Abitur - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Sat, 20 Jan 2024 08:45:47 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Abitur - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 “Heute bedeutet ‘Abitur’ betreutes Denken” https://condorcet.ch/2024/01/heute-bedeutet-abitur-betreutes-denken/ https://condorcet.ch/2024/01/heute-bedeutet-abitur-betreutes-denken/#comments Sat, 20 Jan 2024 08:45:47 +0000 https://condorcet.ch/?p=15720

Der Biologie-Professor Hans-Peter Klein zählt zu den profiliertesten Stimmen in der deutschen Bildungsdiskussion. Im Interview mit Mathias Brodkorb spricht er im Cicero über die katastrophalen Ergebnisse der PISA-Studie, bildungsferne Migranten und die Abschaffung des Leistungsprinzips.

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Mathias Brodkorb: Herr Klein, kürzlich wurden die Ergebnisse der PISA-Studie veröffentlicht. Die Leistungen von Deutschlands Schülern in Mathematik, Deutsch und Naturwissenschaften sind schlechter als jemals zuvor. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?

Hans-Peter Klein: Die sind natürlich eine Katastrophe. Vor mehr als 20 Jahren gab es den PISA-Schock. Deutschland erwies sich damals bloß als Mittelmaß. Nach all den politischen Ankündigungen und Reformen der letzten beiden Jahrzehnte muss man feststellen: Das hat alles nichts gebracht, es ist sogar noch schlimmer geworden.

Die PISA-Forscher weisen allerdings darauf hin, dass die Ergebnisse auch der Corona-Pandemie geschuldet sind. Die Schulen waren viele Monate geschlossen, es fand kaum Unterricht statt. Da ist es doch nicht verwunderlich, dass die Leistungen einbrechen. Kann man aus den Daten trotzdem auf eine grundsätzliche Bildungskrise schließen?

Natürlich hat auch Corona einen gewissen Einfluss gehabt. Aber wer sich mit diesem Argument begnügt, sucht nach Ausreden. Fakt ist: Die Leistungen deutscher Schüler sind spätestens seit dem Jahr 2015 stark rückläufig. Corona hat den Abwärtstrend nur beschleunigt. Ja, Deutschland steckt in einer robusten Bildungskrise. Und ich sehe nicht, dass sich das auf absehbare Zeit ändern könnte.

Hans-Peter Klein ist Biologe. Bis 2018 lehrte er Didaktik der Biowissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Aber es gab ja nicht nur Corona, sondern auch die Migrationskrise 2015. Das ist ein weiterer Faktor, der Einfluss auf die Leistungen der Schüler haben dürfte. Je weniger Schüler in einer Klasse Deutsch sprechen, um so größer ist die Herausforderung für die Lehrer und desto unwahrscheinlicher werden Spitzenleistungen.

Das stimmt, widerlegt aber nicht meine These, dass das deutsche Bildungssystem längst auf einer Rutschbahn angekommen ist. Die Migrationskrise begann erst 2015 und trotzdem waren bereits die Leistungsergebnisse desselben Jahres rückläufig. Dieser Leistungsrückgang ist durch die Migrationskrise schlicht nicht erklärbar. Sie erklärt höchstens, warum es nach 2015 noch schlimmer geworden ist.

Und wie erklären Sie sich den Abwärtstrend?

Die Ursachen sind komplex und deshalb muss man weit ausholen. Da wäre erstens Corona, klar. Aber das war nur ein einmaliges Ereignis. Man kann daraus höchstens schlussfolgern, wie sehr sich Deutschlands Politik durch absurde Schulschließungen an seinem eigenen Nachwuchs vergangen hat. Im internationalen Vergleich gibt es jedenfalls Länder, die trotz Corona keinen solchen Leistungseinbruch aufweisen. Dann wäre da zweitens der Lehrermangel. Der hat erst begonnen und wird in diesem Jahrzehnt noch ganz andere Ausmaße annehmen. Schon heute werden selbst Panzerfahrer als Grundschullehrer beschäftigt.

