Leistung - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Tue, 23 Apr 2024 07:05:14 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Leistung - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Frühjahrsputz im Bildungswesen: Was muss weg? Was muss her? https://condorcet.ch/2024/04/fruehjahrsputz-im-bildungswesen-was-muss-weg-was-muss-her/ https://condorcet.ch/2024/04/fruehjahrsputz-im-bildungswesen-was-muss-weg-was-muss-her/#comments Tue, 23 Apr 2024 07:05:14 +0000 https://condorcet.ch/?p=16563

Viele neue Lernkonzepte entmutigen die Schüler und verringern ihre Kompetenzen. Daher wäre es richtig, ein paar bewährte Bildungsprinzipien zu rehabilitieren. Und zwar in Kombination mit modernsten Mitteln. Die Heilpädagogin und Dozentin Mirjam Stiehler nimmt sich im 5. Teil ihrer Kritik am deutschen Bildungssystem diesmal die Bildungsforscher und -planer vor. Vom Kindergarten bis zum Abitur hat ein ideologisch begründeter Wandel stattgefunden, der die Qualität von Erziehung und Unterricht gesenkt hat. Die Einstellungen der Bildungspolitiker und -forscher müssen sich ändern, damit unsere Kinder wieder etwas Handfestes lernen können.

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Neue Besen kehren gut. Aber die alten wissen, wo der Dreck sitzt! Das gilt in vielerlei Hinsicht für unsere Schulen. Bevor es nun heißt, die Stiehler will zurück zur Rohrstockpädagogik: Nichts läge mir ferner. Aber die neuen konzeptuellen Besen haben sich als fadenscheinige Waschlappen entpuppt, die Schüler entmutigen und Kompetenzen verringern statt aufzubauen.

Gastautorin Mirjam Stiehler, Heilpädagogin, Dozentin und Schulleiterin

Daher sollten wir ein paar bewährte Bildungsprinzipien rehabilitieren. Und zwar in Kombination mit modernsten Mitteln – für mich ist es kein Widerspruch, gezielte Diktate und zugleich die Messung der Lesegeschwindigkeit einzuführen; mehr Handschrift zu fordern und zugleich das elende Vokabelheft flächendeckend durch Apps abzulösen; Schüler gezielt nach Leistungsfähigkeit zu gruppieren, aber zugleich die Anwesenheitspflicht durch eine Lernpflicht zu ersetzen.

Es geht mir nicht um eine Methodensammlung, sondern ein grundlegendes Umdenken: Nicht nur “Was müssen wir tun?”, sondern auch “Wie müssen wir sein?” (Paul Moor). Das Leitprinzip darf nicht länger Unlustvermeidung sein, sondern Mut zur Tatkraft und zur Leistung. Solches Umdenken ist nicht für Geld zu haben. Es erfordert eine veränderte Einstellung von der Schwangerschaft bis zum Abitur, und zwar bei einer Mehrheit von Bildungspolitikern, Eltern, Ärzten und Pädagogen. Dieses Umdenken müsste sich in konkreten Änderungen zeigen:

Selbsterziehung der Eltern von Tag 1 an fördern

Viele frischgebackene Eltern können schlecht unterscheiden, ob ihr Kind aus Unlust, Trauer oder Angst schreit. Sie glauben, gute Eltern dürften ihren Kindern keine dieser Emotionen zumuten. Angst und Trauer sollten tatsächlich die Ausnahme sein – das Erleben und Aushalten von Unlust hingegen ist notwendig und erstrebenswert, denn Unlust gelassen auszuhalten ist Frustrations-Toleranz. Es ist so unvermeidbar wie harmlos, seinem Kind täglich vielfach Unlust zu bereiten, denn Kinder sind zunächst sehr lustgetriebene Wesen. Sie müssen erst lernen, einem größeren Ziel zuliebe auf Triebbefriedigungen zu warten oder zu verzichten.

Das Leitprinzip darf nicht länger Unlustvermeidung sein, sondern Mut zur Tatkraft und zur Leistung. Solches Umdenken ist nicht für Geld zu haben.

 

In diesem Sinne müssen Hebammen aufhören, die Mär vom Stillen und Schlafen nach Bedarf zu verbreiten. Wir müssen kindliche Antriebe mit Maß und Rhythmus befriedigen, damit Kinder Resilienz entwickeln. Eltern müssen Taktgeber sein, denn berechenbare Rhythmen geben seelischen Halt – und nur wer ausgeschlafen ist, kann sich kognitiv gut entwickeln.

Kinderärzte müssen aufhören, Bachblüten und Globuli zu verkaufen und Eltern davor warnen, beim Sturz aufs Knie dramatisch die Rescue-Creme zu zücken. Ein Pflaster und ein aufmunterndes Wort stärken. Wer immer gleich Tabletten einwirft, fokussiert auf sein Leid. Hospitäler sollten Schwangeren weder den Wunschkaiserschnitt noch die PDA pauschal andienen, denn auch elterliche Resilienz ist ein hohes Gut.

Ich spreche hier nicht von Notfällen, sondern ganz normalen Schwangerschaften. Die Vorbereitung auf eine natürliche Geburt hilft Eltern bei der Selbsterziehung, bei ihrem eigenen Umgang mit Unlust und Ängsten, bei der Abkehr von einer Full-Service-Mentalität. Und nur wer sich selbst erzieht, kann andere erziehen.

KiTas: Weniger Wohlstandsverwahrlosung, mehr Qualität

Im Kindergarten ist eine Abkehr vom Situationsansatz, von “romantischen Vorstellungen” und falsch verstandenem Konstruktivismus nötig (Verbeek). Konzepte, die den Erzieher zur Passivität verurteilen, führen zu einer “für das Kindeswohl gefährlichen Mischung zwischen Verwöhnung und Vernachlässigung” (ebd. 99). Wir brauchen nicht bloß mehr Personal, sondern klügeres, leistungsbereiteres und kenntnisreicheres. Prof. Veronika Verbeek bildet seit 30 Jahren Fachkräfte für KiTas aus und konstatiert, dass dem Gros der Fachkräfte die Anstrengungsbereitschaft und die kognitiven Kompetenzen fehlen, um in ihrem Fach schlussfolgernd zu denken oder wichtige Konzepte in die Anwendung zu übertragen (ebd. 160).

Werden Kinder nur halbtags betreut, können Familien Mängel in der Betreuungsqualität ausgleichen. Aber weder Eltern noch KiTas sollten sich einbilden, dass man neun Stunden Betreuung anbieten kann, ohne systematischer Elternersatz zu sein. Ganztägig betreute Kinder müssen vom Händewaschen bis zur deutschen Sprache fast alles in der KiTa lernen. Die meisten Eltern wollen ihr Kind in den verbleibenden drei Wachstunden “genießen”, statt die anstrengenden ungelösten Erziehungsaufgaben anzupacken oder mit ihm zu üben, wie man mit der Schere schneidet und Wörter reimt.

Wir brauchen nicht bloß mehr Personal, sondern klügeres, leistungsbereiteres und kenntnisreicheres.

 

Solange Kinder aber in der KiTa primär nach den Lustprinzip leben, sind sie am Abend besonders anstrengend, worauf viele Eltern wiederum mit Verwöhnung oder Ablenkung reagieren. Das verstärkt Egozentrik und narzisstische Überempfindlichkeit weiter, statt ein Gegengewicht zu schaffen. Wer zugunsten der Erziehungsarbeit beruflich nicht kürzer treten möchte, wäre oftmals mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit oder einem Haustier besser bedient.

Sprachdefizite verschlimmern die Lage zusätzlich. Wer mit Kindern einwandern will, sollte deshalb vorher seine Deutschkenntnisse unter Beweis stellen müssen, und wer bereits hier lebt und Kindergeld beziehen will, erst recht. Anstatt zu versuchen, alles irgendwie aufzufangen, müssen wir ausländischen Eltern klar machen, dass Schulbildung ohne sehr gute Deutschkenntnisse einfach nicht machbar ist. Ich wandere auch nicht nach Gouadeloupe aus, ohne vorher mit meiner Familie Französisch zu lernen – Sprachlern-Apps und Lehrbücher gibt es genug.

Dass ich einen gewissen Kenntnisstand und ein eigenes Einkommen nachweisen muss, ehe ich Ressourcen des Gastlands nutzen darf, wäre nur logisch. Alternativ gibt es teure, private internationale Schulen. Wenn ich mir die nicht leisten kann und die Sprache nicht auf eigene Faust lernen möchte, scheidet das Einwanderungsziel aus.

Grundschulen: Lesen, Schreiben, Rechnen aus dem Effeff

Die Grundschulen müssen sich auf die Grundkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen zurückbesinnen und hier nicht bloß rudimentäre Kenntnisse, sondern felsenfeste Routine erreichen. Zusätzliche Stunden lassen sich gewinnen, indem man Religionsunterricht durch eine Stunde verbindlichen Ethikunterricht ersetzt und das in seiner Effektivität sehr umstrittene Frühenglisch streicht. Den Werkunterricht hingegen sollte man m.E. nicht kürzen wie in Bayern, sondern ausbauen, da handwerkliche Tätigkeiten wichtig sind und schon jetzt zu wenig Zeit ist, um ausgiebig zu üben und anschließend ein Werkstück anzufertigen, auf das man stolz sein kann.

Anstatt zu versuchen, alles irgendwie aufzufangen, müssen wir ausländischen Eltern klar machen, dass Schulbildung ohne sehr gute Deutschkenntnisse einfach nicht machbar ist.

 

Besonders die schwächeren Schüler sollten derweil in homogenen, aber durchlässigen Klassen gefördert werden, nicht in leistungsgemischten Klassen. Eine große soziologische Studie zeigt, dass dies negative Herkunftseffekte stark verringert. Bei intelligenteren Schülern hingegen können gemischte Gruppen förderlich sein, zumindest schaden sie weniger. Wo der Zugang zu den weiterführenden Schulen anhand von Leistung und Intelligenz streng geregelt ist, lernen die Kinder auf allen weiterführenden Schularten besser.

Ein Pilotversuch in Franken zeigte ganz konkret, dass Kinder mit Legasthenie-Diagnose innerhalb von nur einem Halbjahr einen normalen Leistungsstand im Lesen und Schreiben erreichten, also “geheilt” waren, sobald sie für drei Stunden pro Tag die Fördergruppe einer gut ausgebildeten Lehrkraft besuchen durften. Eltern, Lehrer und Schüler waren begeistert. Dennoch verbot das Kultusministerium die Fortsetzung dieser Fördermaßnahme, da sie “segregativ” sei und nicht mit der Inklusions-Ideologie vereinbar. Sprich: Was zählt, ist die irrationale Selbstdarstellung der Bildungspolitik und nicht der Lernerfolg der Kinder.

Sachgemäß statt spielerisch rechnen und schreiben

Im Bereich Mathematik sollten Experten aus der Dyskalkulie-Forschung an Unterrichtskonzepten mitarbeiten. Im ersten Halbjahr müssen alle Erstklässler das kleine EinsPlusEins und EinsMinusEins (1+ 9  = 10, 2 + 8 = 10…) auswendig beherrschen, ohne dabei zu zählen. Das Dezimalsystem muss als Prinzip und daher bis zur 100 im zweiten Halbjahr erarbeitet werden. Materialien wie Muggelsteine, die zum Zählen verleiten, sollten keinen Platz im Unterricht haben.

