlich.

Normaler Unterricht vor den Ferien?

Niemand kann im Moment sagen, wie lange die Schulschließungen andauern werden. Die einschlägige Forschung lässt vermuten, dass das wenigstens bis Ende April, vielerorts aber noch lange darüber hinaus der Fall sein wird. Nach Wiederbeginn wird der Unterricht auch nicht zügig zur Tagesordnung übergehen können, sondern sich erst einmal die Zeit nehmen müssen, die Erfahrungen gemeinsam aufzuarbeiten und dort anzuknüpfen, wo man vor der Schulschließung stehen geblieben war. Das wird mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Kurz gesagt: Normalen Unterricht sollte es diesseits der Sommerferien nicht mehr geben.

Eine durchschnittliche Schullaufbahn umfasst rund 100 Monate Schulunterricht. Der mögliche Ausfall betrifft also ungefähr drei Prozent des Gesamtvolumens.

Aber ist das wirklich so schlimm? Eine durchschnittliche Schullaufbahn umfasst rund 100 Monate Schulunterricht. Der mögliche Ausfall betrifft also ungefähr drei Prozent des Gesamtvolumens. Niemand wird ernsthaft behaupten können, diese drei Prozent seien für die Zukunft der Kinder und Jugendlichen bedeutsamer als alle Anstrengungen, sie physisch und psychisch so gesund wie möglich zu erhalten. Kinder brauchen jetzt Geborgenheit, Anerkennung, Vertrauen und keinen Schulstress. Niemand hat das Recht, unter Verweis auf eine ungewisse Zukunft die gelebte Gegenwart eines Kindes zu opfern.

Der Autor ist Professor für Bildungswissenschaften an der Universität Wien und Ehrendoktor der Universität Göteborg.

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Schülerinnen und Schüler zur aktuellen Situation: Heute Joana Bernhard – Man lernt nicht viel Neues https://condorcet.ch/2020/03/schuelerinnen-und-schueler-zur-aktuellen-situation-heute-joana-bernhard-man-lernt-nicht-viel-neues/ https://condorcet.ch/2020/03/schuelerinnen-und-schueler-zur-aktuellen-situation-heute-joana-bernhard-man-lernt-nicht-viel-neues/#respond Sun, 29 Mar 2020 18:43:07 +0000 https://condorcet.ch/?p=4469

Mit Joana Bernhards Beitrag beginnen wir eine Serie, in der Schülerinnen und Schüler schildern, wie sie mit dem Fernunterricht und der Angst vor dem Corona-Virus umgehen. Ihre Erfahrungen mit den Aufträgen des Fernunterrichts hält Joana Bernhard regelmässig in ihrem Tagebuch fest. Die Texte werden vom Klassenlehrer besprochen, korrigiert und kommentiert. Die Publikation dieser Beiträge erfolgt im Einverständnis der SchülerInnen und ihrer Eltern.

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Angesichts der langweiligen Woche, die ich verbrachte, habe ich nicht viel Spannendes zu erzählen. Deshalb dachte ich mir, dass ich heute über ein Thema schreibe, welches momentan uns alle beschäftigt: das Online-Schooling.

Ich versuche herauszufinden, welche Kompetenzen das System benötigt, um daraus eine zukunftstaugliche Technik zu machen.

Home-Schooling ist nichts Neues

Die Thematik «Online Schooling» oder auch «Homeschooling» genannt, ist ja an sich nichts Neues. Kinder, die zu weit weg von der nächsten Schule wohnen oder immer wieder ihren Standort wechseln, haben wahrscheinlich schon ihr Leben lang Online-Schooling. Infolge des Corona-Virus machen jetzt gerade sehr viele Kinder und Lehrer ihre ersten Erfahrungen damit – unfreiwillig.

Die Aufgaben, die uns gestellt werden, betreffen Inhalte, die wir alle schon gehabt haben und können sollten. Das kann ja zum Üben oder Anwenden spannend sein. Aber auf längere Zeit bringt die Schule so einfach nichts.

