Standardisierung - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Thu, 12 Aug 2021 10:06:46 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Standardisierung - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Misstrauen statt Dialog: Was Lehrevaluationen heute leisten https://condorcet.ch/2021/08/misstrauen-statt-dialog-was-lehrevaluationen-heute-leisten/ https://condorcet.ch/2021/08/misstrauen-statt-dialog-was-lehrevaluationen-heute-leisten/#respond Thu, 12 Aug 2021 10:06:46 +0000 https://condorcet.ch/?p=9179

Die Deutschen haben bekanntlich den Drang, Bürokratie immer perfekt und umfassend zu gestalten. Die Evaluation und Rückmeldungskultur ist in Deutschland einer sinnfreien Generierung von Daten zum Opfer gefallen, Misstrauen regiert, die Qualität bleibt auf der Strecke. Condorcet-Autor Ralf Lankau berichtet.

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Prof. Dr. phil. Ralf Lankau, Fakultät Medien, Hochschule Offenburg
Bild: Lankau

Ein Instrument der Fremdsteuerung von Bildungseinrichtungen, die Ausrichtung von Lehr- und Lernprozessen an fachfremden Parametern der Ökonomie und unsinnigen Kennzahlen: Das sind die derzeit praktizierten Lehrevaluationen an Hochschulen. Sie sind ein Musterbeispiel der Dekonstruktion einer ihrem Wesen nach sozialen und dialogischen Einrichtung. Das Ziel ist die Standardisierung, Steuerung und Hierarchisierung von Lehre und Unterricht.

Die Nachbesprechung

Zur pädagogischen Arbeit des Unterrichtens, nicht nur an Hochschulen, gehört der Dialog über Inhalte, Methoden und Ziele von Lehrveranstaltungen. Zu Beginn des Semesters werden die Themen und deren Einbindung in den fachlichen bzw. historischen Kontext, besonders relevante Einzelaspekte, begleitende Literatur und Leistungsnachweise besprochen. Am Ende des Semester steht die Nachbesprechung, oft verbunden mit einer Rückmeldung von Seiten der Studierenden per Fragebogen.

Die Basis waren das Seminar, wechselseitiges Vertrauen durch direkte Beziehung und gemeinsame Ziele: der erfolgreiche Abschluss der Veranstaltung, auch Diskussionen über mögliche thematische Ergänzungen oder Verbesserungsvorschläge für die Lehrveranstaltung selbst.

Üblich war, dass die Lehrenden diese Fragebögen im Seminar ausgeben, am Ende der Stunde einsammeln und die Rückmeldungen in der Folgewoche mit den Studierenden besprechen. Die Basis waren das Seminar, wechselseitiges Vertrauen durch direkte Beziehung und gemeinsame Ziele: der erfolgreiche Abschluss der Veranstaltung, auch Diskussionen über mögliche thematische Ergänzungen oder Verbesserungsvorschläge für die Lehrveranstaltung selbst.

Geradezu widersinnig wird die Praxis einiger Einrichtungen: Lehrende dürfen Evaluationsbögen nur austeilen. Studierende sammeln die Bögen ein und übergeben sie in einem verschlossenen Umschlag der oder dem Evaluationsbeauftragten der Fakultät.

Misstrauenskultur als das „neue Normal“

Das ist mit den Evaluationsverordnungen im Rahmen des Bologna-Prozesses ins Gegenteil gekippt. Statt einer Dialogkultur existiert ein generelles Misstrauen gegenüber allen Beteiligten. Unterstellt wird beiden Seiten Unaufrichtigkeit. Lehrende etwa dürfen die Evaluationsbögen nicht mehr einsammeln und auswerten. Sie könnten ja handschriftlich ausgefüllte Evaluationsbögen mit ebenfalls handschriftlich geschriebenen Klausuren vergleichen. Für Kritiker des Seminars könne das – so die Logik – zu schlechten Noten in Klausuren führen. Das unterstellt die Verletzung einer zentralen Amtspflicht – die (soweit möglich) objektive und personenunabhängige Beurteilung von Leistungsnachweisen – und wäre sowohl beamten- wie verwaltungsrechtlich zu ahnden.

