Leistungen - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Wed, 26 Jul 2023 13:07:28 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Leistungen - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Die Wette – oder wer ist der Beste im Land? https://condorcet.ch/2023/07/die-wette-oder-wer-ist-der-beste-im-land/ https://condorcet.ch/2023/07/die-wette-oder-wer-ist-der-beste-im-land/#comments Sat, 22 Jul 2023 09:33:42 +0000 https://condorcet.ch/?p=14616

Unser Condorcet-Autor Alain Pichard verabschiedete sich mit einem Theaterprojekt aus seinem aktiven Berufsleben. In diesem Beitrag stellt er das Stück vor, sagt, woher die Idee stammt, und erklärt, wie das „Entwicklungstheater“ geht.

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Es gibt gute Gründe, sich in der reichen Jugendtheaterliteratur umzusehen, ein Stück auszuwählen und es mit den Schülerinnen und Schülern auf die Bühne zu bringen. Hierzu habe ich bereits einen Beitrag verfasst („Das Haus mit den sieben Stockwerken” https://condorcet.ch/2020/07/deutschprojekt-dino-buzzati-das-haus-mit-den-7-stockwerken/)

Wenn das Stück für Schüleraufführungen geeignet ist und angepasst werden kann, ist diese Möglichkeit vor allem dann praktisch, wenn die Zeit für das Einstudieren einer Schüleraufführung knapp ist.

Alain Pichard, Lehrer Sekundarstufe 1: Das Stück muss den Zuschauern Spass machen.

Ich habe diesen Weg eher selten beschritten, weil das Theater einer meiner Leidenschaften ist, ich eine Affinität für Komödien und witzige Dialoge habe und mir selbst zutraue, diese auch zu schreiben. Es gibt allerdings kaum etwas Mühsameres als Lehrkräfte, die sich dazu berufen fühlen, Theaterstücke nach ihrem Gusto zu schreiben und diese dann den Jugendlichen überzustülpen. Ich halte mich auch nicht für einen verkannten Drehbuchautor, der in der werkstattgeschützten Schulsituation endlich sein Talent der Öffentlichkeit vorstellen darf.

Für mich hat Theater in erster Linie zu unterhalten. Es darf keine Pflichtveranstaltung werden, an denen nur die Eltern der Darsteller Freude haben. Es soll aber auch kein Ventil für Botschaften sein, die dem Autor, sprich dem Lehrer, am Herzen liegen. Und es muss den Schülerinnen und Schülern Spass machen. Wichtig ist auch, dass man sich bemüht, dass sie sich mit dem Geschehen auf der Bühne identifizieren können.

So entwickelte ich mit der Zeit eine Art Mischung aus Improvisationstheater, Einbezug spannender Vorlagen, die ich als Rahmenhandlung vorschlug, und diskursiven Entwicklungsgesprächen. Auch dazu habe ich bereits ein Projekt auf dem Condorcet-Blog veröffentlicht ( https://condorcet.ch/2021/07/orpund-next-level-ein-theaterprojekt/ ). In diesem Beitrag habe ich auch meine Vorgehensweise beschrieben, weshalb ich auf diese im Folgenden nicht mehr so detailliert eingehen werde.

Die Quelle: Ein Vorfall in Düsseldorf

1974 erschien in einer Zeitung ein Kurzbericht über einen Betrugsfall in einem Düsseldorfer Gymnasium. Einem Schüler wurde von seinem Vater 10‘000 Mark in Aussicht gestellt, wenn er Klassenbester werden sollte. Als er dies seinen Kameraden erzählte, beschlossen diese, ihn mit gemeinsamen Kräften zum Klassenbesten zu machen und sich die Summe danach aufzuteilen. Der Betrug flog auf. Was mit den Beteiligten geschah, konnte ich nicht eruieren.

Der Begriff „Klassenbester“ hiess hier „Streber“ und auch in der Kommunikation der Lehrkräfte kam dieser Begriff kaum vor.