Was zählt, ist die irrationale Selbstdarstellung der Bildungspolitik und nicht der Lernerfolg der Kinder.

 

Die Handschrift muss gestärkt werden: Grundschüler schrieben in den 1960er Jahren etwa sieben Mal so viel wie heute pro Woche. Man weiß inzwischen, dass solche Routine die Auslastung des Gehirns um den Faktor 50 bis 100 senkt und Prüfungsangst verringert. Kinder müssen daher wieder wesentlich mehr schreiben, und zwar als Fließtext, anstatt Lücken auf Arbeitsblättern auszufüllen.

Nachschriften und Diktate sind zur Übung sehr sinnvoll, wenn in ihnen die aktuell thematisierte Rechtschreibregel sehr häufig vorkommt, aber wenige andere Schwierigkeiten. Dabei sollte die Rechtschreibung auf Basis von Ortho- und Basisgraphemen vermittelt werden, anstelle des Silbenkonzepts und des unkorrigierten Schreibens nach Gehör. Schüler müssen ab der 2. Klasse systematisch lernen, ihre eigenen Fehler zu analysieren und deren Schwere einzuschätzen.

In normalem Sprechtempo lesen lernen

Im Lesen muss ein verbindliches Ziel für die Lesegeschwindigkeit pro Trimester eingeführt werden. Aktuell kann die Mehrheit der Schüler nach vier Jahren Unterricht noch nicht einmal in normaler Sprechgeschwindigkeit lesen. Dieses Tempo entspricht 150 Wörtern pro Minute (WPM). Fleißige Leser erreichen dies bereits in der 2. Klasse, zum Ende der 4. Klasse muss es das Ziel für alle normal intelligenten Kindern sein.

Dazu sind wesentlich mehr verpflichtende Lesezeiten und eine strengere Regelung des Medienkonsums zuhause notwendig. In Sprechgeschwindigkeit lesen zu können ist sowohl entscheidend für das genussvolle, noch schnellere stille Lesen als auch für die Informationsaufnahme in der weiterführenden Schule. Nur, wer schneller als Sprechgeschwindigkeit liest, kann in einer Stunde das lesen, was andere aus drei Stunden Videos entnehmen.

Gezielte Förderung statt Medikalisierung

Eltern, Lehrer und Psychiater müssen sich bei der Diagnose von Legasthenie und Dyskalkulie stärker zurückhalten. Diese Diagnosen sind oft nicht kriteriumsgemäß, perpetuieren Lernrückstände und verstärken, im Sinne J. Haidts, das Selbstbild als machtloses Opfer. Wie man im o.g. Projekt sieht, kann man erfolgreich die Zuständigkeit fürs Lesen, Schreiben und Rechnen aus der Psychiatrie zurück an die Schulen verlagern, wo sie hingehört. Schließlich besteht die Therapie dieser “Störungen” ausschließlich in einem ermutigenden, qualifizierten Unterricht mit hohem Übungsanteil.

Es ist besser, an der Mittelschule der Klassenbeste zu sein als sich mit Gewalt durchs Gymnasium zu quälen.

 

Mit diesen Veränderungen würden wir erreichen, dass alle Kinder auf Basis ihrer angeborenen Möglichkeiten ein gutes Leistungsniveau erreichen und die weiterführende Schule wählen können, die zu ihnen passt. Wenn man die richtige weiterführende Schule gewählt hat, sollte man dort mit etwas Fleiß gute Noten erlangen. Es ist besser, an der Mittelschule der Klassenbeste zu sein als sich mit Gewalt durchs Gymnasium zu quälen. Für die weiterführenden Schulen wünsche ich mir noch radikalere Veränderungen – zu lesen im nächsten und letzten Teil dieser Serie.

 

Literatur:

Esser, Hartmut und Seuring, Julian: Kognitive Homogenisierung, schulische Leistungen und soziale Bildungsungleichheit. In: Zeitschrift für Soziologie 49, 2020.

Gaidoschik, Michael: Rechenschwäche – Dyskalkulie: Eine unterrichtspraktische Einführung für LehrerInnen und Eltern (1. bis 4. Klasse)

Moor, Paul: Heilpädagogik. Ein pädagogisches Lehrbuch. Bern, 1965

Thomé, Günther: Deutsche Orthographie – Historisch, systematisch, didaktisch. Oldenburg 2023

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Von der Not der Noten – und ihrem Wert https://condorcet.ch/2024/03/von-der-not-der-noten-und-ihrem-wert-2/ https://condorcet.ch/2024/03/von-der-not-der-noten-und-ihrem-wert-2/#respond Mon, 04 Mar 2024 05:31:13 +0000 https://condorcet.ch/?p=16068

Ein alter pädagogischer Schauplatz öffnet sich neu – der Disput um die Noten. Wer sie abschaffen will, verkennt den Wert der Noten. Das System dient Schülerinnen, Lehrern und Eltern als unkomplizierte Orientierung. Entscheidend bleibt dabei das lernförderliche Feedback. Gedanken zu einer kontroversen Thematik von Condorcet-Autor Carl Bossard.

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Die “Abschaffung der Noten” kommt als professionelle Forderung daher

Den Ziffernoten geht es an den Kragen. Sie sind umstritten, vielfach gar denunziert. Wie schon so oft, seit es sie gibt. Und dennoch haben sie bis heute Bestand. Einen Frontalangriff auf die Noten startete vor Kurzem der Präsident des Verbands Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz, Thomas Minder.[i] Er leitet die Dachorganisation von 20 Kantonalverbänden der deutschsprachigen Schweiz, welche rund 2300 Schulverantwortliche zählt. Minder will die Noten eliminieren. Schülerinnen und Schüler sollten sich am Ende der Primarschule selbst selektionieren. Ziffern seien hier fehl am Platz. Sie gehören darum abgeschafft, postuliert der oberste Schweizer Schulleiter – für viele wohl mit etwas gar naivem reformpädagogischem Eifer. Zudem erstaunt es, dass die Abschaffung der Noten als professionelle Forderung daherkommt und so tut, als gäbe es keine Politik und keine öffentliche Meinung.[ii] Die Bevölkerung will mehrheitlich keine “notenfreien Schulen” – das ergibt sich aus Umfragen von Elterngremien und aus den Resultaten kantonaler Abstimmungen.[iii]

Condorcet-Autor Carl Bossard

Gleichzeitig wissen wir um das Konträre: Noten seien unverzichtbar, ja “unabdingbar, um Fairness und Vergleichbarkeit zu garantieren”, schreibt beispielsweise die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Prof. Susanne Lin-Klitzing, Erziehungswissenschaftlerin an der Philipps-Universität Marburg.[iv] Ein kontroverses Patt! Oder auf gut Deutsch: Die einen sagen so, die andern anders.

Der Züricher Kantonsrat als Abbild der Diskursfronten

Genau dieses argumentativ widersprüchliche Bild zeigte sich letztes Jahr im Zürcher Kantonsrat. Zur Debatte stand eine parlamentarische Initiative zur Notenpflicht in der Volksschule. Eingebracht hat sie die freisinnige Kantons- und Stadträtin Astrid Furrer aus Wädenswil. Die Initiantin wollte das Volksschulgesetz ändern. Das Ziel: Die Beurteilung der Leistung im Semesterzeugnis muss zwingend durch Noten erfolgen. Alternative Benotungssysteme wie Smileys und Krönchen oder Farbbalken à la Stadtschule Luzern[v] sind nur in der ersten Klasse und bei sonderpädagogischen Massnahmen erlaubt. Schulnoten dürften nicht dem pädagogischen Zeitgeist zum Opfer fallen, so die Angst und Absicht der parlamentarischen Mehrheit; sie müssten darum im Gesetz verankert sein.

Das kam einem Misstrauensvotum gegenüber der Zürcher Bildungsdirektion und dem Bildungsrat gleich. Ende Juni 2022 stimmte der Kantonsrat mit 101 Ja zu 62 Nein der Gesetzesänderung deutlich zu – nach langer und hitziger Debatte.[vi] Die bürgerlichen Parteien, die Grünliberalen und die Mitte sprachen sich für die Vorlage aus, Links-Grün und die EVP votierten geschlossen dagegen.[vii]

Die Skepsis gegenüber den Noten und ihr ramponierter Ruf

Die Debatte “Kein Verzicht auf Schulnoten” brachte all das zutage, was wir aus dem Diskurs um die Ziffernote längst kennen: Warum sie einerseits umstritten ist, und aus welchen Gründen sie anderseits für die Lernleistungs-Bewertung in Schulen bis heute offenbar als unverzichtbar gilt.[viii] Die Note sei, so ein Teil der Voten, unpräzise oder eben scheingenau und gleichzeitig informationsarm. Dazu sei ihr Zustandekommen nicht selten intransparent, manchmal gar willkürlich.[ix] Noten trügen kaum zur Bildungsgerechtigkeit bei und bezögen sich nicht auf den individuellen Lernfortschritt, sondern einzig auf den Klassendurchschnitt.[x] Diese sogenannten “Referenzgruppeneffekte” verfälschten die Noten, denn jede Klasse sei unterschiedlich leistungsstark.[xi] Zudem widersprächen sie dem Ideal des intrinsischen oder selbstgesteuerten Lernens mit dem Schwergewicht auf dem eigenen Lernweg.

“Misstraut allen Noten!”, liess darum der Erziehungswissenschaftler Hans Brügelmann, Universität Siegen, die ZEIT-Leserschaft apodiktisch wissen.[xii] Anstrengungen, die nur um des Prädikats willen getätigt würden, seien pädagogisch von geringem Wert. “Motivieren ohne Noten” nennt sich dieses suggestive Stichwort der Schulkritik von 1990.[xiii] Die These: Schülerinnen und Schüler lernten besser, wenn sie nicht durch Noten angeleitet würden.[xiv] Vergessen geht bei diesem Einwand, dass Lernende nicht primär durch einen isolierten Kommentar oder eine Note motiviert werden, sondern durch inspirierende Lehrerinnen und leidenschaftliche Pädagogen.

Schülerinnen und Schüler wollen wissen, wo sie stehen

Aller Kritik zum Trotz: Warum gibt es sie denn immer noch, diese Noten? Sie sind ja nichts anderes als ein verkürztes Feedback darüber, was zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Lerngruppe gekonnt, gewusst, verstanden wird. Die Ziffernote als Kürzel basiert auf dem vergleichenden Leistungsurteil durch eine Lehrperson. Nicht mehr, nicht weniger. Was also macht ihren Wert aus?

Anders als verbale Beurteilungen erlauben Noten keine rhetorischen Beschönigungen.

 

Kurz gesagt: Noten sind eine bewährte Form von Feedback und für die Kommunikation der Schulen nach aussen – Arbeitgeber, Eltern et al. – ohne ebenbürtigen Ersatz, ist Jürgen Oelkers, Erziehungswissenschaftler und emeritierter Professor der Universität Zürich, überzeugt. Alle anderen Formen hätten nicht annähernd den gleichen Grad leichter Verständlichkeit. Anders als verbale Beurteilungen erlauben Noten keine rhetorischen Beschönigungen. Ziffern führen kaum zu Wortklaubereien. Worte können verletzen; Zahlen sind neutraler. Zudem gilt: Schülerinnen und Schüler «vergleichen sich immer, egal ob sie Noten bekommen oder Berichtszeugnisse», sagt Ulrich Trautwein, Bildungsforscher an der Universität Tübingen.[xv] Sie wollen wissen, wo sie in der Klasse stehen, wo ihre Fähigkeiten liegen und ob sie sich verbessert haben. Noten ermöglichen auf einfache Art, Schüler-Lernleistungen in Relation zu Standards zu setzen und schulisches Können zu vergleichen – als Grundlage für ein lernförderliches Feedback. Ein Verzicht auf Vergleiche greift das Leistungsprinzip der Schule an.

