Diskurs - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Sun, 31 Dec 2023 12:54:36 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Diskurs - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Traf der Loretz (auf) den Wampfler • Nachwehen eines Editorials https://condorcet.ch/2023/12/traf-der-loretz-auf-den-wampfler-nachwehen-eines-editorials/ https://condorcet.ch/2023/12/traf-der-loretz-auf-den-wampfler-nachwehen-eines-editorials/#comments Thu, 28 Dec 2023 16:07:43 +0000 https://condorcet.ch/?p=15551

Vor einigen Wochen gingen in diesem Blog die Wogen hoch, als sich der Präsident des lvb, Philipp Loretz, und der Fachdidaktiker Philippe Wampfler einen Diskurs über den Sinn der Digitalisierung unseres Unterrichts lieferten. Roger von Wartburg fasst ihn zusammen und ordnet ihn ein.

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Das Editorial des «lvb inform» aus der Feder von LVB-Präsident Philipp Loretz trug den Namen «Schulische Digitalisierung bedarf der Reflexion» [1] und rief dazu auf, die stetig anwachsende digitale Vereinnahmung von Schülerinnen und Schülern – mittlerweile bis auf die Unterstufe hinab – kritisch zu hinterfragen und einem pädagogischen Konzept unterzuordnen. In der Folge löste besagtes Editorial kontroverse Debatten im Internet aus. Dieser Artikel liefert hierzu einen kurzen Überblick und bietet Interessierten die Möglichkeit, via QR-Codes die aufschlussreichen Kommentare nachzulesen.

Roger Von Wartburg, Sekundarlehrer, ehemaliger Präsident des lvb: Das lvb-Inform hat Wirkung.

Facebook und Wampfler

Ihren Anfang nahm die Kontroverse in der Facebook-Gruppe «Lehrerinnen und Lehrer Schweiz», die von der früheren LCH-Vizepräsidentin Marion Heidelberger administriert wird und über 6000 Mitglieder zählt. Dort repostete die Administratorin einen Post von Gymnasiallehrer und Fachdidaktiker Philippe Wampfler, in dem dieser verkündete, Schulen müssten einen Unterricht anbieten, der in eine Kultur der Digitalität passe.

Philippe Wampfler ist seit einigen Jahren medial sehr präsent und wird von verschiedenen Zeitungen und anderen Medien gerne als Experte für Bildungsfragen hinzugezogen, nicht zuletzt im Themenkomplex Digitalität. Aber auch zu anderen Fragen äussert sich Wampfler pointiert; so hat er etwa im Jahr 2021 zusammen mit Björn Nölte das Buch «Eine Schule ohne Noten» publiziert, dessen Titel Programm ist.

Loretz wirft ein

Philipp Loretz nahm Philippe Wampflers Äusserung zum Anlass, um einige Kernelemente seines Editorials ins virtuelle Rund zu werfen. Er verwies u.a. auf Befunde, wonach der permanente Einsatz digitaler Werkzeuge zu starker Ablenkung, einer Schwächung der Konzentrationsfähigkeit, einer Behinderung des Arbeitsgedächtnisses und damit zu einer markanten Verschlechterung der Lernleistung führe. Aus diesem Grund votiere er für klare IT-Nutzungsregeln, die sich an der geistigen und körperlichen Unversehrtheit der Schülerinnen und Schülern orientierten. Den Einsatz von iPads bereits in der Basis- und Unterstufe sieht er sehr kritisch.

Philippe Wampfler reagierte umgehend und warf Loretz eine «eigenwillige Auswertung der Studien» vor. Eine Reflexion müsse «mehr sein als eine Ablehnung». Loretz seinerseits antwortete ebenfalls und das Ganze ging munter hin und her – und weckte das Interesse des Bildungs-Blogs www.condorcet.ch, zu dessen Autorenteam Philipp Loretz zählt. Condorcet übernahm die Debatte aus der Facebook-Gruppe auf die eigene Website, was weitere Kommentare hervorrief. [2]

Condorcet und Hoffmann

Das langjährige LVB-Mitglied Felix Hoffmann, seines Zeichens ebenfalls Teil des Condorcet-Autorenteams, sah sich veranlasst, eine Replik auf den Austausch zwischen Wampfler und Loretz [3] zu verfassen, die auf www.condorcet.ch veröffentlicht wurde. Hoffmann ging darin mit Wampfler ins Gericht und warf ihm vor, seine Unterstellungen an Philipp Loretz’ Adresse nicht zu begründen, sondern mit Allgemeinplätzen um sich zu werfen.

«Schreiben, was ist», lautete das Motto von SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein. Diesem Credo fühlt sich auch der LVB seit jeher verpflichtet.

Diese Replik wiederum zog diverse neue Kommentare nach sich – nicht zuletzt von Philippe Wampfler selbst, aber auch von anderer Seite. Frei nach Mani Matter: Da mischte der (virtuelle) Saal sich ein. Wer sich ein Bild davon machen will, ist dazu herzlich eingeladen; die QR-Codes führen Sie an die entsprechenden Stellen.

Dem Diskurs verpflichtet

Das Gelbe Heft lebt!

Eines jedoch wurde einmal mehr eindrücklich unter Beweis gestellt: Artikel aus dem «lvb inform» zeitigen immer wieder Wirkung. Manchmal werden sie in Zeitungen aufgenommen, von Landratsmitgliedern in den politischen Debatten zitiert oder – wie im vorliegenden Fall – im Internet heiss diskutiert.

