Lehrmittelverlag - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Thu, 10 Jun 2021 15:55:33 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Lehrmittelverlag - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Soeben hereingekommen: Grosser Rat will sich vom Schulverlag plus trennen https://condorcet.ch/2021/06/soeben-hereingekommen-grosser-rat-will-sich-vom-schulverlag-plus-trennen/ https://condorcet.ch/2021/06/soeben-hereingekommen-grosser-rat-will-sich-vom-schulverlag-plus-trennen/#comments Thu, 10 Jun 2021 14:05:37 +0000 https://condorcet.ch/?p=8741

Das Kantonsparlament beschliesst den Ausstieg aus der Besitzbeteiligung des Schulverlags plus. Nicht zur Freude der Erziehungsdirektion.

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Michael Ritter, Gymnasiallehrer und Grossrat der GLP im Kanton Bern: lancierte die Motion.

Grossrat Michael Ritter (GLP) reichte im November vergangenen Jahres eine Motion ein, die eine gelenkte Lehrmittelfreiheit forderte. Gleichzeitig mahnte er an, sich von der Beteiligung am Staatlichen Lehrmittelverlag “Schulverlag plus” zu trennen. Der Schulverlag plus gehört zu gleichen Teilen dem Kanton Aargau und dem Kanton Bern. Er ist der Herausgeber der umstrittenen Passepartout-Lehrmittelreihe. Bereits im Dezember 2020 wurde grundsätzlich die Lehrmittelfreiheit beschlossen. Nun beschloss das bernische Kantonsparlament heute mit 94 zu 61 Stimmen, sich auch von seinem Lehrmittelverlag zu trennen.

Bernhard Kobel, ehem. Geschäftsführer des Schulverlags plus

Die bernische Bildungsdirektorin Frau Häsler liess keinen Zweifel daran, dass sie den Verlag gerne behalten würde. Auch SP und Grüne setzten sich für den Beibehalt der Besitzverhältnisse ein.

Der Geschäftsführer Bernhard Kobel, der vergangenen April in unserem Blog für eine Überarbeitung der Passepartout-Lehrmittel plädierte (https://condorcet.ch/2021/04/quo-vadis-mille-feuilles-und-clin-doeil/), kündigte bereits letzten Monat.

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Mündigkeit ist nichts für Feiglinge https://condorcet.ch/2021/01/muendigkeit-ist-nichts-fuer-feiglinge/ https://condorcet.ch/2021/01/muendigkeit-ist-nichts-fuer-feiglinge/#respond Tue, 05 Jan 2021 14:00:24 +0000 https://condorcet.ch/?p=7441

Das Mündigkeitsideal droht in der kompetenzorientierten, digitalisierten Reformhektik ausser Acht zu geraten. Condorcet und seine Frau Sophie waren überzeugt: Wer Mündigkeit fürchtet, will eine Despotie stabilisieren. Alain Pichard schildert in seinem Beitrag, wie er den Mut hatte, jugendliche Mündigkeitsanfänge ernst zu nehmen.

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Alain Pichard. Lehrer Sekundarstufe 1, Orpund (BE): Mündigkeitsanstrengungen ernst nehmen

Eines der Ziele unseres Bildungssystems ist die Erziehung zur Mündigkeit. Der Schlüssel dafür, sein Weltbild an der Realität zu prüfen, sind Aufklärung und kritischer Rationalismus. «Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus einer selbstverschuldeten Unmündigkeit.» So beginnt Immanuel Kant sein Manifest und meint damit, dass wir denken müssen und nicht bloss glauben dürfen. Der 9. Klässler Yamin hat mir die im Unterricht vermittelte Evolutionslehre von Darwin nicht abgenommen. Das war kein Wunder, denn er ist in einem streng religionsgebundenen Haushalt aufgewachsen. Ich beginne diese Unterrichtseinheit jeweils mit der Genesis und konfrontiere die Klasse mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Als alter, von Aebli geprägter Pädagoge handelt es sich bei diesem Einstieg um eine klassische Problemstellung. Eine von mehreren notabene.

Fossilienlücken und Zeitberechnungen

Yamin stieg darauf ein. Er brachte mir eine Broschüre, welche mehr oder weniger die Idee des Kreationismus beinhaltete. Ich mochte diesen aufgeweckten, witzigen Jungen sehr. Zuerst überlegte ich kurz, ob er mir einen Streich spielen wollte. Als ich bemerkte, dass es ihm ernst war, schlug ich ihm vor, der Klasse einen Vortrag zu halten, in welchem er seine Sicht der Dinge darlegen konnte.