Schule und Unterricht im dialektischen Spannungsfeld

Lehrerinnen und Lehrer stehen bei ihrer Arbeit im vielfachen Dilemma. Unterrichten ist eingebettet in dialektische Prozesse. Sie lassen sich nicht auflösen, sie lassen sich nur aushalten und konstruktiv handhaben. Auch bei den Noten. Die Ambiguitäten resultieren aus den widersprüchlichen Spannungsfeldern zwischen dem pädagogischen und dem soziologisch-gesellschaftlichen Auftrag der Schule, zwischen dem individuellen und sozialen Fördern, orientiert am Pädagogischen, sowie dem Leistungsprinzip, zentriert auf inhaltliche und kompetenzorientierte Bildungsziele. Die Schule kann gar nicht anders, als diese Widersprüche zu akzeptieren, wenn sie glaubwürdig bleiben will. Personifiziert ausgedrückt: Schule verkörpert den Antagonismus zwischen Wilhelm von Humboldt und Helmut Schelsky. Es ist ein Konflikt zwischen dem Bilden als Selbstbildung, dem Ausbilden als Qualifikation und dem Integrieren als Sozialisation einerseits sowie dem Selektionieren anderseits.[xvi] Das macht manchen Lehrpersonen zu schaffen, auch am Gymnasium. Korrigieren, bewerten und Noten setzen – und damit auch begabungsgerecht selektionieren, das kann nicht an Maschinen, nicht an digitale Test- und Bewertungswerkzeuge delegiert werden.[xvii] Es ist eine delikate, nicht selten mühsame Aufgabe. Für viele bedeutet sie eine Art Sacrificium Intellectus.

Nicht alle Jugendlichen können zu allen Ausbildungen und Berufen gelangen. Entschieden wird nach Lernleistung. Das gilt im Besonderen für den Übertritt ans Gymnasium.

 

Lern- und Denkleistungen beurteilen und sie gerecht bewerten ist ein verantwortungsvoller Vorgang. Er gehört konstitutiv zum Berufsauftrag. Nicht alle Jugendlichen können zu allen Ausbildungen und Berufen gelangen. Entschieden wird nach Lernleistung. Das gilt im Besonderen für den Übertritt ans Gymnasium. Zu bilden sind hier möglichst leistungshomogene Klassen. Sie erleichtern gutes Lernen.[xviii] Das Ersetzen von Noten durch Buchstaben oder Ampelfarben, durch Wörter oder Kreuzchen wäre lediglich pädagogische Kosmetik und änderte daran nichts.[xix] Der Auftrag bleibt: den Jugendlichen nach ihren Fähigkeiten und Interessen neue Wege aufzeigen. Zu evaluieren und zu bewerten sind die Lernleistungen. Sie sind der einzig sozialneutrale und damit auch demokratiegemässe Massstab. Wo aber kann nach Lernleistungen gemessen werden? An der Schule, nur an der Schule.

Hohe Grundansprüche an die Beurteilung

Noten aber sind ein komplexes Instrument und reflektiert zu vergeben. Sie hängen mit Prüfungen zusammen. Sie sollten so verlässlich wie möglich sein. Lehrkräfte müssen darum versuchen, allfällige Fehlerquellen auszuschliessen.[xx] Darum basieren gute Prüfungen, so hat man es uns in der Ausbildung gelehrt, auf vier Grundansprüchen:

. Validität: Was gemessen wird, entspricht dem, was man messen will. Und das Geprüfte ist eine bedeutsame und anerkannte Kompetenz.

. Objektivität: Die Beurteilung erfolgt nicht willkürlich; andere Bewertende kämen zur selben Ansicht. Und vor allem eines: Das Urteil muss frei von Vorurteilen gegenüber der geprüften Person sein.

. Reliabilität: Die Prüfung ist keine flüchtige Momentaufnahme. Darum müssten die Lernenden beim Wiederholen des Tests zu den approximativ gleichen Resultaten kommen.[xxi]

. Vergleichbarkeit: Geprüfte Schülerinnen und Schüler sollten in ihrer Lernleistung mit anderen verglichen werden können. Die Note 5 müsste in allen parallelen Klassen möglichst dasselbe bedeuten.

Noten sind nicht das Problem, Noten sind eine Hilfe

Wer den Prüfungen diesen Massstab zugrunde legt, schafft Klarheit und Erwartungssicherheit. Schülerinnen und Schüler wissen, dass es ums Bewerten ihrer Lernleistung geht, ihres Könnens und Verstehens – und nicht der Persönlichkeit. Sie akzeptieren die Note. In einem wertschätzenden Umfeld, in einer positiven und ermutigenden Atmosphäre sind Noten darum nicht das Problem, sondern eine Hilfe; sie generiert Transparenz und Sicherheit.

Das zeigt die Forschung, das legt die eigene Erfahrung nahe. Ein einziges Beispiel illustriert es: Ein Fünftklass-Gymnasiast hat in Chemie eine 4.5, sein Freund erreicht lediglich eine 3.5. Er will sich verbessern und gleichzeitig seinem Freund helfen. Der Chemielehrer gibt Feedback und zeigt ihm Wege, wie er das Lernen steuern kann.[xxii] Der Schüler vertieft sich in die Materie. Beim Lernen auf die Prüfung erklärt er seinem Freund den verlangten Inhalt. Im nächsten Zeugnis hat er eine 5, sein Freund eine 4. Diese Note habe ihm Klarheit verschafft, den Lernfortschritt signalisiert und ihn gleichzeitig motiviert, liess er mich als Klassenlehrer beim Überreichen der Zeugnisse wissen. Lernen lohne sich, fügte er verschmitzt bei. Dass (auch notenmässig belegte) Lernfortschritte das positive Selbstkonzept fördern, zeigte sich im Maturazeugnis. Er erreichte, notabene bei einem gestrengen Chemielehrer, eine blanke Sechs – und studierte dann an der ETH Zürich.

Feedback mit hohem Wirkwert

Noch etwas zeigt das Beispiel: Entscheidend ist das lernfördernde Feedback – im Sinne der Artikulation der Differenz zwischen Sein und Sollen, und dies in dreifacher Hinsicht: bezogen auf die Sache, auf den Prozess und auf die Selbstregulation. In der Metapher des OL-Sports gesprochen: Wo sind wir? Wohin wollen wir? Und wie kommen wir dorthin; welchen Weg wählen wir? Das müssten wir institutionalisieren und praktizieren. Und das müsste in der Schule intensiv und konkret erfolgen und vor allem in der Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule aufgezeigt und eingeübt werden. Die Einschätzung des Leistungsniveaus durch die Lehrperson hat nach John Hattie den höchsten Wirkwert aller Einflussgrössen aufs Lernen.[xxiii]

Die Abkehr vom klassischen Notenmodell bringt den Kindern und Jugendlichen keinen Mehrwert, den Lehrpersonen aber mehr Arbeit.

 

Für diese Feedbacks müssten die Lehrerinnen und Lehrer wieder mehr Zeit und Freiraum haben. Sie geben den Noten ihren Gehalt und Wert. Das Feedback gehört zu den effektivsten Instrumenten, die den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern steigern. Es muss an den Inhalt gebunden und sprachlich präzis formuliert sein und in einer fehlerfreundlichen Lernatmosphäre erfolgen. Darauf müsste sich eine gute Schule konzentrieren. Die Abkehr vom klassischen Notenmodell bringt den Kindern und Jugendlichen keinen Mehrwert, den Lehrpersonen aber mehr Arbeit. Es ist ein unnötiges Drehen an einer (Neben-)Stellschraube – ohne den Blick auf das systemische Ganze mit den anspruchsvollen Lehr- und Lernprozessen zu richten. Auf dieses Kernanliegen hat sich das System wieder zu konzentrieren.

 

Zur Person

Carl Bossard, Dr. phil, dipl. Gymnasiallehrer, ist Gründungsrektor der Pädagogischen Hochschule Zug. Davor war er als Rektor der Kantonalen Mittelschule Nidwalden und Direktor der Kantonsschule Luzern tätig. Er hat immer auch unterrichtet – und Lernleistungen bewertet. Heute begleitet er Schulen und leitet Weiterbildungskurse. Er beschäftigt sich mit schulgeschichtlichen und bildungspolitischen Fragen. www.carlbossard.ch

 

[i] Thomas Minder (2023), Schluss mit der Selektion, in: Fritz+Fränzi. Das Schweizer Elternmagazin, 31.08.2023: https://www.fritzundfraenzi.ch/gesellschaft/schluss-mit-der-selektion/ [abgerufen: 10.10.23]

[ii] Livesendung Forum von SRF 1: https://www.srf.ch/audio/forum/sind-schulnoten-noch-zeitgemaess?id=12449418

[iii] Verschiedene Kantone kehrten per Volksabstimmung wieder zum Notenobligatorium in der Primarschule zurück, so der Kanton Genf oder der Kanton Appenzell Ausserrhoden. Zu Noten kehrten auch Schulgemeinden zurück – mit der Begründung, manchen Kindern fehle sonst der Lernleistungswille.

[iv] Kathrin Müller-Lancé, Sind Noten noch zeitgemäss?, in: Süddeutsche Zeitung, 29.09.2023, S. 6.

[v] An den Stadtschulen Luzern steht nun statt der Note 4 ein «teilweise erreicht» – dazu ein Kreuz im Balken zwischen Gelb und Orange, in: https://www.zentralplus.ch/beruf-bildung/warum-selbst-luzerner-schueler-noten-bevorzugen-2577229/ [abgerufen: 10.10.23]

[vi] https://parlzhcdws.cmicloud.ch/parlzh5/cdws/Files/d389c7032ab94daba70e5487bcec3552-332/5/pdf

[abgerufen: 10.10.23]

[vii] Daniel Schneebeli, Jetzt kommt die Notenpflicht ins Gesetz, in: TagesAnzeiger, 05.07.2022, S. 17.

[viii] Vgl. Protokoll der beiden Debatten im Kantonsrat vom 24.02.2020 und vom 03.05.2022: KR-Nr. 69/2020. Msc. unpubl.

[ix] Urteile der Lehrpersonen mit Blick auf ihre Klasse sind recht verlässlich; darauf verweist Jürgen Oelkers. Er stützt sich dabei u.a. auf Franz E. Weinert (2001) (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim/Basel: Beltz-Verlag.

[x] Vgl. Wilfried Kronig (2007), Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs. Theoretische Erklärungen und empirische Untersuchungen zur Lernentwicklung und zur Leistungsbeurteilung in unterschiedlichen Schulklassen. Bern und Stuttgart: Haupt Verlag, S. 171ff.

[xi] Karlheinz Ingenkamp (1995), Die Fragwürdigkeit der Zensurengebung. Texte und Untersuchungsberichte. 9. Aufl. Weinheim: Beltz Verlag, S. 194ff.