Das System ist natürlich noch lange nicht ausgeklügelt, da dieser Wechsel sehr unerwartet passierte. Momentan empfinde ich die Aufträge, die wir erhalten, eher als reine Zeitvertreibung, denn man lernt dabei wenig Neues. Anders geht es allerdings auch gar nicht, denn die Lehrer sind noch eingeschränkt, was die technischen Möglichkeiten betrifft. Die Aufgaben, die uns gestellt werden, betreffen Inhalte, die wir alle schon gehabt haben und können sollten. Das kann ja zum Üben oder Anwenden spannend sein. Aber auf längere Zeit bringt die Schule so einfach nichts.

Ich sehe oft, dass sie in Schulen wie zum Beispiel in Amerika Klassencalls machen, was heisst, dass der Lehrer ganz normal unterrichten kann, abgesehen davon, dass sie sich halt nur virtuell sehen können. So kann auch Neues vom Lehrer erklärt werden, ohne dass alle im Klassenzimmer sitzen müssen.

Wenn Homeschooling eine Zukunft hat, finde ich das bedauerlich.

Das Online Schooling wird auf jeden Fall Zukunft haben, was ich aber sehr bedauernswert finde. Denn so werden Kinder viel einsamer und verbringen viel mehr Zeit an ihren Computern, anstatt sich mit Freunden zu treffen. Wahrscheinlich finden viele Menschen es viel einfacher an, wenn jeder zu Hause bleibt. Nicht nur aus komfortablen Gründen, sondern auch wegen der Umwelt oder der Angst um die Kinder und noch mehr.

Was passiert mit der Disziplin?

Wenn es irgendwann keine Schulen mehr geben sollte, was ich vermute, wird es spannend sein zu verfolgen, ob die Kinder eine sehr hohe Disziplin entwickeln oder ob sie sehr tief sinken werden, denn eigentlich denkt man ja, wer macht schon freiwillig Hausaufgaben, wenn man eh nicht kontrolliert wird.

Eiffelturm, ohne nachher Crèpe zu essen?

In die Schule muss man einfach rechtzeitig kommen, denn sonst gibt es Probleme, die sich auf das spätere Berufsleben auswirken könnten. Meiner Meinung nach wird das Niveau der Disziplin sehr sinken, aber das werden wir ja dann sehen, wenn es soweit ist …

Alle, die ihr Leben lang von zu Hause aus Schule hatten, haben meiner Meinung nach auch sehr viel verpasst. Die meisten Freunde lernt man schliesslich in der Schule kennen, man lernt mit Leuten umzugehen, die man vielleicht nicht so gerne mag.  Sie eignen sich zwar das gleiche Grundwissen an wie wir, jedoch verpassen sie das ganze Drumherum, das Menschliche und Soziale, was genau so zur Schule gehört wie das Lernen. Um einen Vergleich zu ziehen:

Das ist, als ob man nach Paris geht und sich zwar den Eiffelturm anschaut, aber danach keine Crêpes isst.

 

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Überrollt uns nun eine unreflektierte Digitalisierungswelle? https://condorcet.ch/2020/03/ueberrollt-uns-nun-eine-unreflektierte-digitalisierungswelle/ https://condorcet.ch/2020/03/ueberrollt-uns-nun-eine-unreflektierte-digitalisierungswelle/#respond Wed, 25 Mar 2020 21:48:39 +0000 https://condorcet.ch/?p=4427

Condorcet-Autor Hanspeter Amstutz warnt vor der nun möglichen erzwungenen Digitalisierung und preist die Vorzüge eines Schulunterrichts im Klassenverband und mit einer Lehrperson.

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Hanspeter Amstutz
Bild: Fabü

Ob digital oder analog, Lehrpersonen versuchen zurzeit mit viel Engagement mit ihren Schülerinnen und Schülern in gutem Kontakt zu bleiben. Doch immer lauter taucht in der Presse der Vorwurf auf, die Schule habe die Digitalisierung verschlafen und sei für einen modernen Unterricht schlecht gerüstet. In vielen Berichten wird die Überzeugung geäussert, dass die Corona-Krise die künftige Schule grundlegend verändern werde.