Die 1. Aufführung im OSZ-Madretsch Biel

Diese neckische Geschichte bewahrte ich sorgsam in meiner literarischen “Schatztruhe” auf, um sie 2006 das erste Mal als Rahmengeschichte einer Schulklasse vorzuschlagen. Es handelte sich um eine Realklasse mit 90% Migrationsanteil. Das ergab bereits einen entscheidenden Unterschied zur Ursprungsvariante in Düsseldorf, wo es sich um Gymnasiasten handelte. Der Begriff „Klassenbester“ hiess hier „Streber“ und auch in der Kommunikation der Lehrkräfte kam dieser Begriff kaum vor. Einmal thematisiert, gelang es mir, den Schülerinnen und Schüler bewusst zu machen, dass es sehr gute Lernleistungen über alle Fächer gibt. Die Frage lautete nun: Wie macht man aus einem schlechten bis mittelmässigen Schüler einen guten bis sehr guten Schüler? Und, was heisst das überhaupt, ein sehr guter Schüler zu sein? Auf was kommt es an?

Nachdem diese Fragen geklärt waren, gab ich ihnen die Düsseldorfer Variante als Rahmengeschichte und forderte sie auf, mir Ideen zu liefern, wie dieses Ziel zu erreichen wäre. Im Deutschunterricht ergaben sich nun ausserordentlich witzige Unterrichtsgespräche über Betrug, Spickmethoden, aber auch tiefsinnige Diskussionen über den Wert des Lernens. Aus dem überambitionierten Düsseldorfer Vater wurde ein reicher Onkel aus Übersee, aus dem Düsseldorfer Gymnasiasten der Fussballnarr Aldin. Das Bühnenstück erhielt ein gutes Echo und die Schülerinnen und Schüler waren mächtig stolz auf ihre Leistung.

Neu in den Fokus geriet nun die Geschlechterfrage bzw. die Tatsache, dass die Mädchen in der Schule oft die „besseren“ Lernenden seien. So entstand die Figur der Vlora, eine „Klugscheisserin“, welche die Jungs zur Verzweiflung treibt, das Projekt aber entscheidend voranbringt.

Die Orpunder Variante

Sechs Jahre später – ich wechselte inzwischen in die Agglomerationsgemeinde Orpund – entschloss ich mich, als Abschlusstheater wieder diesen Düsseldorfer Skandal als Rahmengeschichte vorzuschlagen. Hier waren die Bedingungen ziemlich anders. Der Migrationsanteil war gering (nur 4 von 24 Sch. sprachen zu Hause kein Deutsch). Die Bildung spielte in den Elternhäusern eine grössere Rolle, was dazu führte, dass auch die Begriffe „Klassenbester“ und „Notendurchschnitt“ durchaus eine gewisse Rezeption erzeugten. Ohne hier nun einem pauschalisierenden Dünkel Vorschub leisten zu wollen, muss ich feststellen, dass in diesem Umfeld die Entwicklungsphase substanziellere Beiträge einbrachte. Die offengelegten Spickmethoden waren für uns abgebrühte Lehrkräfte erstaunlich, die Diskussionen über Noten, Lernen, Unterricht und Schulleistungen von einer bis anhin unbekannten Qualität. Neu in den Fokus geriet nun die Geschlechterfrage bzw. die Tatsache, dass die Mädchen in der Schule oft die „besseren“ Lernenden seien. So entstand die Figur der Vlora, eine „Klugscheisserin“, welche die Jungs zur Verzweiflung treibt, das Projekt aber entscheidend voranbringt.

Man kann ohne Übertreibung sagen, dass diese Aufführung ein Highlight meiner „Schultheater-Tätigkeit“ war.

Das ist doch kein Theater!
Ohne den Theaterpädagogen Rolf Brügger hätte ich es nicht geschafft.

Die dritte Aufführung – von Schwierigkeiten geprägt

Rund elf Jahre nach der Orpunder Aufführung bot ich den Stoff noch einmal an – diesmal für ein Wahlfach Theater. Ich sprang – mittlerweile als pensionierter Lehrer – notfallmässig als Klassenlehrer in eine verwaiste Oberstufenklasse des OSZ-Mett-Bözingen in Biel ein. Es meldeten sich 14 Schülerinnen und Schüler, mit denen ich in bewährter Manier das Theaterstück neu aufgleisen wollte. Im Oberstufenzentrum Mett-Bözingen ist der Migrationsanteil wieder wesentlich höher (90%).