Eine Sternstunde

Dies tat er denn auch, und zwar ganz passabel. Natürlich säte er die altbekannten Zweifel, erwähnte die berühmten fossilen Lücken und stellte vor allem die Technik der Altersbestimmungen in Frage, die berühmte Carbon-Methode. Dort erwog er die Möglichkeit, dass damals die Radioaktivität eine ganz andere gewesen sein könnte, woher solle man denn das wissen.

Ich selbst beliess es bei wenigen Fragen, zu sehr war nun das Feuer am lodern.

Nach seinen Ausführungen setzte ihm die Klasse ziemlich zu. Ich staunte über die vielen Argumente, die meine Schüler ihm entgegensetzten. Und er begann ziemlich zu schwimmen, zog sich aber immer wieder recht gut aus der von ihm selbst inszenierten Affäre. Ich selbst beliess es bei wenigen Fragen, zu sehr war nun das Feuer am lodern.

Am Schluss musste ich feststellen, dass es eine dieser pädagogischen Sternstunden war, welche rar gesät sind, mich aber umso beglückter zurücklassen, wenn sie denn mal eintreffen.

Naturwert, Lehrmittel: Geriet in einen Shitstorm

In den 90er Jahren entwickelte ein Team von ehemaligen Seminarlehrkräften und PH-DozentInnen für den Schulverlag Plus (damals noch der Staatliche Lehrmittelverlag des Kt. Bern) eine nicht immer geglückte NMM-Lehrmittelreihe. Sie war stark dem Konstruktivismus und dem Disziplinen übergreifenden Unterricht verpflichtet und liess die meisten Lehrkräfte etwas ratlos zurück. Aber es gab in diesen (viel zu) umfangreichen Ordnern einige pädagogische Trouvailles zu entdecken. Unter anderem die Idee, der Evolutionstheorie und die Lehre des Kreationismus gegenüberzustellen.

Das brachte dem Autorenteam damals einen unerwarteten, aber umso heftigeren Shitstorm ein. Den AutorInnen wurde Antiwissenschaftlichkeit, die Gleichstellung von Sektierertum und wissenschaftlichen Fakten vorgeworfen. In der Öffentlichkeit echauffierten sich die dauerempörten Alleswisser und die Medien – froh um diesen unerwarteten Erregungsvorschlag – nahmen die Affäre gerne auf. Die Politiker sowieso. Da konnte der damalige Leiter des Lehrmittelverlags, Peter Uhr, noch so betonen: “Wir regen zu entdeckendem Lernen an und wollen das Argumentieren fördern.” Am Schluss musste der Verlag den Ordner zurückziehen und ihn an dieser Stelle überarbeiten.

Die Welt war wieder in Ordnung. Auf der Strecke blieben Neugier, Verunsicherung, das Nachdenken und schliesslich die Entwicklung einer eigenen Meinung zu einem komplexen Thema. Vermutlich wurde mit dieser Aktion noch mehr verschüttet.

Ein kompetenzorientiertes Transformationsprogramm ist das Gegenteil von «Mündigmachung». Hier werden Selbstbildungsprozesse verhindert, die einen wichtigen Beitrag zur Reifeentwicklung bilden.

Ein kompetenzorientiertes Transformationsprogramm ist das Gegenteil von «Mündigmachung». Hier werden Selbstbildungsprozesse verhindert, die einen wichtigen Beitrag zur Reifeentwicklung bilden. Das gilt meiner Meinung nach auch bei heiklen Themen wie Klimawandel, Globalisierung, Migration oder der Atomkraft. Neigen die Lehrkräfte zu schnell dazu, zu belehren bzw. die «richtige» Haltung zu vermitteln, kommt es zu einer normativen Festlegung. Und die hat meistens einen sehr kurzfristigen Effekt.

Es ist keine Institution denkbar, die den Menschen das Denken ersparen könnte.

Alexander Mitscherlich formulierte es in «Unfähigkeit zu trauern» treffend: «Es ist keine Institution mehr denkbar, die den Menschen das Denken ersparen könnte, dazu ist die Welt viel zu gefährlich.»