Neues Lernen mit digitalen Lehrpräsentationen

 Geschichtsphilosoph Hegel ist überzeugt, dass der Mensch nur am Menschen zum Menschen werde. Diese pädagogische Leitidee gilt auch  in Zeiten des Corona-Virus. Nur ist es schwierig, bei einer vorgeschriebenen räumlichen Distanz diese unmittelbare Präsenz beim Unterrichten zu erreichen. Digital bietet sich eine durch eine sympathische Person präsentierte Lektion geradezu als Ersatz an. Didaktisch gut aufbereitet, kameratechnisch geschickt aufgenommen und inhaltlich solid kann ein Ersatz-Unterricht digital eine Weile lang ganz gut gelingen. Diese Einsicht ist nicht neu, denn schon früher waren spannende Schulfernseh-Sendungen eine Bereicherung im Biologie- und Geografieunterricht. Dass ein seriöser Mathe-Youtuber wie Daniel Jung mit gut präsentierten Mathe-Lektionen viele Schüler anspricht, ist nicht von der Hand zu weisen. In Zeiten des Corona-Virus können solche Lektionsreihen helfen, das schulische Angebot teilweise aufrechtzuerhalten. Aber ein vollwertiger Ersatz für einen lebendigen Klassenunterricht ist dies wirklich nicht.

Der Mensch wird nur am Menschen zum Menschen. Hegel. 

Der lebendige Dialog bleibt die pädagogische Basis

Der Mensch wird nur am Menschen zum Mensch

Im realen Unterricht ist eine Lehrperson da, welche mit den Kindern im Dialog steht und spürt durch deren Körpersprache, was sie jetzt gerade brauchen. Kinder können mit Fragen direkt intervenieren, wenn sie etwas nicht verstehen und die Lehrerin weiss so, wo sie etwas vertieft erklären muss. Eine Youtuber-Beziehung im Einbahnverkehr lässt sich deshalb nicht mit einer guten Lehrer-Schüler-Beziehung vergleichen. Wenn jetzt einige Digital-Turbos glauben, den Mathematik- und Deutschunterricht der Volksschule könne man mittels hervorragender Präsentatoren und individualisierter Lernsoftware auch weitgehend ohne gestaltende Lehrpersonen durchführen, dann begibt sich die Pädagogik auf einen Holzweg. Wer auf dieses falsche Pferd der Digitalisierung setzt, wird sich gewaltig verrennen.

Forcierte Digitalisierung verbessert die Chancengerechtigkeit nicht

Bereits ist der laute Vorwurf zu hören, dass die unterschiedliche Ausrüstung der Primarschulen mit digitalen Geräten nun zu einer starken Verzerrung der Chancengerechtigkeit führe. Glauben diese Kritiker allen Ernstes, dass sich mit einem breit installierten digitalen Fernunterricht die volle schulische Leistung über Monate hinweg aufrechterhalten liesse? Kann mit einer analogen Unterstützung mit Arbeitsmaterialien und Telefonkontakten nicht auch einiges erreicht werden?

Die Schere des Lernerfolgs zwischen geförderten und ungenügend betreuten Kindern wird im Fernunterricht noch viel weiter auseinandergehen.

Droht uns nach der Corona-Krise die totale Digitalisierung?

Doch letztlich geht es gar nicht darum, In welcher Form die Lernappelle und Aufträge an die Schüler zuhause gelangen. Wer nur einigermassen Einblick in die unterschiedlichen Rahmenbedingen in den Familien bezüglich elterlicher Lernunterstützung hat, wird im Zusammenhang mit dem Fernunterricht das Wort Chancengleichheit kaum noch verwenden. Die Schere des Lernerfolgs zwischen geförderten und ungenügend betreuten Kindern wird im Fernunterricht noch viel weiter auseinandergehen.