Keine Frage: Das Thema packte die beteiligten Schülerinnen und Schüler von Anfang an. Das Problem bestand anfangs in der Zusammensetzung der Theatergruppe. Einige Knaben erwiesen sich als unkonzentriert, frech und launisch. Andere waren enorm talentiert und willig. Diese Gruppendynamik belastete die Probenarbeit erheblich. Wir kamen kaum vorwärts. Die Motivation der Mädchen sank, die Sache stand kurz vor dem Abbruch. Schliesslich haben wir drei Jungs aus der Theatergruppe geworfen. Aus dem Hauptdarsteller Jeton wurde eine Jetonia (ein Mädchen) gemacht und zwei Ukrainer in die Gruppe integriert. Diese Massnahmen erwiesen sich als Glücksgriff. Vor allem die beiden Ukrainer waren erste Klasse, trotz der grossen Sprachbarrieren. Allerdings verloren wir dadurch und durch die grossen Schwierigkeiten bei der Textarbeit – fast alle Schülerinnen und Schüler hatten einen Migrationshintergrund – viel Zeit. So konnten einige anspruchsvolle Szenen nicht mehr rechtzeitig eingeübt werden. Die Theaterregie mutete den Kids zudem einiges zu. Es gab schnelle Wechsel, offene Bühnenumbauten und einen Film, der eigens für dieses Stück produziert wurde. Für die Jugendlichen war das anfangs kein Theater und es kam zu offenen Protesten. Es war der grossen Professionalität und Geduld von Rolf Brügger, Theaterpädagoge und Regisseur, zu verdanken, dass dieses Stück trotz dieser enormen Schwierigkeiten schliesslich doch noch zur Aufführung kam und erst noch viel Applaus erhielt. Ohne ihn hätte ich dies kaum geschafft. Wir mussten ein ganzes Übungswochenende einschalten, um das Stück doch noch aufzuführen. Im Grunde genommen schweisste das Wochenende die Gruppe richtig zusammen. Als neues Element haben wir einen Film gedreht, der die Lebensgeschichte des reichen Onkels Ali, der dieses “unmoralische” Angebot macht, einblendete. Die kreative Kollegin Sandra Rychener, ihres Zeichens eine passionierte Filmemacherin, produzierte diese Einblendung für uns.

Der Film von Sandra Rychener erwiese sich als belebendes Element.

Die Schülerinnen und Schüler waren am Schluss mächtig stolz auf ihre Leistung und zeigten dies auch. Ihr Selbstwertgefühl wurde gestärkt, ihre Sprachkompetenz verbessert. Ironischerweise spiegelte die Thematik dieses Stücks auch die Situation in der Theatergruppe selbst. Die Unkonzentriertheiten beim Zuhören der Regieanweisungen, die Unwilligkeit, Bewegungen und Szenen mehr als zweimal zu wiederholen, bremsten die Qualität der Aufführung. Im Prinzip hätte man ein reines Action-Theater entwickeln können, mit dem Thema der Schauspielenden. Aber dann hätte der ambitionierte Teil der Gruppe das Handtuch geworfen.

Das Stück gab in der Schule viel zu reden. Was bedeuten Noten? Was ist ein Klassenbester? Wo und wie zählt Leistung? Was zählt in einer albanischen Familie? Welchen Stellenwert hat die Bildung? Was ist ein Streber? Somit könnte man feststellen: Wieder einmal hat sich dieser Plot bewährt. Trotzdem muss ich mir als Lehrer die Frage stellen, ob in diesem Setting das Stück überhaupt geeignet war.

Fazit: Die gleiche Rahmenhandlung, drei verschiedene Aufführungen

Der Vorteil der entwickelnden Theaterarbeit liegt in der Variabilität des Produkts und dem weitgehenden Einbezug der Akteure in die Handlung. Gleiche Rahmengeschichte, verschiedene Inhalte. Die drei Aufführungen unterschieden sich stark, im Inhalt, in der Qualität der Aufführung, in ihren Schwerpunkten. Aber allesamt spiegelten sie die Themen unserer Schülerinnen und Schüler. Damit aber diese Produktion auch für die Zuschauer ein Erlebnis wird, benötigt man ein gutes Lehrkräfte-Team um sich, einen Theaterfachmann und eine Schulleitung, welche uns die Freiräume für solche Projekte freischaufelt und hinter uns steht. Ausserdem sollte die Aufführung nie länger als eine Stunde dauern. Mehr gibt die Substanz der Jugendlichen in der Regel nicht her. Das Stück selbst kann hier Winner oder Spinner heruntergeladen werden. Es handelt sich um die Orpunder Version.

