OSZ-Orpund - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Mon, 02 Aug 2021 07:36:40 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png OSZ-Orpund - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Orpund next level – ein Theaterprojekt https://condorcet.ch/2021/07/orpund-next-level-ein-theaterprojekt/ https://condorcet.ch/2021/07/orpund-next-level-ein-theaterprojekt/#respond Tue, 27 Jul 2021 20:37:33 +0000 https://condorcet.ch/?p=9038

In unsrer Rubrik ‚Aus der Praxis‘ laden wir regelmässig Beispiele für die ‚best practice“ in der Schule statt. Die Beispiele sollen Lehrkräfte anregen, das Material dazu wird auf Anfrage gerne zugesandt. Heute ist Alain Pichard dran, mit einem spannenden Theaterprojekt. Sehr gerne nehmen wir weitere gelungene Unterrichtseinheiten von unterrichtenden Leserinnen und Lesern auf!“

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Alain Pichard: Zu GTA fiel mir nicht viel ein.
Bild: fabü

Die Abschlusstheater des OSZ-Orpund sind jeweils «eine grosse Kiste». Sie gehören zum Gen dieser Agglomerationsschule und unsere abgehenden Schülerinnen und Schüler freuen sich spätestens ein halbes Jahr vorher schon auf das Projekt. In der vorletzten Schulwoche werden die Theaterstücke dann im Rahmen eines grösseren Schulschlussfestes aufgeführt. Der Theatersaal ist dabei immer gerammelt voll. Im Folgenden möchte ich interessierten Kolleginnen und Kollegen einen Einblick in die Entstehungsgeschichte dieses für mich sehr speziellen Theaterstücks geben. Am Schluss kann auch das Skript des Stücks gratis heruntergeladen werden.

Die Idee

“Parzival next level” vom jungen Theater Basel: Grandioses Jugendstück

Im November des Schuljahres fragten wir unsere 9.-Klässler, welche Themen sie denn gerne bespielen würden. Neben den Evergreens «Schule», «Liebe», «etwas Lustiges» kam ein Junge auf die Idee, etwas mit Gamen zu machen. Ich wurde hellhörig, hatte ich doch einige Jahre zuvor auf der Basler Jugendbühne das Stück «Parzival next Level» gesehen. Der Autor Tim Staffel lässt in diesem Stück einige Jungs und Mädchen zu einer Gameparty auflaufen. Im Wechselspiel zwischen dem Game und den Geschichten der Spieler verwischen sich plötzlich die Grenzen und die Figuren im Game machen sich selbständig, können nicht mehr kontrolliert werden. Das hat dann auch Auswirkungen auf die Beziehungen der Spielenden.

Eine klare Männderdomäne

Auf dem Weg zu Umsetzung

Mit diesem Hintergedanken organisierten wir einen Tag lang in der Schule einen Computerspieltag. In Gruppen konnten uns die Schüler ihre Lieblingsspiele vorstellen, vorspielen und andere anschliessend auch kurz mitspielen lassen. Für dieses Projekt wendeten wir einen ganzen Tag auf. Vorgestellt wurden die bekannten Spiele «Minecraft», «Battlefield», «Fortenite», «League of Legends», «GTA-vice City». Richtig auf die Kosten kamen vor allem unsere Schüler. Es handelte sich um eine «Männerdomäne». Die Jungs legten sich dementsprechend ins Zeug, und wir Lehrer lernten dabei sehr viel. Ausserdem war der Tag für uns ausserordentlich amüsant. Eine Mädchengruppe stellte uns die SIMS vor. Obwohl nicht so stark involviert, hatten auch die Mädchen an diesem Tag grossen Spass an den zum Teil wirklich derben und brutalen «Knabengames».

Als ich meinen Schülern die Idee präsentierte, so ein Computergame im Wechselspiel mit ihnen, den Spielern, auf die Bühne zu bringen, herrschte fürs Erste eine grosse Begeisterung.

Der Lehrer am Gamen

Nun lag es an mir, mich als regelrechtes Greenhorn in die Spiele zu vertiefen. Über die Wintertage begann ich mit meinen eigenen Jungs einige dieser Spiele auszuprobieren. Das kostete etwelche Überwindung, denn die Spiele packten mich überhaupt nicht. Vor allem das GTA, das Wunschspiel der Schüler für das Theaterprojekt, inspirierte mich überhaupt nicht. An einem Spiel jedoch blieb ich hängen: League of Legends, in dem zwei Teams von je fünf Champions in einem ausgedehnten Dschungelareal gegeneinander kämpften. Eine lange Anfangsphase und groß angelegte Teamkämpfe sind für dieses Schlachtfeld charakteristisch.

League of Legends: Fantasy, Teamwork und spezielle Heldinnen

League of Legends zeichnet sich durch eine sich fortlaufend erweiternde Aufstellung von Champions mit einzigartigem Design und Spielstil aus. Die Spieler können eine grosse Auswahl von Helden durchstöbern und viel über die Charaktere herausfinden.

Diese Spielfiguren sind völlig unterschiedlich, auch ihre Kampfkraft und Fähigkeiten. League of Legends erfordert eine gute Kombination von Kampffähigkeiten und ein starkes Teamwork.

Es gibt jedes Jahr eine Weltmeisterschaft der besten Teams. Die kommen meistens aus Asien.

League of Legends bot ein enormes Potential für die Bühnenumsetzung. Phantasy-Figuren, grosse Helden, unglaubliche Charaktere, grosses Kino!

Widerstand der Schüler: League oder GTA?

GTA – der damalige Renner: ironisch, aber ziemlich brutal

Mein Vorschlag, die League als Basis-Computergame zu nehmen, stiess vorerst auf wenig Gegenliebe. Die Schüler wollten unbedingt die GTA-Version. Grand Theft Auto (Abkürzung GTA, dt. etwa „Schwerer Autodiebstahl“) ist eine Videospielserie des schottischen Entwicklerstudios Rockstar North. Mit Verkaufszahlen von ungefähr 300 Millionen Exemplaren ist die Serie eine der erfolgreichsten Computerspielserien und die meistverkaufte Spieleserie auf der PlayStation 2. Der Spieler kann verschiedene Missionen innerhalb der Haupthandlung des Spiels annehmen. Diese werden in der Regel mit der Hilfe von Waffen und Fahrzeugen gelöst und beinhalten unter anderem Kurierfahrten, das Verfolgen, Einschüchtern und Ausschalten von Gegnern, Autodiebstahl, das Zerstören von Fahrzeugen, Attentate oder auch schwerwiegendere Aktionen wie beispielsweise die Sprengung eines Polizeireviers mit einem sprengstoffbeladenen Tanklaster. Die Serie hat zwar satirische Übertreibungen und humoristische Einlagen, nimmt den Inhalt und damit sich selbst also nicht allzu ernst, gerät aber wegen der brutalen Gewalt und Folterszenen immer wieder in Kritik.