Die Rede ist von Bildung

Achtung: Ich spreche hier von Bildung! Und diese setzt Neugier, Demut und das Wissen um die eigene Grenzen der Erkenntnis voraus, oder wie es Ulf Poschardt in seinem faszinierendem Buch «Mündigkeit» schrieb: «Lernen wird so zu einem Tauschgeschäft wechselseitiger Mündigmachung: eine solidarische Form der Aufklärung.» Das braucht Geduld und manchmal auch Mut. Mündigkeit ist nichts für Feiglinge.

Alain Pichard

 

 

 

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Die Allianz aus Wissenschaft und Verwaltung spielt. Und was tun Lehrerverbände und Medien? https://condorcet.ch/2020/10/die-allianz-aus-wissenschaft-und-verwaltung-spielt-und-was-tun-lehrerverbaende-und-medien/ https://condorcet.ch/2020/10/die-allianz-aus-wissenschaft-und-verwaltung-spielt-und-was-tun-lehrerverbaende-und-medien/#comments Tue, 06 Oct 2020 10:41:30 +0000 https://condorcet.ch/?p=6618

Das Verhalten des renommierten Klett-Verlags ist symptomatisch für die aktuellen Machtverhältnisse. Die Allianz von Verwaltung, Politik und Wissenschaft diktiert den Lehrmittelverlagen die gewünschte Didaktik, und das über die Köpfe der Lehrerschaft hinweg und wider besseres Wissen. Helfen können da nur kritische Lehrerverbände, neugierige Journalisten und die Lehrmittelfreiheit für die Lehrkräfte. Eine Stellungnahme der Redaktion des Condorcet-Blogs.

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Deutungsmonopolisten und Entscheidungsträger im Bildungswesen, namentlich Kaderleute Pädagogischer Hochschulen sowie einflussreiche Beamte kantonaler Bildungsverwaltungen, übten und üben teilweise massiven Druck auf Lehrmittelverlage aus. Diese wiederum müssen sich den rigiden Vorgaben beugen, um Aufträge erhalten und behalten zu können.

Die Passepartout-Lehrmittelreihe: rigide Vorgaben

So wurde etwa einem namhaften Verlag durch die Projektverantwortlichen der PH explizit verboten, Grammatikübungen in das neu entstehende Sprachlehrmittel einzubauen. Einzelne Verlage wie der «Schulverlag plus» setzten die schulpraxisfremden Vorgaben gar derart überbordend um, dass ihre Französischlehrmittel «Mille feuilles» und «Clin d’oeil» in der Zwischenzeit zum Inbegriff untauglicher Lehrwerke geworden sind und von zahlreichen Lehrkräften regelrecht verflucht werden. Unklar bleibt auch, nach welchen Kriterien die einzelnen Verlage ausgewählt wurden, respektive wie das Submissionsverfahren vor sich ging.

Umso wichtiger ist die Rolle der Lehrerverbände. Gerade sie müssten dafür sorgen, dass die Sichtweise der Unterrichtspraktikerinnen und -praktiker permanent eingebracht und mit Nachdruck vertreten wird. Im Baselbiet war der Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland (LVB) damit erfolgreich: Am 24. November 2019 sagten nicht weniger als 85% der Stimmberechtigten Ja zu der vom LVB geforderten Lehrmittelfreiheit, die besagt, dass Lehrpersonen sich in jedem Fach aus einer Liste verschiedener Lehrmittel nach eigenem Gutdünken für eines entscheiden können. Die Monopolstellung einzelner Lehrmittel respektive Lehrmittelverlage ist damit gebrochen worden. Und das Abstimmungsresultat zeigt überdeutlich, dass auch die Bevölkerung keineswegs an starren und einschränkenden Vorgaben festhalten will.

Doch leider scheinen sich nicht wenige Lehrerverbände für Fragen der Lehrmittel gar nicht wirklich zuständig zu fühlen. Anders lässt sich das ohrenbetäubende Schweigen der Verbände kaum erklären.