 

Statt einer Dialogkultur existiert ein generelles Misstrauen gegenüber allen Beteiligten.

Studierende dagegen könnten aus Angst vor schlechten Noten vor Kritik zurückschrecken, selbst wenn der Semestersprecher oder die Semestersprecherin die Evaluationsbögen einsammelt und die ausgewerteten Ergebnisse ohne Namensnennung im Seminar vorträgt. Letzteres wäre allerdings rechtlich mehr als fragwürdig, da die Evaluationsbögen personenbezogene Daten erheben. Sind Bologna-Hochschulen (als Sammelbegriff für tertiäre Bildungseinrichtungen) mittlerweile Orte der Angst, Anpassung und Unterordnung, in denen ein Diskurs nicht mehr möglich ist? Wo sonst sollen Studierende lernen, Kritik zu äußern oder vorgegebene Strukturen in Frage stellen?

Geradezu widersinnig wird die Praxis einiger Einrichtungen: Lehrende dürfen – wie oben angemerkt – Evaluationsbögen nur austeilen. Studierende sammeln die Bögen ein und übergeben sie in einem verschlossenen Umschlag der oder dem Evaluationsbeauftragten der Fakultät. Die Bögen werden anschließend gescannt, Ankreuz-Antworten automatisiert statistisch ausgewertet, die Ergebnisse den Lehrenden zugemailt  – mitsamt der handschriftlichen Anmerkungen der Freitextfelder. Lehrende, die Schriftproben vergleichen und Klausurnoten danach vergeben wollten, könnte das auch in der digitalisierten Variante.

Wechselseitiger Anpassungsdruck

Wer auf rein digital realisierte Evaluationen setzt (mit aufwendigen Anonymisierungsmethoden zumindest für die Studierenden), unterschlägt die Folgen einer technisierten Feedback-Kultur. Fehlende soziale Einbindung und Kontrolle bei kommunikativen Prozessen, auch und gerade von berechtigter, konstruktiver, auch notwendiger Kritik, führt ohne (oder nur imaginiertes) soziales Gegenüber schnell zum Entgleisen der Sprache. Wer allein an Bildschirm und Tastatur sitzt, neigt schneller zu Polemik, wie man es aus den sozialen Medien kennt. Konstruktives Feedback bleibt dann aus.

Immerhin sind die Daten (samt Zuordnung zu Person und Veranstaltung) jetzt im Hochschul-IT-System hinterlegt und für die weitere „Personalführung“ (die an Hochschulen für die Professorenschaft (noch) nicht vorgesehen ist) nützlich. Wer z.B. nach der W-Besoldung alimentiert wird, muss bei seinen regelmäßigen Selbstberichten u.a. die Evaluationsergebnisse beilegen. Sie gelten als ein Kriterium für mögliche Zulagen.

Die Hochschulbürokratie hat auf dialogische Prozesse keinen Zugriff.

Sinnfreie Generierung von Daten

Das Missfallen an der internen Evaluation in Seminaren krankt aus Sicht der Hochschulbürokratie an zwei Parametern. Zum Ersten hat sie auf solche dialogische Prozesse keinen Zugriff bzw. kann nur Ergebnisprotokolle auswerten. Das gilt für Lehrevaluationen innerhalb der Fakultäten genauso wie für die besprochenen Themen in Studienkommissionen oder Fakultätsrats-Sitzungen. Es entspricht den Grundprinzipen einer demokratisch verfassten Hochschule und Studentenschaft, dass man im Positiven wie auch bei Problemen miteinander spricht. Das pädagogische Versprechen „Was wir hier im Raum besprechen, verlässt den Raum nicht.“ ist ja überhaupt erst die Basis für ein offenes Gespräch. Das aber bleibt für die Datensammler unbefriedigend, da intransparent.

Sie bevorzugen es, die Qualität der Lehre und Forschung an normierten Prozessen und messbaren, validierten, vor allem reproduzierbaren Ergebnissen festzumachen.