In League of Legends wird zwar auch gemordet und vernichtet, hier sorgt allerdings der Fantasygehalt für eine entspannende Distanz.

Es wurde hart gestritten. Ich bekannte, dass ich als von ihnen beauftragter Autor keine Möglichkeit sähe, diesen Stoffe irgendwie auf die Bühne zu bringen, ganz abgesehen von dem ziemlich negativen Menschenbild, welches durch GTA kolportiert werde. Mithilfe meiner Kollegen und der Mädchen gelang es uns, die Knaben von der League of Legends zu überzeugen. Ich schlug ihnen einen Kompromiss vor: In der Eingangszene würden wir eine GTA-Sequenz zeigen, bevor es dann mit der League of Legends losging.

Es gab Schüler, die vor allem sich spielen konnten, und solche, die auch gerne in komplett andere Rollen schlüpften.

Die Textarbeit

Der ganze  Jahrgang  zählte 58 Schülerinnen und Schüler, die alle in das Projekt intergiert sein wollten. Mit den SchülerInnen, die gerne auf der Bühne schauspielern wollten, führte ich einen Theatermorgen durch. Das half mir, das Können und die Bereitschaft der 9.-Klässler genauer einzuschätzen. Es folgten Gespräche. Das erleichterte mir, die Rollen zu kreieren, die den Schülern auch entsprachen. Es gab Schüler, die vor allem sich spielen konnten, und solche, die auch gerne in komplett andere Rollen schlüpften.

Die Vorlage von «Parzival next Level» inspirierte mich ungemein. Es ist ein grandioses Stück, aus dem ich einige kleinere Dialoge auch übernahm. Grundsätzlich aber war die Anlage eine ganz andere.

Ich begann das Stück zu schreiben, stellte immer wieder Passagen vor und bat um Rückmeldung. Insgesamt schuf ich 20 Rollen, die wir teilweise doppelbesetzten. Wir hatten also im Grunde genommen zwei Besetzungen. Das gestaltete sich zwar sehr aufwändig für die Inszenierung, sorgte aber für gegenseitige Befruchtung und liess plötzliche Ausfälle leicht ersetzen.

Eindrucksvolle Kostüme unter der Anleitung von Annemarie Aeschbacher, Lehrerin für textiles Gestalten am OSZ-Orpund.

Der Inhalt: Vier Jungs treffen sich bei Lukas, um einen Abend lang das Computergame League of Legends zu spielen. Fünf Mädchen loggen sich unerkannt ebenfalls in das Spiel ein, um die Jungs zu bekämpfen.

Die Helden werden ausgewählt, die Schlacht beginnt. Es beginnt ein wüstes Hauen und Stechen. Blut fliesst in Strömen.

Da kommt ein Troll ins Spiel, der alles durcheinanderbringt. Die Spieler und Spielerinnen sind zuerst entsetzt, dann ratlos. Handelt es sich um ein «Next Level» oder um einen Virus?

Zu spät. Der Troll übernimmt die Regie und die einst blutrünstigen Helden hinterfragen ihre Rolle.

Im Stück selber wird auf jegliche Moralisierung und schulmeisterliche Hinweise verzichtet. Das Thema sind die Jugendlichen in der Pupertät, ihre Beziehungen, ihre Träume und ihre Projektionen.

Es beginnt ein Spiel im Spiel, in welchem die Karten neu gemischt werden. Und als Vera, die Mutter, am Morgen nach Hause kommt, ist die Überraschung vollkommen.

Nedalee: im tiefsten Dschungel aufgewachsen, meisterhafte Spurenleserin
Pantheon, der Einzigartige, der nahezu unbesiegbare Krieger.

Es brauchte einiges, um die Kids von diesem Plot zu überzeugen, aber es gelang. Die Kernfiguren waren aber die Charaktere und Kämpfer aus der League. Ich wählte acht von Ihnen aus und liess sie mit meinen stärksten Schauspielerinnen und Schauspielern besetzen (Sie können die Rollenbeschreibung hier herunterladen:Programmheft). Im Stück selbst wird auf jegliche Moralisierung und schulmeisterliche Hinweise verzichtet. Das Thema sind die Jugendlichen in der Pupertät, ihre Beziehungen, ihre Träume und ihre Projektionen.

Unter der Anleitung von Frau Aeschbacher nähten die Schülerinnen geniale Kostüme.

Die Umsetzung – Bühnenbau und Technik

Nun kamen die Handwerkerinnen, Näherinnen und Bühnenarbeiter ins Spiel. Unter der Leitung von Annemarie Aeschbacher, unserer Lehrerin für textiles Gestalten, wurden geniale Kostüme genäht. Meine Freunde und Klassenlehrerkollegen Fabian Bütikofer und Christoph Schneeberger bauten aufwändige Bühneneinrichtungen und anspruchsvolle bild- und tontechnische Installationen. So rüsteten wir zum Beispiel die acht Cracks aus der League of Legends mit Mikrophonen aus und verzerrten ihre Stimmen. Die Gruppe Bühnentechnik ist bei uns jeweils alles andere als die Alibigruppe, die noch ein paar Möbel verschieben darf. Hier brauchte es eine konzentrierte Leistungen über eine Stunde, eine Topzuverlässigkeit auf der Basis stundenlanger Experimente.

Die Orks wurden massakriert.