Eine forcierte Digitalisierung löst die schulischen Herausforderungen der Corona-Krise nur zu einem begrenzten Teil. Gar nicht zum Vorteil der Schule wäre es, wenn die Krise als Auslöser für einen Paradigmenwechsel hin zu einer totalen Digitalisierung des Mathematik- und Deutschunterrichts benützt würde. Für einen solchen schulischen Umbau fehlen die überzeugenden pädagogischen Argumente.

Behalten wir einen kühlen Kopf und ziehen wir für die  Schulentwicklung die richtigen Schlüsse:

  • Digitale Lehrpräsentationen sind nützlich, wenn Notsituationen überbrückt werden müssen oder Kinder Musse zum freien Lernen haben.
  • Lehrpersonen sollten Zugriff auf qualitativ gute Lernsoftware haben und nicht ihre Zeit mit dem Aussortieren ungenügender Präsentationen und Programme vergeuden müssen.
  • Gute Präsentationen mit anschaulichem Bild- und Filmmaterial können den täglichen Unterricht bereichern, aber nicht ersetzen.
  • Digitalisierte Lehrpräsentationen sollen als positive Herausforderung für die Verbesserung der realen Fachdidaktiken verstanden werden.
  • Die Lehrerinnen und Lehrer sind in den verschiedenen Fachdidaktiken so aus- und weiterzubilden, dass sie selber einen ausgezeichneten lebendigen Unterricht gestalten können.
  • Der Wert des gemeinsamen Klassenunterrichts als Zentrum der Schullebens muss wieder ins richtige Licht gerückt werden.
  • Die finanziellen Mittel für die Schulentwicklung dürfen nicht einseitig für die schulische Digitalisierung verwendet werden. Vielmehr sollen die Schulen mehr in die interne fachliche Weiterbildung investieren.

Unterricht in Schulklassen schafft Geborgenheit

 Die aktuelle Krise zeigt, dass die Kinder den unmittelbaren Kontakt zu ihren Mitschülern und zu ihren Lehrpersonen schon nach wenigen Tagen am meisten vermissen. Pädagogik in gut geführten Klassen vollzieht sich im Miteinander, im Zuhören, im lebendigen Mitdiskutieren und Miterleben.

Digitalisierung mit Mass
Bild: Pietro Masztalerz aus Schlaue Bilder, Lappan

Ich teile in Übereinstimmung mit Condorcet-Autor Carl Bossard die Auffassung, dass die Frage der Menschenbildung in der Pädagogik eine zentrale Rolle spielt. Der anerkannte Pädagoge hält den lebendigen Dialog im Klassenzimmer im Ganzen gesehen für nachhaltiger als die Einbahn-Kommunikation in einer Fernseh-Lektionsreihe. Diese kann zwar durchaus einige Lernfortschritte bringen, vor allem dann, wenn die Schüler das Lernen bereits als etwas Positives erfahren haben. Aber es ist gefährlich zu glauben, auch ohne hervorragende Lehrerinnen und Lehrer könne man dank der Digitalisierung unsere Volksschule einen grossen Schritt voranbringen.

 

 

 

 

 

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Eine Chance für das selbstorganisierte Lernen https://condorcet.ch/2020/03/eine-chance-fuer-das-selbstorganisierte-lernen/ https://condorcet.ch/2020/03/eine-chance-fuer-das-selbstorganisierte-lernen/#comments Wed, 25 Mar 2020 20:17:39 +0000 https://condorcet.ch/?p=4390

Professor Walter Herzog ist ein scharfer Kritiker von Harmos und Lehrplan 21. Gegenüber dem "Selbstorganisierten Lernen" hat er aber eine positive Haltung. Die Kritik an SOL beruhe auf einem Missverständnis.

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Corona-Krise mit schwer absehbaren Folgen.