[xii] Hans Brügelmann (2006), Misstraut allen Noten!, in: DIE ZEIT, 13.07.2006, S. 52; vgl. Lisa Kunze (2022), Dialogbasierte Leistungsbeurteilung mit Portfolios. Theoretische Grundlagen, praktische Umsetzungsmöglichkeiten und empirische Befunde. Münster: Waxmann Verlag.

[xiii] Richard Olechowski/Karin Rieder (1990) (Hrsg.), Motivieren ohne Noten. Schule, Wissenschaft und Politik. Bd. 3. Wien [u.a.]: Verlag Jugend und Volk; vgl. Jürgen Oelkers, Warum Noten in der Schule? Msc. unpubl. Zürich: IfE, S. 2.

[xiv] Jürgen Oelkers, Beurteilen und Fördern – Notwendige Noten? Schulinfo Zug. 06.05.2019, S.2/6.

[xv] Ulrich Trautwein, «Sie wollen immer wissen, wo sie stehen», in: DIE ZEIT, 31.08.2023, S. 33.

[xvi] Gegen diesen Selektionsauftrag wehrt sich Thomas Minder, Präsident der Schweizer Schulleiter.

[xvii] Nils B. Schulz (2023), Kritik und Verantwortung. Irrwege der Digitalisierung und Perspektiven einer lebendigen Pädagogik. München. Claudius Verlag, S. 121.

[xviii] Wie wichtig lernleistungshomogene Klassen für gutes Lernen sind, zeigen Studien auf, u.a. von Prof. Wolfgang Schneider, Universität Würzburg, und aus den USA; vgl. Kari Kälin, Unter gleich Guten lernt es sich besser, in: Luzerner Zeitung, 23.03.2013, S. 12 (Hintergrund).

[xix] Winfried Kronig, Schulnoten – Glasperlenspiel des Bildungssystems, in: Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik (2010) 9, S. 6-7.

[xx] Kathrin Müller-Lancé, a.a.O., S. 6.

[xxii] Gemäss Hattie ist dies ein Feedback zur Selbstregulation; es hat einen hohen Effektwert (d = 0.86).

[xxiii] Klaus Zierer (2023). Hattie für gestresste Lehrer 2.0. Kernbotschaften aus „Visible Learning“ mit über 2.100 Meta-Analysen. 4. erweiterte und aktualisierte Auflage. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S.137, 172; Hatties Wirkwert hat eine Effektgrösse von d = 1.46.

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“Man muss manche Kinder und Jugendliche eng führen und strenger kontrollieren” https://condorcet.ch/2024/02/man-muss-manche-kinder-und-jugendliche-eng-fuehren-und-strenger-kontrollieren/ https://condorcet.ch/2024/02/man-muss-manche-kinder-und-jugendliche-eng-fuehren-und-strenger-kontrollieren/#comments Sun, 18 Feb 2024 11:50:20 +0000 https://condorcet.ch/?p=15979

Erziehungswissenschaftler Roland Reichenbach stellt einen grundlegend falschen Ansatz in der deutschen Pädagogik fest: Die Folgen der bei den 68ern beliebten antiautoritären "Emanzipation" schade vor allem leistungsschwachen Kindern. Reichenbach zeigt Auswege für ratlose Eltern auf. Das Interview erschien in der WELT.

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WELT: Herr Reichenbach, steckt Deutschland in einer Erziehungskrise?

Roland Reichenbach: Hannah Arendt führte 1958 in ihrem berühmten Vortrag “Krise in der Erziehung”, das, was sie als Erziehungskrise bezeichnete, auf eine strukturelle Krise der Moderne zurück. Sie glaubte, dass Erziehung ein konservatives Geschäft sei.

Man könne, so Arendt, nur das weitergeben, was sich irgendwie bewährt hat, was man kennt, was man weitergeben möchte. Das Neue dagegen “bringen die Neuen”, das heisst Kinder und Migranten, sie verändern die Welt. Wenn die Erziehung ihre konservierende Aufgabe vergisst, ist, was sich eigentlich verbirgt hinter deren Krise, eine Autoritätskrise und eine Traditionskrise. Das hat Arendt so konstatiert, aber so pauschal kann man das, glaube ich, nicht bestätigen.

WELT: Aber?

Reichenbach: Aber es gibt eine Krise des Gemeinsinns und eine Krise der Repräsentation. Es ist den Eltern kaum mehr klar, wofür sie eigentlich einstehen sollen und wofür die Schule steht. Das hat zu tun mit der modernen Bewegung hin zum Individuum, hin zur an sich ja großartigen Bedürfnisorientierung. In deren Engführung sieht man plötzlich nur noch das Individuum, das Kind, das Hirn.

Es ist den Eltern kaum mehr klar, wofür sie eigentlich einstehen sollen und wofür die Schule steht.

 

Die Schule als Ganzes und ihre Funktion in der Gesellschaft gerät aus dem Blick – bis dahin, wo Kinder, Schüler als Ansammlung frei flottierender Atome betrachtet werden. Die Eltern sind, wenn überhaupt, primär am eigenen Kind interessiert. Und dazu kommt noch, dass es weniger und mehr privilegierte Familien und Kinder gibt und dass die herrschende individualisierte Pädagogik zugespitzt eigentlich eine Pädagogik für Gewinner ist.

Roland Reichenbach (61) ist Professor der Allgemeinen Erziehungswissenschaft an der Universität Zürich (Bild: Roland Reichenbach/zvg)

WELT: Was bedeutet “Pädagogik für Gewinner”?

Reichenbach: Es herrscht die Annahme, selbst organisiertes Lernen, individualisiertes Lernen sei universell ein probates Mittel. Das passt für jene, die von zu Hause aus irgendwie wissen, dass sie in der Welt einen Platz erhalten. Jene aber, die leistungsschwach sind, aus welchen Gründen auch immer, mangelnde Motivation, familiärer Hintergrund und so weiter, für die ist eine andere Pädagogik nötig.

Es gibt manche Kinder und Jugendliche, die muss man eng führen. Man muss sie aber auch ermutigen, und man muss sie strenger kontrollieren. Und das tönt für moderne pädagogische Ohren überhaupt nicht attraktiv.

WELT: Weil?

Reichenbach: Weil in Debatten der Nachkriegszeit über Autorität, besonders durch die 68er, der Begriff der “Emanzipation”, der Befreiung der Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt der Pädagogik gerückt wurde. Man könnte auch sagen, die Pädagogik ist politisiert worden.

WELT: Adorno etwa postulierte, kurz gesagt, nach dem Krieg den “autoritären Charakter” durch falsche Erziehung als Ursache des Erfolgs der Nazis, durch andere Erziehung sei er zu überwinden. 

Reichenbach: Vor Adornos Studien gab es noch den Psychologen Kurt Lewin, aber ja: Zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die autoritäre Erziehung als ein Problem gefunden. Autorität in der Erziehung galt als schlecht. Demgegenüber gestellt ist bis heute, das werden Sie in allen möglichen Leitlinien und Bildungskonzepten finden, die gute “demokratische Erziehung”.

Alles soll verhandelbar, auf Augenhöhe sein. Pädagogik ist aber nun mal eine asymmetrische Angelegenheit.

 

Nun sind beide Begrifflichkeiten, Demokratie und auch Autorität, politische. Man kann sich auch fragen, warum und woher kommt eigentlich die Idee, dass die Erziehung demokratisch, also volksherrschaftlich, sein soll? Was soll das bedeuten?

WELT: Von Ihnen gibt es ein Buch, “Pädagogische Autorität. Macht und Vertrauen in der Erziehung”. Woran denken Sie bei Autorität in der Erziehung?

Reichenbach: Daran, dass ohne irgendeine Bereitschaft, sich führen zu lassen, es überhaupt nicht geht mit dem Zusammenleben in einer Gesellschaft. Das ist eine Kompetenz, die man nur gegenüber einer glaubhaften Autorität erwerben kann. Ob man sie erwirbt, hängt fundamental davon ab, dass es sich für mich lohnen muss, mich führen zu lassen. Das jemand ausgeübte Autorität annimmt, ist abhängig von einem Versprechen. Eine bestimmte Ökonomie muss stimmen, irgendwo muss die Möglichkeit eines Tauschakts gesellschaftlich vorhanden sein.

WELT: Was erhält man im Tausch gegen das Sich-führen-Lassen?

Reichenbach: Man könnte so sagen: Die ältere Generation muss es schaffen, der jüngeren glaubhaft zu vermitteln, dass sie, wenn sie sich in deren Führung begibt – an der Schule heisst das: sich anstrengen, wohl verhalten, lernen – eine individuell attraktive Zukunft erwarten kann. Schulische Bildung ist somit nicht Selbstzweck, sondern ganz konkret Mittel zum Zweck, auch wenn Pädagogen das heute nicht gerne hören.

WELT: Erziehung also als Gütertausch – du lässt dich erziehen, dafür bist du später in der Lage, dir ein Häuschen zu leisten. Das aber stimmt für ganz viele Kinder nicht mehr.

Reichenbach: Es ist ganz evident, dass es Segmente der Gesellschaft gibt und also Kinder und Jugendliche, die vielleicht aus gutem Grund nicht an die Wirksamkeit der Bildung glauben können. Warum sollte ich mich dann einem schulischen Regime unterwerfen? Letztlich haben wir ein also ein Sinnproblem.

WELT: Nur in dem Sinn, dass materielle Tauschgüter unerreichbar sind? Oder auch in einem immateriellen Sinn, dass es einen Mangel sinnstiftender Arbeit gibt?

Reichenbach: Mir ist Richard Sennetts (amerikanisch-britischer Soziologe, d. Red.) “passiver Nihilismus” näher. In Umfragen äußert sich das so: Menschen, die ihren Job und den Lohn als in Ordnung beschreiben, antworten auf die Frage, ob sie dort noch in fünf Jahren arbeiten wollen: “Auf keinen Fall.” Und auf die Frage, was Sie nun dagegen tun wollen: “Keine Ahnung”.

Die Leute haben sich daran gewöhnt, dass sie in einer Art Krise sind, nicht wissen, wohin die Reise geht, und das verläuft relativ störungsfrei, ohne Leiden.

 

In einer hochflexiblen, hoch veränderlichen Arbeitswelt ist es für Arbeitgeber auch von Vorteil, wenn die Angestellten gar nicht wissen, was sie eigentlich wollen; dieser passive Nihilismus ist somit funktional, es handelt sich dabei um eine kulturell adaptive Identitätsdiffusion. Das heißt, die Leute haben sich daran gewöhnt, dass sie in einer Art Krise sind, nicht wissen, wohin die Reise geht, und das verläuft relativ störungsfrei, ohne Leiden.

WELT: Das meinen Sie also, wenn Sie sagen, die Eltern wüssten kaum, wofür sie einstehen sollen?

Reichenbach: Wer nicht weiss, wohin er will, hat ein pädagogisches Problem, denn das Zeigen ist die Grundoperation in der Pädagogik, wie der Erziehungswissenschaftler Klaus Prange schrieb. Die ältere Generation muss also wissen, was sie zeigen will. Stattdessen verhält es sich immer häufiger so, als ob die Älteren ihre Verantwortung an die Jüngeren abgeben wollten.