Wir werden alles dafür tun, dass das auch in Zukunft so bleibt. Indem wir ganz bewusst auch heisse Eisen aufgreifen und die redensartlichen Elefanten im Raum, welche an vielen Orten gerne dauerhaft ausgespart werden, thematisieren. «Schreiben, was ist», lautete das Motto von SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein. Diesem Credo fühlt sich auch der LVB seit jeher verpflichtet.

 

[1] Schulische Digitalisierung bedarf der Reflexion, lvb inform 2023/24-01
https://lvb.ch/2022/wp-content/uploads/2023/10/02_Editorial-Schulische-Digitalisierung-bedarf-der-Reflexion_lvb-inform_23-24-01-1.pdf

[2] Digitalisierung: Wie weit soll sie gehen?
https://condorcet.ch/2023/10/digitalisierung-wie-weit-soll-sie-gehen/

[3] Eine Replik auf den Austausch zwischen Wampfler und Loretz, https://condorcet.ch/2023/10/eine-replik-auf-den-austausch-zwischen-wampfler-und-loretz/

 

 

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Plädoyer für eine Renaissance der Schullektüre https://condorcet.ch/2023/11/plaedoyer-fuer-eine-renaissance-der-schullektuere/ https://condorcet.ch/2023/11/plaedoyer-fuer-eine-renaissance-der-schullektuere/#comments Sun, 26 Nov 2023 15:25:55 +0000 https://condorcet.ch/?p=15376

Condorcet-Autor Carl Bossard mahnt zur Rückkehr zu einem konzentrierten Lesen und fordert eine Renaissance der Lektüre.

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Wir wissen es schon lange, doch wir verdrängen es. Die NZZ am Sonntag machte es vor Kurzem wieder publik: Die Lesefreude nimmt bei den Jugendlichen ab – ebenso wie die Lesefähigkeit generell. Seit Jahren sinkt sie. Beim letzten PISA-Test, publiziert im Dezember 2019, lag die Schweiz beim Lesen auf Platz 27. Sie dümpelt damit unter dem Durchschnitt und klar hinter Nachbar Deutschland!

Carl Bossard, 74, ist Gründungsrektor der Pädagogischen Hochschule Zug. Davor war er als Rektor der kantonalen Mittelschule Nidwalden und Direktor der Kantonsschule Luzern tätig. Heute begleitet er Schulen und leitet Weiterbildungskurse. Er beschäftigt sich mit schulgeschichtlichen und bildungspolitischen Fragen.

Die Gruppe derer, die einfache Verknüpfungen zwischen verschiedenen Textteilen nicht herstellen können, wuchs auf 24 Prozent. Jeder vierte Schulabsolvent in der Schweiz kann nach neun Schuljahren nicht richtig und verständig lesen, diagnostiziert die PISA-Studie. Er ist nicht imstande, einem einfachen Text alltagsrelevante Informationen zu entnehmen. Konkret: Er vermag das Geschriebene zwar zu entziffern, versteht aber das Gelesene im Gesamtkontext nicht. Das ist besorgniserregend. Auch demokratiepolitisch. Lesen bleibt der Schlüssel fürs Lernen und die Teilhabe an der Welt – und unserer Demokratie.

Das Kernproblem der mangelnden Lesekompetenz nicht weniger junger Menschen liegt beim Verstehen. Konzentrierte Lektüre wird seltener, das intensive Lesen nimmt ab. Usanz ist heute das Lesen von WhatsApp-Nachtrichten und von flüchtig gescannten Kurztexten. Das gehört zum Leben junger Leute, ebenso Social-Media-Kanäle wie Tiktok. Der Lesemodus liegt im Überfliegen von Texten und im Gebrauch von Tablets oder Smartphones. Dabei können Alerts die Lektüre jederzeit unterbrechen.

Steigendes Unbehagen am Lesen

Dass vieles so leicht zu haben ist, zeitigt Folgen. Wer kurze Wege gewohnt ist, reagiert unwirsch auf längere, oder anders gesagt: Die Welt der nicht alltäglichen Sprache, des differenzierenden Diskurses ist für manche Schülerinnen und Schüler eine unvertraute Gegend. Nicht alltägliche Texte lesen und den Sinn verstehen wird für sie zur Schwerstarbeit, die Aufgabe einer nuancierten Versprachlichung zur subjektiven Zumutung. So öffnen sich neue Sprachbarrieren. Das Unbehagen am Lesen steigt. Umso mehr müsste die Schule hier Gegensteuer geben und die jungen Menschen aus ihren Eigenwelten herausholen und ihnen als Brückenbauerin andere (Lese-)Welten einsichtig machen – und sie darin trainieren. Die Freude am Lesen kommt mit dem Können. Es ist eine Überbrückungsarbeit zwischen den Schülerhorizonten und dem elementaren Bildungsauftrag der Schule. Dies nicht zuletzt im Interesse von Kindern, die aus sozial eher schwächeren Familien kommen und es schwerer haben. Hier liegt eine der ganz wichtigen Aufgaben der Schule. Auch in demokratiepolitischer Hinsicht. Lesekompetenzen und Formen des Lesens sind keine Relikte eines analogen Zeitalters.

Nicht alltägliche Texte lesen und den Sinn verstehen wird für so manche Schülerinnen und Schüler heute zur Schwerstarbeit.