Der dritte Faktor ist die Migrationskrise. Es ist doch klar: Wenn von heute auf morgen eine Vielzahl an nicht Deutsch sprechenden Schülern in das System strömt, bleibt das nicht ohne Folgen. Zugleich hat sich dadurch vor allem in den Grundschulen der Lehrermangel extrem verschärft. Und viertens, und das ist mir das Wichtigste: Selbst wenn es all diese Probleme nicht gäbe, wären Deutschlands Schulen trotzdem auf dem absteigenden Ast. Der Grund dafür hat nichts mit Geld zu tun, sondern mit den seit PISA 2000 verfolgten Konzepten.

Das ist jetzt irritierend. Es ist ja eigentlich umgekehrt: Die erste PISA-Studie hat einen politischen Schock und anschließende Bildungsreformen ausgelöst. Und diese Innovationen sollen jetzt einen Niedergang provoziert haben?

Auch wenn es niemand hören will: Genauso ist es. Aber auch das ist wieder etwas komplizierter. PISA ist ein international angelegtes Testformat der OECD. Und da beginnen die Probleme. Sie können Mexiko, Algerien und Deutschland nicht miteinander vergleichbar machen, ohne von konkreten Inhalten abzusehen. Es hätte ja zum Beispiel keinen Sinn, weltweit Aufgaben zu Theodor Fontane zu stellen. Die deutschen Schüler wären dann im Vorteil und der internationale Vergleich wertlos.

Die Lösung dieses testtheoretischen Problems heißt: Kompetenzorientierung. Es wird in den Tests also überwiegend gar kein Wissen abgefragt. Die Schüler erhalten stattdessen leicht verständliche Gebrauchstexte, die bereits alle Antworten auf die gestellten Fragen beinhalten. Die Schüler müssen nichts anderes machen, als Sinn entnehmend zu lesen. Und dann kommt noch etwas Zweites hinzu: Weil die Auswertung komplexer Texte zu aufwendig wäre, besteht PISA vor allem aus Ankreuzaufgaben. Die Antwortbögen können dann problemlos über Scanner von Computern verarbeitet werden.

Wie bei “Wer wird Millionär?”

Mathias Brodkorb war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern und gehört der SPD an.

Die Schüler bekommen also einen Text, der alle Informationen zur Lösung der gestellten Aufgaben bereits enthält. Sie lesen ihn und kreuzen dann die richtigen Antworten an. Stellen Sie sich das einfach vor wie bei „Wer wird Millionär?“ von Günther Jauch – nur dass Sie sich vorher sogar noch einen Zettel durchlesen können, in dem alle Antworten auf die gestellten Fragen schon drinstehen.

Selbst wenn Sie auch dann noch keine Ahnung haben, welche Antwort richtig ist, liegen Sie bei vier Antworten trotzdem mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent richtig. Und mit etwas Glück können Sie die falschen Antworten als falsch erkennen, obwohl Sie in der Sache die richtige Antwort gar nicht kennen. Genau das ist „Kompetenzorientierung“, genau das ist PISA.

Früher galt als kompetent, wer etwas von einer Sache versteht. Heute gilt als kompetent, wer sich trotz mangelnden Wissens erfolgreich durchmogeln kann. Und das alles verdanken wir PISA. Und Politikern, die gar nicht wissen, was sie tun.

Moment mal: Was Sie zu den Testformaten von PISA sagen, bezieht sich ja zunächst nur auf eine methodisches Untersuchungsdesign. Man muss daraus ja nicht gleich ein Unterrichtskonzept machen.

Stimmt, aber genauso ist es in den letzten 20 Jahren trotzdem passiert. Nicht einmal die Mitarbeiter in den Ministerien verstehen diesen Unterschied. Und die Lehrer in den Schulen haben sowieso keine Zeit, sich damit zu beschäftigen. PISA hat also ein völlig rudimentäres Modell für Bildung entwickelt. PISA testet nicht Bildung und Wissen, sondern bloß Vorstufen dazu. Das hatte finanzielle und testökonomische Gründe. Aber in den Ministerien und Schulen wurde das dann als Vorbild für moderne Bildung verstanden und wird seit fast 20 Jahren in unseren Schulen praktiziert. Die Ergebnisse kann man in der aktuellen PISA-Studie bewundern.