Der zweite Kritikpunkt der Hochschul-Manager ist der fehlende Druck zur Standardisierung von Veranstaltungen mit dem Ziel der Mess- und Vergleichbarkeit. Sie bevorzugen es, die Qualität der Lehre und Forschung an normierten Prozessen und messbaren, validierten, vor allem reproduzierbaren Ergebnissen festzumachen. Doch Hochschullehre lebt von den beteiligten Charakteren und Persönlichkeiten. Anders als in Unternehmen sind alle Professorinnen und Professoren einer Hochschulen gleichberechtige Kolleginnen und Kollegen. Es gibt weder von Dekanaten noch Rektoraten oder selbst Ministerien Weisungsbefugnisse, außer der Festlegung des zu erbringenden Lehrdeputats. Die grundgesetzlich geregelte Lehr- und Forschungsfreiheit verbietet die Einflussnahme auf Inhalte und Methoden von Lehrveranstaltungen. Das heißt, die Entscheidungen über Inhalte, Methoden und Ziele von Lehrveranstaltungen verantwortet der oder die Einzelne.

Wer nun – wie in anderen Ländern – die Weiterbeschäftigung der Lehrenden an positive Lehrevaluationen knüpft, generiert nach und nach inhaltsentleerte Fächer.

Wer nun – wie in anderen Ländern – die Weiterbeschäftigung der Lehrenden an positive Lehrevaluationen knüpft, generiert nach und nach inhaltsentleerte Fächer. Der Unterricht wird unterhaltsam, die Aufgaben sind leicht, die Noten durchgängig freundlich. Fachinhalte werden nicht nach Fachlogik mit zunehmender Komplexität strukturiert, sondern nach Parametern der „Kundenzufriedenheit“ und erwünschtem „Output“. Die Anzahl der BA- und MA-Abschlüsse steigt ähnlich rasant wie die Abiturquote und Durchschnittsnote – und der Markt für qualifizierte Bildungsabschlüsse wird den privaten Anbietern gegen entsprechendes Schul- und Studiengeld überlassen.

Sie bevorzugen es, die Qualität der Lehre und Forschung an normierten Prozessen und messbaren, validierten, vor allem reproduzierbaren Ergebnissen festzumachen.

Die Lösung

Gefochten wird um Grundprinzipen: akademische Autonomie und freie Lehre vs. Unterordnung unter Marktmechanismen. Während Lehrende konstruktive Rückmeldungen aus der Nachbesprechung einer freiwilligen und dialogischen Lehrevaluationen offen aufnehmen – so meine über 30-jährige Erfahrung in tertiären Bildungseinrichtungen –, sind anonymisierte Auswertungsbögen, die als PDF zugemailt und als Steuerungsinstrument missbraucht werden, wertlos. (Zumal die Trivialität der Fragen die akademische Lehre beleidigt: Die Lehrveranstaltung ist gut strukturiert. Der Dozent ist engagiert. Die LV fördert das Interesse am Fach. Der Workload ist zu hoch/genau richtig/zu wenig.) Die Ergebnisse der auf einer Skala von 1 bis 5 anzukreuzenden Antworten nivelliert sich statistisch zuverlässig im Mittelfeld. Freitextantworten sind i.d.R. wenig aussagekräftig. Das Ausfüllen der Formulare verkommt zu einem anonymisierten Ritual.

Statt der sich zunehmend verselbständigenden Rituale zur Generierung von sinnfreien Kennzahlen und Statistiken zu frönen und immer größere Evaluationsabteilungen aufzubauen, sollten Hochschulen die Evaluationen wieder ihrem ursprünglichen Ziel zuführen: Verbesserung der Lehre durch direkten Dialog.