Nicht “mehr und Zusätzliches” wäre gefordert, sondern Kontrastives, eine Art Gegenhalten im Verhältnis der Schülerinnen und Schüler zu formaler Sprache und Diskursivität. Das bedeutet für Lehrpersonen einen spürbaren Zuwachs an Anstrengung, bleibt aber als Aufgabe und didaktische Pflicht. Dieser Auftrag braucht Zeit. Doch sie fehlt. An der Schule muss zu vieles gleichzeitig erarbeitet werden: Deutsch, Frühenglisch, Frühfranzösisch, die ganze Integration und anderes mehr. Wenn die Aufgabenfülle steigt und die Inhalte zunehmen, reduziert sich die Übungszeit. Lehrerinnen und Lehrer kommen deutlich weniger zum Üben. Aus der Gedächtnispsychologie wissen wir: Je stärker wir eine Grundfertigkeit im täglichen Leben brauchen, desto intensiver müssen wir sie trainieren. Das gilt auch für die grundlegende Kulturtechnik des Lesens.

Wachsende Aufgabenfülle reduziert die Übungszeit

Vertieftes und konzentriertes Lesen oder “deep reading”, wie es die Leseforschung nennt, muss geduldig gelehrt, intensiv und auch gemeinsam geübt und reflektiert werden. Aus Sicht der Wissenschaft zuerst mit analogen und erst dann mit digitalen Medien. Dazu schreibt Klaus Zierer, Erziehungswissenschaftler und Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg: “Wir brauchen eine Renaissance der Lektüre, eine Renaissance des Leseunterrichts, und zwar im Kern des Curriculums, mit Lektürestunden in jeder Schulart und in jedem Schulfach.” Es ist das alte Postulat: “Get the fundamentals right, the rest will follow.” Auf die guten Grundlagen kommt es an!

 

Carl Bossard

Ehemaliger Direktor Kantonsschule Luzern und Gründungsrektor Pädagogische Hochschule PH Zug

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Einen Diskurs totschlagen – was man tun kann, damit man auf die Argumente eines anderen gar nicht erst eingehen muss https://condorcet.ch/2023/01/einen-diskurs-totschlagen-was-man-tun-kann-damit-man-auf-die-argumente-eines-anderen-gar-nicht-erst-eingehen-muss/ https://condorcet.ch/2023/01/einen-diskurs-totschlagen-was-man-tun-kann-damit-man-auf-die-argumente-eines-anderen-gar-nicht-erst-eingehen-muss/#comments Mon, 23 Jan 2023 19:44:35 +0000 https://condorcet.ch/?p=12916

In einem offenen Gespräch mit guten Argumenten um Klarheit in der Sache ringen, das war einmal. Der postmodern-poststrukturalistische Diskurs hat allerlei Methoden hervorgebracht, einen Austausch im Dienst der Aufklärung zu verhindern. Eine Entwicklung, die auch viele, die im Condorcet-Blog mitarbeiten, am eigenen Leibe erlebt haben. Im Condorcet-Blog gibt es diesen Diskursblocker nicht, im Gegenteil. Eduard Käser hat uns die Methoden der Diskursverhinderung fein säuberlich analysiert. Der Artikel ist zuerst in der NZZ erschienen.

Dieser Blog wurde nicht von ungefähr gegründet. Hier haben sich Leute zusammengefunden, denen diese Art Diskursverweigerung in Bildungsthemen auf den Nerv gegangen ist. Und wir können dafür bürgen, der nun folgende Leitfaden von Eduard Käser gilt für uns nicht.

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Eduard Kaeser, Philosoph, Physiker und Publizist

Rhetorik ist die listige Schwester der Logik. Sie tut so, als argumentiere sie zwingend, dabei will sie vor allem eines: manipulieren. Sie kann auch Gespräche totschlagen. Hier eine kleine Auswahl von Keulen, die gegenwärtig im Schwange sind.

Zwischen zwei Personen, A und B, spielt sich folgende Diskussion ab.

A: «Ich finde die Hinrichtung von Homosexuellen in Iran eine gottverdammte Schande!»

B: «Wie wagst du es, ein solch schlimmes Wort zu gebrauchen!»

A: «Glaubst du nicht auch, dass das Töten von Menschen schlimmer ist als der Gebrauch eines ‹schlimmen› Wortes?»

B: «Ich höre nicht auf jemanden, der ein solches Wort in den Mund nimmt.»

A: «Gut, ich nehme es zurück. Aber was ist mit Iran?»

B: «Ich bin jetzt zu genervt, um diese Diskussion überhaupt noch fortzusetzen.»

In einschlägigen Kreisen heisst diese Keule «tone trolling» oder «tone policing». Der Ton-Troll stösst sich am Ton seines Gesprächspartners, an einem unglücklich gewählten Wort. Es tut nichts zur Sache, und doch bauscht der Ton-Troll es zur «Sache» auf. Er trägt die Keule des Beleidigtseins, Betroffenseins, Empörtseins immer schlagbereit mit sich, wartet auf jeden falschen Ton: Schock! Skandal! Shit!

Auf die Eingeweide hören

Von sich reden macht eine spezifische Variante dieses Arguments: die Keule des Unwohlseins, traditionell bekannt als «reductio ad nauseam». «Dein Argument erzeugt bei mir Unwohlsein bis zur Übelkeit, also nimm es gefälligst zurück.» Ein duseliges Allheilmittel aus den Eingeweiden.

Umso bedenklicher, dass nun zum Beispiel Verlage Lektoren – «sensitivity readers» – beschäftigen, um Texte zu erschnüffeln, die «Unwohlsein» erzeugen könnten. Diese vorauseilende Überempfindlichkeit stumpft ab gegenüber einer anderen Sensibilität, jener für Witz, Satire, Ironie, Mehrdeutigkeit, Widerspruch, ja Provokation – kurz, für fröhlich-streitbare Intelligenz.