Der Theaterpädagoge

Keine Frage: Ein Theaterpädagoge ist in solch einem Projekt nicht nur eine Bereicherung, für das gute Gelingen eines selbsterarbeiteten Projekts ist er eine Bedingung. Leider werden viele Theaterpädagogen nach dem Motto angestellt: «Jetzt mach mal ein Theater mit unseren Kids!» Wir fragten einen Theaterpädagogen nur für die Inszenierung an. Unser Theaterpädagoge war der Bieler Lehrer, Schauspieler und Theaterregisseur Daniel Nobs. Seine Leidenschaft, sein zuweilen sarkastischer Humor, seine direkte Art, seine höchst originellen Ideen und nicht zuletzt sein guter Draht zu den schauspielenden Schülerinnen und Schülern sind jeweils ein Garant für ein gutes Gelingen des Projekts. Natürlich setzte er sich auch inhaltlich mit unserem Projekt auseinander, gab Ratschläge, wies auf Unmöglichkeiten hin oder riet uns zu Kürzungen. Die Textarbeit, sprich das Auswendiglernen der Texte, passierte im Vorfeld. Die Deutschlehrer paukten mit den Schülerinnen und Schülern ihre Rollen.

Der Kanton Bern subventioniert diesen Einsatz mit 800 Fr. pro Klasse, was für unser Projekt 2’400 Fr. bedeutet. 1’200 Fr. steuert jeweils die Gemeinde dazu. Mit den 3’600 Fr. konnte unser Theaterpädagoge eine sehr gute Begleitung gewährleisten.

Wochenendarbeit

Die Schauspieler mussten die Texte im Deutschunterricht lernen.

Nach den Frühlingsferien begann Herr Nobs mit der Inszenierung einzelner Szenen, jeweils an anderthalb Tagen. Eine Woche vor den diversen Aufführungen begann dann die konzentrierte Inszenierung. Am Freitag wurde alleine die Technik, der Bühnenbau, die Beleuchtung und der Zuschauerraum eingerichtet. Am schulfreien Samstag und am Sonntagmorgen wurden die Szenen mit der Technik eingeübt. Dieser Wochenendeinsatz wurde von uns als Bedingung für die Aufführung genannt. Die Eltern und Schüler unterzeichneten im Vorfeld eine Vereinbarung. Am Montagmorgen probte die 1. Besetzung das Stück in einem Lauf durch. Am Montagnachmittag die 2. Besetzung, am Abend fand die erste Hauptprobe für die 1. Besetzung statt. Am darauffolgenden Dienstag machten wir es genau umgekehrt.

Fabian Bütikofer, Klassenlehrer, sorgte für eindrucksvolle technische Effekte.

Die beiden ersten Aufführungen fanden – wie es die Orpunder Tradition will – nur für die Schüler am Mittwochmorgen statt. Am Donnerstagabend gab es schliesslich die beiden Hauptaufführungen für die Eltern, Behördenmitglieder und Exschülerinnen. Das Stück dauerte 55 Minuten. Ich mache es zur Regel, meine Schultheater nie länger als eine Stunde anzulegen.

Das ganze Kollegium zieht mit

Ein solches Projekt ist freilich nur möglich mit einer überzeugten und unterstützenden Schulleitung, flexiblen und hilfsbereiten Kolleginnen und Kollegen, kooperativen Eltern und einer lockeren Stundenplangestaltung während der Theaterarbeiten.

Die Rezeption

Wir müssen ehrlich feststellen, dass das Stück bei einigen Ex-Schülerinnen nicht gut ankam. Das skurrile «Spiel im Spiel» wurde nicht durchgehend verstanden. Den Eltern gefiel das Stück hingegen sehr gut. Vor allem die witzigen, aus dem Leben gegriffenen Dialoge der «Gamer» sorgten für regelrechte Lachsalven. Das Skript kann hier heruntergeladen werden: Skript .  Für weitere Infos stehe ich gerne zur Verfügung: arkadi@bluemail.ch

Bericht im Bieler Tagblatt: https://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/biel/neuntklaessler-ziehen-die-schlacht

Alain Pichard

 

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PUSA: Ein ziemlich guter Jahrgang https://condorcet.ch/2021/04/pusa-ein-ziemlich-guter-jahrgang/ https://condorcet.ch/2021/04/pusa-ein-ziemlich-guter-jahrgang/#respond Sat, 17 Apr 2021 02:58:06 +0000 https://condorcet.ch/?p=8307

Am 17.Februar stellten die Lehrkräfte Christoph Schneeberger, Fabian Bütikofer und Alain Pichard ihr PUSA-Projekt vor. PUSA (nicht zu verwechseln mit PISA) ist die Abkürzung von "Projektunterricht Selbständige SchülerInnenarbeit". Inzwischen sind die Arbeiten abgeschossen und beurteilt worden. Eine Ausstellung (unter Berücksichtigung der Corona-Sicherheitsmassnahmen) für die Eltern fand ebenfalls statt. Zeit für eine Bilanz.

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Die Klassenlehrkräfte Alain Pichard, Fabian Bütikofer, Christoph Schneeberger: Es ist eine Gratwanderung.

Von den 50 SchülerInnen des 9. Jahrgangs entschlossen sich sechs für eine Einzelarbeit. Die restlichen SchülerInnen arbeiteten in Zweiergruppen an ihrem selbstgewählten Projekt. Die Lehrkräfte hatten daher 28 Produkte und deren Dokumentation zu korrigieren und zu beurteilen. Eine dritte Note wurde für die ca. 5-minütige Präsentation vergeben.

Die 30 zur Verfügung stehenden Stunden wurden unterschiedlich genutzt.  Den Arbeitsjournalen (eine sehr intensive Überprüfungsarbeit seitens der Lehrkräfte) konnten wir entnehmen, dass im Grossen und Ganzen recht ordentlich mit der zur Verfügung stehenden Zeit umgegangen wurde. Fünf Arbeiten konnte man als klar ungenügend bezeichnen.

Was uns besonders freut: Mehrere hervorragende Projekte wurden durch RealschülerInnen produziert.

