Hattie - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Thu, 14 Mar 2024 07:58:59 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Hattie - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Eine gerechte(re) Bildung?! Eine Replik an Jürg Leuenberger https://condorcet.ch/2024/03/eine-gerechtere-bildung-eine-replik-an-juerg-leuenberger/ https://condorcet.ch/2024/03/eine-gerechtere-bildung-eine-replik-an-juerg-leuenberger/#comments Thu, 14 Mar 2024 06:33:16 +0000 https://condorcet.ch/?p=16189

Condorcet-Autor Felix Hoffmann antwortet Jürg Leuenberger, der von der Schule mehr Bildungsgerechtigkeit fordert. Er kritisiert Leuenbergers Aussagen als zu vage und nennt andere Prioritäten.

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Was ist Gerechtigkeit?

Leuenbergers Text beginnt mit der Frage nach Gerechtigkeit. Hier würde man sich als Leser eine Definition für die Begrifflichkeit erwarten oder zumindest eine Vorstellung davon. Stattdessen werden in verkürzter Fassung die Gedanken eines Wirtschaftswissenschaftlers bzw. einer

Felix Hoffmann, BL, Sekundarlehrer, Condorcet-Autor:

Rechtswissenschaftlerin wiedergegeben, wonach das Gemeinwesen alles Zumutbare dafür zu tun habe, dass sich eine Person gemäss ihren Fähigkeiten entwickeln und an der Gesellschaft gleichberechtigt teilhaben könne. Diese hehre Zielvorstellung hat allerdings weniger mit Gerechtigkeit zu tun als mit der wünschenswerten Ermächtigung zu einer individuellen Entwicklung einerseits und mit einer Grundbedingung für das Funktionieren demokratischer Staatswesen andererseits. Letztere sind jedoch nicht per se gerecht. Das Konzept der Gerechtigkeit wird beispielsweise arg strapaziert, wenn bei einer Stimmbeteiligung von 30% 16%, also eine Minderheit von etwa 7% der Gesamtbevölkerung, für die grosse Mehrheit einen Kurs vorgibt. Und auch Unrechtsregime wie Russland oder China betreiben ganz gezielt individualisierte Talentförderung mit entsprechenden Glanzleistungen im Sport, wenn man von Doping grosszügig absieht.

Ungerechtigkeiten sind unumgänglich

«Es ist stossend, dass im aktuellen System offenbar eine Ungerechtigkeit innewohnt, ja gepflegt wird, ohne dass sich die Trägerschaft und die Verantwortlichen darum scheren.» Diese Aussage wird an Studien festgemacht. Doch solche bedarf es überhaupt nicht. Ein Blick in die Praxis reicht und man kommt zur gleichen Einsicht. Denn wie sollten sämtliche Ungerechtigkeiten im Schulbetrieb – so viele sind es nicht und es werden in Leuenbergers Text auch keine erwähnt – ausgemerzt werden? Hier arbeiten Menschen mit Menschen, wie sollte es da perfekt zu und her gehen?!? Imperfektion ist u.a. das, was uns Menschen zu dem macht, was wir nun mal sind: Mängelwesen, und zwar in allen Bereichen. Es wird doch wohl niemand glauben, der Schulbetrieb würde gerechter, wenn wir ihn über Reformen auf den Kopf stellen, beispielsweise mittels der Abschaffung von Noten oder der Selektion. Hermann Giesecke meinte in diesem Zusammenhang: «So ziemlich alles, was die moderne Pädagogik für fortschrittlich hält, benachteiligt Kinder aus bildungsfernem Milieu[1] Verantwortlich für Ungerechtigkeiten sind weniger die Strukturen als vielmehr der Mensch, der in deren Rahmen arbeitet. Wollen wir sämtliche Ungerechtigkeiten im Schulbetrieb radikal ausmerzen, müssen wir den Menschen beseitigen.

Und der Ruf nach Kriterienkatalogen anstelle von Noten ist absurd, denn jeder vernünftigen Notengebung liegen Kriterien zugrunde.

Hermann Giecke: 1932 -2021 Erziehungswissenschaftler: Nicht im Interesse der unterprivilegierten Schichten

Wollen wir die Demokratie abschaffen wegen des oben erwähnten Elements der Ungerechtigkeit? Oder sollten wir sie «gerechter» machen, indem wir die Nichtbeteiligung daran unter Strafe stellen? Ist sie dann gerechter? Gewisse Ungerechtigkeiten im Leben lassen sich nicht verhindern, nur ersetzen durch andere. Ein gewisses Element der Ungerechtigkeit bei Noten lässt sich jedenfalls nicht abwenden durch Lernberichte, im Gegenteil. Bei Letzteren ist das Ungerechtigkeitspotential um einiges grösser als bei Noten. Und der Ruf nach Kriterienkatalogen anstelle von Noten ist absurd, denn jeder vernünftigen Notengebung liegen Kriterien zugrunde. Und sollten Lehrkräfte gefordert sein mit einer vernünftigen Notengebung, wären sie mit Lernberichten überfordert. Die Basler Orientierungsschule (OS) ist vor bald zehn Jahren nicht zuletzt daran gescheitert, dass der Lehrkörper mit dem horrenden administrativen Mehraufwand durch Lernberichte völlig überlastet war.

So wichtig und wertvoll die Linke in der Politik an sich ist, so nervtötend ist sie für Lehrkräfte in der Bildungspolitik.