Gewiss, gerade ein gutes Argument bereitet oft Unwohlsein. Daraus folgt aber nicht: Mir ist unwohl, also habe ich ein gutes Argument. Der bündige Bescheid darauf lautet: «Nimm ein Alka Seltzer, oder geh frische Luft schnappen.» Umso bedenklicher, dass nun zum Beispiel Verlage Lektoren – «sensitivity readers» – beschäftigen, um Texte zu erschnüffeln, die «Unwohlsein» erzeugen könnten. Diese vorauseilende Überempfindlichkeit stumpft ab gegenüber einer anderen Sensibilität, jener für Witz, Satire, Ironie, Mehrdeutigkeit, Widerspruch, ja Provokation – kurz, für fröhlich-streitbare Intelligenz. Ein Virtuose dieser Intelligenz war der kürzlich verstorbene Hans «der Grosse», Hans Magnus Enzensberger.

Das Banner der Identität

Besonders eine Keule wird heute gern geschwungen: «identity first». «Ich als postkoloniales Subjekt . . .», «Ich als Frau und Lesbe . . .». Die Redewendung macht vorweg klar, dass die Identität vor der Sache steht. A priori errichtet man zwischen Ich und Gegenüber eine halbdurchlässige Wand, die meine Aussagen an dich passieren lässt, aber nicht in umgekehrter Richtung.

«Nimm einfach an, dein Gegner liege falsch, erkläre seinen Irrtum, und die Welt liegt dir zu Füssen.»

Clive Staples Lewis, irischer Schriftsteller

«Ich als X . . .» ist potenzieller Gesprächsabbruch. Auf diese Eröffnung kann man mit «Und ich als Y . . .» reagieren. «Ich als X . . .» ist das Banner der Identitätspolitik. Man duckt sich in eine diskursive Schützenstellung. Der amerikanische Politikwissenschafter Mark Lilla bemerkte 2017: «Früher hätte eine Diskussion im Klassenzimmer vielleicht mit den Worten begonnen: ‹Ich denke A, und dies aus den folgenden Gründen.› Heute heisst es: ‹Ich als X fühle mich beleidigt, weil du B behauptest.› Anstelle einer Auseinandersetzung findet eine Tabuisierung konträrer Denkweisen und Meinungen statt.

Aufmerksamkeit durch Opferstatus

Komplementär dazu ist das «Du als X . . .». A sagt: «Die ganze Wokeness-Unkultur ist Symptom dafür, Aufmerksamkeit durch Opferstatus zu erheischen.» B erwidert: «Das sagst du doch nur als frustrierter alter weisser Cis-Mann, dem die Aufmerksamkeit fehlt.»

Das klassische Argumentum ad hominem also. Der irische Schriftsteller Clive Staples Lewis hat es 1941 unvergesslich auf die Schippe genommen mit seiner fiktiven Figur Ezekiel Bulver. Ezekiels Vater erklärte der Mutter, die Summe zweier Seiten eines Dreiecks sei grösser als die dritte Seite. Die Mutter schmetterte die Beweisführung ab: Du sagst das nur, «weil du ein Mann bist».

Das fiese Axiom der Cancel-Culture ist die Schuldsvermutung.

Aus heutiger Sicht könnte man sagen, die Mutter reagiere auf das Mansplaining des Vaters. Aber Lewis zielt auf etwas anderes: «In diesem Moment durchfuhr meinen sich öffnenden Geist die Einsicht (. . .): Nimm einfach an, dein Gegner liege falsch, erkläre seinen Irrtum, und die Welt liegt dir zu Füssen.» Das klingt frappant nach «querdenkerischer» Kritik an der Wissenschaft in der Pandemie. Die Experten liegen sowieso falsch, also erkläre man ihren Einfluss durch Verschwörungstheorien. Im Englischen nennt man die Keule «Bulverism».

Fiese Schuldsvermutung

Eine Variante, das «Brunnenvergiften», mischt Bulverismus mit dem Appell an Emotionen, insbesondere an moralische. Das Argument erzeugt eine delegitimierende Voreinge­nommenheit gegenüber dem Gesprächspartner: «Woher nimmst du das Recht, als weisser Historiker über den afrikanischen Sklavenhandel zu schreiben . . .?» Oder eine Kritik der hanebüchenen homophoben Äusserungen des katarischen WM-Botschafters sieht sich als implizit rassistisch «entlarvt».

Das fiese Axiom der Cancel-Culture ist die Schuldsvermutung: Im Zweifel gegen den Angeklagten – du stehst unter Verdacht einer «schuldigen» Haltung, bis deine Unschuld bewiesen ist. Und exakt das sucht Canceln zu verunmöglichen. Eine extreme Spielart dieser Taktik ist die Nazi-Keule oder «reductio ad Hitlerum»: «Dein Engagement für die Tiere erinnert mich daran, dass auch Hitler ein grosser Tierschützer war.»

Das Thema umschiffen

Altbekannt ist die Keule des Tu-quoque-Arguments, des «Du-auch». Geläufig heute unter der Bezeichnung Whataboutismus. A wirft B vor: «Mit deinem Fleischkonsum trägst du zum Klimawandel bei.» B erwidert: «Fliegst du nicht viermal pro Jahr in die Ferien?» Beide Gewohnheiten haben natürlich mit dem Klimawandel zu tun. Aber ein heikles Thema lässt sich mit Whataboutismus elegant umschiffen, deshalb ist er ein beliebtes Instrument von Politikern und Verbandschefs.

Der Whataboutismus ist ein falsches Pfund, mit dem sich in Debatten üppig wuchern lässt.

Wer Trump pathologisches Lügnertum vorwarf, lief umgehend in den Konter: Was ist denn mit Hillary Clintons Schwindeleien?