 

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Das deutsche Schulsystem gerät an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit https://condorcet.ch/2022/10/das-deutsche-schulsystem-geraet-an-die-grenzen-seiner-leistungsfaehigkeit/ https://condorcet.ch/2022/10/das-deutsche-schulsystem-geraet-an-die-grenzen-seiner-leistungsfaehigkeit/#respond Thu, 20 Oct 2022 11:14:53 +0000 https://condorcet.ch/?p=11996

Die Kompetenz von Viertklässlern in Deutsch und Mathematik sackt nach einer neuen Studie deutlich ab. Der Negativtrend zeigt sich in allen Bundesländern, jedoch mit großen Unterschieden. Besonders dramatisch ist der Leistungseinbruch bei Kindern mit Zuwanderungshintergrund. Ein Gastbeitrag von Sabine Menkens in der WELT.

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Sabine Menkens, Politik-Redakteurin

Die Corona-Krise, die enorme Zuwanderung im Rahmen der Flüchtlingskrise und die zunehmende soziale Ungleichheit in Deutschland haben das Schulsystem an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gebracht. Immer mehr Grundschüler erreichen am Ende der vierten Klasse nicht mehr die von der Kultusministerkonferenz festgelegten Mindeststandards in den Fächern Deutsch und Mathematik.

Das ist das Ergebnis des IQB-Bildungstrends für das Jahr 2021, den das Institut für die Qualität im Bildungswesen (IQB) am Montag vorgelegt hat. Der grundlegende Befund wurde zwar bereits im Juli präsentiert, jetzt aber liegen die Detailergebnisse vor.

Der Anteil der leistungsstarken Schülerinnen und Schüler, die den Regelstandard erreichen oder übertreffen, hat in beiden Fächern abgenommen.

Und die besagen nichts Gutes: Denn gegenüber den Vergleichsjahren 2011 und 2016 sind die Kompetenzen der Viertklässler in den Fächern Deutsch und Mathematik durch die Bank abgesackt. Der Anteil der leistungsstarken Schülerinnen und Schüler, die den Regelstandard erreichen oder übertreffen, hat in beiden Fächern abgenommen. Zugleich hat der Anteil der Schülerinnen und Schüler zugenommen, die nicht einmal die Mindeststandards erreichen und damit ein hohes Risiko für einen wenig erfolgreichen Bildungsweg tragen.

Erhoben wurden die Daten von 26.844 Schülerinnen und Schülern zwischen April und August 2021, also unmittelbar nach dem Corona-bedingten Lockdown.

Deutschland stürzt ab

Der Kompetenzrückgang in Deutschland insgesamt entspricht seit 2016 einer Lernzeit von etwa einem drittel Schuljahr im Lesen, einem halben Schuljahr im Zuhören, einem viertel Schuljahr im Bereich Orthografie und einem viertel Schuljahr im Fach Mathematik.

Erhoben wurden die Daten von 26.844 Schülerinnen und Schülern zwischen April und August 2021, also unmittelbar nach dem Corona-bedingten Lockdown. Die meisten Schulen hätten sich damals noch im Wechselunterricht befunden, sagte IQB-Chefin Petra Stanat. Zwar sei anhand der Daten keine eindeutige Ursachenzuschreibung für die Trends möglich. „Es spricht jedoch einiges dafür, dass die pandemiebedingten Einschränkungen bei den ungünstigen Entwicklungen eine Rolle gespielt haben“, sagte Stanat.

Nach Angaben der 1464 teilnehmenden Schulen hatten die geprüften Viertklässler durchschnittlich etwa 32 Wochen Fern- oder Wechselunterricht erhalten – drei Viertel des Schuljahres verliefen also nicht regulär. Die Ergebnisse hätten gezeigt, dass die erreichten Kompetenzen „zumeist bedeutsam mit den untersuchten Lernbedingungen zusammenhängen, insbesondere mit der räumlichen und technischen Ausstattung zu Hause“, heißt es in dem Bericht.

Großes Leistungsgefälle zwischen Bundesländern

Insgesamt haben im Fach Lesen im deutschlandweiten Durchschnitt fast 19 Prozent den Mindeststandard verfehlt, im Zuhören gut 18 Prozent und in der Orthografie sogar 30 Prozent. In Mathematik erreichten 22 Prozent der Schüler nicht den Mindeststandard. Optimale Kompetenzen hatten im Fach Deutsch zwischen sechs und acht Prozent der Viertklässler, in Mathematik knapp elf Prozent. Der Rest bewegte sich im Mittelfeld. Im Vergleich zu 2016 verzeichneten alle Bundesländer einen Negativtrend.