Der ganzen Debatte um Gerechtigkeit im Schulbetrieb liegt der Irrglaube vieler linker Ideologinnen zugrunde, die Gesellschaft liesse sich gerechter gestalten über eine gerechtere Schule. Diese will sie über Reformen auf Grundlage solch illusorischer Konstrukte wie der Chancengerechtigkeit  realisieren. Schule jedoch ist das Abbild der Gesellschaft und nicht umgekehrt. Folglich muss bei der Gesellschaft angesetzt werden. Insofern ist die traditionell linke Zwängerei in der Bildungspolitik eine Kapitulation getreu der Devise: Wenn wir die Gesellschaft schon nicht gerechter machen können, reformieren wir halt die Schule. Und dies tut die Linke denn auch seit Jahrzehnten mit viel Leidenschaft, ideologischer Schwärmerei und grossem Schaden im Schulbetrieb. Wie erfolgreich die Linke sein kann, wenn Sie sich auf das Wesentliche zurückbesinnt, ist nicht zuletzt am Erfolg der 13. AHV-Rente abzulesen. Dank und Gratulation an dieser Stelle. So wichtig und wertvoll die Linke in der Politik an sich ist, so nervtötend ist sie für Lehrkräfte in der Bildungspolitik.

Durch die blosse Erwähnung unterschiedlichster Aspekte in unmittelbarer textlicher Nachbarschaft leidet bedauerlicherweise die Textkohärenz. Dies umso mehr, wenn Fragen aufgeworfen, aber nicht beantwortet werden.

Selbstdemontage und Unbestimmtheit

Bis hierhin dreht sich Leuenbergers Text um Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit, wenn auch ohne aufzuzeigen, worin denn letztere im Schulbetrieb eigentlich besteht, sowie um den nicht explizit ausgedrückten Wunsch nach Veränderung. Im weiteren Verlauf wird dann allerdings das eigene Anliegen hinterfragt, durch die Hervorhebung der Komplexität der Thematik und die Frage, was denn eigentlich verändert werden müsste. Anschliessend ist die Rede von der Messbarkeit der Bildung und von der Frage, was letztere denn sei. Durch die blosse Erwähnung unterschiedlichster Aspekte in unmittelbarer textlicher Nachbarschaft leidet bedauerlicherweise die Textkohärenz. Dies umso mehr, wenn Fragen aufgeworfen, aber nicht beantwortet werden.

Reformen stets im top-down-Verfahren durchgedrückt.

Zu einer weiteren Schwächung des eigenen Rufs nach Veränderung kommt es durch die Forderung: «Jede Schule sollte die Möglichkeit haben, sich so zu entwickeln, wie das Kollegium, die Eltern und die Gemeinde das mittragen können.» Insbesondere in ländlichen Regionen ist das Verlangen nach Veränderung traditionell bescheiden. Hier ist die Landwirtschaft prägend, die sich durch eine jahrein jahraus konstante Abfolge von Arbeitsprozessen auszeichnet. Verkürzt und vereinfacht: Es bleibt hier stets alles gleich, worin der ländliche Konservatismus zum Ausdruck kommt. Abgesehen davon, war keine der von Bildungsindustrie, -politik und -administration konzertierten Schulreformen der letzten Jahrzehnte jemals mit Gemeinden, Eltern oder Lehrkräften abgesprochen. Sie wurden und werden stets im top-down-Verfahren durchgedrückt, ohne Testphasen, vorgängige Wirksamkeitsstudien oder Pilotprojekte, und zwar zumeist gegen den Willen der Unterrichtenden. Diese aber ziehen es vor, sich in Ruhe um Ihre SchülerInnen zu kümmern, anstatt laufend neue Strukturen zu implementieren, und sich mit den negativen Konsequenzen ständiger Veränderungen abzuplagen. Mittels permanenter Veränderungen am Laufband kombiniert mit administrativem Mehraufwand fördert man bestimmt nicht Gerechtigkeit, aber ganz sicher den Lehrermangel. In der jeweils behaupteten Alternativlosigkeit von Schulreformen gegen den Willen des Lehrkörpers steckt der Samen des Scheiterns.

Was soll denn das bitte sein, eine neue Grammatik der Schule? Tschopp bemüht hier eine für ReformideologInnen typische Floskel ohne jeglichen definierten Inhalt.

Im nächsten Abschnitt werden exakte Zahlen zur Anzahl unterschiedlichster Schulstufen genannt. Nur bei der Behauptung, wonach «viele» Schulen «sich mit dem herkömmlichen System zuweilen schwertun» fehlen solche. Ein Schelm, wer hier Böses denkt. Auch bei der unreflektierten Widergabe von Rahel Tschopps Forderung nach einer «neuen Grammatik der Schule» bleibt alles im Vagen. Was soll denn das bitte sein, eine neue Grammatik der Schule? Tschopp bemüht hier eine für ReformideologInnen typische Floskel ohne jeglichen definierten Inhalt. Es verhält sich hier wie beim Sex: Frivolity sells. Weitere Floskeln finden sich beispielsweise hier.[2]

John Hattie: Es kommt nicht auf Strukturen an

Spätestens seit Hattie wissen wir, worauf es in der Schule ankommt: nicht auf Strukturen, nicht auf Reformen, nicht auf unterschiedliche Schultypen, nicht auf unterschiedliche Bewertungssysteme und auch nicht auf die Höhe der Bildungsausgaben – die Schweiz hat mitunter die höchsten und produziert dennoch immer mehr SchulabgängerInnen, die des Lesens kaum mächtig sind.[3] «Der entscheidende Faktor für schulischen Bildungserfolg ist in den Haltungen von Lehrpersonen zu sehen.»[4] Diese Haltungen verbessern sich ganz bestimmt nicht, wenn man Lehrkräften ständig neue unbedarfte Reformen und mehr administrative Aufgaben aufs Auge drückt. Was der Reformindustrie an Hatties Befund stört: Es lässt sich mit den Haltungen von Lehrpersonen schlecht Geld verdienen.

Die Ablehnung der Verkommerzialierung der Schule ist allerdings nicht gleichzusetzen mit Verschlossenheit Neuem gegenüber. So wäre es beispielsweise absolut zu befürworten, wenn PolitikerInnen oder andere PromotorInnen zur Rechenschaft gezogen werden könnten, wenn ihre Schulreformen kostenintensiv und zum Schaden der Lernenden scheitern, wenn keine Reformen ohne vorgängige Wirksamkeitsstudien oder Pilotprojekte durchgesetzt werden dürften, wenn Reformen nach einer Anfangsphase evaluiert und bei schlechtem Ergebnis gestoppt würden usw. Das alles wären dringende Erneuerungen und recht eigentlich Selbstverständlichkeiten. Warum werden sie in der Bildungspolitik nicht umgesetzt? Weil Mammon das Nachsehen hätte und PolitikerInnen das Gesicht verlieren könnten.