Während der US-Präsidentenwahl 2016 wütete der Whataboutismus in den amerikanischen Medien. Wer Trump pathologisches Lügnertum vorwarf, lief umgehend in den Konter: Was ist denn mit Hillary Clintons Schwindeleien? Jüngst entdeckte der Fifa-Boss Gianni Infantino das Argument. Gegen Kritik am Unrechtsstaat Katar schwang er die «Was ist denn mit Europa?»-Keule: «Ich bin Europäer. Für das, was wir im Laufe von 3000 Jahren rund um die Welt getan haben, sollten wir uns in den nächsten 3000 Jahren entschuldigen, bevor wir moralische Lektionen erteilen.»

Pseudowissenschafter greifen auch gern zum Whataboutismus: Wie steht es denn mit den Wissenschaftern; auch sie verletzen Forschungsnormen, sind Querdenker oder schummeln? Der Fehlschluss der falschen Äquivalenz: Man schliesst von einem gemeinsamen besonderen Merkmal auf die allgemeine Gleichwertigkeit. Natürlich ist Schummeln keine Bagatelle, aber es spielt in Wissenschaft und Pseudowissenschaft eine unterschiedliche Rolle. Darauf einzugehen, verlangt Differenzierungskraft. Und genau das vermeidet der Whataboutismus. Er ist ein falsches Pfund, mit dem sich in Debatten üppig wuchern lässt.

Benimm des Denkens

Wie gesagt, es handelt sich hier um eine Auswahl. Sie genügt meines Erachtens, um eine allgemeine Diagnose zu stellen: Es fehlt an Benimm des Denkens. Man hört jetzt oft, dieser Benimm sei ja allzu lange von den alten, weissen, cis-männlichen Türhütern der Diskurse – Intendanten, Chefredaktoren, Universitätsprofessoren – definiert worden. Daran mag etwas sein, aber das ist kein Grund zum Keulenschwingen.

Offene Diskurse haben eine Verfassung, die Werte wie Objektivität, Faktentreue, Wahrheit, Schlüssigkeit hütet. Sie definieren rationale Fairness in der Kritik. Freie Meinungsäusserung basiert bei allem Kampf um soziale und ethnische Gerechtigkeit auf der Bereitschaft zu einer solchen Fairness. Ihr Schwächeln kann man als trauriges Symptom des «Verfassungsbruchs», ja der Verluderung unserer Gesprächskultur deuten.

Also den Benimm neu lernen, Keulen weglegen. Wenn das nur so einfach wäre.

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Die Preisverleihung: Den dringend benötigten Dialog in Gang bringen https://condorcet.ch/2021/12/die-preisverleihung-den-dringend-benoetigten-dialog-in-gang-bringen/ https://condorcet.ch/2021/12/die-preisverleihung-den-dringend-benoetigten-dialog-in-gang-bringen/#respond Fri, 10 Dec 2021 12:59:21 +0000 https://condorcet.ch/?p=10094

Die Preisverleihung der Peter-Hans-Frey-Stiftung vom 9. Dezember war der Höhepunkt eines ereignisreichen Jahres. Und die Zermonie wurde mit einer originellen Dankesrede zu einem Überraschungscoup genutzt. Hier der Kurzbericht!

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Allan Guggenbühl in seiner Laudatio: Diesmal keine grossen Schwierigkeiten bei der Preisentscheidung.

Gestern, am 9. Dezember 2021, fand nun die offizielle Preisübergabe der Peter-Hans-Frey Stiftung statt. Der Präsident des Stiftungsrats, Allan Guggenbühl, verriet den ca. 50 anwesenden Gästen, dass es diesmal keine langen Diskussionen gab, wem man den Preis 2021 vergeben wolle. Und dies, obwohl sehr viele Gesuche eingegangen waren. Allan Guggenbühl: “Der Condorcet-Blog fördert mit seiner frischen, offenen Art den dringend benötigten Diskurs in der Bildungsdebatte. Er versteht es ausgezeichnet, alle Beteiligten des Bildungswesens zusammenzubringen, verfolgt keine einengenden ideologischen Ziele, sondern setzt auf Rede und Gegenrede, und dies auf einem sehr hohen Niveau.

Yasemin Dinekli, Mittelschullehrerin, Präsidentin des Trägervereins des Condorcet-Blogs:  Der Preis ist eine grosse Befriedigung, weil der Wert unserer Arbeit geschätzt wird.

Yasemin Dinekli, Gymnasiallehrerin und Präsidentin des Trägervereins, trat anschliessend vor das Publikum und stellte den Condorcet-Blog vor: “Wer sind wir? Welche Persönlichkeiten und Ideen stehen hinter unserem Blog? Mit Ihnen hier im Raum kennen uns zumindest schon einmal 50.000 Leserinnen und Leser und es wäre schön, wenn wir eine noch grössere Bekanntheit gewinnen …”

Weiter kam sie allerdings nicht, denn plötzlich tauchte ein nerviger Journalist auf und rief: “Stopp, stopp, stopp!! Meines Wissens wurde dieser Preis für pädagogische Innovation verliehen. Jetzt fangen Sie aber so an wie alle. Dankesrede … Werbung … Ich will nun erst mal wissen, was haben Sie denn überhaupt an Neuem zu bieten. Blog? Gibt es Tausende. Bildungsthemen? Stehen in jeder Zeitung. Was ist denn nun so neu an eurem Ding da?”

Yasemin Dinekli versuchte den Störenfried in Schranken zu verweisen: “Hören Sie, ich stelle hier gerdae den Leuten diesen Blog vor …”, worauf der “Spielverderber” antwortete: “Dann tun Sie dies bitte so, wie es sich für einen anscheinend so innovativen Blog gehört … eben innovativ und nicht so bieder.”