Statt “Ich habe dich immer unterstützt, du konntest machen, was du willst” wäre besser, wenn man sagt: “Studier’ BWL!” oder “Übernimm den Hof!”. Dann kann das Kind entgegnen: “Nein!”, und sich überlegen, was es stattdessen will. Ich will sagen: Freiheit ohne Befreiung funktioniert nicht.

WELT: Und die Befreiung erfolgt als Negation des Erzieherwillens?

Reichenbach: Ja, oft; es geht also nicht darum, ob man schafft, wie vielfach heute das Leitbild, dass die Jungen von sich aus herausfinden, was sie wollen. Sondern darum, dass die ältere Generation sagt, was ihr wichtig ist – und dass sie weiss, dass die Jungen es dann eh machen, wie sie wollen. Das ist der Kern von Friedrichs Schleiermachers Pädagogik.

Womöglich haben wir es in der Gegenwart nicht mit der “falschen” Pädagogik zu tun, sondern mit einer “fehlenden” Pädagogik.

 

Die pädagogische Frage würde lauten, meinte er: Was will denn die ältere Generation von der jüngeren? Zur gleichen Zeit wusste er, dass die Jüngeren nicht so rauskommen, wie die Älteren es wollen. Genau das ist modern. In diesem Sinne würde ich abschließend die These wagen: Womöglich haben wir es in der Gegenwart nicht mit der “falschen” Pädagogik zu tun, sondern mit einer “fehlenden” Pädagogik.

WELT: Weil die Alten das “Zeigen” scheuen? Warum ist das so?

Reichenbach: Heute wollen Führungspersonen, Lehrpersonen, auch Professoren von ihren Studierenden oder Mitarbeitern geschätzt, am besten noch geliebt werden. Das ist eine Krankheit, die habe ich auch ein bisschen, auch als Vater von vier erwachsenen Kindern. Man möchte geschätzt werden, aber das ist vielleicht nicht so gut.

Ich bin mir ganz sicher, dass das für meine Eltern nie eine Frage war: Ob ihre Söhne sie lieben. Wir waren ihre Söhne, sie haben uns geliebt, das war es. Und nun haben wir ein fundamentales Bestreben, alle Kommunikation zu symetrisieren und halten es kaum aus, wenn das nicht der Fall ist – alles soll verhandelbar, auf Augenhöhe sein. Pädagogik ist aber nun mal eine asymmetrische Angelegenheit.

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Leistungsdruck im Schulzimmer – Klüger, aber müder: Wie stressig ist unser Schulsystem? https://condorcet.ch/2022/11/leistungsdruck-im-schulzimmer-klueger-aber-mueder-wie-stressig-ist-unser-schulsystem/ https://condorcet.ch/2022/11/leistungsdruck-im-schulzimmer-klueger-aber-mueder-wie-stressig-ist-unser-schulsystem/#comments Sun, 13 Nov 2022 12:54:58 +0000 https://condorcet.ch/?p=12303

Rund jedes dritte Kind klagt über Stress. Was steckt dahinter? Und wie viel trägt die Schule dazu bei? Wir schalten hier einen Bericht auf über einen Podcast von Daniel Bodenmann, der im SRF erschienen ist. Darin kommt auch unser Condorcet-Autor Alain Pichard zu Wort.

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Daniel Bodenmann, Produzent: Viele Schülerinnen und Schüler fühlen sich von der Schule gestresst.

«Du musst ins Schulzimmer kommen und heulen wie ein Wolf, wenn er zum Rudel kommt.» Das sagt Martin Hänzi, einer meiner ehemaligen Lehrer an der Sekundarschule in Pieterlen in den 1990er-Jahren. Wie viel Wahrheit in dieser Aussage steckt, wurde mir bewusst, als ich zum Thema Stresspegel in der Schule recherchierte.

Hänzis Aussage ist dabei nicht autoritär gemeint, wie der Lehrer erklärt: «Nicht im Stile von ‹wenn du nicht machst, was ich will, dann beisse ich›‚ sondern von ‹nur zusammen sind wir ein Rudel.›»

Es geht also um ein Miteinander mit einem Leitwolf oder einer Leitwölfin, kein Gegeneinander. Im Unterricht von Lehrer Hänzi kam damals kein Stress auf. Logisch, man musste arbeiten, lernen und stillsitzen. Mehr, als uns oft lieb war. Aber man kam sich dabei nicht wie ein Lernsoldat vor.

 

Die Schule ist ein grosser Stressfaktor.

Lulzana Musliu Shana, Leiterin Medien und Politik bei Pro Juventute: Viele Kinder fühlen sich in und von der Schule gestresst.

Heutzutage scheint das anders: Viele Kinder fühlen sich in und von der Schule gestresst. Eine Studie von Pro Juventute vom letzten Jahr hat ergeben, dass eines von drei Kindern übermässig unter dem Leistungsdruck und der Stressbelastung leidet. Bei den 14-Jährigen sind die Zahlen sogar noch höher.

«Die Schule ist ein grosser Stressfaktor», erklärt Lulzana Musliu-Shahin, Leiterin Politik und Medien bei Pro Juventute. «Prüfungen und Hausaufgaben, aber auch Streit in der Klasse und Mobbing, führen bei den Schülerinnen und Schülern zu erhöhtem Stress.»

Vergleichbare Studien – zum Teil auch internationale – gehen zum Teil davon aus, dass sogar mehr als jedes dritte Kind gestresst ist. Das ist viel, um nicht zu sagen: zu viel.

Die neue Volkskrankheit

Stress ist so etwas wie die neue Volkskrankheit. Im jährlichen Arbeitsbarometer von Travail Suisse wird der Stress als Nummer 1 bei den belastenden Faktoren angegeben. Tendenz steigend.

Auch bei der Gesundheitsförderung Schweiz ist man alarmiert. Laut Erhebung sind die 16- bis 24-Jährigen am meisten gestresst. 40 Prozent klagen darüber. Und 30 Prozent fühlen sich sogar emotional erschöpft. Die Schule ist in diesem Sinne ein Spiegelbild der Gesellschaft.

Die Lehrer zählen

Es gibt viele Stressfaktoren, welche die Kinder und Jugendlichen belasten. Dazu gehören auch die Lehrerinnen und Lehrer selbst – etwa, wenn sie den Kindern gegenüber nicht genug Verständnis aufbringen. «Ein negatives Bild der Lehrpersonen von ihren Schülerinnen und Schülern ist in hohem Masse korreliert mit der Stressbelastung ebendieser», heisst es in der Studie von Pro Juventute dazu. Das gelte umso mehr, wenn auch noch ein schlechtes Schulklima hinzukomme.

Mann im Sakko steht mit verschränkten Armen vor Wandtafel

Alain Pichard: Wer richtigen Stress erleben will, soll mal nach Südkorea gehen.

Dabei muss man festhalten, dass das Schulklima heute deutlich angenehmer ist als früher: Es fliegen keine Schlüsselbunde mehr herum, und das Lineal wird ausschliesslich zum Zeichnen gebraucht und nicht als Schlagstock. «Es gibt zahllose Stützangebote, Mobbingpräventionen, Nachteilsausgleiche und individualisierende Lehrmethoden», findet der Lehrer und Bildungspolitiker Alain Pichard.

«Hausaufgaben werden abgeschafft, Vokabeln sollen spielerisch und ohne Anstrengung eingeübt werden», sagt Pichard. «Wer Leistungsstress erleben will, soll nach Südkorea, Singapur, Taiwan oder China gehen.»

Wenn Eltern drängen

Dennoch scheint der subjektive Stress der Schüler und Schülerinnen nicht kleiner geworden zu sein. Ob man heute besser hinschaut und mehr sieht als früher, sei dahingestellt. Was aber klar sein sollte: Wenn Kinder in diesem Ausmass unter Stress leiden, läuft etwas schief. Immer wieder werden die Noten als grosser Druckfaktor aufgeführt. Dazu kommt ein weiterer Faktor, wie die Pro Juventute-Studie zeigt: Eine gewichtige Ursache der Stressbelastung von Kindern und Jugendlichen sei das Gefühl, dass die Eltern zu hohe Erwartungen an sie stellen, welche die Kinder nicht erfüllen können, heisst es dort.

Es lebe die Lehre

Die duale Ausbildung ist erfolgversprechend.

Die Eltern sind also oft ein grosser Teil des Problems, etwa mit ihrer Hoffnung auf gute Noten. Vielfach treibt sie der Irrglaube an, ein Kind müsse in die Sekundarschule oder ans Gymnasium, weil nur so ‹etwas› aus ihm wird.

Dabei ist unser duales Bildungssystem mit der Berufslehre ein Erfolgsmodell. Immer noch. Das bestätigen auch zahlreiche Studien, etwa vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO. Das geht des Öfteren vergessen. Es sei hier zur Stressminderung erwähnt.

«Trotz der starken Zunahme von Tertiärabschlüssen, die oft über eine gymnasiale Matura erreicht werden, hat die berufliche Grundbildung in der Schweiz ihre im internationalen Vergleich herausragende Stellung als Erstausbildung in den vergangenen zwanzig Jahren behalten», heisst es in der SECO-Studie. Es zeige sich dabei, dass die Jugendliche, die eine Lehre absolvieren, sich über erfreuliche Berufsaussichten freuen können. Ihre Erwerbsquoten seien hoch, die Arbeitslosigkeit niedrig.

«Ein furchtbares Hamsterrad»

Margritt Stamm: Viel zu viel Freizeitorganisation.

Es nimmt manchmal schon fast absurde Züge an, wenn man vernimmt, dass es einen Trend zur Nachhilfe für Kinder gibt, die gar keine Nachhilfe bräuchten. Also jene, die schulisch nicht gefährdet sind, sondern einfach von ihren Eltern in der Freizeit noch weiter angeschoben werden, um in der Konkurrenzsituation in der Klasse besser dazustehen.

«Das ist zum Teil ein furchtbares Hamsterrad, in dem die Kinder sind», sagt Margrit Stamm, Professorin für Erziehungswissenschaften. «Die umfassenden Freizeitprogramme, die viele haben, die durchgetakteten Wochenpläne. Deshalb reden wir in der Forschung von Terminkindheiten.»

Zusammenspiel ist zentral

Die Eltern und ihre Erwartungen und Haltungen kann man nur bedingt ändern. Auch die Weiterentwicklung des Schulsystems ist ein träger, politischer Prozess. Weder die 45-Minuten Struktur, der frühe Schulbeginn noch die langen Präsenzzeiten werden so schnell verschwinden. Das gilt auch für die wechselnden Fachlehrkräfte, die ebenfalls Stress bedeuten.

Wer keine entspannte Rudelführerin oder einen empathischen Leitwolf vor sich hat, ist deutlich gestresster. Das Zusammenspiel von Lehrpersonen und SchülerInnen ist zentral.

Alexander Wettstein, PH-Bern, forscht schon lange zum Thema “Stress”.

«Innerhalb der Schule entsteht der grösste Stress, wenn die soziale Interaktion nicht funktioniert», weiss Alexander Wettstein. Er ist Leiter des Forschungsschwerpunktes Soziale Interaktion an der PH Bern. «Zum Beispiel, wenn eine Schülerin verweigert oder es aggressives Verhalten gibt.»

Wettstein hat im Rahmen einer noch nicht erschienenen Studie während zwei Jahren insgesamt 42 Lehrpersonen im Raum Bern intensiv begleitet. Herzschlag messen, Stresshormon im Speichel, und das über ganze Tage hinweg.