 

 

 

 

Dennoch sind die Leistungsunterschiede zum Teil erheblich. Bayern etwa ist es erneut besonders gut gelungen, die Regel- und Mindeststandards zu sichern. Auch in Sachsen fallen die Ergebnisse signifikant günstiger aus als im Durchschnitt. In Bremen und Berlin wurden die Regelstandards hingegen in allen Kompetenzbereichen seltener erreicht und die Mindeststandards häufiger verfehlt als dies deutschlandweit der Fall ist. Auch in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen fielen die Ergebnisse signifikant ungünstiger aus, heißt es in dem Bericht. Für Mecklenburg-Vorpommern liegen wegen früher Sommerferien keine belastbaren Ergebnisse vor.

Die Förderung von Deutsch sowie mathematischen Vorläuferfähigkeiten müsse bereits in der Kita erfolgen.

Karin Prien, Präsidentin der Kultusministerkonferenz und schleswig-holsteinische Bildungsministerin: Nicht alle auf Corona schieben.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) nannte die Ergebnisse „ernüchternd“. „Wir waren zwar bis 2016 in einzelnen Ländern auf einem guten Weg, die Bildungschancen der Viertklässlerinnen und Viertklässler zu verbessern. Jetzt aber sind wir deutlich zurückgefallen“, sagte Prien. Grund dafür seien nicht nur die Corona-bedingten Lerneinbußen, sondern auch Versäumnisse bei der frühkindlichen Förderung. „Wir investieren in Deutschland zu wenig in den Elementarbereich“, sagte Prien.

Dazu brauche es systematische und frühe Sprachstandserhebungen. Die Förderung von Deutsch sowie mathematischen Vorläuferfähigkeiten müsse bereits in der Kita erfolgen. Durch die starken Flüchtlingsbewegungen habe sich die Zusammensetzung der Schülerschaft seit 2016 deutlich verändert, sagte Prien. „Das hat Auswirkungen auf die Heterogenität und die damit verbundenen Herausforderungen für Lehrkräfte.“

Leistung von Kindern mit Migrationshintergrund lässt stärker nach

Wie massiv die Migration in den Schulen angekommen ist, zeigt ein Blick in die Zahlen. Demnach hat sich der Anteil der Viertklässler, die in zugewanderten Familien aufwachsen, seit dem Jahr 2011 um annähernd 14 Prozentpunkte erhöht und lag 2021 bei etwa durchschnittlich 38 Prozent, bei einer Bandbreite von zwölf Prozent in Sachsen und 58 Prozent in Bremen.

Insgesamt fielen die Kompetenzeinbußen für Kinder mit Zuwanderungshintergrund überwiegend größer aus, sodass selbst bei insgesamt sinkendem Kompetenzniveau die Leistungskluft weiter aufgehe, schreiben die Bildungsforscher. Und ein weiterer allseits bekannter, aber nicht minder unbefriedigender Befund hält sich hartnäckig: der Zusammenhang zwischen Schulerfolg und sozioökonomischem Status.

Der Deutsche Lehrerverband bezeichnete die Studie als „Beleg für einen ungebremsten dramatischen Bildungsabsturz“.

Die IQB-Forscher nannten die Ergebnisse „besorgniserregend“. „Es dürfte weitgehende Einigkeit darüber bestehen, dass solche Zahlen nicht hinnehmbar sind“, schreiben sie. Bei Mindeststandards handele es sich um Anforderungen, die von allen Schülern erreicht werden sollten. „Hierfür haben alle Akteursgruppen im Bildungssystem gemeinsam Sorge zu tragen.“ Prien verwies darauf, dass die Kultusministerkonferenz bereits vor zwei Jahren eine Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) eingesetzt habe, die im Dezember ein Gutachten zur Grundschule vorlegen wolle.

Schuld sei die „jahrelange verfehlte Schulpolitik“.

Der Deutsche Lehrerverband bezeichnete die Studie als „Beleg für einen ungebremsten dramatischen Bildungsabsturz“. Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger warnte davor, den Leistungsabfall vorrangig auf Corona zu schieben. Schuld sei die „jahrelange verfehlte Schulpolitik“, die sich in Nebenkriegsschauplätzen verzettelt habe, „anstatt den Schwerpunkt des Unterrichts an der Grundschule auf den umfassenden Erwerb der zivilisatorischen Grundkompetenzen Lesen, Rechnen und Schreiben zu legen“.

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