Anschliessend gingen die Redaktion und einige Gründungsmitglieder feiern.

Daraus entspann sich ein deftiger Dialog zwischen der Trägerpräsidentin und dem Journalisten, der offensichtlich so überzeugend dargeboten wurde, dass ein junger Zuhörer gar nicht merkte, dass es sich hier um ein einstudiertes Rollenspiel handelte und sich lauthals beklagte. Der Intervent war niemand anderes als der Mitbegründer des Blogs, Alain Pichard. Für Lacher war gesorgt und anstatt einer eigentlichen Dankesrede erhielten die Anwesenden einen lebensnahen Einblick in das Selbstverständnis unseres Bildungsblogs.

Anschliessend gingen ein Teil der Redaktion und einige Autoren noch in das Zürcher Ristorante Italia, um den Preis zu feiern und … natürlich um  weiterzustreiten!

Redaktion

Das Rollenspiel kann hier heruntergeladen werden:  Diskurs Hans-Peter-Frey-Stiftung u

 

 

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Berühmte Denker und Autoren haben genug, der Condorcet-Blog macht es vor https://condorcet.ch/2020/07/beruehmte-denker-und-autoren-haben-genug-der-condorcet-blog-macht-es-vor/ https://condorcet.ch/2020/07/beruehmte-denker-und-autoren-haben-genug-der-condorcet-blog-macht-es-vor/#respond Tue, 28 Jul 2020 11:32:37 +0000 https://condorcet.ch/?p=5949

In einem offenen Brief riefen mehr als 150 Autoren zu mehr Toleranz in immer intoleranter werdenden Zeiten auf. Zu den Unterzeichnern gehören Literaturschaffende und Intellektuelle wie Salman Rushdie, Martin Amis, Margaret Atwood, John Banville, Daniel Kehlmann und J. K. Rowling, Greil Marcus, Steven Pinker, Malcolm Gladwell und Gloria Steinem; vom neokonservativen Politikwissenschafter Francis Fukuyama bis zum weit links stehenden Linguisten Noam Chomsky sind Persönlichkeiten jeder politischen Couleur vertreten. Die Redaktion nimmt dies zum Anlass, etwas Eigenwerbung zu betreiben. Denn was die Autorinnen und Autoren fordern, ist im Condorcet-Blog eine Selbstverständlichkeit.

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Thomas Chatterton Williams: Es ist genug!

Der Initiator des Briefes, der amerikanische Autor Thomas Chatterton Williams, Sohn eines Schwarzen und einer Weissen, betonte die Vielfalt der Unterzeichner: «Wir sind nicht nur ein Haufen alter weisser Männer, die herumsitzen und diesen Brief schreiben. Dieser schliesst viele schwarze, muslimische und jüdische Denker ein, Menschen, die trans sind, schwul, alt, jung, rechts und links.»

Die NZZ kommentierte das Schreiben in wohlwollendem Ton: «Worum es den Autoren und Autorinnen primär geht, ist die Kritik an Ton und Impetus der öffentlichen Debatten über Reizthemen. Und zwar jener, in denen sich immer neue Fronten auftun und die mit einem Totalitätsanspruch geführt werden, der kleinste Abweichungen von einer neu er- und umkämpften Norm mit Ausgrenzung und persönlichen Drohungen ahndet. Es sind Toleranzforderungen im Tonfall des Fanatismus.»

Margaret Atwood: In extremen Zeiten gewinnen die Extremisten.

Und sie zitiert das Beispiel von Margreth Atwood: «Atwoods Kritik richtete sich gegen die militanten Exponentinnen der Bewegung. «In extremen Zeiten gewinnen die Extremisten», schrieb sie. «Ihre Ideologie wird zur Religion, und jeder, der ihre Ansichten nicht nachplappert, wird als Ungläubiger, Häretiker oder Verräter gesehen, und die Gemässigten in der Mitte werden zerstört.» Atwood wurde daraufhin von Feministinnen in einer Unflätigkeit beschimpft, die ihre Analyse bestätigte, statt sie mit Argumenten zu entkräften.

Lagerkämpfe gibt es auch in der Bildungsdebatte

Nun ist die Bildungspolitik zurzeit weniger umstritten, als es die Fragen um Gendergerechtigkeit, Me TOO-Debatte, Rassismusproblematik oder die Klimaerwärmung beinhalten.

Das war aber nicht immer so. Der Kampf um die Einführung der Harmos-Richtlinien, der Kompetenzorientierung und den Lehrplan 21 führte zu heftigen Kontroversen und entwickelte sich zu einem eigentlich Kulturkampf.

Die Niederlage als Geburtsstunde des Condorcet-Blogs

Die anschliessende Niederlage in den kantonalen Abstimmungen zum Lehrplan 21 sollte die Geburtsstunde des Condorcet-Blogs werden. Ursprünglich angeregt durch die Philosophin und Publizistin Regula Stämpfli trafen sich Persönlichkeiten aus den kantonalen Komitees, aus lehrplankritischen Vereinigungen (Denknetz, Einspruch, kantonale Starke Schule-Vereine) sowie einzelne Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur im Mai 2018 in Olten und beschlossen die Gründung dieses Blogs.

Jean-Marie Caritat de Condorcet: „Die Wahrheit gehört jenen, die sie suchen, und nicht denen, die vorgeben, sie zu besitzen.“

Der Name «Condorcet» steht für Offenheit, Diskursfreude, Bildung und Freiheit des Denkens. Und es war allen klar: Ideologische Grabenkämpfe soll es nicht mehr geben. Angestrebt wurden dagegen kritische Begleitung der Reformpolitik, Hinterfragen von Bildungsprosa, filterfreie Information, geistreiche Impulse und konstruktive Debatten.