Krisen sind Zeiten der Entscheidung. Sie zwingen nicht nur kurzfristig zu entschlossenem Handeln, sondern haben auch langfristig Auswirkungen, die sich aus der Einsicht ergeben, dass man nicht hinreichend auf die Krise vorbereitet war. Was die Krise anbelangt, in die uns das Corona-Virus gestürzt hat, ist noch schwer absehbar, welche langfristigen Veränderungen sie zur Folge haben wird. Bezüglich des Schulsystems lassen sich allerdings bereits erste Vermutungen anstellen, wie die Weichen gestellt werden könnten. Dabei ist weniger an die Digitalisierung und den digitalisierten Unterricht zu denken als an eine wesentliche Voraussetzung des digitalisierten Unterrichts, nämlich die Fähigkeit und Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler, ihr Lernen selber zu organisieren. Unzählige Schülerinnen und Schüler, die zurzeit zuhause lernen müssen, wären vermutlich froh, wenn sie beim Management ihres Lernalltags über mehr Kompetenzen verfügen würden.

Unzählige Schülerinnen und Schüler, die zurzeit zuhause lernen müssen, wären vermutlich froh, wenn sie beim Management ihres Lernalltags über mehr Kompetenzen verfügen würden.

Das Corona-Virus bringt ein schulpädagogisches Konzept zurück aufs Tapet, das in den vergangenen Jahren heftigen Kontroversen ausgesetzt war: das selbstorganisierte Lernen. So wurde der Lehrplan 21 mit dem Argument bekämpft, die Lehrpersonen würden sich aus der Verantwortung stehlen und die Schülerinnen und Schüler ihrem Schicksal überlassen. Gegen die Reduktion der Instruktionsfunktion auf eine blosse Coachingfunktion wurde vorgebracht, dass Lehrpersonen den Schulstoff verständlich aufzubereiten, methodisch reflektiert zu vermitteln und das Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler eng zu begleiten hätten. Dabei offenbarten sich aber auch Missverständnisse, die auszuräumen nun die Gelegenheit gekommen ist.

Vom Lernziel zur Unterrichtsmethode

Lehrplan 21, Gesamtausgabe: SOL sollte von der Kritik ausgenommen bleiben.

Wie immer man zum Lehrplan 21 stehen mag, bezüglich des selbstorganisierten Lernens muss man ihn in Schutz nehmen. An keiner Stelle heisst es, die Schülerinnen und Schüler sollen beim Lernen allein gelassen werden. Das zeigt sich schon daran, dass das selbstorganisierte Lernen nicht als Unterrichtsmethode, sondern als Lernziel eingeführt wird. Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, «ihr Lernen zunehmend selbstständig zu bewältigen [und] an der eigenen Lernfähigkeit zu arbeiten». Sie sollen in der Fähigkeit gefördert werden, «ihr Lernen selbstständig zu gestalten und dafür zunehmend Verantwortung zu über­neh­men». Und sie sollen angeleitet werden, «über ihr Lernen und ihr Arbeiten nachzudenken und dieses zunehmend selbstständig und mit mehr Selbstverantwortung zu steuern».

Schüler sollen in der Fähigkeit gefördert werden, ihr Lernen selbstständig zu gestalten und dafür zunehmend Verantwortung zu über­neh­men.

Die Polemik um das selbstorganisierte Lernen verdankt sich vermutlich zu einem grossen Teil dem Begriff selber, der Fehlinterpretationen geradezu nahelegt. Sein Lernen selber zu organisieren, käme dem Anspruch vollständiger Selbstbestimmung gleich. Solange das Lernen jedoch in einem institutionellen Kontext wie der Schule stattfindet, ist ein selbstorganisiertes Lernen im umfassenden Sinn weder möglich noch sinnvoll. Bereits der Lehrplan schränkt die Selbstbestimmung des Lernens massiv ein.