Alle Jahre wieder: Probleme bei der Dokumentation

Der Rest war zufriedenstellend bis gut. Überdurchschnittlich viele Projekte (insgesamt acht) wurden von uns als hervorragend beurteilt. Was uns besonders freut: Mehrere hervorragende Projekte wurden durch RealschülerInnen produziert. Wie immer stellte die Erstellung der Dokumentation mit klaren Formatierungsvorgaben (Inhaltsverzeichnis, Kopfzeile, Seitenzahl, Anhang und ein vorgeschriebener Aufbau usw.) die Schüler vor Probleme. Allerdings wurde die Erstellung von Dokumentationen schon vorher mehrfach eingeübt. Es war also nicht das erste Mal, dass die SchülerInnen diesen Auftrag nach rigiden Vorschriften erstellen mussten. Einen besonderen Wert setzten wir – anders als in früheren Projekten – auf die Sprache und die Rechtschreibung. Diesbezüglich ungenügende Dokumentationen konnten allerdings noch einmal überarbeitet werden (beinhaltete allerdings eine Osterarbeit).

Vielfältige Projekte

Joana und Joya bauten eine Lounge.
Enea und Davide bauten einen Motorradunterstand aus Metall.

Joana und Joya bauten eine Lounge für das Atrium unserer Schule. Enea und Davide schweissten einen Unterstand für 8 Motorräder, Tim und

Tim und Sascha bauten einen mittelalterlichen Tribok.
Sedef malte ein Stillleben
Luna kreirte mit ihrem Partner Dardan einen Salsatanz
Michelle schrieb einen Fantasy-Roman in Englisch.

Sascha konstruierten einen Tribok, der einen Gegenstand mindestens 10 Meter weit schleuderte. Michelle schrieb einen Fantasy-Roman auf Englisch, Sedef gestaltete ein Stillleben und Dardan und Luna lernten die Tanzart Salsa mit Youtube-Tutorials kennen und kreierten einen Tanz, den sie aufnahmen.

Es wurde viel genäht und gehäkelt. Eine eigene Sweatshirt-Kreation von Michelle und Jessica, Pferdeutensilien von Marla und Noelie oder neugestaltete Jacken aus dem Abfall von Leilani und Samira.

Jana und Mara kreierten eine 4-stöckige Wintertorte.

Imposant war die 4-stöckige Wintertorte von Jana und Mara oder die grosse Weltkugel-Torte von Selina und

Anspruchsvolle und sehr erfolgreich waren die selber programmierten und gestalteten Videogames von Davide und von Massimo. Daran hatten nicht zuletzt auch unsere Lehrer grosse Freude. Ein Superprojekt gelang den beiden Realschülern Surya und Dardan. Sie holten sich eine demolierte Stossstange eines Autos und renovierten sie nach aller Kunst wieder vollkommen neu.

Auch Recherchier-Arbeiten standen hoch im Kurs. Elise stellt die 5 Weltreligionen vor und führte ausgiebige Interviews mit allen Vertretern dieser Glaubensrichtungen. Luana und Irina machten einen Selbstversuch: Eine Woche ohne Handys und soziale Medien. Leonie und Lara entschieden sich für eine vollkommen vegane Woche. Eine weitere Lara schrieb einen Bericht über Ihren Grossvater in der portugiesischen Diktatur und dessen Kriegseinsatz in Moçambique.

Grundsätzlich aber stellen sich die organisierenden Lehrkräfte die wichtigste Frage: Was haben die SchülerInnen in diesem Projekt gelernt?

Abgeschlossen wurde das Projekt mit einer (coronakonformen) Ausstellung für die Eltern und Behörden.

Die Rückmeldungen der SchülerInnen waren besser als in den vergangenen Jahren. Bemängelt wurde die knappe Zeit und ab und zu die fehlende Betreuung von uns Lehrkräften.

Beim letzteren Vorwurf handelt es sich um eine Gratwanderung. Wie viel sollen wir Lehrkräfte helfen, wann sollen wir einschreiten? Und ab wann ist das Projekt nicht mehr ein eigenständiges Projekt, das mit den erworbenen Ressourcen der SchülerInnen durchgeführt wurde?

Grundsätzlich aber stellen sich die organisierenden Lehrkräfte die wichtigste Frage: Was haben die SchülerInnen in diesem Projekt gelernt? Eine ganze Menge, wie die Rückmeldungen zeigen. Zeiteinteilung, Fokussierung, Arbeitsteilung, mit Termindruck umgehen können, Dokumentation erstellen, Arbeitsjournal führen, Budget erstellen u. v. m.

Wertvolle Erkenntnisse

Und auch für uns Lehrkräfte bringt dieses Projekt wertvolle Erkenntnisse. So müssen sich die Werklehrkräfte die Frage gefallen lassen, weshalb viele SchülerInnen einfachste Holzverbindungen nicht mehr bewerkstelligen können, ohne die Lehrkräfte zu fragen. Die Deutschlehrer müssen – wieder einmal – zur Kenntnis nehmen, dass viele SchülerInnen nicht in der Lage sind, nach neun Schuljahren eine einigermassen anständige Produktbeschreibung sprachlich hinzukriegen und die Mathelehrer müssen wohl das Kapitel «Pläne und Massstab» noch einmal repetieren.

Wir sind gespannt, welche Ergebnisse und Entdeckungen wir in der nächsten PUSA-Runde machen können.

Christoph Schneeberger, Fabian Bütikofer, Alain Pichard

Unterlagen zu diesem Projekt können bestellt werden unter arkadi@bluemail.ch.

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Basar der Fertigkeiten und Fähigkeiten https://condorcet.ch/2021/03/basar-der-fertigkeiten-und-faehigkeiten/ https://condorcet.ch/2021/03/basar-der-fertigkeiten-und-faehigkeiten/#comments Mon, 01 Mar 2021 12:07:58 +0000 https://condorcet.ch/?p=7871

Ein weiterer Beitrag aus dem Praxis-Labor des OSZ-Orpund. Das Lehrerteam des 9. Jahrgangs stellt ihnen ein Einstiegsprojekt in den Berufswahlunterricht vor. Der "Basar der Fertigkeiten und Fähigkeiten" ist zwar logistisch ziemlich aufwändig, lohnt sich aber allemal. Fabian Bütikofer, Alain Pichard und Christoph Scheeberger berichten.

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Alain Pichard, Fabian Bütikofer und Christoph Schneeberger: Ein logistischer Aufwand, der sich lohnt.