Können Sie dafür auch ein konkretes Beispiel bringen?

Kein Problem. Wir haben eine Abiturprüfung in Biologie aus NRW von einer 9. Klasse bearbeiten lassen. Das Ergebnis hat selbst mich überrascht: Von 27 Schülern haben nur vier nicht bestanden. 14 erreichten ein ausreichend, fünf ein befriedigend, drei ein gut und ein Schüler erreichte sogar eine 1. Nochmal: Das waren 9.-Klässler, die sich auf diese Abiturprüfung überhaupt nicht vorbereitet hatten und noch gar nicht über Abiturwissen verfügen konnten. Man brauchte also überhaupt kein eigenes Fachwissen. Man musste nur Texte lesen, sie verstehen und ein bisschen schlussfolgern können.

Früher waren das die Kompetenzen, über die ein guter oder mittelmäßiger Realschüler verfügte. Es hat ja auch seinen Grund, warum die Universitäten heute immer mehr Nachhilfekurse für Studienanfänger anbieten müssen. Sagen wir einfach, wie es ist: Früher war das von Wilhelm von Humboldt erfundene deutsche Abitur ein Qualitätsmerkmal. Das ist heute aber Geschichte.

Übertreiben Sie nicht etwas? Kann es nicht sein, dass das, was Sie schildern, bloß Anlaufschwierigkeiten bei der Umsetzung der PISA-Idee waren?

Das würde mich wirklich freuen. So ist es aber nicht. Auch in aktuelleren Abiturprüfungen sieht es nicht besser aus. Da gibt es zum Beispiel eine Aufgabe zur Miesmuschel und der eingewanderten Pazifischen Auster. Ich will Sie damit nicht langweilen, aber die läuft nach demselben Muster: Langer Text, in dem alle Antworten schon drinstehen. An der fachlichen Korrektheit des Textes zweifelnd habe ich die Aufgabe einem Fachkollegen des Alfred-Wegener-Instituts auf Sylt zur Begutachtung vorgelegt. Sein Urteil war vernichtend. Nicht einmal die Fakten in dem Aufgabentext stimmten.

Die Zielsetzungen der Wokisten laufen stattdessen auf die Abschaffung des Leistungsprinzips hinaus. Nach deren Mantra ist Leistung angeblich diskriminierend, sogar rassistisch, weil sie andere, die eben nichts leisten wollen oder können, ausgrenzt.

Als ich die Aufgabe in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung öffentlich machte, rief mich ein Ministeriumsmitarbeiter an und sagte ungefähr: „Herr Klein, Sie haben das mit der Kompetenzorientierung immer noch nicht verstanden. Uns geht es nicht um Fachwissen, sondern um den Umgang mit Wissen.“ Das heißt: Abiturienten der Zukunft brauchen selbst nichts mehr zu wissen, sondern sollen bloß mit dem Wissen anderer arbeiten können. Heute bedeutet „Abitur“ so etwas wie betreutes Denken.

Angenommen, Sie haben Recht: Welche Vorschläge würden Sie Deutschlands Bildungspolitikern unterbreiten?

Es ist mir fast peinlich, das zu sagen, aber es ist wohl trotzdem nötig: Der Kern von Bildung ist Fachwissen. Wahre Kompetenz bedeutet, dass man die Fakten und Methoden eines Faches beherrscht. Die Zielsetzungen der Wokisten laufen stattdessen auf die Abschaffung des Leistungsprinzips hinaus. Nach deren Mantra ist Leistung angeblich diskriminierend, sogar rassistisch, weil sie andere, die eben nichts leisten wollen oder können, ausgrenzt. Gleichheit für alle gibt es aber nur auf dem untersten Niveau. Die fachlichen Anforderungen müssen stattdessen klar und hoch sein. Nur so entsteht ein angemessenes Leistungsniveau.