Individualtität der Lehrerpersönlichkeit geht verloren

Das heißt: Statt der sich zunehmend verselbständigenden Rituale zur Generierung von sinnfreien Kennzahlen und Statistiken zu frönen und immer größere Evaluationsabteilungen aufzubauen, sollten Hochschulen die Evaluationen wieder ihrem ursprünglichen Ziel zuführen: Verbesserung der Lehre durch direkten Dialog. Das geht nur vor Ort und im direkten Miteinander. Dazu sollte man die Lehrevaluationen erfahrenen und im Unterrichten (!) qualifizierten Pädagoginnen und Pädagogen überantworten, statt Betriebswirte, Empiriker und Informatiker zu überfordern. Verloren gehen sonst die Individualität der Lehrpersönlichkeiten, die Vielfalt der individuellen Lehr- und Unterrichtsmethoden und nicht zuletzt die Eigengesetzlichkeit der Fächer.

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Bidens gebrochenes Versprechen: Schulen müssen die standardisierten Tests in diesem Frühjahr durchführen https://condorcet.ch/2021/02/bidens-erstes-gebrochenes-versprechen-schulen-muessen-die-standardisierte-tests-in-diesem-fruehjahr-durchfuehren/ https://condorcet.ch/2021/02/bidens-erstes-gebrochenes-versprechen-schulen-muessen-die-standardisierte-tests-in-diesem-fruehjahr-durchfuehren/#respond Wed, 24 Feb 2021 11:58:48 +0000 https://condorcet.ch/?p=7826

Die US-amerikanische Pädagogin Diane Ravitch engagierte sich stark für die Präsidentschaft von Joe Biden. Nun musste sie eine erste Enttäuschung hinnehmen. Joe Biden hält an den Tests fest und möchte sie sogar im Jahr der Pandemie starten. Unverständlich sei das, findet Diane Ravitch und erklärt uns noch einmal die Testkultur in ihrem Land.

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Joe Biden versprach bei einem öffentlichen Bildungsforum in Pittsburgh im Wahlkampf unmissverständlich, dass er das Bundesmandat für standardisierte Tests beenden würde. Denisha Jones, Anwältin, Lehrerausbilderin, Vorstandsmitglied von Defending the Early Years und Network for Public Education, fragte den Kandidaten Biden, ob er standardisierte Tests abschaffen würde. Sehen Sie hier seine Antwort.

 

Nun krebst der frischgewählte Präsident in dieser zentralen Frage zurück. Die Tests würden wie geplant stattfinden. Dies ist eine große Enttäuschung, nicht nur, weil er damit sein Versprechen gebrochen hat, sondern auch, weil er diese standardisierten Tests inmitten einer Pandemie verfügt, die den Zugang zu Bildung noch ungleicher gemacht hat.

Die Ergebnisse beinhalten lediglich eine Punktzahl, die Aufschluss darüber gibt, wo die Schüler im Vergleich zueinander und im Vergleich zu den Schülern im ganzen Land und in der Nation rangieren.

Eine kleine Zusammenfassung für die europäischen Freunde

Für die europäischen Freunde (eingefügt Redaktion) hier noch einmal in Kürze, wie die Testverfahren ablaufen: Die Tests werden jährlich im März und Anfang April durchgeführt. Die Lehrer dürfen die Fragen nicht sehen. Die Testergebnisse werden im August oder September an die Schulen zurückgegeben. Bis dahin haben die Schüler oft andere Lehrer. Die neuen Lehrer sehen die Ergebnisse ihrer Schüler, aber sie dürfen nicht wissen, welche Fragen die Schüler richtig oder falsch beantwortet haben.

 

Die Lehrer sehen die Fragen nicht. Sie erhalten nur Ranglisten.

So erfahren die Lehrer nicht, wo die Schüler Nachhilfe brauchen oder welche Lektionen überarbeitet werden müssen.