Den Einstieg in die Berufswahlplanung – eigentlich handelt es sich eher um die Laufbahnplanung – beginnt mit dem Selbstkonzept. Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre Interessen erforschen und reflektieren, sollen erkennen, wo ihre Begabungen und allenfalls ihre Leidenschaften liegen. Sie sollen auch darüber nachdenken, was sie schon jetzt sehr gut können. Um diesen Vorgang zu initiieren werfen wir sie mit dem Projekt «Basar der Fähigkeiten und Fertigkeiten» ins kalte Wasser.

Sie müssen sich klar darüber werden, was sie besser können als andere oder wo sie eine besondere Stärke besitzen.

In einem Jahrgang bis zu 70 Kursen

Der Auftrag

Die Schüler sollen einen Ausschnitt ihres Könnens und ihrer Leidenschaft in einem 15-minütigen Kurs vermitteln. Sie müssen sich klar darüber werden, was sie besser können als andere oder wo sie eine besondere Stärke besitzen. Dabei kann es sich natürlich auch um ein Hobby handeln, was aber nicht zwingend ist. Es gibt einige SchülerInnen, welche zu Beginn der 8. Klasse keine Hobbys ausüben oder diese aufgegeben haben. Das wird bei diesen Kids auch schmerzliche Reflexionsleistungen erfordern.

Sobald das Thema definiert ist, müssen die Schülerinnen und Schüler ihren Kurs möglichst attraktiv ausschreiben. Die Ausschreibungen werden  an eine Wand gehängt. So entstehen in einem Jahrgang bis zu 70 Kursangebote.

Die Organisation der Kurstage erfordert einen grossen logistischen Aufwand.

Danach wählen die Kameradinnen und Kameraden jeweils fünf Kurse aus. Sie geben dabei auch ihre Prioritäten an.  Zwei bis drei Kurse werden sie von uns Lehrkräften zugeteilt, damit alle Schülerinnen und Schüler ihren Kurzlehrgang erteilen können. Die Kurseinteilung erfordert einen grossen zeitlichen und logistischen Aufwand, den in unserem Team ein Kollege an einem Nachmittag übernimmt. Meistens geben wir ihm dann während der Projektwoche frei und übernehmen seinen Part.

Am Tag des Basars haben die SchülerInnen rund eine Lektion Zeit, den Kurs vorzubereiten, bspw. um Material bereitzustellen. Jedem Kurs wird eine Lehrkraft zugewiesen, die den Kurzlehrgang begleitet und am Schluss in einem persönlichen Gespräch den Auftritt bespricht und beurteilt. Noten werden keine gemacht.

Ein solches Projekt kann nur funktionieren, wenn das Kollegium mitzieht, weil ja auch die Spezialräume (Hauswirtschaft, Werkräume, Turnhallen) gebraucht werden. Bei uns ist dies jeweils in einer Projektwoche der ganzen Schule eingebettet.

Das Projekt erfreut sich einer grossen Beliebtheit bei den Lehrkräften und SchülerInnen. Es nimmt etwa zwei Tage in Anspruch. Wichtig ist, dass es auch noch andere Aufträge gibt, welche die Schülerinnen und Schüler dann zu erledigen haben, wenn sie keinen Kurs geben und auch an keinem teilnehmen.

Weitere Infos unter arkadi@bluemail.ch.

 

 

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Vielleicht einmal die Klappe halten https://condorcet.ch/2020/02/vielleicht-einmal-die-klappe-halten/ https://condorcet.ch/2020/02/vielleicht-einmal-die-klappe-halten/#comments Tue, 11 Feb 2020 12:35:25 +0000 https://condorcet.ch/?p=3929

Condorcet-Autor Alain Pichard hat eine Wette gegen den ehemaligen Erziehungsdirektor Pulver gewonnen, sieht aber die Karawane weiterziehen. Nach missglücktem Frühfranzösisch und fehlgeschlagener Fremdsprachendidaktik macht jetzt ein neues Mekka-Wort die Runde: der obligatorische Sprachaustausch! Bevor nun schon wieder Fachkommissionen gegründet und Geldbeträge gesprochen werden, mahnt Pichard einen Besuch des OSZ-Orpund an.

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Alain Pichard, Sekundarlehrer in Orpund, hat die Wette gewonnen.

Es ist schwierig, bei den Themen Schulreformen und vor allem bei der Fremdsprachenreform Haltung und Anstand zu bewahren. Auch Rechthaberei, verbunden mit einem gerüttelten Mass an «Klugscheissertum», drohen dem Autor dieser Zeilen, wenn er die jüngste Geschichte der bildungsbürokratischen Segnungen an sich vorbeiziehen lässt und dabei auch seinen eigenen Einsatz gegen diesen «Amoklauf im dummschweizerischen Bildungsmassiv» (so ein Bund-Artikel des Autors, 2014) reflektiert. In der Berner Zeitung (2012) bot ich dem damaligen Bildungsdirektor Pulver eine Wette an. Frühfranzösisch werde ein monumentaler Flop, behauptete ich damals, nicht ohne Grundlagen. Ich zitierte mehrere Studien mit Quellen, und auch die Erfahrungen unseres nördlichen Nachbarlandes mit Frühenglisch («Frühenglisch ist ein Murks», Spiegel 2011) liess ich dem Magistraten zukommen. Der Bildungsdirektor ging nicht auf die Wette ein.

Frühfranzösisch war ein Amoklauf im dummschweizerischen Bildungsmassiv.

Zu allem Übel noch diese Mehrsprachendidaktik

Als dann noch die Mehrsprachendidaktik in Form der Passepartout-Lehrmittel folgte, mit all den Nachfolgeinvestitionen, verfasste ich in der Berner Zeitung 2015 einen ersten Erfahrungsbericht eines ratlosen Französischlehrers:

«Es war für mich ernüchternd, als ich feststellte, dass die Schüler nicht wussten, dass man ‹au› als ‹o› ausspricht oder ‹ou› als ‹u›. Gestaunt habe ich, dass ich mit meinen SchülerInnen zwar komplexe Texte über Erfindungen der Zukunft (‹aéolienne géante›) lesen sollte, diese aber nicht wussten, was ‹gestern›, ‹heute› und ‹morgen› auf Französisch heisst (wohlgemerkt, nicht schriftlich, sondern mündlich).»