Es braucht qualifizierte und genügend Lehrkräfte

Als zweiten Punkt müsste die Politik den Lehrermangel in den Griff bekommen. Ohne qualifizierte Lehrkräfte geht es einfach nicht. Schluss also mit dem pädagogischen Firlefanz und stattdessen Konzentration auf das Kerngeschäft Unterricht. So lustig intersektionale und diverse Schüler-AGs auch sein mögen: Die Lage ist zu ernst, als dass wir uns solche Spielereien noch leisten könnten.

Und drittens, auch wenn das manche Weltenretter nicht gerne hören: Wenn der unregulierte Zustrom von bildungsfernen Migranten nicht zeitnah gestoppt wird, kommt es zu einem Kollaps des deutschen Bildungswesens und später auch der deutschen Wirtschaft. Die Schule kann nicht die Reparaturanstalt für politische Fehlentscheidungen sein. Und sie darf nicht als Abladeplatz für eine verfehlte Migrationspolitik missbraucht werden. Die Leidtragenden dieser Entwicklung sind die Lehrer und die Kinder aus dem sozial benachteiligten Milieu. Deren Eltern können sich Privatschulen schlicht nicht leisten.

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NRW: Mathematikprofessor zerlegt den Kernlehrplan https://condorcet.ch/2023/03/nrw-mathematikprofessor-zerlegt-den-kernlehrplan/ https://condorcet.ch/2023/03/nrw-mathematikprofessor-zerlegt-den-kernlehrplan/#comments Sat, 11 Mar 2023 09:19:29 +0000 https://condorcet.ch/?p=13407

Bernhard Krötz, Mathematikprofessor der Universität Paderborn, vergleicht das mathematische Wissen von indischen Abiturienten mit dem der deutschen. Sein Fazit: Die Deutschen hätten, so gut wie keine Chance, diese Prüfung zu verstehen.

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Bernhard Krötz: Deutsche müssen im Fach Mathematik nicht nur Mathematik lernen.
Bernhard Krötz: Professor für Mathematik: Deutsche müssen im Fach Mathematik nicht nur Mathematik lernen.

Bernhard Krötz ist Mathematikprofessor an der Uni Paderborn. Ab und an veröffentlicht er Videos zum Thema Bildung und Mathematik. In einem dieser Ende Februar veröffentlichten Videos zeigt er, welches mathematisches Wissen von indischen Abiturienten beim Joint Entrance Examination (JEE) erwartet wird. Das JEE  ist die Aufnahmeprüfung für die verschiedenen Ingenieurshochschulen das Landes. Krötz ist sich sicher, dass so gut wie kein Abiturient in Deutschland eine Chance hätte, diese Prüfung zu verstehen. Für ihn verbietet schon der  Anstand den Vergleich mit  deutschen Abiturienten.  Und dass sich dies  auch in Zukunft nicht ändern wird, belegt Krötz indem er sich den neuen Kernlehrplan Mathematik für die Sekundarstufe II in Nordrhein Westfalen anschaut. Dort geht es auch um Mathematik, aber auch einem deutlich niedrigeren Niveau als in Indien. Aber die Schüler sollen in NRW im Mathematikunterricht ja auch nicht nur Mathe lernen:


Am Ende des Videos präsentiert der Professor noch die Aufgaben einer Matheprüfung, der sich 1971 Realschüler in Baden-Württemberg unterziehen mussten. Er ist sich sicher: An ihr würden heute Mathematiklehrer der Sekundarstufe I scheitern.

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In Corona-Jahren nahmen Einser-Abis in Deutschland deutlich zu https://condorcet.ch/2023/02/in-corona-jahren-nahmen-einser-abis-in-deutschland-deutlich-zu/ https://condorcet.ch/2023/02/in-corona-jahren-nahmen-einser-abis-in-deutschland-deutlich-zu/#comments Tue, 21 Feb 2023 18:53:09 +0000 https://condorcet.ch/?p=13226

Schüler haben während der Corona-Zeit außergewöhnlich gute Noten im Abi geschrieben: Jeder Vierte erreichte eine Note bis 1,9. In einigen Ländern lief es besonders gut: In Thüringen und Sachsen hatten sogar mehr als 40 Prozent der Schüler eine Eins vor dem Komma. Wir bringen einen Beitrag aus der Welt.