Mann mit kurzen blauen Haaren und blau gestreiftem Hemd

Das Resultat: Rund ein Drittel der Lehrpersonen hat einen zu hohen Stresspegel und sollte etwas dagegen unternehmen. Wenn bezüglich Stressregulation nichts passiert, wird nämlich der Unterricht schlechter und die Schülerinnen und Schüler unruhiger. Das wiederum steigert den Stress bei der Lehrperson.

Klimawandel im Klassenzimmer

«In der Schule müsste man ein Klima hinkriegen, in dem es allen wohl ist», sagt Wettsein. «Denn nur in einer Atmosphäre, in der es mir gut geht und in der auch einmal miteinander gelacht werden kann, kann ich auch lernen. Wenn ich gestresst bin, bin ich blockiert. Dann geht nichts mehr in den Kopf.»

Es komme übrigens nicht darauf an, ob die Lehrperson jung oder alt, Mann oder Frau, sei. Stress ist individuell. Fühle man sich unterstützt und sehe den Sinn der Arbeit ein, wirke das präventiv gegen Stress. Steht eine Lehrperson an einem Arbeitstag auf, dann ist der Stresspegel doppelt so hoch wie normalerweise. Der antizipative Stress, bevor man vor die Klasse tritt, ist hoch. Kein Wunder, gilt es doch viele Anforderungen zu erfüllen. Der Stress ist dabei aber ein schlechter Ratgeber.

Leiten ohne beissen

«Das Lernklima ist wie ein Fundament. Wenn das nicht gut ist, ist Hopfen und Malz verloren», sagt Wettstein. In Anbetracht des Lehrkräftemangels beruhigt diese Erkenntnis nicht. Aber um im System einen gesunden Hebel zu haben, braucht es gute Lehrpersonen. Solche, die ein Rudel leiten können, ohne zu beissen und die den Kindern entspannt und mit emotionaler Wärme begegnen. Trotz all den äusseren Stressfaktoren, die auch – oder besonders – auf die Lehrpersonen täglich einprasseln. Keine einfache Aufgabe.

Sport statt Stress

Klar ist zumindest, was bezüglich Stressabbau und Prävention empfohlen wird: Für Lehrpersonen – also eigentlich für die ganze Gesellschaft – gilt: Abschalten und sich ein Hobby suchen, einen Ausgleich. Das gilt ebenso für Kinder.

«So geben Kinder und Jugendliche mit niedrigeren Stresswerten eher an, Zeit zu haben, um sich zu erholen. Gleichzeitig investieren diese Kinder und Jugendlichen ihre freie Zeit häufig in Aktivitäten wie Sporttraining, Musiküben oder Treffen mit Freundinnen und Freunden», schreibt die Pro Juventute in ihrer Studie.

Die Gesellschaft muss hier mit gutem Beispiel vorangehen. Denn die Kinder eifern den Erwachsenen nach.

 

https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/leistungsdruck-im-schulzimmer-klueger-aber-mueder-wie-stressig-ist-unser-schulsystem

 

 

 

 

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Sind heutige Schüler überfordert? https://condorcet.ch/2021/12/sind-heutige-schueler-ueberfordert/ https://condorcet.ch/2021/12/sind-heutige-schueler-ueberfordert/#comments Thu, 02 Dec 2021 10:07:27 +0000 https://condorcet.ch/?p=10001

Mit Tomas Kubelik begrüssen wir einen neuen Gastautor im Condorcet-Blog. Der Gymnasiallehrer und Buchautor aus Österreich vertritt eine dezidiert konservative Pädagogik und hält eine Schule, die von den Kindern zu wenig verlangt, für genauso inhuman wie eine reine Paukerschule. Wir nehmen an, dass es hier auch Widerspruch geben wird.

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Tomas Kubelik: Tomas Kubelik, Jg. 1976. Gymnasiallehrer in Österreich

Oft hört man die Klage, Kinder fühlten sich heutzutage gestresst und von der Schule überfordert, man solle doch die Leistungsansprüche senken, die Hausaufgabenlast reduzieren und ihnen mehr Freiheiten und mehr Freizeit gönnen. Der überforderte Schüler ist aber ein irreführender Mythos. Denn Kinder leiden zumeist nicht unter schulischem Leistungsdruck, sondern sie leiden darunter, dass sie selten die Erfahrung machen durften, wie befriedigend es ist sich anzustrengen, um schließlich Erfolg zu haben. Der Pädagoge Hartmut Köhler schrieb einst den schönen klugen Satz: „Die leuchtenden Augen der Schulanfänger erhalten wir dadurch, daß wir ihnen alles erleichtern wollen, gerade nicht.“[i] Der so genannte Schulstress entsteht also nicht durch zu hohe schulische Anforderungen, im Gegenteil. Eine Schule, die Kindern zu wenig abverlangt, erhöht eher ihren Stress, da Langeweile zu Aggressionen und Frustgefühlen führen kann, jedenfalls die Antriebsschwäche nur noch verschärft – ein verheerender Teufelskreis.

Ja, viele Kinder sind heutzutage in der Tat überfordert. Man kann es aber nicht deutlich genug sagen: Das liegt nur selten an der Schule. Vielmehr liegt es meist daran, dass Kindern die emotionale und soziale Reife fehlt, um in einer Gruppe am Unterrichtsgeschehen sinnvoll mitzuwirken, Regeln zu befolgen, sich auf einen Lerngegenstand zu konzentrieren und mit Frustrationen altersadäquat umzugehen. Diesen Mangel aber bringen sie von zu Hause mit und es ist weitgehend aussichtslos, Entwicklungsdefizite, die sich in den frühen Jahren aufgebaut haben, in der Schule kompensieren zu wollen.

Es ist weitgehend aussichtslos, Entwicklungsdefizite, die sich in den frühen Jahren aufgebaut haben, in der Schule kompensieren zu wollen.

Handys wirken stark suchterzeugend.

Zwar wäre es wichtig, eine Schul- und Unterrichtskultur zu etablieren, die nicht von Schnelligkeit und Oberflächlichkeit, sondern von Muße und Vertiefung geprägt ist, damit Erlebnisse nachwirken, Eindrücke verarbeitet und Gedanken wirklich durchdacht werden können. Entscheidend ist aber, dass Kinder auch zu Hause und in ihrer Freizeit nicht dauernd überlastet werden. Genau das aber ist leider sehr häufig der Fall. Ich möchte sechs Lernhemmer herausgreifen, die in meinen Augen hauptverantwortlich dafür sind, dass Kinder überfordert sind, unter Stress leiden und sich schulisch nicht so entwickeln, wie es ihren Anlagen gemäß wäre.

  1. Viel zu viele Kinder verbringen viel zu viel Zeit vor Fernsehern, Computern und Handys. Denn Bildschirmmedien führen fast immer zu Reizüberflutung, die einen großen Teil der Energien bindet, sie zwingen zu oberflächlichem Konsumieren kurzer Reize und fördern generell eine geistige Passivität. Befriedigende Erlebnisse und Erholung bieten sie selten, vielmehr hinterlassen sie meist eine innere Leere. Handys wirken überdies stark suchterzeugend. Innere Unruhe (oftmals verstärkt durch den Konsum nicht altersadäquater Inhalte) und Zeitmangel sind häufige Begleiterscheinungen.
  2. Viele Kinder haben zu viel Freizeitstress. Der Ehrgeiz der Eltern, der Drang, einen erlebnisarmen Alltag durch Ablenkungen aller Art aufzupeppen, und das Gefühl, mit den Moden der Peergroup mithalten zu müssen, führen oftmals zu Tagesabläufen, bei denen ein Termin den anderen jagt. Das aber ist Gift für Lern- und Reifungsprozesse. Schule wird allzu leicht zur Nebensache.
  3. Da schon kleine Kinder Zugang zu denselben Informationen haben wie Erwachsene, werden sie auch viel zu früh mit Problemen der Erwachsenenwelt konfrontiert. Da ihnen aber für viele Dinge sowohl das Wissen als auch die Erfahrung als auch die Reife fehlen, werden sie keineswegs aufgeklärt, sondern verunsichert, gestresst und an der Entwicklung eines tragfähigen Weltbildes eher behindert. Wenn Eltern ihre Sorgen über gesundheitliche Gefahren, ökologische Krisen, politische Verwerfungen oder soziale Ungerechtigkeiten mit ihren Kindern allzu früh und unverblümt teilen, dann fördern sie Ängste, die Kinder unnötig belasten, und zerstören deren Urvertrauen. Dieses ist aber die Voraussetzung, um später kritisch über die Welt und ihre Fehlentwicklungen urteilen zu können. Ein auffallendes Phänomen dieser Verwischung der Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern ist das weitgehende Fehlen eines echten Generationenkonflikts. Dadurch wird den jungen Menschen allerdings die für ihre Reifung notwendige Reibungsfläche vorenthalten. Wenn sich Jugendliche heutzutage für etwas öffentlich einsetzen, kämpfen sie meist exakt für das, was ihnen die Elterngeneration beigebracht hat. Entsprechend laut ist dann oft der Applaus durch die Erwachsenen.
  4. Zu viele Kinder sind nicht erzogen.

    Zu viele Kinder werden nicht erzogen. Damit ist nicht nur gemeint, dass Grundprinzipien guten Benehmens und gesitteter Umgangsformen bei Schulkindern nicht mehr allgemein vorausgesetzt werden können. Wichtiger als das ist die verhängnisvolle Tatsache, dass sich Eltern, ja Erwachsene insgesamt, häufig vor der Erziehungsverantwortung drücken, weil sie sich kaum noch trauen oder gar nicht mehr in der Lage sind, Kindern Werte und Normen zu vermitteln und vorzuleben. Weil sie selber in ihrem Weltbild und ihrem Urteil verunsichert sind, sind sie meist keine selbst- und verantwortungsbewussten Repräsentanten jener Welt, in die sie die Kinder eigentlich hineinführen sollten. Wenn Erwachsene aber keine verlässlichen Vertreter einer Erwachsenenwelt sind, die sich fundamental von der Kinderwelt unterscheidet, dann entsteht eine Lücke, die unweigerlich durch die Medien, vor allem aber durch die Gruppe der Gleichaltrigen gefüllt wird. Die Gruppe ersetzt den Mangel an elterlicher Autorität, und zwar dadurch, dass sie eine neue, nicht mehr zu steuernde und niemandem mehr verantwortliche Autorität der Gruppe erzeugt. Bereits vor Jahrzehnten fand Hannah Arendt für den daraus entstehenden Konformitätsdruck der Gleichaltrigen unerbittliche Worte: „… die Autorität einer Gruppe, auch einer Kindergruppe, ist stets erheblich stärker und tyrannischer als die strengste Autorität einer einzelnen Person je sein kann.“[ii] Sie sah in dem Rückzug der Autorität von Eltern und Lehrern ein große Gefährdung der Kinder, da diese „aus der Welt der Erwachsenen gewissermaßen ausgestoßen sind.“[iii] Dadurch, so Arendt, habe man „Kinder, als man sie von der Autorität der Erwachsenen emanzipierte, nicht befreit, sondern einer viel schrecklicheren und wirklich tyrannischen Autorität unterstellt, der Tyrannei durch die Majorität.“[iv] Die Folge sei „Konformismus auf der einen und Haltlosigkeit auf der anderen Seite.“[v] Gruppendruck bei gleichzeitiger Orientierungslosigkeit also – welch ein weitblickender Befund!