Ich bekannte mich zu einem geordneten Aufbau der Sprache und kündigte an, der Didaktik dieses Lehrmittels nicht zu folgen. Am Schluss schrieb ich: «Ich lade die AutorInnen zu einem Unterrichtsbesuch ein und stelle mich jeder Evaluation.» Selbstredend kam es nie zu einem Unterrichtsbesuch.

Georges Lüdi, 1997/98 leitete er die Expertengruppe der EDK für ein Gesamtsprachenkonzept für die Volksschule in der Schweiz.
Bild: Uni Basel

Die Evaluationen kamen, knüppeldick

Die Evaluationen hingegen kamen, und zwar knüppeldick. Die Lehrmittelreihe fiel in allen relevanten unabhängigen Untersuchungen völlig durch. Und Georges Lüdi, ein glühender Vertreter des Frühfremdsprachenerwerbs, bekannte: «Internationale Studien haben in der Tat nachgewiesen, dass innerhalb des klassischen Fremdsprachenunterrichts ‹Frühstarter› am Schluss der Schulzeit ohne zusätzliche Massnahmen bezüglich ihrer Sprachkompetenzen kaum mehr messbare Vorteile haben». (Babylon, Oktober 2018)

100 Millionen Franken in den Sand gesetzt

100 Millionen Franken hat uns dieser Spass gekostet. Gelder, die man in den Spracherwerb in Asylheimen, in die Ausbildung von Heilpädagoginnen oder direkt in die Bekämpfung des Illetrismus hätte investieren können. «100 Millionen Franken in den Sand gesetzt», würde es bei einer Privatinvestition eines Unternehmens heissen.

Beschimpfungen habe ich schön aufbewahrt

Meine Mitstreiter und ich gingen vorher durch ein Bad der Verunglimpfungen. In meiner Mailbox sind –  gut aufbewahrt –  alle Beschimpfungen und hämischen Bemerkungen fein säuberlich gespeichert, die ich in den vergangenen Jahren erhalte habe.

Die Verteidiger sind verstummt

Bernard Pulver, ehem. Erziehungsdirektor des Kantons Bern: Ich möchte mich dazu nicht mehr äussern.

Die Protagonisten des frühen Fremdsprachenunterrichts und der Mehrsprachendidaktik wollen allerdings von ihren damaligen Voten nichts mehr wissen. «Die Verteidiger von ‹Mille feuilles› sind verstummt», schrieb der Journalist von Bergen am 20. Dezember 2019 in der Berner Zeitung. Reto Furter, bis 2018 Projektleiter für das Lehrmittel «Passepartout», ist heute Verantwortlicher für die Bereiche obligatorische Schule, Kultur und Sport bei der Erziehungsdirektorenkonferenz. Auf Anfrage erklärt er, er wolle sich in seiner neuen Funktion nicht mehr zum Lehrmittel äussern. Und Bernhard Pulver meinte gegenüber der Berner Zeitung: «Als Alt-Regierungsrat will ich heute zu aktuellen politischen Debatten nicht mehr Stellung nehmen.»

Die Karawane zieht weiter: Obligatorischer Sprachaustausch heisst das neue Zauberwort

Im Prinzip könnte das Beispiel dieser beiden Herren auch ein vorbildliches Leitmotiv für die heutigen selbsternannten Bildungspolitiker sein: Einfach mal die Klappe halten!

Grafitti-Spruch

Doch weit gefehlt, die Karawane zieht weiter und Politiker wollen nun eben mal gestalten, und die desavouierten Dozenten, Kursanbieter und Fremdsprachenexperten suchen neue Einkommensquellen und Beschäftigungsfelder. Gestreng nach dem Sponti-Motto: «Wenn wir etwas vorschlagen und es nicht klappt, versuchen wir was Neues, vielleicht klappt es ja auch nicht,” vernimmt man aus den Politsälen des Landes beunruhigende Voten. Assistiert werden sie durch eine «newsorientierte» Presse, welche jeden Reformgedanken weiterhin aufsaugt und ihn unreflektiert wiedergibt. Schon 2014 forderte der NZZ-Journalist Andreas Diethelm einen obligatorischen Sprachaustausch für jeden Schweizer Schüler. Letztes Jahr postulierte der frühere Chefredakteur der Tribune de Lausanne, Peter Rothenbühler, in der Basellandschaftlichen Zeitung ebenfalls einen obligatorischen Sprachaustausch (Oktober 2019). Und das Migros-Magazin kürte den Studenten Christian Siegenthaler in einem Wettbewerb mit dem vielsagenden Namen «Wunschschloss» zum Preisträger 2019 für die innovativste Idee. Er forderte – dreimal dürfen Sie raten – einen obligatorischen Schüleraustausch zwischen den Landesteilen.

Natürlich darf jetzt auch die Politik nicht fehlen. Neu gewählte Nationalrätinnen aus allen Parteien wollen – keine Überraschung – einen obligatorischen Sprachaustausch der SchülerInnen unseres Landes fördern. Der Bund, so eine Nationalrätin, müsse jetzt endlich vorwärts machen. Im Dezember 2019 verlangte Martin Rufer (FDP) im Solothurner Kantonsparlament, dass die Französischkompetenzen der Volksschüler verbessert und der Sprachaustausch gefördert werden sollten. Und der Regierungsrat erklärte eilfertig, dass er sich der Wichtigkeit von Austauschprojekten bewusst sei. Es seien bereits Schritte zur Förderung solcher Aktivitäten unternommen worden. Der stets euphorische  Tagesanzeiger schliesslich beklagte: Nur 2 % der Schüler machen einen Sprachaustausch. Das Ziel müsse aber 100% sein (13.5.19).

Es bedarf wohl keiner grossen Phantasie, sich vorzustellen, wie rasch es gehen wird, bis die ersten Fachgremien gebildet, die ersten Kredite gesprochen, die ersten Grosskonzepte geschrieben sind.

Sprachaustausch ist ein Gewinn, aber schwierig zu organisieren

Der grosse Wechsel im OSZ-Orpund. Einige Schüler reisen ins Wallis, andere kommen zurück.