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Während der Corona-Pandemie hat es laut einem Zeitungsbericht in ganz Deutschland eine Zunahme der Spitzennoten beim Abitur gegeben. 2022 habe in jedem Bundesland mindestens jeder vierte Abiturient eine Durchschnittsnote zwischen 1,0 und 1,9 im Abschlusszeugnis erreicht, berichteten „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“ am Donnerstag unter Berufung auf die Notenstatistik der Kultusministerkonferenz (KMK) über das vergangene Prüfungsjahr.

Die Corona-Zeiten waren für Abiturienten in Deutschland offenbar kein Nachteil

Die meisten Abiturienten mit der Note Eins vor dem Komma registrierte die KMK-Statistik laut dem Bericht mit Werten von mehr als vierzig Prozent in Thüringen und Sachsen. In Brandenburg, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern erreichten 35 Prozent oder mehr Prüflinge solche Abschlussergebnisse.

Doppelt so viele Spitzenschüler mit Note 1,0

Weiter schreiben die Zeitungen, im Vergleich zu 2019, dem letzten regulären Prüfungsjahr vor Beginn der Pandemie, habe es in manchen Regionen Deutschlands ein zweistelliges Wachstum des Anteils der Spitzenzeugnisse beim Abitur gegeben. In Baden-Württemberg gab es demnach ein Plus von elf, in Berlin von zehn Prozentpunkten.

Die deutschen Abiturienten hatten die Schlussprüfung zu Corona-Zeiten besser im Griff

Der Anteil der Abiturienten mit einer glatten Eins lag 2019 in allen Bundesländern noch zwischen 0,9 Prozent (in Schleswig-Holstein) und 2,9 Prozent (Thüringen).

2022 stieg er mit 2,0 Prozent (Schleswig-Holstein) bis 4,8 Prozent (Thüringen) auf fast das doppelte Niveau. In Baden-Württemberg waren vor der Pandemie 1,7 Prozent der Abiturienten Spitzenschüler mit glattem Einser – 2021 waren es mit 3,7 Prozent gut doppelt so viele.

In der Pandemie haben alle deutschen Kultusminister versprochen, dass den Schulabgängern aus den zusätzlichen Corona-Belastungen rund um ihre Abschlussprüfungen keine Nachteile entstehen sollen.

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Das Bildungsbürgertum verachtet die “Handarbeit” https://condorcet.ch/2021/09/das-bildungsbuergertum-verachtet-die-handarbeit/ https://condorcet.ch/2021/09/das-bildungsbuergertum-verachtet-die-handarbeit/#comments Sat, 11 Sep 2021 07:33:39 +0000 https://condorcet.ch/?p=9301

Im Condorcet-Blog diskutiert der Gymnasiallehrer mit der Kindergärtnerin oder der Uniprofessor mit dem Reallehrer. Nun hat sich ein Lehrlingsbeauftragter aus Wuppertal mit einem kritischen Beitrag in unseren Diskursblog eingebracht. Tonio Cumbrix wirft dem Blog und den ihm tragenden Bildungsbürgertum eine latente Verachtung der Handarbeit vor.

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Bildung sollte sich weniger an einem Bildungsideal orientieren, wie es in Ihrem Blog angesagt ist, sondern an einem Bedürfnisideal. Es gibt Menschen, die wir lernbehindert nennen, weil sie Probleme haben die Mindestanforderungen, die man an Allgemeinbildung stellt, zu erreichen. Damit einher geht vor allem die Verachtung von Handarbeit und die daraus abgeleitete Verachtung für ein dreigliedriges Schulsystem. Paradox ist, dass sogenannte Künstler für ihre Produkte hochbezahlt werden, aber durchschnittliche “Handwerker”, in Bildungskreisen keine Anerkennung finden, die sich in einer gerechten Bezahlung niederschlagen würde.

Gäbe es keine Gewerkschaften, das Bildungsbürgertum würde es immer so organisieren, dass mittelmässige und schlechte Akademiker automatisch besser bezahlt werden, als gute Handwerker und Pflegekräfte.