Später im Text wird, zusammengefasst, der dominante Einfluss der Wirtschaft auf die Schule beklagt und dass die Lehrerschaft beim Entwurf von Reformen kaum je Partizipationsmöglichkeiten hat: Schulen «…reagieren immer nur und haben kaum Gelegenheit zur aktiven Mitgestaltung.» Dennoch wird insbesondere nach den beiden umfangreichen Reformprojekten der nationalen Umstellung auf Kompetenzen und der Digitalisierung bereits die nächsten Veränderungen befürwortet. Dies obwohl, keine der zuvor genannten Mammutreformen den Versprechungen gerecht wird, die uns bei deren Lancierung gemacht wurden, und obwohl es keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass die Lehrpersonen bei den nächsten Reformen eine stärkere Mitbestimmung haben werden.

Schlusswort

Wenn einem der Schulbetrieb Unbehagen bereitet, ist der reflexartige Ruf nach irgendwelchen Veränderungen, ohne sie beim Namen zu nennen, der falsche Weg. Zunächst müssen die echten Schwachstellen erkannt und benannt werden. Solche bestehen bestimmt nicht in der Notengebung oder der Selektion. Vielmehr besteht dringender Handlungsbedarf beispielsweise beim Lehrermangel, bei den völlig ungenügenden Lesefertigkeiten von zu vielen Lernenden sowie bei den gesundheitlichen Risiken für unsere Jungen infolge der Digitalisierung. In Theodor Fontanes Worten ist letzteres ein ganz weites Feld.

[1] https://condorcet.ch/2024/02/16009/

[2] https://condorcet.ch/2024/02/christian-mueller-und-joerg-berger/ oder

https://condorcet.ch/2024/02/sparen-bei-der-bildung-ist-da-was/

[3] https://www.20min.ch/story/jeder-zweite-15-jaehrige-tut-sich-mit-lesen-schwer-635549074931 oder

https://www.tagesanzeiger.ch/pisa-studie-jeder-vierte-schweizer-jugendliche-kann-schlecht-lesen-577085954895

[4] https://www.orellfuessli.ch/shop/home/artikeldetails/A1048659609

 

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Toxische Bildungsideologien https://condorcet.ch/2023/06/toxische-bildungsideologien/ https://condorcet.ch/2023/06/toxische-bildungsideologien/#respond Thu, 08 Jun 2023 04:21:34 +0000 https://condorcet.ch/?p=14250

Das neuste Video von Condorcet-Autor Bernhard Krötz hat für viel Aufsehen gesorgt. Die schonungslose Abrechnung mit dem aktuellen Mathematik-Unterricht wird nun auch in Lehrerforen und in der Bildungsbürokratie diskutiert. In einem späteren Beitrag werden wir eine der vielen Repliken aufschalten, ganz im Sinne unseres Selbstverständnisses: Wir suchen die offene Debatte.

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Effektiv unterrichten – von Klaus Zierer https://condorcet.ch/2022/04/effektiv-unterrichten-von-klaus-zierer/ https://condorcet.ch/2022/04/effektiv-unterrichten-von-klaus-zierer/#respond Mon, 11 Apr 2022 09:18:22 +0000 https://condorcet.ch/?p=10769

Prof. Dr. Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, gilt im deutschsprachigen Raum als der führende Hattie-Experte. Zudem bringt er sich regelmässig in bildungspolitische Debatten ein und gilt als einer der einflussreichsten Schulpädagogen in Deutschland. In diesem Vortrag fordert er eine bildungsphilosophischen Fundierung des Diskurses und deren Absicherung durch Ergebnisse der empirischen Bildungsforschung. Er räumt auch mit vielen Mythen in der gegenwärtigen Bildungsdebatte auf, die namentlich von PH-Kreisen munter kolportiert werden.

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Anmerkungen zur Schulreform im Zeitalter der Digitalisierung – Teil 2 https://condorcet.ch/2021/10/anmerkungen-zur-schulreform-im-zeitalter-der-digitalisierung-teil-2/ https://condorcet.ch/2021/10/anmerkungen-zur-schulreform-im-zeitalter-der-digitalisierung-teil-2/#respond Tue, 12 Oct 2021 15:43:33 +0000 https://condorcet.ch/?p=9496

Im 2. Teil seiner Ausführungen "Anmerkungen zur Schulreform im Zeitalter der Digitalisierung" beschäftigt sich Professor Jürgen Oelkers mit dem "selbstregulierten Unterricht" und relativiert dessen Wirksamkeit. Ausführlich geht er auf die Meta-Studie von John Hattie ein.

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Jürgen Oelkers, emer. Professor der Universität Zürich: Schulen haben das Monopol der Wissensvermittlung verloren, sind aber für Bildungsprozesse nicht überflüssig.

3. Selbstorganisiertes Lernen

In der neueren Literatur zur Schulentwicklung und Didaktik werden Lehrerinnen und Lehrer oft als „Coach“ bezeichnet, um damit einen entscheidenden Unterschied und eine Zukunftsoption auszudrücken. Der Duden sieht inzwischen auch die «Coachin» vor, wenn es sich um eine weibliche Person handelt. (7)

  • Ein Coach/eine Coachin begleitet den individuellen Lernprozess einer Person oder einer Gruppe vom Beginn bis zum Ziel.
  • •Lehrerinnen und Lehrer unterrichten eine Klasse in einem Fach oder einem Lernbereich gemäss Zielen, die weder der Lehrer/die Lehrerin noch die Klasse sich selbst setzen kann.

Mindestens gilt das für den Unterricht in staatlichen Schulen, die Lehrpläne voraussetzen, die Lernzeit regulieren und den Ort des Lernens vorgeben. Aber warum sollen dann Lehrerinnen und Lehrer plötzlich zu «Coaches» werden? Ein zentraler Grund ist, dass sie ein Lernen begleiten sollen, das sich selbst gestaltet.