  5. Zu viele Kinder leiden unter einem Mangel an persönlicher Zuwendung. Damit ist zunächst gemeint, dass Eltern zu wenig Zeit mit ihren Kindern verbringen, eine Zeit voller Aufmerksamkeit und gemeinsamer Tätigkeit wohlgemerkt. „Kinder konkurrieren mit Smartphone und Laptop um die Zuwendung ihrer Eltern – und Kinder ziehen regelmäßig
    Viele Eltern verbringen zu wenig Zeit mit den Kindern.

    den Kürzeren“[vi], schreibt der Kinderpsychiater Michael Winterhoff. Mehr noch als um ausreichend so genannte „Quality time“ geht es darum, dass Eltern die psychische Entwicklung ihrer Kinder oftmals ungenügend fördern – darauf haben Kinder aber ein Recht. Entscheidend ist dabei, dass Kinder vor echte Herausforderungen gestellt werden, ihnen einiges zugemutet, aber auch vieles zugetraut wird und sie nicht nur nach dem Lustprinzip erzogen werden. Kinder müssen Grenzen erleben und lernen, auch unangenehme Aufgaben zu erfüllen und Anstrengungen auf sich zu nehmen. Kinder müssen von den Erwachsenen klare und angemessene Reaktionen auf ihr Verhalten bekommen, positive wie negative, um sich in der Welt überhaupt zurechtfinden zu können und zu lernen, Gefühle und Bedürfnisse anderer wahrzunehmen. Nur so können Kinder reifen, können eine soziale Sensibilität entwickeln und die Fähigkeit zu Freude, Ehrgeiz und Anstrengungsbereitschaft erwerben. Nur wer gelernt hat, seine Impulse zu kontrollieren und Befriedigungen aufzuschieben, kann Regeln akzeptieren und mit Frustrationen umgehen. Nur wer gelernt hat zu warten, ist zur Freude fähig. Nur wer gelernt hat sich anzustrengen, kann Erfolge genießen. Nur wer gelernt hat zu verzichten, kann Entscheidungen verantwortungsvoll treffen.

  6. Viele Kinder sind leider physisch kaum mehr in der Lage, dem Unterricht aufmerksam und konzentriert zu folgen. Sie leiden häufig unter chronischem Schlafmangel, der mitunter im Unterricht nachgeholt wird. Sie haben häufig viel zu wenig Bewegung in ihrer Freizeit, was sich in übertriebenem Bewegungsdrang während des Unterrichts niederschlägt. Und sie nehmen zu viel ungesunde fett- und zuckerreiche Nahrung zu sich; eine erschreckend hohe Zahl an übergewichtigen Kindern ist die Folge, abgesehen davon, dass Zuckerkonsum müde und unkonzentriert machen kann.

Statt Ignoranz herrscht plötzlich Aktionismus, Mediziner und Psychotherapeuten werden auf den Plan gerufen, das Kind wird zum Therapiefall.

Tomas Kubelik: Warum Schulen scheitern. Betrachtungen eines Praktikers. Garamond Verlag, Gera 2021

„Wenn Kinder viel fernsehen und wenig frei spielen, wenn sie wenig ausprobieren dürfen oder ihnen jede Schwierigkeit aus dem Weg geräumt wird, verzögert sich die Reifung des Frontalhirns. Die dort entstehenden Nervenzellverschaltungen entwickeln sich nur, wenn sie gebraucht werden – um Handlungen verantwortlich zu planen, ihre Folgen abzuschätzen und mit Disziplin und Ausdauer ein Ziel zu erreichen“[vii], sagt der Neurobiologe Gerald Hüther. Bemerkenswerterweise gelten Kinder, die dazu nicht mehr in der Lage sind, heutzutage kaum als entwicklungsgestört, ja sie fallen oftmals gar nicht auf, weil es viele unbewusst akzeptieren, wenn Kinder ausschließlich lustfixiert und ichbezogen agieren, nicht imstande sind, auch nur die einfachsten Grundregeln des Zusammenlebens zu befolgen, und sich nur ganz kurz auf eine Sache konzentrieren können. Diese Defizite gehören aber zu den häufigsten Ursachen für schulisches Versagen. Sobald daher die Disziplinlosigkeit, die Aggressionsbereitschaft und die Konzentrationsschwäche der Kinder so große Ausmaße annimmt, dass es ernsthafte schulische Probleme gibt, schlägt das Pendel rasch um: Statt Ignoranz herrscht plötzlich Aktionismus, Mediziner und Psychotherapeuten werden auf den Plan gerufen, das Kind wird zum Therapiefall. Angesichts der oben aufgezählten Ursachen für psychische und physische Fehlentwicklungen wäre allerdings zu fragen, ob die „um sich greifende Therapeutisierung und Pathologisierung der Kindheit“[viii] die richtige Antwort auf die offensichtlichen Verhaltensstörungen und Lernprobleme vieler Kinder ist oder ob nicht vielmehr eine Besinnung auf die Grundbedürfnisse von Kindern in vielen Fällen einfacher, zielführender und humaner wäre. Das freilich kann die Schule zwar in bescheidenem Umfang fördern, entscheidend ist und bleibt jedoch das gesamte übrige Umfeld des Kindes. Eltern sollten daher wissen, wie sie eine gesunde Entwicklung ihrer Kinder fördern können. Das Wichtigste ist, dass Kinder Aufgaben erhalten, an denen sie wachsen können. Und gleichzeitig sollte man alles von ihnen fernhalten, was sie überfordert, das heißt, was unnötige Ablenkungen und unnötigen Stress auslöst.

Tomas Kubelik, 1976 in der Slowakei geboren, wuchs in Stuttgart auf und studierte Germanistik und Mathematik an der Universität Wien. 2005 promovierte er zum Dr. phil. Er ist seit 20 Jahren als Gymnasiallehrer für Deutsch und Mathematik sowie publizistisch tätig. Er ist verheiratet und lebt in der Nähe von St. Pölten/Niederösterreich. Im Jahr 2015 erschien sein Buch „Genug gegendert! Eine Kritik der feministischen Sprache“, das im Jahr 2017 mit dem Jürgen-Moll-Preis für verständliche Wissenschaft und im Jahr 2018 mit dem Deutschen Schulbuchpreis ausgezeichnet wurde.

 

[i] Köhler, Hartmut: Mathematik als Bildungsgrundlage in der veränderten Welt, in: ZDM, 91/2, S. 65

[ii] Arendt, Hannah: Die Krise in der Erziehung, in: Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I. Texte 1954–1964, hrsg. v. Ludz, Ursula, München 1994, S. 260

[iii] ebda.

[iv] ebda.

[v] ebda.

[vi] Winterhoff, Michael: Die Wiederentdeckung der Kindheit, S. 144

[vii] Alm statt Ritalin (Interview mit Gerald Hüther), in: GEO Nr. 11/09

[viii] Kraus, Josef: Helikopter-Eltern. Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung, Reinbek bei Hamburg 2013, S. 139

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Wenn «Super!» nicht so super wirkt https://condorcet.ch/2021/11/wenn-super-nicht-so-super-wirkt/ https://condorcet.ch/2021/11/wenn-super-nicht-so-super-wirkt/#respond Sun, 21 Nov 2021 20:09:43 +0000 https://condorcet.ch/?p=9859

«Super gemacht!» gehört zu den meistgehörten Zurufen. Er soll motivieren, heisst es. Doch was bewirkt dieses Wort, und was macht Feedback aus? Ein kritischer Blick auf (vor-)schnelle Lobeshymnen von Condorcet-Autor Carl Bossard.

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Carl Bossard: Die Effekte dieses pauschalen Lobs auf die Lernleistung sind gering.

«Vieles geschieht, weniges aber wirkt», gibt der Philosoph Martin Heidegger zu bedenken. Was aber wirkt denn? Und worin liegt das wenige? Diese Fragen stellen sich auch für die Schule. Was wirkt im Unterricht, in dem so manches geschieht? Und heute, wie Erfahrungsberichte zeigen, überfordernd vieles.

Feedback als Top-Ten-Wirkfaktor

Von einem Effektfaktor wissen wir es besonders genau: Feedback zählt zu bestuntersuchten Methoden und erzielt eine der stärksten Wirkkräfte auf die Lernleistung von Schülerinnen und Schülern. Im Alltag der Lehr-Lern-Prozesse rangiert Feedback unter den «Top Ten» der Steuerungsinstrumente, diagnostiziert der neuseeländische Bildungswissenschafter John Hattie.[1] Er beruft sich dabei auf über 1’400 Einzelstudien und auf mehr als 30 Metaanalysen.[2] Feedback müsse aber eingebettet sein in eine positive Fehlerkultur, betont er und fügt bei: Effektives Feedback sei nur in einem angstfreien Klima möglich.

Wie wirksam Feedback fürs Leben sein kann, hat der (Dichter-)Lehrer Peter Bichsel

Peter Bichsel, Schriftsteller: Habe meinen Lehrer geliebt.

erfahren. Er erzählt: «Ich hatte in der 5. und 6. Klasse in Olten einen wunderbaren Primarlehrer: Er hat mich von mir selber überzeugt, mich zum Schriftsteller gemacht. Weil er unter dem ganzen Schlamassel von Rechtschreibefehlern entdeckt hat, dass ich gute Aufsätze schreibe. […] Ich habe ihn geliebt.»[3] Ein Lehrerfeedback, das wegweisend war und zeigt, wie bedeutsam es in einer Biographie sein kann.

Effektives Feedback kennt drei Perspektiven

Allerdings gibt es beim Wirkeffekt des Feedbacks enorme Unterschiede. Auch das belegen die Studien. Lerndende orientieren sich eher nach vorne, denken zukunftsorientiert; sie wollen wissen: «Was gibt es als Nächstes? Wie komme ich dorthin? Und wie kann ich allenfalls die Lücke schliessen?» Hattie spricht vom «Feed Forward». Es basiert auf dem Ist-Stand und erläutert den anvisierten Könnensstand. Lehrerinnen und Lehrer hingegen zeigen vielfach das Fehlende auf, was den Blick zurück erfordert: das «Feed Back». Sie verweisen auf die korrigierten Fehler und damit auf Defizite. Vergessen geht nicht selten das dritte Element, das «Feed Up». Es vergleicht den Ist-Stand mit dem angestrebten Zielzustand und benennt die so wichtige Differenz zwischen Sein und Sollen.

Das sind drei unterschiedliche Perspektiven. Sie zu verbinden, darin liegt das Geheimnis eines wirkungsvollen Feedbacks. Die Aspekte bauen aufeinander auf und ergeben miteinander ein umfassendes Bild.[4] Es sind die drei schlichten Fragen: Was ist (gewesen)? Was soll sein? Und wie gelange ich dorthin? Eine Art Drei-Punkte-Schema von hohem Effektwert.

Pauschales Lob ist oft kontraproduktiv.