Gäbe es keine Gewerkschaften, das Bildungsbürgertum würde es immer so organisieren, dass mittelmässige und schlechte Akademiker automatisch besser bezahlt werden, als gute Handwerker und Pflegekräfte. Auf Grund des höheren Status und der daraus folgenden besseren Bezahlung ist die Bildung natürlich immer mehr so organisiert, dass man diesen höheren Status erreichen soll. Die Folge ist, dass für diese Art der Bildung ungeeignete Menschen die angesetzten Ziele nicht erreichen werden, weil sie es einerseits nicht können und es andererseits gar nicht wollen.  Daraufhin schraubt man die Anforderungen herunter, so dass in Deutschland viele das Abitur machen, und das entgegen ihrer eigentlichen Bedürfnisse. Sie wählen dann eine Beamten- oder Akademikerlaufbahn, obwohl sie in einem Handwerk glücklicher UND nützlicher wären. Wären Bezahlung und Status gerecht, nach Wichtigkeit und Relevanz für die Gesellschaft verteilt, würde niemand die Hauptschule, oder auch Sonderschule, als abwertend empfinden. Auch ein Sonderschüler kann ein hervorragender Handwerker, ein Fitnesstrainer, Rapmusiker oder Fußballprofi werden und mit dem Erfolg und gesellschaftlicher Anerkennung ein glückliches Leben führen. Stattdessen schlägt im Verachtung entgegen, und den Betrieben und uns Lehrlingsausbildnern geeignete junge Menschen entzogen. Es ist klar, dass in Ihrem Blog eher das Bildungbürgertum vertreten ist. Menschen, die aus unerfindlichen Gründen glauben, jeder mit Gehirn könnte das Abitur schaffen und das Studium absolvieren. Er müsse es nur wollen. Ist man ein Versager, wenn man es gar nicht schaffen will? Ist man ein Versager, wenn man gar nicht Mathematik (ich rede nicht vom Rechnen) lernen will? Gegen seine Natur, gegen seine Gene zu lernen und zu handeln, ist schwer. Dazu kommt natürlich auch die Effizienz des Gehirns.

Nicht jeder mit zwei Beinen kann die hundert Meter unter 10 Sekunden laufen.

Nicht jeder mit zwei Beinen kann die hundert Meter unter 10 Sekunden laufen. Auch nicht, wenn alle sich ganz arg bemühen. Nicht jeder mit einem Gehirn ist ein Einstein. Aber nicht jeder kann auch komplexe sanitäre Kühlsystem einbauen, Bleche verschweissen und auf Baustellen immer wieder geeignete Lösungen finden. Übrigens. Wen meint Einstein, als er behauptete, die menschliche Dummheit ist unendlich?  Sprach er vor allem vom Bildungsbürgertum oder von seinem Gärtner?

Tonio Cumbrix ist Lehrlingsbeauftragter eines Spenglerbetriebs in Wuppertal

 

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Neue Rubrik: Der Sonntagszwischenruf eines deutschen Nachbarn. Heute: Die Noteninflation https://condorcet.ch/2021/04/neue-rubrik-der-sonntagszwischenruf-eines-deutschen-nachbarn-heute-die-noteninflation/ https://condorcet.ch/2021/04/neue-rubrik-der-sonntagszwischenruf-eines-deutschen-nachbarn-heute-die-noteninflation/#respond Sun, 04 Apr 2021 07:27:14 +0000 https://condorcet.ch/?p=8187

Der Condorcet-Blog konnte mit dem Mathematik-Professor Wolfgang Kühnel einen neuen Autor gewinnen, der schon seit Jahren mit seinem feinsinnigen Understatement fehlerhafte Entwicklungen in unseren Bildungssystemen kommentiert. Seine Worte zum Sonntag sind einem kleinen Kreis von Eingeweihten schon seit Jahren bekannt. Nun richtet er jeweils an einem Sonntag (nicht regelmässig, aber hoffentlich beständig) seine ironischen Zwischenrufe an die LeserInnenschaft des Condorcet-Blogs. Lesen Sie heute seine Gedanken zur Noteninflation.