Die neuen Medien aber brauchen keinen Coach, sondern nur Selbstinstruktion.

Ein „Coach“ ist eine Art Mentor, der nicht über Jahre unterrichtet und versucht, nach Plan Lernen anzuregen, sondern der individuelle Projekte begleitet, die befristet sind und den Mentor nur zu bestimmten Zwecken brauchen. Gelernt wird dann nicht mehr in einer begrenzten schulischen Lernumgebung, sondern frei, an jedem Ort und zu jeder Zeit. «Deschooling society» nannte das Ivan Illich vor nunmehr fünfzig Jahren.

Die neuen Medien aber brauchen keinen Coach, sondern nur Selbstinstruktion. Ihnen ist gemeinsam, dass sie sofort und ganz individuell genutzt werden können, ihre Lernwege sind leicht und weitgehend voraussetzungsfrei, verlangen also praktisch keine Qualifikation. Auch verfolgen sie keine eigenen Ziele, ausgenommen die Beeinflussung und Bindung des Nutzungsverhaltens. Was sie inhaltlich bieten, ist beliebig erneuerbar und kennt weder Wissenshierarchien noch Barrieren wie die soziale Herkunft oder mangelhaftes Vorwissen. Smartphones sind sozusagen kinderleicht.

Zudem gibt es – anders als in der traditionellen Schule – keine bestimmte Autorität mehr, die das Niveau der Auseinandersetzung vorgeben und kontrollieren könnte. Die historisch beispiellose Beschleunigung des Lernens und der Wahrnehmung (8) bei schnell wechselnden Themen und scheinbar gefahrlosem Löschen verhindert auch eine Verantwortungskontinuität. Eine Diskussion im Netz hat keinen definitiven Ertrag, weil es kein Ende mehr gibt; es kann immer nur weitergehen. Mit einem Bonmot könnte man sagen: „To be is to be updated”. (9)

Andere Entwicklungen brauchen Schulen, aber werden sie vollständig auf den Kopf stellen. Ein kommender Technologiesprung wird mit dem System der „Blockchains“ gegeben sein, also einem System dezentraler Datenbanken, die für verschiedene Zwecke eingesetzt werden. Die Möglichkeiten reichen von alternativen Währungen und Zahlungssystemen über intelligente Verträge, Buchführung, persönliche Dokumentation bis hin zum E-Voting und der Prognose der Finanzen.

Das ist mehr als nur Theorie: Am 22. September 2017 hat die Regierung von Malta in Gestalt des Bildungsministeriums einen Vertrag mit der Firma Learning Machine Technologies geschlossen, mit dem das erste nationalstaatliche Pilotprojekt von „blockchain credentials“ auf den Weg gebracht wird. Wer dem Projekt beitritt, also potentiell jeder, der in Malta lernt und arbeitet, kann alle Dokumente des lebenslangen Lernens an einem Ort aufbewahren und verwalten, zudem kann jeder nachweisen, dass die Dokumente ihm gehören und sie zugleich mit jedem in der Welt teilen. (10)

Was man lernt, wird auf einem Konto festgehalten und in „edublocks“ dokumentiert, wobei „Lernen“ formell wie informell erfolgen kann. Mit dem Konto ist man überall kreditwürdig, wo Lernen angeboten wird, man kann selbst wählen und Schulen wären dann ein Anbieter unter vielen. Das Schlagwort lautet: „Learning is earning“.

Edublocks: überall kreditwürdig

Blockchains, die mit der Alternativwährung Bitcoins entwickelt wurden, (11) werden inzwischen vom World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen zur Erleichterung des Zahlungsverkehrs eingesetzt und sind auch im Bildungsbereich zunehmend spürbar. Was man lernt, wird auf einem Konto festgehalten und in „edublocks“ dokumentiert, (12) wobei „Lernen“ formell wie informell erfolgen kann. Mit dem Konto ist man überall kreditwürdig, wo Lernen angeboten wird, man kann selbst wählen und Schulen wären dann ein Anbieter unter vielen. Das Schlagwort lautet: „Learning is earning“.

Das ist für pädagogische Ohren ziemlich schockierend und das bestimmende Schlagwort in der heutigen Schulreformdiskussion sind denn auch nicht – oder noch nicht – „edublocks“, sondern „selbstreguliertes“ oder „selbstgesteuertes“ Lernen, das mit dem Konstruktivismus aufgekommen ist.

Das Auswendiglernen etwa, das oft verpönt wird, spielt in der Festigung der Kognitionen eine wichtige Rolle, ebenso das Üben, was man erst merkt, wenn es niemand mehr macht.

Was ist der Preis?

Das „selbstorganisierte Lernen“ spielt in der heutigen Unterrichtsentwicklung auch in der Schweiz eine zentrale Rolle. Aber stimmt die Annahme, dass sich dadurch der Unterricht auf breiter Basis verbessern würde? Die Antwort lautet: nicht einfach als Schlagwort und auch als Konzept nicht ohne einen Preis.

Das Auswendiglernen etwa, das oft verpönt wird, spielt in der Festigung der Kognitionen eine wichtige Rolle, ebenso das Üben, was man erst merkt, wenn es niemand mehr macht. Das gilt als «konservativ», aber wäre in Musik oder Sport ziemlich desaströs und hätte auch bei einer Theaterprobe Grenzen. Es kommt also immer darauf an, auf welche Praxis man eine Methode bezieht und was dabei zur Bewältigung der Aufgaben erforderlich ist.

Selbstorganisieres Lernen ist kein einfaches Konstrukt.