Die Ergebnisse beinhalten lediglich eine Punktzahl, die Aufchluss darüber gibt, wo die Schüler im Vergleich zueinander und im Vergleich zu den Schülern im ganzen Land und in der Nation rangieren. Dies ist für die Lehrer von geringem Wert. Das ist so, als würde man mit Bauchschmerzen zum Arzt gehen. Die Ärztin gibt Ihnen eine Reihe von Tests und sagt, dass sie die Ergebnisse in sechs Monaten haben wird. Wenn die Ergebnisse vorliegen, sagt Ihnen die Ärztin, dass Sie im Vergleich zu anderen mit ähnlichen Schmerzen auf dem 45. Rang liegen, aber sie verschreibt Ihnen keine Medikamente, weil der Test nicht sagt, was Ihre Schmerzen verursacht hat oder wo genau sie liegen.

Solche Tests sind ein Segen für die Testgesellschaft. Für Lehrer und Schüler sind sie wertlos.

Korreliert mit der sozialen Zugehörigkeit

Eines zeigen die standardisierten Testergebnisse aber zuverlässig: Sie korrelieren hoch mit Einkommen und Bildung der Familien. Die Schüler aus wohlhabenden Familien erhalten jeweils die höchste Punktzahl. Diejenigen aus armen Familien erhalten die niedrigsten Werte. Das ist bei jedem standardisierten Test der Fall, egal ob es sich um einen staatlichen, nationalen oder internationalen Test, den SAT oder den ACT handelt. Manchmal erhalten arme Kinder hohe Punktzahlen, und manchmal erhalten Kinder aus wohlhabenden Familien niedrige Punktzahlen, aber das sind Ausreißer. Die standardisierten Tests verleihen den bereits Bevorteilten Privilegien und stigmatisieren diejenigen, die am wenigsten haben. Sie sind nicht und werden auch nie ein Mittel sein, um die Chancengleichheit zu fördern.

Leistungsunterschiede schliessen sich nie.

Darüber hinaus sind standardisierte Tests auf einer Glockenkurve normiert. Es wird immer eine untere und eine obere Hälfte geben. Die Leistungsunterschiede werden sich nie schließen, weil Glockenkurven das nie tun. Das ist ihr Design. Im Gegensatz dazu kann jeder, der volljährig ist, einen Führerschein machen, wenn er die erforderlichen Tests besteht. Der Zugang zu Führerscheinen basiert nicht auf einer Glockenkurve. Wäre dies der Fall, würden etwa 35 bis 40 Prozent der Erwachsenen nie einen Führerschein machen.

Und wer sollte die Tests schreiben? Die Lehrer sollten die Tests schreiben, basierend darauf, was sie im Unterricht vermittelt haben. Sie können sofort Antworten erhalten und wissen genau, was ihre Schüler verstanden haben und was nicht.

Fragen Sie die Lehrkräfte

Wenn Sie ein Elternteil sind, werden Sie nichts aus dem Testergebnis Ihres Kindes lernen. Es interessiert Sie nicht wirklich, wie es im Vergleich zu anderen Gleichaltrigen in diesem oder einem anderen Bundesland abschneidet. Sie wollen wissen, ob es mit seinen Aufgaben Schritt hält, ob es sich am Unterricht beteiligt, ob es die Aufträge versteht, ob es sich für die Schule zu begeistern vermag oder wie es mit seinen Mitschülern zurechtkommt. Die standardisierten Tests werden keine dieser Fragen beantworten.

Wie aber kann man als Elternteil Antworten auf diese Fragen erhalten? Ganz einfach: Sie gehen zum Lehrer Ihres Kindes

Lehrkräfte sollen die Teste schreiben

Und wer sollte die Tests schreiben? Die Lehrer sollten die Tests schreiben, basierend auf dem, was sie im Unterricht vermittelt haben. Sie können sofort Antworten erhalten und wissen genau, was ihre Schüler verstanden haben und was nicht. Sie können eine Konferenz mit Johnny oder Maria abhalten, um durchzugehen, was sie im Unterricht verpasst haben, und ihnen helfen zu lernen, was sie wissen müssen.

Aber wie werden wir wissen, wie wir als Stadt, als Staat oder als Nation abschneiden? Wie werden wir über die Leistungsunterschiede Bescheid wissen und ob sie größer oder kleiner werden?