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Prof. Wolfgang Kuehnel, Stuttgart: Immer bessere Schüler?

Aufregend ist mein erster Zwischenruf im Condorcet-Blog nicht, aber auch irgendwie wenig beruhigend: Die Noteninflation. Dass es sie überhaupt gibt, wird oft bestritten. Aber ich schaue öfter mal aus Interesse auf die Schulszene in Berlin, soweit sie im Internet dargestellt ist. Vor Jahren staunte ich schon über den Abiturnotendurchschnitt von 1,71 bei der Evangelischen Schule Frohnau, erzielt von einem Jahrgang mit zahlreichen Abiturienten. Jetzt (2020) steht da eine 1,62, und das ist nicht mal Rekord, sondern die Berlin Cosmopolitan School (Gymnasium) bringt es sogar auf 1,61.

Schwächere Noten kann man abwählen

Gleich 11 staatliche Gymnasien lagen 2020 bei 2,0 oder besser, von den Privatschulen sind es 9 von 15, und sogar bei den staatlichen Sekundarschulen (ehem. Gesamt- oder Haupt- oder Realschulen) sind es immerhin zwei(einmal 1,66, einmal 1,80 und dann einmal 2,01).

Auch ohne nähere Statistik-Kenntnisse kann man mit reiner Grundschulmathematik ganz naiv abschätzen, was das ungefähr nach hergebrachten Maßstäben bedeutet. Der Begriff “Durchschnitt” suggeriert ja, dass das das arithmetische Mittel der jeweiligen Einzelnoten sein soll. Ein Durchschnitt von 1,61 könnte z.B. besagen, dass es ca. 2/5 Einsen und ca. 3/5 Zweien gibt und keine anderen Noten.

Für je dreimal die Note 3 müsste es siebenmal die Note 1 geben.

Realistisch ist das nicht. Für je dreimal die Note 3 müsste es siebenmal die Note 1 geben, um das auszugleichen bei ansonsten nur Zweien. Um eine Vorstellung davon zu bekommen: Nehmen wir an, 100 Schüler bekommen zusammen 700 Noten, davon keine 4, 30 mal die 3, 367 mal die 2 und 303 mal die 1. Dann macht das im Durchschnitt 1,61. Falls es etwa 10 mal eine 4 geben sollte, dann könnte das so ausgeglichen werden: 30 mal die 3, 337 mal die 2, 323 mal die 1.

Etwas Statistik

Natürlich stimmt das so nicht. Die Berechnung der Abiturgesamtnote nutzt einen eher komplizierten Algorithmus, und für eine 1,0 muss man keineswegs ausschließlich Einsen im Zeugnis haben. Dennoch vermittelt das – denke ich – einen Eindruck von der Noteninflation. Es gab 2016 sogar mal eine 1,40 und 2018 eine 1,37, 2019 eine 1,39 (alle genannten Schulen sind Privatschulen), vielleicht sind das Ausreißer. Die besten staatlichen Gymnasien liegen so bei 1,7 – 2,0, es gibt auch noch 2,5 – 2,8 als Durchschnitt. Die Erfolgsquote liegt bei 20 staatlichen Gymnasien bei 100 %, bei weiteren 11 liegt sie bei 99 %.

Das ist so, wie wenn bei einem Turbo-Pkw mit 500 PS ein technisches Tempolimit von 270 km/h eingebaut wird, damit die Überflieger nicht abheben können.

Wir können uns demnächst gewiss auf mehr Schulen mit einem Abiturnotendurchschnitt von 1,5,  1,4,  1,3  usw. einstellen, die theoretische Grenze liegt bei 1,0. Die Spielregeln vermerken dazu ausdrücklich: Wenn eine Zahl kleiner als 1,0 herauskommen sollte (offenbar ist das möglich), dann wird das als 1,0 gewertet, wie praktisch. Das ist so, wie wenn bei einem Turbo-Pkw mit 500 PS ein technisches Tempolimit von 270 km/h eingebaut wird, damit die Überflieger nicht abheben können.