Das gilt auch für das «selbstorganisierte Lernen» (Miller/Oelkers 2021). Die Bandbreite ist gross, sie reicht von erweiterter Hausaufgabenbetreuung bis zum Lernen nach eigenem Tempo und freier Suche bei gegebenen Zielen. Aber in keinem Fall entscheiden die Schülerinnen und Schüler selbst darüber, was sie lernen. Eher geht das Bemühen dahin, sie stärker und nachhaltiger am Lernprozess zu beteiligen. Und heute sind «SOL»-Phasen zumeist eingebunden in eine Tagesstruktur, die auch «Inputs» der Lehrpersonen kennt. Purismus führt nicht weiter, man muss den richtigen Mix finden.

Die empirischen Arbeiten und das Theoriekonzept stammen aus der Psychologie. Oft wird dabei folgende Bestimmung zugrunde gelegt:

„Selbstreguliertes Lernen ist ein aktiver, konstruktiver Prozess, bei dem der Lernende sich Ziele für sein Lernen selbst setzt und zudem seine Kognitionen, seine Motivation und sein Verhalten in Abhängigkeit von diesen Zielen und den gegebenen äusseren Umständen beobachtet, reguliert und kontrolliert“ (Otto/Perels&Schmitz 2011, S. 34). (13)

Im Rahmen dieser allgemeinen Definition, die nicht auf die staatliche Schule zugeschnitten ist, wird deutlich, dass «selbstreguliertes Lernen» kein einfaches Konstrukt ist, sondern aus einer Vielzahl von Variablen besteht, die zusammenspielen müssen, wenn das Lernen effektiv sein soll.

Aber selbst wenn das der Fall ist, muss der Kontext der Schule berücksichtigt werden, also nicht einfach nur die Psychologie:

  • Die Ziele sind vorgegeben und werden nicht frei gewählt, wie dies in der allgemeinen Definition des selbstregulierten Lernens angenommen wird.
  • •Die jeweilige Lernsituation ist nicht je neu und einmalig, sondern geprägt von Vorerfahrungen und gekennzeichnet von Routinen, die Anpassungsleistungen an die Institution Schule darstellen.
  • Die Lernenden befinden sich in der Rolle von Schülerinnen und Schülern, sie sind abhängig und müssen lernen, was der staatliche Lehrplan vorgibt.
Die Schülerinnen und Schüler können auch nur so tun, als ob sie „selbstreguliert” arbeiten.

Dabei gibt es natürlich grosse Spielräume für das, was dann tatsächlich im Unterricht realisiert wird. Andererseits wird der institutionelle Rahmen oft vernachlässigt, wenn in der didaktischen Literatur von „selbstreguliertem“ Lernen die Rede ist. Und der Begriff deckt noch eine andere ganz andere Seite ab, die in der Didaktik ebenfalls nicht vorgesehen ist.

  • Im Rahmen der Institution lernen die Schülerinnen und Schüler auch subversiv, nämlich wie die Anforderungen des Unterrichts umgangen werden können,
  • oder strategisch, nämlich wie sich mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Ertrag erreichen lässt.
  • Das Lernen ist „selbstreguliert“, aber nicht im Sinne der Schule.

Weiter bilden die Schülerinnen und Schüler über „Schule“ und „Unterricht“ informelle Meinungen heraus, die das tatsächliche Lernen oft mehr beeinflussen als das offizielle Lernsetting der Schule. Es handelt sich dabei um hoch elaborierte Kognitionen, die vor allem in der Peer-Kommunikation gebildet und stabilisiert werden, also nicht greifbar sind für die Lehrenden (Chiapparini 2012).

Die Anstrengungsbereitschaft verteilt sich nicht einfach mit dem Interesse, wie oft angenommen wird, sondern reagiert auch auf Notlagen.

Die Schülerinnen und Schüler können auch nur so tun, als ob sie „selbstreguliert arbeiten“. Andererseits werden sie im Blick auf die Ziele den notwendigen Ressourceneinsatz kalkulieren und keineswegs immer „intrinsisch motiviert“ vorgehen, schon weil kaum eine Schülerin und kaum ein Schüler sich für das gesamte Angebot der Schule gleich interessiert. Sie machen immer einen Unterschied, was sie gerne lernen und was nicht.

Die Anstrengungsbereitschaft verteilt sich nicht einfach mit dem Interesse, wie oft angenommen wird, sondern reagiert auch auf Notlagen, etwa auf die Folgen der Nichterreichung von Lernzielen oder die drohenden Selektionen an den Schnittstellen. Motivation durch Noten könnte man das nennen, und sie sichert nicht selten den Schulerfolg oder die Berechtigung.

Probleme wie diese werden in der didaktischen Literatur gemieden oder normativ bestritten, obwohl sie nicht verschwinden werden und das Lernen mehr oder weniger stark beeinflussen. Auch im Falle der Lernstrategien überwiegen Modellannahmen, die unabhängig vom tatsächlichen Erfahrungsraum „Schule“ gedacht werden. Strategisch sind auch Subversionen, die die Ziele der Schule unterlaufen oder den Anliegen ihrer Leitbilder widersprechen.

4. Zur Frage der Wirksamkeit

Hattie-Studie: ziemlich unkritisch rezipiert, gleichwohl bedeutend

Auf der anderen Seite sind der Lehrer und die Lehrerin der zentrale Garant für die Wirksamkeit des Unterrichts, den wir alle kennen. Das weiss man eigentlich seit längerem und diese Gewissheit ist bekanntlich durch die Hattie-Studie auch empirisch bestätigt worden. Diese Studie, die vor fünfzehn Jahren erschienen ist, erregte grosses Aufsehen und wurde stürmisch, aber auch ziemlich unkritisch rezipiert.

Inzwischen gibt es fünf hauptsächliche Kritikpunkte: (14)

  • Grundlage der Metastudie sind viele einzelne Studien, die wesentlich auf die angelsächsischen Bildungssysteme ausgerichtet waren.
  • Ausgewertet wurde nur die englischsprachige Literatur.
  • Der Fokus lag allein auf quantitativen Leistungsdaten in wenigen Fächern.
  • •Die Unterschiede in den nationalen Bildungskulturen spielten keine Rolle.
  • •Digitale Klassenzimmer gab es in den Studien noch nicht.