Relevante Informationen bereits vorhanden

All diese Informationen sind bereits in den Berichten des National Assessment of Educational Progress (NAEP) verfügbar, und noch viel mehr. Die Ergebnisse sind aufgeschlüsselt nach Bundesland, Geschlecht, Rasse, Behindertenstatus, Armutsstatus, Englischkenntnissen und vielem mehr. Etwa 20 Städte haben sich freiwillig gemeldet, um bewertet zu werden, und sie erhalten die gleichen Informationen.

Keines der Ziele wurde erreicht

Bei der Unterzeichnung von “No Child Left Behind-Akte”. Keines der Ziele erreicht.

Bald stehen die Neugenehmigung des Every Student Succeeds Act an. Es handelt sich dabei um das Nachfolgegesetz von «No Child Left Behind». Da sollten Sie wissen, was diese jährlichen Teste bewirkten. Zunächste einmal: Keine leistungsstarke Nation auf der Welt testet jedes Jahr alle Schüler der Klassen 3 bis 8.Und wir können mit Sicherheit sagen, dass das No Child Left Behind-Programm seinen Zweck, kein Kind zurückzulassen, nicht erfüllt hat.

Wir können auch mit Sicherheit sagen, dass das “Race to the Top”-Programm sein Ziel, die Testergebnisse der Nation “an die Spitze” zu bringen, nicht erreicht hat.

Wir können mit Sicherheit sagen, dass der Every Student Succeeds Act seinen Zweck sicherzustellen, dass jeder Schüler Erfolg hat, ebenfalls nicht erreicht hat.

Es ist an der Zeit umzudenken. Es ist an der Zeit, die schwere Hand der Bundesregulierung zu lockern und sich auf die ursprünglichen Ziele des Elementary and Secondary Education Act von 1965 zu besinnen: Finanzmittel an die bedürftigsten Schüler und Schulen zu verteilen, die professionelle Ausbildung von Lehrern zu unterstützen und die Bürgerrechte der Schüler zu sichern.

Die Bundesregierung sollte keine Tests anordnen oder den Schulen vorschreiben, wie sie sich zu “reformieren” haben, denn der Bundesregierung fehlt das Wissen, das Know-how oder die Erfahrung, um Schulen zu reformieren.

Die amerikanische Bildung wird sich verbessern, wenn die Bundesregierung tut, was sie am besten kann, und hochqualifizierten Lehrern und gut ausgestatteten Schulen erlaubt zu tun, was sie am besten können.

In dieser kritischen Zeit, in der wir über die schrecklichen Folgen der Pandemie hinausblicken, stehen die amerikanischen Schulen vor einem schweren Lehrermangel. Die Bundesregierung kann den Bundesstaaten helfen, die Mittel aufzubringen, um professionelle Gehälter für professionelle Lehrer zu bezahlen. Sie kann helfen, qualitativ hochwertige Vorschulprogramme zu finanzieren. Sie kann die Kosten für Mahlzeiten für Schüler übernehmen und helfen, Krankenschwestern in jeder Schule zu bezahlen.

Die amerikanische Bildung wird sich verbessern, wenn die Bundesregierung tut, was sie am besten kann, und hochqualifizierten Lehrern und gut ausgestatteten Schulen erlaubt zu tun, was sie am besten können.

Diane Ravitch

Der Text ist leicht gekürzt, hier können Sie den Originalbeitrag nachlesen:

Biden Administration’s Broken Promise: Schools Must Give Standardized Tests This Spring

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Die empirische Forschung hat sich verselbständigt https://condorcet.ch/2020/03/die-empirische-forschung-hat-sich-verselbstaendigt/ https://condorcet.ch/2020/03/die-empirische-forschung-hat-sich-verselbstaendigt/#respond Tue, 31 Mar 2020 19:27:47 +0000 https://condorcet.ch/?p=4374

Eine neue Autorin aus Deutschland, Inge Konradi, Studienrätin in Mathematik, Physik und Spanisch, besuchte im Dezember 2019, eine Fachtagung Mathematik, die von der KMK, dem IQB und dem Leibniz-Institut organisiert wurde. Daraufhin hat die Lehrervertreterin 6 Thesen verfasst, die sie dem Condorcet-Blog zur Verfügung stellt.