In Berlin kann man Mathematik aus der Abiprüfung abwählen.

Wie macht man das in Berlin? Hat man immer bessere Schüler oder immer bessere Lehrer? Ich glaube kaum. Ein Detail: In Berlin kann man Mathematik aus der Abiprüfung abwählen. Ob jemand die zentrale Klausur im Leistungs- oder Grundkurs mitschreibt, ist freiwillig, man kann andere Fächer wählen. Da dürfte wohl klar sein, dass nur die besseren Kandidaten das überhaupt wagen.

Mathematik kann abgewählt werden

Es müssen nur insgesamt Mathematik oder Deutsch oder eine Fremdsprache vertreten sein. Es gibt eine mündliche Prüfung in einem Grundkursfach (mehr wären freiwillig möglich zur Notenverbesserung), aber wie oft wird da Mathematik drankommen? Zusätzlich werden noch “Besondere Lernleistungen” oder eine “Präsentationsprüfung” gewertet, auch als Gruppenprüfung mit bis zu vier Personen. Auch das wird natürlich alles freiwillig gewählt. Eine erfolgreiche Teilnahme bei “Jugend musiziert” oder “Jugend forscht” zählt auch. Es gibt nur drei Klausuren, und zwar in den beiden jeweiligen Leistungskurs-Fächern und einem Grundkursfach.

Wie wäre es denn, wenn künftig DAX-Unternehmen in ihrer Bilanz nur noch die Sparten aufführen, bei denen sie gute Gewinne machen, und diejenigen mit Verlusten einfach gar nicht mehr nennen?

Der Trick besagt also: die Fächer mit den schwächeren Noten kann man so weitgehend abwählen, dass eben nur noch die Fächer mit den besseren Noten zählen.

Wie wäre es denn, wenn künftig DAX-Unternehmen in ihrer Bilanz nur noch die Sparten aufführen, bei denen sie gute Gewinne machen, und diejenigen mit Verlusten einfach gar nicht mehr nennen? Da könnte der DAX nochmal in die Höhe schießen. Banken könnten ihre “Schrottpapiere” einfach verschweigen und nur ihre positiven Seiten präsentieren.

Als einer der Oldies hier möchte ich daran erinnern, dass zu meiner Zeit (noch vor Einführung von Grund- und Leistungskursen) alle dieselben vier Klausuren zu schreiben hatten, in meinem Fall Deutsch, Mathematik und zwei Fremdsprachen. Eine Wahlmöglichkeit gab es überhaupt nur einmal, und zwar bei der dritten Fremdsprache nach Klasse 7.

Durch Veränderung der Spielregeln kann man eben allerlei erreichen.

Zentralabitur?

Zentralabitur? A Schmarrn

Aber in der Presse gibt es öfter mal eine Riesendiskussion über das “bundesweite Zentralabitur” und die Vergleichbarkeit. Ein aufrechter Bayer würde das vermutlich “a Schmarrn” nennen, denn in Bayern muss noch jeder Abiturient die Matheklausur schreiben. Wir dürfen gespannt sein, was unseren Kultusministern noch alles einfällt, um die Abiturquote weiter zu erhöhen.

In diesem Sinne wünscht einen schönen Sonntag

Wolfgang Kühnel

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Kompetenzorientierung in Deutschland: Die verordnete Selbsttäuschung https://condorcet.ch/2019/09/kompetenzorientierung-in-deutschland-die-verordnete-selbsttaeuschung/ https://condorcet.ch/2019/09/kompetenzorientierung-in-deutschland-die-verordnete-selbsttaeuschung/#respond Thu, 26 Sep 2019 09:59:06 +0000 https://condorcet.ch/?p=2278

Der Vortrag von Professor Klein in Österreich ist zwar schon einige Jahre alt, hat aber nichts an seiner Aktualität verloren. Hans-Peter Klein erklärt anhand von Abituraufgaben, wohin uns eine testgesteuerte Kompetenzorientierung führt und welche Rolle dabei die Politik spielt. Chronologie einer gigantischen Selbsttäuschung.

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