Diskussionsfreude und Freiheit des Denkens

Das Prinzip «Guilt by Association» lehnen wir grundsätzlich ab. Wir setzen auf perspektivisches Sehen (Nietzsche). Im Blog schreiben stark links ausgerichtete Persönlichkeiten wie Georg Geiger, Diane Ravitsch oder Roland Stark zusammen mit liberalen Denkern wie Carl Bossard. Der linksliberale Genfer Professor Bernard Schneuwly widerspricht dem PH-Kritiker Allan Guggenbühl, der Praktiker Felix Schmutz liefert sich mit dem renommierten Professor Walter Herzog einen fast schon epischen Diskurs über das selbstorientierte Lernen. Der wirtschaftskritische Professor Krautz antwortet dem liberalen Wirtschaftspublizisten Hans Rentsch zu dessen These der Wirtschaftsferne in unserem Bildungssystem. Der Skeptiker des menschengemachten Klimawandels Professor Bandelt wird vom überzeugten Klimaaktivisten Haenggi zwar hart angegangen, aber nie pauschal abgeurteilt. Der digitalaffine Condorcet-Autor Philipp Loretz mahnt den Condorcet-Autor Hanspeter Amstutz, der sich explizit für den Präsenzunterricht ausspricht, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Es gibt keine formalen Abgrenzungen, es zählt der Inhalt. So kommt es manchmal zu witzigen, ab und zu auch zu polemisch-heftigen, aber immer respektvollen Debatten innerhalb unseres Blogs. Wir begrüssen harte Diskussionen mit robuster und beissender Gegenrede aus allen Richtungen. Wichtig ist dabei immer die Qualität und die Frage, ob der Text Relevanz und Erkenntniserweiterung bietet. Dafür sorgt auch eine breit aufgestellte Redaktion, in der alle Richtungen vertreten sind. Immer wieder suchen wir auch die Gegenposition und bieten Persönlichkeiten mit anderer Meinung ein Podium. Diese Haltung ist eine klare Absage an das Bubble-Prinzip und sorgt für die Schärfung der eigenen Argumentationsfähigkeit. Allan Guggenbühl schrieb darüber kürzlich: “Indem der Blog eine Plattform bietet, auf der Artikel geschrieben, ausgetauscht und diskutiert werden können, die sowohl aus der Praxis wie aus theoretischen Überlegungen geschrieben werden, liefert er einen wichtigen Beitrag zur Förderung einer Schuldebatte, in der alle Kreise integriert sind.”

Unser Einsatz für die Chancengleichheit ist nicht verhandelbar. Deren Umsetzung ist aber jederzeit diskutabel.

Die Haltung bleibt

Das soll nicht als Beliebigkeit missverstanden werden. Unsere Haltung gegenüber Digitalisierung, Kompetenzorientierung, Vermessung und Ökonomisierung der Bildung ist und bleibt kritisch, unser Engagement für eine Bildung für alle, unsere Sorge um Bildungsgerechtigkeit und unser Einsatz für die Chancengleichheit sind nicht verhandelbar. Deren Umsetzung ist aber jederzeit diskutabel.

Was die bekannten Intellektuellen in der englischsprachlichen Presse fordern, hat der kleine Bildungsblog in der Schweiz längstens realisiert.

Was die bekannten Intellektuellen in der englischsprachlichen Presse fordern, hat der kleine Bildungsblog in der Schweiz längstens realisiert. Das ist zwar immer noch fragil, aber scheint die LeserInnen zu überzeugen. Das Spendenaufkommen ist gut und über 18’000 bildungsinteressierte Menschen haben diesen Blog bereits angeklickt. Mehrere Tageszeitungen haben Themen des Condorcet-Blogs aufgegriffen.

Wie hat es unser Redaktionsmitglied Alain Pichard kürzlich in seiner Rezension zum Buch von Condorcet-Autor Roland Stark formuliert: «Das Buch von Stark richtet sich an den Bildungsbürger, der in erster Linie an gut geschriebenen und fundierten Texten interessiert ist und der sich gerne auch einmal für andere Meinungen interessiert.» So tut es auch dieser Blog.

Die Redaktion

 

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Nicht rechts. Nicht links. Nur dumm! https://condorcet.ch/2019/11/nicht-rechts-nicht-links-nur-dumm/ https://condorcet.ch/2019/11/nicht-rechts-nicht-links-nur-dumm/#respond Sun, 03 Nov 2019 12:52:43 +0000 https://condorcet.ch/?p=2637

Der gestandene Sozialdemokrat und Condorcet-Autor Roland Stark sorgt sich um die politische Diskussionskultur in unserer Gesellschaft. Dabei nimmt er völkisches Denken genau so ins Visier, wie die antidemokratischen Exzesse "linker" Gruppierungen. Weil viele dieser Unterdrückungsversuche neuerdings auch in Hochschulen stattfinden, ist der Bildungsbezug gegeben. Wo, wenn nicht an unseren Universitäten müssten Meinungen auch kontrovers diskutiert werden, fragt sich der Autor.

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„…wenn das in diesem Stil weitergeht, werde ich bald wieder mein Abo wechseln..“

Der Anlass für diese Drohung: In der „BaZ“ erschienen Kommentare, die sich kritisch mit der epidemischen Parkplatz-Hysterie der bürgerlichen Parteien und der Wirtschaftsverbände auseinandersetzten. Der empörte Online-Leserbriefschreiber H.M. kann diese Meinung offenbar nicht verkraften und sucht nun nach einer Zeitung, die ausschliesslich seine eigenen Positionen vertritt. Oder er führt künftig nur noch Selbstgespräche vor dem Spiegel.