Gleichwohl sind die Ergebnisse beachtenswert, auch wenn sie vielfach auf eine Botschaft verengt worden sind, die in der Professionsliteratur immer schon eine grosse Rolle gespielt hat, nämlich dass es «auf den Lehrer ankommt». Die Formel stammt aus dem 19. Jahrhundert, daher besteht kein Genderproblem.

Der Unterricht macht den Unterschied, aber unterrichtet wird verschieden und nicht alle Lehrpersonen sind gleich erfolgreich in der Beförderung des Lernens.

Doch wenn heute – auch unabhängig von Hattie – in der angelsächsischen Diskussion gesagt wird, „teachers make the difference“ (15), dann ist das zunächst nur ein Mantra. Der Unterricht macht den Unterschied, aber unterrichtet wird verschieden und nicht alle Lehrpersonen sind gleich erfolgreich in der Beförderung des Lernens.

Nicht alle Lehrpersonen sind gleich erfolgreich in der Beförderung des Lernens.

Bestimmte Lehrkräfte erfüllen die Aufgaben besser als andere und die kritische Frage ist, bis zu welchem Grad das der Fall ist. Hattie sagt das auch deutlich: Nicht alle Lehrerinnen und Lehrer unterrichten „effektiv“, nicht alle sind „Experten für Lernen“ und nicht alle haben grossen Einfluss auf die Lernenden. Die wichtige Frage ist, in welchem Ausmass sie Einfluss auf die Leistungen haben und was den grössten Unterschied macht. (16) Es geht also um die Qualität der Lehrpersonen und nicht um das Mantra.

Dieses Feld der Qualität umfasst bei Hattie acht Punkte. Die ersten drei werden wie folgt bestimmt:

Worauf es ankommt, ist:

  • die Qualität des Unterrichts, so wie die Schülerinnen und Schüler sie wahrnehmen,
  • die Erwartungen der Lehrpersonen an sich selbst und die Lernenden,
  • •die Konzeptionen der Lehrpersonen über Unterricht, Leistungsbeurteilung sowie über die Schülerinnen und Schüler.

Der letzte Punkt bezieht sich auf die Sichtweisen (views) der Lehrerinnen und Lehrer, etwa ob sie glauben, dass alle Schülerinnen und Schüler Fortschritte machen können und ob die Leistungen sich ändern können oder stabil bleiben. Ein Problem ist auch, wie der Lernfortschritt von den Lehrpersonen verstanden und artikuliert wird, also wem oder was sie den Fortschritt zuschreiben und wie die Lernenden davon in Kenntnis gesetzt werden. Wenn der entscheidende Faktor etwa in der sozialen Herkunft gesehen wird, dann ziehen Lehrkräfte andere Schlüsse, als wenn sie primär die Begabung in den Vordergrund stellen.

Die fünf weiteren Punkte für den Einfluss der Lehrkräfte auf die Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler sehen so aus:

  • die Offenheit der Lehrkräfte oder wie sie darauf eingestellt sind, sich überraschen zu lassen,
  • •das sozio-emotionale Klima im Klassenzimmer, wo Fehler und Irrtümer nicht nur toleriert werden, sondern willkommen sind,
  • die Klarheit, mit der die Lehrpersonen Erfolgskriterien und Leistungsanforderungen artikulieren,
  • die Unterstützung der Lernanstrengung,
  • das Engagement aller Schülerinnen und Schüler.

(Hattie 2009, S. 34).

Das sind Idealisierungen und der «ideale Lehrer» bestimmt in verschiedenen – meistens männlichen – Ausrichtungen die Professionsliteratur seit dem 17. Jahrhundert. Die Frage könnte dann auch lauten, warum immer das Ideal betont wird und keine Diskussion ohne ein Ideal auskommt. Das gilt auch für die Ideale des Unterrichts, einschliesslich denen der Förderung.

Deutsche Studien zeigen, dass offene Lerngelegenheiten im Blick auf individuelle Förderung, wenn überhaupt, dann eher im affektiven Lernbereich wirksam sind und kognitive Kompetenzen dadurch kaum beeinflusst werden (Klieme/Warwas 2011). Fördern kann man auf verschiedene Weisen, die aber nie einfach als Konzept überlegen sind; auch Formen des Trainings oder adaptiver Unterricht sind im Blick auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler nur dann wirksam, wenn sie didaktisch durchdacht und gut strukturiert sind.

Wenn es «auf den Lehrer» ankommt und historisch rasant zunehmend auch «auf die Lehrerin», dann hat das auch mit der «vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand» zu tun und nicht nur mit Merkmalen wie eine effiziente Klassenführung.

Zu diesem Schluss kommt auch eine deutsche Metastudie zum Einfluss der Lehrpersonen auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler (Lipowsky 2006): Ein Unterricht, der durch stärker schülerorientierte Arbeitsformen gekennzeichnet ist, kann dann in seiner Effektivität gesteigert werden, wenn die Schülerinnen und Schüler «über Techniken, Strategien und Kompetenzen verfügen, ihre Arbeitsprozesse zu strukturieren und zu steuern» (ebd., S. 64/65). Das Konzept der «Selbststeuerung» für sich genommen ist nur rhetorisch von Bedeutung.

Wenn es «auf den Lehrer» ankommt und historisch rasant zunehmend auch «auf die Lehrerin», dann hat das auch mit der «vertieften inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand» zu tun (17) und nicht nur mit Merkmalen wie eine effiziente Klassenführung. Zu der inhaltlichen Auseinandersetzung im Unterricht gehören etwa «eine interessante, klare, verständliche und vernetzte Präsentation neuer Inhalte und Konzepte, die Aktivierung des vorhandenen Vorwissens der Schüler, das Evozieren kognitiv anspruchsvoller Tätigkeiten, die Kultivierung eines diskursiven Unterrichtsstils, der Einsatz geeigneter Repräsentationsformen, die Förderung der Bewusstheit für das eigene Lernen sowie die Vermittlung von Strategie zur Strukturierung und Elaboration des Unterrichtsgegenstands» (ebd., S. 64).