Damit keine Missverständnisse entstehen. Der Autor dieser Zeilen hält sehr viel von Sprachaustauschen. Er pflegt Kontakte zu Genfer Partnerklassen, führt gemeinsame Skilager mit französischsprachigen Klassen durch und plant seine Abschlussreisen des Öfteren in Südfrankreich. Vor allem aber installierte er an seiner Schule, dem OSZ-Orpund, den traditionellen Sprachaustausch mit den französischsprachigen Walliser Schulen. Vier Tage verbringen unsere Schüler bei ihren welschen Kollegen und beherbergen diese ebenso lange bei sich. Ausserdem besuchen sie jeweils den Unterricht in den beiden Schulen, schreiben sich vorher mehrere Briefe und absolvieren zu zweit einen Postenlauf. An einem Samstag im Januar fahren die Eltern mit ihren Zöglingen und den Lehrkräften ins Wallis, wo sie von den Eltern ihrer Partnerkinder empfangen werden. Dies ist ein grosser Anlass, der die Leute zusammenbringt. Auch wir Lehrkräfte kennen uns mittlerweile und freuen uns schon jetzt auf das Wiedersehen. In wenigen Fällen geht dieser Austausch schief, in den meisten profitieren unsere Lernenden aber ungemein von diesen Begegnungen. Und manchmal entstehen sogar Freundschaften fürs Leben, gehen die Familien zum Beispiel gemeinsam in die Skiferien.

Austausch ist Knochenarbeit und bedeutet einen grossen Zeitaufwand

Was hier wie ein Werbeprospekt tönt, ist in Wirklichkeit Knochenarbeit. Deshalb empfehle ich den praxisfernen Gestaltern dringend, sich vorerst einmal mit den immensen Vorbereitungen unseres Austausch-Verantwortlichen an unserer Schule zu beschäftigen.

«Mein Sohn hat mit ‹Mille Feuilles› so wenig Französisch gelernt, dass ich ihm diese Erfahrung ersparen möchte.»

Christoph Schneeberger, der Austauschverantwortliche am OSZ-Orpund: Ich kann gerne Auskunft geben.

In beiden Sprachregionen beteiligen sich trotz intensiver Werbung lediglich 50% – 70% an diesem Austausch, Tendenz sinkend. Es gibt Familien, denen man eine Austauschschülerin nicht anvertrauen kann. Es kommt immer mehr zu angsterfüllten Panikabsagen, Spezialwünschen und kurzfristigen Abmeldungen. Die Abmeldung einer Mutter lässt tief blicken: «Mein Sohn hat mit ‹Mille Feuilles› so wenig Französisch gelernt, dass ich ihm diese Erfahrung ersparen möchte.» Auch religiöse Bedenken muslimischer Familien stellen oft ein Hindernis dar. Selbst im zweisprachigen Biel ist es nie gelungen, einen solchen Austausch voranzutreiben. Eine Schulleiterin der Oberstufe meinte: «Bei uns lassen die sozialen Verhältnisse einen solchen Austausch in vielen Fällen gar nicht zu. Und wir haben hier andere Probleme, wie z. B. das Erlernen und Beherrschen von Deutsch.»

Die organisatorischen Vorbereitungen sind gewaltig und die Reibungsflächen nehmen zu. Es kommt auch zu Abmeldungen von Schulen, die sich an dem Austausch nicht mehr beteiligen wollen.

Gesamtschweizerischer obligatorischer Sprachaufenthalt ist Wunschprosa in Reinform.

Trotzdem möchten wir dieses Projekt nicht missen. Es ist für uns ein wirkungsmächtiger und herzerwärmender Anlass, der  neben dem Spracherwerb viele weitere positive Effekte für die Reifung der Persönlichkeiten hervorbringt.

Bitte keine Masterpläne mehr

Ein gesamtschweizerischer obligatorischer Sprachaustausch ist Wunschprosa in Reinform. Bitte keine Masterpläne mehr. Stattdessen sollte man die bereits bestehenden Projekte fördern, den Praktikern zuhören, sich für ihre Arbeit interessieren und sie in eine eventuelle Ausweitung des Sprachaustausch-Gedankens einbeziehen. Und ansonsten einfach mal die Klappe halten.

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Freude ist die einfachste Form der Dankbarkeit https://condorcet.ch/2019/08/freude-ist-die-einfachste-form-der-dankbarkeit/ https://condorcet.ch/2019/08/freude-ist-die-einfachste-form-der-dankbarkeit/#respond Wed, 28 Aug 2019 14:09:05 +0000 https://condorcet.ch/?p=2098

Nun hat sich auch Urs Guggisberg, Schulleiter des OSZ-Orpund, in die Diskussion um das Schulleitungsverständnis eingeschaltet. Das Besondere: In diesem Kollegium entstand das lehrplankritische Memorandum 550gegen550 (zusammen mit Lehrkräften des OSZ-Mett-Bözingen in Biel) und in diesem Kollegium arbeitet auch unser Condorcet-Autor Alain Pichard, der mit seinen kritischen Voten zur aktuellen Bildungspolitik schweizweit bekannt wurde. Alain Pichard würdigt in seinem Beitrag das Wirken von Urs Guggisberg.

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Schulleiter hatten es nicht immer einfach mit mir. Ich hatte mir in den Jahren meiner Berufstätigkeit und auch als aktiver Gewerkschafter ein gewisses Verständnis von Abläufen beigebracht, mit denen ich meine Vorgesetzten (dazu gehörten auch Behörden) immer wieder in Argumentationsnot gebracht habe. Diese Fähigkeiten brachte ich immer dann ein, wenn Kolleginnen und Kollegen angegriffen wurden (und meine Hilfe beanspruchten), wenn meine pädagogischen Freiheiten beschnitten werden sollten oder wenn ich mit gewissen Entscheidungen nicht einverstanden war.

Bild: HP-OSZ-Oprund

Schulleiter hatten es aber auch im OSZ-Orpund nicht leicht. Im OSZ-Orpund arbeiteten lange Zeit eine Reihe ausserordentlich dominanter, pädagogisch beseelter, charismatischer Lehrer (ich spreche hier ausdrücklich von Lehrern), die sich selten etwas sagen liessen und der Schule Ihren Stempel aufdrückten. Dieser «Stempel» liess sich durchaus sehen. Denn seit seiner Startphase vor ca. 50 Jahren galt diese Schule als innovativ, links, und unglaublich kreativ. Zahlreiche atemberaubende Projekte prägten den Schulalltag der Orpunder Oberstufenschüler, was bei manchen Behördenmitgliedern und Eltern auch Stirnrunzeln auslöste und dem Kollegium mahnende Appelle zu Mässigung einbrachte.