Worum es eigentlich geht

Andere Begriffe würden daher besser zum Ausdruck bringen, worum es geht, wie insbesondere der Begriff des selbstregulierten Lernens. Denn genau dies ist der Anspruch: sein Lernen selber zu regulieren. Wer sein Lernen selber regulieren kann, verfügt über eine Reihe von Kenntnissen und Fähigkeiten, die es ihm ermöglichen, die Bedingungen des Lernens zu beeinflussen. Er vermag sich für das Lernen zu motivieren und verfügt über ein Repertoire an Lernstrategien, die sich flexibel einsetzen lassen. Er ist in der Lage, die ihm verfügbare Lernzeit optimal zu nutzen. Er kann sein Lernverhalten den Bedingungen und Anforderungen des Lerngegenstandes und der Lernsituation anpassen. Er ist fähig, nicht nur seinen Lernprozess zu beobachten, zu beurteilen und zu kontrollieren, sondern auch den Lernort festzulegen und die Lernumgebung zu arrangieren. Schliesslich gehört zur Selbstregulation des Lernens auch die Fähigkeit, sich bei Schwierigkeiten Hilfe zu holen, zum Beispiel im Rahmen einer Lernpartnerschaft, durch die Inanspruchnahme von Beratung oder die Nutzung eines Tutorials auf Youtube.

In keinem Fall kann einfach vorausgesetzt werden, dass Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, die Umstände ihres Lernens eigenständig und eigenverantwortlich zu regeln.

Diese Aufzählung von Eigenleistungen macht deutlich, wie anspruchsvoll selbstorganisiertes Lernen ist. In keinem Fall kann einfach vorausgesetzt werden, dass Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, die Umstände ihres Lernens eigenständig und eigenverantwortlich zu regeln. Genau deshalb ist das selbstorganisierte Lernen nicht in erster Linie eine Unterrichtsmethode, sondern ein Lernziel, das als solches zuerst gelehrt werden muss, bevor es als Methode eingesetzt werden kann.

Verbesserung des Unterrichts

Prüfungsbezogenes Lernen

Es wäre aber falsch anzunehmen, die Fähigkeit zur Selbstorganisation des Lernens erweise ihre Dringlichkeit nur in der ausserordentlichen Situation des Fernunterrichts. Kenntnisse über wirksame Lernstrategien sind auch unter regulären Unterrichtsbedingungen von grösster Bedeutung. Ein wahres Übel unseres Schulsystems liegt darin, dass es ein Lernverhalten fördert, das sich am Rhythmus der notenrelevanten Prüfungen orientiert. Da alles auf die Prüfungsleistung anzukommen scheint, wird das Lernen auf die Zeit unmittelbar vor der Prüfung konzentriert. Nach der Prüfung wird dann schnell wieder vergessen, was man sich eingepaukt hat. Gefördert wird ein Bulimie-Lernen, dessen Ineffektivität im Vergleich mit einem zeitlich verteilten Lernen psychologisch längst nachgewiesen ist, von der Schulpraxis aber weiterhin nicht zur Kenntnis genommen wird.

Hier ist auch der Punkt, wo die Kritik am Lehrplan 21 berechtigt ist. Dieser folgt didaktisch einer linearen Aufbaulogik, wonach der Stoff eines Faches wie beim Einräumen einer Bibliothek Stück um Stück in die Köpfe der Schülerinnen und Schüler eingelagert wird. Genau so kommt aber kein nachhaltiges Lernen zustande. Denn was auf eine einzelne Lernphase zutrifft, gilt auch für ein ganzes Curriculum: Stoff, der nicht repetiert und in neuen Kontexten reaktiviert und vertieft wird, geht schnell vergessen.

Richtig verstanden, könnte das selbstorganisierte Lernen nicht nur positive Auswirkungen auf die Qualität des Lernverhaltens der Schülerinnen und Schüler haben, sondern auch zu einer Verbesserung der Lernwirksamkeit des Unterrichts führen.

Es ginge also nicht nur darum, den Schülerinnen und Schülern beizubringen, ihr Lernverhalten zu ändern, auch der Unterricht wäre wirksamer, wenn er nicht einer linearen, sondern einer zyklischen Logik folgen würde. Richtig verstanden, könnte das selbstorganisierte Lernen nicht nur positive Auswirkungen auf die Qualität des Lernverhaltens der Schülerinnen und Schüler haben, sondern auch zu einer Verbesserung der Lernwirksamkeit des Unterrichts führen. Auch wenn der Anlass zu dieser Einsicht schmerzlich ist, er böte die Chance für eine innere Reform unserer Schulen, die so schnell nicht wiederkommen dürfte.

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