Vorsicht mit pauschalem Lob

Wo ist nun das landläufige «Das hast du gut gemacht! » oder «Bravo, das war super!» anzusiedeln? Ein solches Feedback spielt auf der persönlichkeitsbezogenen Ebene des Selbst. Darunter lassen sich alle Rückkoppelungen zusammenfassen, die auf die Person des Feedbackempfängers fokussieren, beispielsweise: «Das hast du mit Bravour gemeistert!» Die Effekte dieses pauschalen Lobs auf die Lernleistung sind allerdings gering; solche Feedbacks enthalten keine inhaltlichen Informationen zum Lernprozess und dürfen nicht mit einem wirklich lernförderlichen Feedback verwechselt werden. Es sind oft leere Rituale und nicht viel mehr als flinke Floskeln. Ihr Wirkwert fürs Lernen ist beschränkt, nicht selten gar kontraproduktiv. Vorschnelle Lobenshymnen können von Anstrengung abhalten, sagt die Forschung.[5]

In Bezug auf die Lehrperson-Studierenden-Beziehung kann Lob aber durchaus positiv wirken. Allerdings gibt es weitaus wirksamere Wege, eine Atmosphäre des Vertrauens und Zutrauens zu schaffen. Feedbacks, die auf das Selbst wirken, sind darum wohldosiert einzusetzen. Darüber herrscht in der Forschung Konsens.

Wie habe ich gearbeitet? Wo ist die Konsistenz gegeben, wo nicht? Und wo war ich allenfalls schludrig? Mit vermeidbaren Fehlern? Und wie muss ich vorgehen, um die Aufgabe zu verstehen und sie adäquat zu bewältigen?

Feedback zählt zu bestuntersuchten Methoden.

Feedback operiert auf vier Stufen

Neben der persönlichkeitsbezogenen Ebene des Selbst gibt es drei weitere Feedback-Stufen. Es sind die leistungsbezogenen Ebenen von Rückkoppelung: Da ist einerseits die konkrete Aufgabe als solche, das Produkt der Leistung: Gemeint ist die Stufe des Was. Was kann und weiss ich als Lernender und was (noch) nicht? Was habe ich erreicht, und wie gut habe ich die Aufgabe erledigt? – oder eben nicht? Dann gibt es anderseits den Bereich des (Lern-)Prozesses, die Ebene des Wie. Wie habe ich gearbeitet? Wo ist die Konsistenz gegeben, wo nicht? Und wo war ich allenfalls schludrig? Mit vermeidbaren Fehlern? Und wie muss ich vorgehen, um die Aufgabe zu verstehen und sie adäquat zu bewältigen?

Und da ist drittens die Art, wie ich als Lernender die Aufgabe und den Prozess meiner Leistung steure: die Selbstregulation. Welche Strategien muss ich als Lernender anwenden, um Fortschritte zu erzielen und zum Ziel zu kommen? Empirische Analysen zeigen, dass sich Schülerinnen und Schüler vor allem auf dieser Ebene Rückmeldungen erhoffen, sie aber relativ wenig erhalten.

Die Qualität der Lernergebnisse korreliert mit der Qualität des Feedbacks.

Schülerinnen und Schüler – und wohl auch Erwachsene – brauchen Impulse und Resonanz, Echo und Rückkoppelung.

Feedback begleitet jeden erfolgreichen Lernprozess

Und noch etwas zeigt die Forschung: Die Qualität der Lernergebnisse korreliert mit der Qualität des Feedbacks. Bei den Mikroprozessen des Lernens liegt im Feedback darum ein wichtiger und nicht immer sorgsam genug beachteter Wirkwert. Schülerinnen und Schüler – und wohl auch Erwachsene – brauchen Impulse und Resonanz, Echo und Rückkoppelung. Auch das weiss man aus der empirischen Unterrichtsforschung.

Dabei sind die Ebenen zu unterscheiden. Gebe ich als Lehrerin, als Ausbildner ein Lob auf der persönlichen Ebene des Selbst oder ein korrektives Feedback auf der leistungsbezogenen Aufgabenebene mit der Frage: Ist das Lernergebnis richtig oder falsch? Oder formuliere ich ein elaboratives Feedback auf der Ebene des Prozesses und der Selbstregulation? Analysiere ich damit aufgrund kontinuierlich begleitender Lernprozessdiagnostik individuelle Schwierigkeiten, Denkfehler und Probleme beim Lernen?

Der Idealfall bleibt als Aufgabe

Feedback ist mehr als einfach nur oberflächliches Lob; Feedback ist für jede Lehrerin, jeden Lehrer ein anspruchsvoller und höchst anstrengender Auftrag – und für wirksame Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler konstitutiv. Der Idealfall ist vermutlich nie Realität, aber er bleibt als Aufgabe. Weil Feedback im Vielen des Unterrichts besonders wirkt!

 

[1] Marie-Christine Vierbuchen & Frederike Bartels (Hrsg.) (2019), Feedback in der Unterrichtspraxis. Schülerinnen und Schüler beim Lernen wirksam unterstützten. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH, S. 11, 19.

[2] John Hattie & Klaus Zierer (2018), VISIBLE LEARNING. Auf den Punkt gebracht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 87.

[3] In: DIE ZEIT, 24.06.2021, S. 17.

[4] John Hattie & Klaus Zierer (2016), Gib und fordere Rückmeldung! In: PÄDAGOGIK; Heft 11, Weinheim: Beltz-Juventa, S. 45.

[5] John Hattie & Gregory C.R. Yates (2015), Lernen sichtbar machen aus psychologischer Perspektive. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von „Visible Learning and the Science of How We Learn“, besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, v.a. S. 67.

 

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Ein Artikel aus dem Jahre 2006 machte den Condorcet-Autor Alain Pichard schweizweit bekannt. In der Weltwoche schrieben drei linke Lehrkräfte und er über die realen Probleme, welche die Schule mit der Integration fremdsprachiger Kinder bekundete. Er wurde zeitweise zum Buhmann der Linken. Der in einer Brennpunktschule in Biel tätige Lehrer bezeichnetete sich aber stets als "Anwalt der Migrantenkinder". Er wolle, dass sie etwas lernen. Und das heisst "Fördern und Fordern". 14 Jahre später scheint sich seine Überzeugung durchgesetzt zu haben. Zum Vorteil aller!

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Alain Pichard, Lehrer mit 43-jähriger Berufserfahrung, Gewerkschafter, Initiant der Aktion 550gegen550, Mitherausgeber des Einspruchs, GLP

Vor einiger Zeit war ich an eine Wohnungseinweihung eines ehemaligen Schülers eingeladen. Der Bosnier mit Schweizer Pass, der 1994 als Flüchtling in die Schweiz kam, kaufte sich mit seinem Vater gerade ein ganzes Haus. Die ganze Familie rackerte und sparte dafür. Geradezu begeistert war er aber, als er schon wenige Tage, nachdem er mit dem Verkäufer einig wurde, einen Termin beim Notar erhielt, der bereits das Grundbuch anvisiert hatte und er merkte, dass er jetzt ein wirklicher Besitzer wurde. In seinem Heimatland hätte dies ein Jahr gedauert und wäre ohne Schwarzgeld kaum möglich gewesen.

Migranten sind in der Schweiz viel besser integriert als anderswo

Im Schweizer Arbeitsmarkt sind unsere ausländischen Mitbürger viel besser integriert als im übrigen Europa. Und dies, obwohl die Schweiz ab 2000 im Verhältnis wesentlich mehr Immigranten aufgenommen hat als beispielsweise die USA. Sie sind alle kranken- und altersversichert und pensionsberechtigt. Die Kinder des Bosniers machen eine Lehre, und eine seiner Töchter ist Mitglied in dem von mir gegründeten Lehrlings- und Migrantentheater Biel.

Die Umkehrung der Werte

„Wer sich anstrengt“, vertraute mir der gelernte Polymechaniker an, „kann in diesem Land etwas erreichen“. Und er ärgert sich wie ich über die Migrantenflüsterer, welche die Schweiz als ein integrationsfeindliches Land darstellen und den neuen Migranten eine Umwertung aller Werte vorpredigen: Keine Leistung, viele aufpäppelnde Sonderbetreuungen, Rassismusberatungsstellen und Integrationsbehörden, welche ihren ausländischen Klienten vor allem eines suggerieren: „Wir sind doch alle Opfer“.

Migration ist immer mit einer grossen Anpassungsleistung verbunden

Das Los der Migration: Es braucht Anstrengung

Migration ist immer mit einer grossen Anpassungsleistung verbunden. Wir können das mildern und erleichtern. Aber grundsätzlich gilt, was ich «meinen Albanern» oder meinen «Türken» immer wieder predige: «Ihr müsst euch mehr anstrengen als eure einheimischen Klassenkameraden.» Das ist weltweit das Los der Migranten, wenn sie weiterkommen wollen.

Integration findet durch Arbeitschancen statt. Das ist, was zählt. Und wir müssen dafür sorgen, dass dies auch so bleibt, gerade in Biel, wo diese Erfolgsstory ins Stottern zu geraten droht.

In meiner aktuellen Arbeitsumgebung habe ich festgestellt, dass die meisten Migrantenkinder dieses Prinzip verstanden haben. In den späten 90er und frühen 2000er-Jahren war das noch anders.   Unsere auf Toleranz und Verständnis eingestellten Schulen waren teilweise überfordert mit dem flegelhaften Verhalten von Teilen dieser Schülergeneration. Massive Unterrichtsstörungen, unzählige nervenaufreibende Gespräche mit den Eltern dieser Jugendlichen, der Auftritt immer zahlreicherer Institutionen, welche einbezogen werden mussten oder wollten, führten unter anderem zu einer enormen Fluktuation im Lehrkörper.

Unsere auf Toleranz und Verständnis eingestellten Schulen waren teilweise überfordert mit dem flegelhaften Verhalten von Teilen dieser Schülergeneration

Die tiefer eingestuften Realklassen füllten sich mit fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern, die Schweizer Eltern nahmen ihre Kinder aus diesen Klassen, zogen in andere Wohngegenden oder suchten sich eine Privatschule.

Darunter auch mir bestens bekannte linke Persönlichkeiten, welche in Sonntagspredigten das Hohelied der Toleranz und des Willkommens sangen, ihre eigenen Kinder aber nicht als Klempner einer schief gelaufenen schulischen Integration sahen und sie nicht in den Brennofen multikultureller Schwärmereien schicken mochten.

Chaos im Unterricht will niemand.

Die Lehrkräfte haben diese Lektion gelernt. Die Schulen reagieren heute viel klarer auf muslimische Sonderwünsche und lassen sich kaum mehr auf der Nase herumtanzen. Eine allgemein härtere Gangart gegenüber Disziplinlosigkeiten wurde eingeschlagen zum Vorteil unserer Schüler und vor allem auch unserer Migrantenkinder. Chaos im Unterricht will niemand.

Bloss keine “Therapeutisierung”

Hingegen kommt es  häufiger vor, dass die «Schweizer» in meinem Unterricht genügsam werden, ihre Eltern «Nachteilsausgleiche» verlangen, dass sich therapeutische Massnahmen häufen, Kinder überbetreut und verhätschelt werden und die Anspruchshaltung gegenüber der Schule wächst. Gerade in meiner Agglomerationsgemeinde gibt es unter einem Teil der Jugendlichen eine latente «Fremdenfeindlichkeit».  Ich pflege dann genauso hart zu sagen: «Draussen an der Grenze warten Dutzende von Menschen, die hier arbeiten und etwas leisten wollen. Ihr müsst nicht das Gefühl haben, dass wir die von euch fernhalten, damit ihr eure bequeme Leistungsverweigerung weiterführen könnt.»

Alain Pichard

 

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