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Im Dezember 2019 fand ein von der KMK, dem IQB und dem Leibniz-Institut für Naturwissenschaften (IPN) in Kiel koordinierter Fachtag Mathematik in Berlin statt, an dem ich teilgenommen habe.

Anstelle eines Berichtes habe ich mich für eine Zusammenstellung meiner Eindrücke in Form von 6 Thesen entschieden, die im Folgenden aufgeführt werden.

  1. Die empirische Forschung hat sich verselbständigt.
Kernaufgaben des IQB: Nationale Bildungsstandards inhaltlich weiter entwickeln und methodisch präzisieren.

Im Zuge der Ökonomisierung der Bildung, der Unterwerfung von Bildungseinrichtungen unter betriebswirtschaftliche Prinzipien und der angeblichen Objektivierung der Resultate, kommt der quantitativen Erhebung und dem darauf basierenden Ranking eine solche Bedeutung zu, dass diese Erhebungs- und Evaluationsstudien die inhaltliche Ausrichtung von Prüfungen und Lehrinhalten steuern.

Das beste Beispiel für die Verselbständigung der quantitativen Messung ist das IQB (Institut für Qualitätssicherung) mit Sitz in Berlin, berühmt-berüchtigt für bundesweite Lernstanderhebungen wie Vera 3 bzw. Vera 8 und Abituraufgabenformate (EPAs).

Neben der Krake IQB gibt es zahlreiche empirische Forschungsinstitute an den Universitäten. Die dort Arbeitenden haben ein ganz persönliches Interesse am Fortbestand dieses Zweiges der Bildungsforschung. Um weitere Gelder zu adquirieren und ihre Stellen zu sichern, müssen sie deshalb natürlich immer darauf verweisen, dass sie noch größere Stichproben bzw. weitere Aspekte untersuchen müssten, um stichhaltige Aussagen liefern zu können, wie konkret am Fachtag immer wieder geschehen. Doch der Wert dieser Studien für die Unterrichts- oder Lehrpraxis ist äußerst fraglich.

Um weitere Gelder zu adquirieren und ihre Stellen zu sichern, müssen sie deshalb natürlich immer darauf verweisen, dass sie noch größere Stichproben bzw. weitere Aspekte untersuchen müssten, um stichhaltige Aussagen liefern zu können, wie konkret am Fachtag immer wieder geschehen.

  1. Praktische Erfahrungen der Lehrenden werden ignoriert.
Schüler sind nicht dümmer als früher.

Alle von Praktikern vorgebrachten Aussagen und Vorschläge zu den Inhalten der Lehrpläne bzw. zum problematischen Einsatz digitaler Medien, die darauf zielten, den Kenntnisstand der Abschlussklassen in Mathematik zu verbessern, wurden stereotyp mit zwei Totschlagargumenten zurückgewiesen:

  • Die Lehrenden haben schon immer über die Defizite der Lernenden geklagt.
  • Die Schüler sind nicht dümmer als früher.

Entgegen dem ansonsten formulierten Anspruch der Bildungsforscher nach handfesten Belegen wurde die erste Behauptung durch historische Zitate sehr allgemeiner Art, die zweite weder durch Argumente noch durch empirische Studien belegt.

  1. Die empirische Bildungsforschung behindert eine Verständigung zwischen Lehrern in den Schulen und Lehrenden in den Hochschulen.

Bekannter Weise klaffen die Leistungen vieler Schulabgänger in Mathematik und die Eingangsvoraussetzungen der Hochschulen in den MINT-Fächern und den Ingenieurwissenschaften weit auseinander.
Aus zwei Bundesländern, Niedersachsen und Baden-Württemberg, wurde berichtet, dass diesbezüglich gemeinsame Tagungen zum Austausch zwischen Lehrkräften und Lehrenden an den Hochschulen einberufen worden seien, auf denen sehr schnell ein Grundkonsens über die Anforderungen der Universitäten bzw. Fachhochschulen und der inhaltlichen Vorbereitung der Schulen auf ein MINT-Studium hergestellt werden konnte. Ein Teilnehmer einer solchen Runde aus Baden-Württemberg berichtete, dass Lehrer und Lehrende schnell einig geworden wären, behindert würde die Einigung ausschließlich durch „die Bildungsverwaltung“[1].