Dominanz der Bildungsfunktionäre brechen

Würden sich grössere Kantone wie Zürich, Bern oder der Aargau ebenfalls zu solchen Modellen einer erweiterten Lehrmittelfreiheit durchringen, könnte damit schrittweise die unheilvolle Dominanz gewisser PH-Akteure und Bildungsfunktionäre beendet werden. Doch leider scheinen sich nicht wenige Lehrerverbände für Fragen der Lehrmittel (und damit einen Kernaspekt des Unterrichts) gar nicht wirklich zuständig zu fühlen. Anders lässt sich das ohrenbetäubende Schweigen der Verbände in anderen Passepartout-Kantonen, wo sehr viele Lehrkräfte genau gleich unzufrieden sind mit den alternativlos vorgeschriebenen Fremdsprachenlehrmitteln, kaum erklären.

In diesem Fall diskutieren dann sogenannte «Lehrpersonenvertretungen» über Programme, an deren finanziellem Tropf sie selber hängen.

Lehrerverbände als Promotoren?

Lehrmittelverlage an der Leine

Schlimmer noch: Manche Lehrerverbände mischen als Promotoren umstrittener Konzepte und Lehrmittel selber aktiv mit. Dies etwa, indem sie PH-Dozierende als «Lehrpersonenvertretungen» in die entsprechenden Gremien delegieren – so etwa geschehen anlässlich eines interkantonalen Hearings beim damaligen Berner Bildungsdirektor Bernhard Pulver vor einigen Jahren. In diesem Fall diskutieren dann sogenannte «Lehrpersonenvertretungen» über Programme, an deren finanziellem Tropf sie selber hängen. Ganz generell stünde es den Lehrerverbänden gut an, sich gut zu überlegen, wie sinnvoll es ist, wenn sie – wie vielerorts schon geschehen – auch die Gilde der PH-Dozierenden in ihre Reihen integrieren. Wer nämlich alle und jeden vertreten will, vertritt am Ende niemanden mehr wirklich.

Undenkbar, das eigene Renommee zu demontieren

Weltweit anerkannt und überaus erfolgreich

An Baselbieter Schulen können die Lehrpersonen seit August 2020 nun auch auf Lehrmittel international renommierter Lehrmittelverlage zurückgreifen. Für Letztere ist klar, dass sie sich niemals dem Druck hiesiger «Experten» beugen oder dem Ruf nach exotischen didaktischen Konzepten folgen würden. Warum sollten sie auch? Die Cambridge-Prüfungsreihe (First, Advanced, Proficiency) etwa ist weltweit anerkannt und überaus erfolgreich. Undenkbar wäre es für so einen Verlag, mit der Beteiligung an einem lokal kreierten didaktischen Hirngespinst das über Jahrzehnte erarbeitete eigene Renommee zu demontieren.

Was tun die Medien?

Und die Medien? Ihre Aufgabe wäre es, im Bereich der Bildung genau so kritisch und unbestechlich den Entscheidungsträgern auf die Finger zu schauen wie in anderen Sparten der Politik und Wissenschaft. In den letzten Jahren haben gerade Kritiker der sogenannten Didaktik der Mehrsprachigkeit wiederholt versucht, verschiedene Journalisten für das brisante Thema zu sensibilisieren – leider nur mit mässigem Erfolg. Immerhin haben die Basler Zeitung, die NZZ, die Weltwoche sowie der SRF-Journalist Rafael von Matt gewisse Punkte aufgenommen und zuweilen auch in Kommentaren unterstützt.

An zu vielen Orten aber stossen «kritische Bildungs-Geister» in Medienhäusern auf taube Ohren. Allzu oft geben sich Presseleute mit den verheissungsvollen Versprechungen der Promotoren vorschnell zufrieden – und werden erst dann allenfalls hellhörig, wenn ihre eigenen Kinder direkt von fehlgeleiteten Entwicklungen an den Schulen betroffen sind.

Bildungsseiten werden von PH aufgekauft!

PH FHNW kauft ganze Bildungsseiten

Ein höchst ungutes Gefühl hinterlässt zudem die Tatsache, dass etwa die PH FHNW in den Nordwestschweizer Printmedien regelmässig ganze «Bildungsseiten» einkauft, um darauf in Eigenregie und ohne jede externe Kommentierung durch Medienschaffende ihre eigenen Sichtweisen und Ziele auszubreiten. Kann man den Medienhäusern, die aus bekannten strukturellen Zwängen heraus im 21. Jahrhundert nicht mehr auf Rosen gebettet sind, diese Einnahmequellen verübeln? Wohl kaum. Lässt einen diese Form von Verbandelung zwischen Bildungsinstitution und Presse an der journalistischen Unvoreingenommenheit zweifeln? Leider ja.

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