Mit Köppels politischen Ansichten habe ich nichts zu tun

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Deshalb gleich noch eine Vorbemerkung. Mit Roger Köppels politischen Ansichten habe ich nichts am Hut. Mit der braunlackierten AfD schon gar nicht. Entsprechende Verdächtigungen entbehren also jeder Grundlage.

Den Weltwoche-Schreibern wurde ohne erkennbares Fehlverhalten aufgrund ihrer politischen Gesinnung ein Restaurantverbot erteilt.

Traditionellerweise hält die Weltwoche-Crew ihre wöchentlichen Themensitzungen in der linken Zürcher Buch-Bar Sphères ab. Unmittelbar neben dem Sitz der Redaktion. Nachdem sich mehrere Gäste durch die rechtskonservativen Journalisten gestört fühlten und sich beim Personal beschwert hatten, wurde eine erneute Reservation nicht mehr entgegen genommen.  (TA, 25.10.2019)

Als Köppel, immerhin ein demokratisch gewählter Nationalrat, in den heiligen Hallen der Universität Basel auftrat, provozierte dieser Anlass, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sogar eine Interpellation im Parlament. Aus der  „linken“ Ecke notabene.

Leider muss man feststellen, dass die Bereitschaft, abweichende politische Meinungen zu ertragen, insbesondere in jenem gesellschaftlichen Spektrum schwindet, das in den Medien fälschlicherweise „links“ genannt wird. Die alarmierenden Beispiele häufen sich.

Bernd Luckes Vorlesung musste abgebrochen werden.
Bild: welt.de

Schauplatz Universität Hamburg. Dort lehrte früher der AfD-Gründer Bernd Lucke als Wirtschaftsprofessor. Nach seinem Parteiaustritt wirkte er einige Jahre als Europaabgeordneter in Brüssel. Eine Wiederaufnahme seiner Tätigkeit als Professor verhinderten Mitglieder des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Universität, indem sie zwei Vorlesungen von Lucke stürmten. „Nazischweine raus aus der Uni!“ und „Wir geben ihnen die Möglichkeit, den Saal friedlich zu verlassen“, wurde über ein Megafon verkündet. Beide Vorlesungen mussten abgebrochen werden.

 

Schauplatz Altes Rathaus Göttingen. Literaturherbst. Der frühere Innenminister  Thomas de Maizière will aus seinem Buch „Regieren. Innenansichten der Politik“ lesen. Eine selbsternannte „Basisdemokratische Linke“, teilweise vermummt, unterstützt von der Ortsgruppe Fridays for Future, blockierte das Gebäude und verhinderte den Anlass. Als Begründung wurde angegeben, de Maizière sei mitverantwortlich für das EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei zur Eindämmung der Flüchtlingsströme auf de Balkan-Route.

Schauplatz Bern. Alain Pichard, Lehrer, ehemaliger GLP-Stadtrat und engagierter Kritiker unausgegorener Schulreformen wird als „schmieriger Polizeispitzel“, „Denunziant“, „Ratte“ und „Zwerg“ beschimpft, der „jetzt endlich bei den Rassisten gelandet ist, bei den Fremdenfeindlichen, also genau dort, wo er und seinesgleichen schon immer hingehört haben, beim politischen Abschaum.“

Diese Ausdrücke stammen nicht aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“,  und wer bei der Bezeichnung „Abschaum“ an ein Donald Trump-Tweet denkt, liegt ebenso falsch.

Alex Gfeller, Schriftsteller, beschimpfte Condorcet-Autor Alain Pichard als Ratte, Polizeispitzel und politischen Abschaum.

Autor der widerlichen Beschimpfung ist vielmehr ein leibhaftiger Träger des Berner Literaturpreises. Alex Gfeller. Abgedruckt in seinen Tagebüchern. Band 1. (Books on Demand) Die Worte liegen nur knapp unterhalb der Grenze zur Gewaltaufforderung. Statt eines Proteststurms löste das Buch Begeisterung im Feuilleton aus.

 

Bundespräsident Steimmeier: “Das geht gar nicht!”
Bild: welt.de

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier findet zu dieser Art von „Gesprächskultur“ deutliche Worte: „Was wir nicht brauchen können, sind aggressive Gesprächsverhinderungen, Einschüchterung und Angriffe. (…) Andere zum Schweigen bringen zu wollen, nur weil sie das eigenen Weltbild irritieren, ist nicht akzeptabel.“ Schon gar nicht an Universitäten und in Hörsälen.

 

Zur DNA der demokratischen Linken gehört seit jeher der Einsatz für das Recht auf freie Meinungsäusserungsfreiheit. Unabhängig von der politischen Herkunft.

 

Wer sich an solchen Aktionen beteiligt oder sie auch nur stillschweigend billigt, darf sich nicht links nennen. Zur DNA der demokratischen Linken gehört seit jeher der Einsatz für das Recht auf freie Meinungsäusserungsfreiheit. Unabhängig von der politischen Herkunft.

Fast auf den Tag genau vor 50 Jahren hat der Sozialdemokrat Willy Brandt, ein Emigrant und Widerstandskämpfer unter den Nazis, in seiner ersten Regierungserklärung „ausserordentliche Geduld im Zuhören“ und eine „ausserordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen“ gefordert.

Man kann nicht behaupten, dass wir diesem Ziel in der Zwischenzeit näher gekommen sind.

Dieser Beitrag ist zuerst in der Basler Zeitung erschienen

 

 

 

Roland Stark

 

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