Es war logisch, dass sich dieses Kollegium bei der Umstellung des 6/3-Modells für eine integrierte Oberstufe aussprach, also für gemischte Stammklassen, in denen SekundarschülerInnen, RealschülerInnen, zukünftige GymnasiastInnen und auch die schulschwächeren Kinder zusammen lernen durften. Das war in einem eher konservativen Umfeld, wie es unsere Trägergemeinden eben sind, ein beachtlicher schulpolitischer Schritt. Die linke Stadt Biel entschied sich gleichzeitig für das selektivere Oberstufenmodell, in welchem die Sekundar- und Realklassen noch getrennt waren.

Motto im OSZ-Orpund
Bild: api

Das Ganze ging natürlich nicht ohne Konflikte. Wären der Lehrerkonferenzen gingen die Raubeine heftig aufeinander los. Es flogen sozusagen die Fetzen. Immer wieder gelang es dem Kollegium aber, diese Dissonanzen in produktive Kreativität umzusetzen. Mehrheiten entschieden, Beleidigungen wurden weggesteckt und man stellte sich stolz hinter das nächste Projekt.

Mit der Zeit verliessen einzelne Typen dieser alten Garde den Schuldienst, jüngere KollegInnen kamen, die nicht mehr alles schluckten, die Konflikte wurden heftiger und begannen das Kollegium zu lähmen. Und – wie es immer passiert, wenn Alphatiere das Ruder übernehmen – passierten auch gravierende Verstösse gegen die berufliche Professionalität. 2011 übernahm Urs Guggisberg hier das Ruder. Sein Vorgänger war den Behörden nicht mehr genehm, das Kollegium gespalten.

Man tut Urs Guggisberg sicher nicht Unrecht, wenn man ihn als einen Mann der «Alten Schule» bezeichnet. Eine wichtige und nicht zu unterschätzende Eigenschaft dieser «Old Fellows» sind Freundlichkeit und Höflichkeit. Der Mann strahlte Ruhe aus, wurde nie ausfällig, war ein ausserordentlich guter Zuhörer. Die zweite wichtige Eigenschaft dieser Art Führungspersonen ist die enorme Kenntnis der Gesetze und Abläufe, vor allem aber ihrer Lücken, welche diese Art Menschen als Freiräume entdecken.

Dieser Mann hatte ein Gespür für die Stärken seiner Mitarbeiter und liess ihnen grosse Freiheiten.

Für mich aber entscheidend: Dieser Mann hatte ein Gespür für die Stärken seiner Mitarbeiter und liess ihnen grosse Freiheiten. Er konzentrierte sich nicht auf die Schwächen, er förderte die Begabungen. Damit brachte er das OSZ wieder auf Kurs.

Das Memorandum startete in Orpund und Mett-Bözingen

Er war es auch, der den Lehrplan an einem Kollegiumstag mit seinen Kolleginnen und Kollegen studierte, was daraufhin als Geburtsstunde des Memorandums 550gegen550 galt. Selbstredend war Urs Guggisberg einer der Erstunterzeichner und mit grosser Selbstverständlichkeit leitete er unsere Stellungnahme direkt an die EDK weiter.

Die folgende Anekdote sagt einiges über das Selbstverständnis dieses Mannes aus. Er erhielt von der Erziehungsdirektion und von der EDK zwei wütende Telefonate, beide mit der Kritik, was ihm eigentlich einfalle, diese Stellungnahme direkt zu schicken. Man hätte das Papier, so die Bildungsbehörden, dem Kanton zustellen müssen. Der hätte die Aussagen zusammengefasst und an die EDK weitergeleitet. Ausserdem brauche es einen Code, damit die Stellungnahme behandelt werde. Diesen Code, so beteuerte unser Schulleiter, habe er ja bekommen! «Ja», so die zerknirschte Antwort der EDK-Vertreterin, «das hätte aber nie passieren dürfen!»

Und so figuriert auch heute noch unter den Dutzenden standardisierten Vernehmlassungsantworten von Institutionen und Behörden diejenige des Oberstufenzentrums Orpund! – Notabene als einzige Schule der Schweiz!

Wie hat dieser Mann den Code erhalten? Ganz einfach: Mit Höflichkeit, Freundlichkeit und Bestimmtheit!

Schülerband am OSZ-Orpund

Wir dankten es ihm mit Innovation und atemberaubenden Projekten

Urs Guggisberg hat uns machen lassen. Als ich ihm nach 40 Jahren Französischunterricht sagte: «Ich kann diesen Passepartout-Scheiss nicht mehr verantworten und will keine Französischlektionen mehr unterrichten!», akzeptierte er das sofort und mit grösstem Verständnis. Er besuchte alle Theateraufführungen, Veranstaltungen und unterstützte all unsere Projekte. Er gab immer und unentwegt Rückmeldungen, bestärkte uns positiv und stand hinter uns, wenn es zwischendurch mal brenzlig wurde. Er konnte allerdings auch Lehrkräfte in den Senkel stellen, wenn es das erforderte. Höflich wie immer, aber bestimmt. Und die Schlichtungsgespräche, die er leitete, waren immer geprägt von einer beeindruckenden Sachkenntnis in Verfahrensabläufen. Er war für uns eine Art Lebensversicherung in heiklen Angelegenheiten.

Wir dankten es ihm mit Engagement, Innovation und Fleiss, mit Nachtprojekten, Parcours, Schulhauszeitungen, dem Führen eines Restaurants, dem Schülerrat an den Lehrerkonferenzen usw. Und auch mit Freude an unserer Arbeit. Denn Freude ist immer die einfachste Art der Dankbarkeit (Karl Barth).

Im Januar tritt Urs Guggisberg in den Ruhestand. Ihm folgen die letzten VetreterInnen der alten Garde, darunter wohl auch ich. Ich nehme an, dass dann die Sektflaschen geöffnet werden. In unserer Schule mit Wehmut, in den Büros der Bildungsbürokratie wohl mit Aufatmen!

Alain Pichard

 

 

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