Das sind auch Idealnormen, die vor dem Hintergrund einer Praxis verstanden werden sollten, die die Ideale oft verfehlt, was auch an den Idealen liegen kann. Der Projektunterricht etwa entspricht in der Realität, also in der Wahrnehmung der Lehrenden und Lernenden, gar nicht dem, was in der einschlägigen Literatur angenommen wird, nämlich „selbstgesteuertem Lernen“ (Traub 2011).

Vielfach wird gar nicht gemacht, was das Konzept versprochen hatte, nur die Bezeichnung wird verwendet. In der Theorie wird oft nicht antizipiert, dass sich die Lernleistungen auch im Projektunterricht unterschiedlich verteilen und entsprechend die Profite für die Lernenden keineswegs identisch sind.

Wenn Unterricht Erfolg haben soll, dann dürfen sie (die Schüler und Schülerinnen) nicht davon ausgehen, dass sie erst lernen, wenn sie ausreichend motiviert worden sind, was auch heissen würde, dass sie die Dosis des „Motiviertwordenseins“ bestimmen.

Hattie plädiert für die Normalform eines von der Lehrperson vorbereiteten, strukturierten und realisierten Unterrichts. Der Lehrer und die Lehrerin wird nicht in die Rolle eines konstruktivistischen Beobachters versetzt, für den bekanntlich schon Maria Montessori ziemlich erfolglos plädiert hatte; die Lehrperson darf und soll agieren, wobei für ihn oder für sie als Qualitätsannahme gilt, dass er oder sie „with the eyes of the students“ wahrnehmen kann (Hattie 2009, S. 238) und mit seinem Unterricht ihrem Lernen dienlich ist. Das ist nicht einfach dann der Fall, wenn man „selbstorganisiert“ lernt.

Auf der anderen Seite müssen sich die Schülerinnen und Schüler sich als die „Lehrer ihrer selbst“ verstehen und können die Verantwortung für den Lernerfolg nicht auf die Schule abwälzen. Wenn Unterricht Erfolg haben soll, dann dürfen sie nicht davon ausgehen, dass sie erst lernen, wenn sie ausreichend motiviert worden sind, was auch heissen würde, dass sie die Dosis des „Motiviertwordenseins“ bestimmen.

Auch die Basis vieler heutiger Konzepte der Didaktik stellt Hattie in Frage. Die Psychologie des Konstruktivismus ist für ihn eine Form des Wissens und nicht des Unterrichtens (ebd., S. 243). In der Lehrerbildung und der Fachdidaktik dagegen wird die „konstruktivistische Wende“ (18), weiterhin als Grundlage angenommen.

Die damit begründeten Konzepte lassen sich mit der „child centered education“ der Zwischenkriegszeit in Verbindung bringen. Wieder entdeckt wird heute der Dalton-Plan von Helen Parkhurst (1922), der bereits das Lernen nach eigenem Tempo betont hat, Freiheit im Blick auf das Erreichen der Ziele setzte und dem der Begriff „Lernjobs“ zu verdanken ist. Das war vor genau hundert Jahren und die Frage ist, warum sich das bisher nicht durchgesetzt hat.

Man könnte auf die Praxis verweisen: Was mit solchen Konzepten noch nie erfasst wurde, sind die Alltagserfahrungen der Lehrpersonen, also Handeln unter Zeitdruck, steigende Belastungen, Kampf gegen Lernunwilligkeit, Entscheidungen mit juristischem Risiko oder Stress durch Reformen, die sich nicht lohnen.

Die digitale Transformation der Schulen ist absehbar und sie wird sich in den nächsten Jahren auch massiv beschleunigen. Die Frage ist, wie weit der Wandel geht und welche Probleme sich damit besser lösen lassen.

Schluss des 2. Teils

 

 

(7) Duden | Coachin | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft: https://www.duden.de/rechtschreibung/coachin

(8) Vgl. die Studie von Wajcman (2015).

(9) New York Review of Books Vol. LXIII, No. 11 (June 23 – July 13, 2016), S. 36. Siehe die Darstellung von Hui Kyong Cin (2016).

(10) „Employers and others can instantly verify that a credential is authentic using independent blockchain verification, saving significant time and money. This allows institutions to prevent fraud and protect their brands while giving learners and workers full control of their official records”. https://www.newswire.com/news/governmentofmaltalauncheslearningmachinesblockchainrecords 19978449

(11) Narayanan et al. (2016)

(12) http://hackeducation.com/2016/04/07/blockchaineducationguide

(13) Siehe Boekhaerts (1999).

(14) Etwa: Meraner 2013/2014, 2014, 2014a.

(15) Etwa: http://www.buckleyparkco.vic.edu.au/page/176/TeachersMakeTheDifference

(16) „Not all teachers are effective, not all teachers are experts, and not all teachers have powerful effects on students. The important consideration is the extent to which they do have an influence on students achievements, and what it is that makes the most difference” (Hattie 2009, S. 34).

(17) Die Studie bezieht sich auf Untersuchungen in Mathematik und den Naturwissenschaften. Ausgewertet werden deutsche und englische Forschungen.

(18) Vgl.  Diesbergen (2000).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Das Schulkind als postmoderner Einzeller? https://condorcet.ch/2021/08/das-schulkind-als-postmoderner-einzeller/ https://condorcet.ch/2021/08/das-schulkind-als-postmoderner-einzeller/#respond Fri, 27 Aug 2021 08:49:17 +0000 https://condorcet.ch/?p=9218

Das Tandem „Lehren und Lernen“ gilt vielen als überholt. Im Zentrum steht für sie das selbstbestimmte Lernen des Kindes. Nun kündet sich aber eine (Wieder-)Entdeckung des Lehrens an. Ein Beitrag des Condorcet-Autors Carl Bossard.

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Carl Bossard: Nichts Anderes als der verfemte Frontalunterricht.