  1. Standards und Kompetenzen sind Spiegelbilder ökonomischer Kennziffern.

Im Gegensatz zur industriellen Fertigung, bei der der Herstellungsprozess gedanklich in viele Einzelteile zerlegt, vermessen und planbar ist, lässt sich der Erkenntnisprozess des Menschen nicht genau steuern und erfassen, denn er verläuft nicht eindimensional, sondern macht Umwege. Der Mensch ist eben keine Maschine!

Erkenntnisprozesse lassen sich nicht genau steuern.

Deshalb sollten wir Pädagogen im Interesse der Schüler und der Gesellschaft die Souveränität über das Unterrichtsgeschehen zurückerobern, indem wir uns auf die pädagogische Freiheit berufen.

Abgesehen davon könnten die Schulen die Ressourcen und Stellen, die die empirische Forschung und speziell das IQB verschlingen, gut und sogar nützlicher im realen Unterricht gebrauchen.

Dasselbe gilt auch für die Lehrkräfte, die hochdotierte Stellen in der Schulinspektion innehaben – ein Arbeitsbereich, der erst der betriebswirtschaftlichen Sicht auf Schule und der indirekten Steuerung entsprungen ist.

Die Forderungen:

  • Abschaffung des IQB!

  • Wiedergewinnung der Autonomie der Lehrenden!

  • Freiheit der Lehre!

 

  1. Die Folgen der Kompetenzorientierung sind eine hirnlose Standardisierung der Aufgabenformate und quantitative statt qualitative Bewertungsraster.

Noch auffälliger als in Mathematik oder den Naturwissenschaften finden die Bildungsstandards und die vorgegebene Objektivierung der Bewertungskriterien ihren Niederschlag in den Sprachen. Die kleinschrittigen standardisierten Aufgabenformate des schriftlichen Abiturs z.B. werden weder dem Inhalt der Texte bzw. Lektüren gerecht noch regen sie zu einer tieferen Analyse an.

Stellwerktest Schweiz:
hirnlose Standardisierung.

Durch die Verallgemeinerung und den Gleichschritt (Inhaltsangabe, Vergleich eines Textaspektes mit einem ähnlichen Aspekt einer Lektüre, die zum Lesekanon gehört, und dem „kreativen“ Schreiben beispielsweise in der Form eines Tagebucheintrags oder Leserbriefs) geht der intellektuelle Anreiz verloren, die kognitiv-anregende und kreativ-erotische Komponente der Auseinandersetzung mit der Literatur bleiben außen vor.

  1. Die „moderne Schule“ ist eine Schule, die sich selbst abschafft.

Eine fast logische Folge von Bildungsstandards, Kompetenzrastern, standardisierten Aufgabenformaten und quantitativen statt qualitativen Bewertungskriterien ist das Konzept des Lernbegleiters – eine Idee, die als Begleitung oder Kontrolle eines Produktionsprozesses (z.B. am Fließband) sinnvoll sein mag, in der Schule, wo es auf soziale Beziehungen, didaktisches und pädagogisches Handeln ankommt, ist sie hingegen nicht nur völlig kontraproduktiv, sondern auch wenig weitsichtig, denn:

Die Zukunft des Lernbegleiters ist der digitale Algorithmus, d.h. der Computer kann verhältnismäßig problemlos den Lernbegleiter ersetzen – jedoch den Lehrer, bei dem die humane Interaktion im Mittelpunkt steht, sicher nicht.

[1] Sinngemäße Aussage eines Teilnehmers

Dieser Artikel erschien zuerst auf der Webseite der GBW, unseres Partnerblogs in Deutschland

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