Er ist Deutschlands bekanntester Mathematiklehrer, mindestens jener mit der grössten Reichweite: Daniel Jung. Für viele wirkt er wie ein Erlöser. „[He] saved my Mathe-Life“, heisst es in einem Kommentar.[i] Entsprechend viele Follower zählt der Mathe-Rockstar. Rund 700‘000 YouTube-Nutzer haben seinen Kanal abonniert. Entstanden sind über 2‘500 Tutorials. Millionenfach werden sie angeklickt.

In kleinen Portionen zum Verstehen führen

Worin liegt sein pädagogisches Geheimnis? Daniel Jung unterrichtet ganz gewöhnlich: eine weisse Tafel und Filzstifte genügen. Er erklärt Formeln und erläutert mathematische Phänomene, vom rechtwinkligen Dreieck zu bedingten Wahrscheinlichkeiten, von den Wurzelfunktionen bis zur Stochastik. Der Mathe-Youtuber zeigt elementare Zusammenhänge, Schritt für Schritt. In kleinen

Youtube-Mathematik-Star Daniel Jung: millionefach angeklickt.

Lernsequenzen, in verständlichen Portionen, in sinnvollen Einzelteilen. Bruchrechnen ebenso wie den Satz des Pythagoras. Und wie macht er das? Sprechdenkend und frontal. „Ich versuche alles so zu erklären, dass es auch ein Kind versteht“, sagt der Mathe-Lehrer und zitiert sein Vorbild, den Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman: Ein Meister sei, wer etwas einfach erklären könne.

Gelenkter und strukturierter Unterricht

Bei uns wird dieses Lehren verächtlich Frontalunterricht genannt und nicht selten mit einem Bannstrahl belegt. Er sei ein Relikt aus Jeremias Gotthelfs Zeiten. Pädagogisches Handeln und Denken habe heute ausschliesslich vom Lernenden auszugehen, so wird argumentiert.

Selbstregulation: Sie beinhaltet allerdings genau das Gegenteil von dem, was Daniel Jung macht und was er gestaltend in seinen Unterricht einbringt: geführt und strukturiert – in direkter Instruktion.

Die Lehrerin, der Lehrer wird dabei auf die Begleitaufgabe der Lernhilfe reduziert und in eine Nebenrolle gezwängt. Lehrpersonen seien Lernbegleiter, „guides at the side“, heisst es. Im Hintergrund steht das Bildungsziel der Selbstregulation. Diese Lernform gilt als zeitgemäss. Sie beinhaltet allerdings genau das Gegenteil von dem, was Daniel Jung macht und was er gestaltend in seinen Unterricht einbringt: geführt und strukturiert – in direkter Instruktion.

Interaktive Lernvideos mit recht effizientem Wirkwert

Daniel Jung hat Erfolg; mit seinen Lernvideos stösst er auf hohe Resonanz. Das erstaunt nicht. Die empirische Unterrichtsforschung kann manches über die Lernwirksamkeit von digital gestütztem Lehren und Lernen aussagen. Dies im Vergleich zum Dialogunterricht mit analogen Medien.

Elsbeth Stern: Selbstorganisiertes Lernen – geringer Erfolgsfaktor.

Den durchschnittlichen Effekt aller Einflussgrössen auf die Schülerleistung berechnet der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie mit einem Kennwert von d = 0.4.[ii] Fernunterricht erreicht lediglich den bescheidenen Effektwert von d = 0.11, Online-Lernen eine Kennzahl von 0.23. Auf diesen geringen Gelingensfaktor verweisen nach dem Lockdown manche Lernforscher, unter anderen die Kognitionspsychologin Elsbeth Stern von der ETH Zürich.[iii]  Die Laptop-Einzelnutzung oder der Laptop-Einsatz im Klassenverband hat nur einen Wirkwert von d = 0.16.[iv] Beide bleiben deutlich unter dem Umschlagpunkt von 0.4. Von Interesse aber ist die Arbeit mit interaktiven Lernvideos; sie erweist sich als recht effizient: d = 0.54. Das erklärt wohl Jungs hohe Follower-Quote.

Daniel Jung erläutert die einzelnen Rechenschritte einleuchtend und leicht nachvollziehbar, doch wieweit er das Mathematikverständnis seiner YouTube-Nutzer vertieft, bleibt eine offene Frage.

Die jungen Menschen zu Verstehenden „machen“

Und noch etwas wissen wir aus John Hatties grosser Datenbasis: Wenn ein Fach oder eine Altersstufe hohe geistige Auseinandersetzung erfordert, fällt der Nutzen von IT eher bescheiden aus. Daniel Jung erläutert die einzelnen Rechenschritte einleuchtend und leicht nachvollziehbar, doch wieweit er das Mathematikverständnis seiner YouTube-Nutzer vertieft, bleibt eine offene Frage.

Die jungen Menschen zu Verstehenden „machen“, das ist das Geheimnis guter Lehrerinnen und Lehrer. Keine Maschine kann das übernehmen. Auch kein isoliertes Lernen in der Käfigatmosphäre eines digitalisierten Grossraum-Schulbüros.

Die jungen Menschen zu Verstehenden „machen“, das ist das Geheimnis guter Lehrerinnen und Lehrer.

Prof. Roland Reichenbach: „Kinder brauchen Erwachsene, die erstens da sind und ihnen zweitens etwas beibringen wollen.

Keine Maschine kann das übernehmen. Auch kein isoliertes Lernen in der Käfigatmosphäre eines digitalisierten Grossraum-Schulbüros. Nicht jeder ist sein eigener Lerner, wie das heute propagiert wird, nicht jeder lernt selbstorientiert effizient genug. Es braucht das Soziale und Emotionale, es braucht das menschliche Vis-à-Vis. Lernen basiert auf dem direkten Kontakt mit Menschen.[v] „Kinder brauchen Erwachsene, die erstens da sind und ihnen zweitens etwas beibringen wollen: Diese lapidare, alltagstheoretische, aber erfahrungsgespeiste Aussage ist so wahr wie pädagogisch (leider) umstritten“, schreibt der Erziehungswissenschaftler Roland Reichenbach, Universität Zürich.[vi] Das Schulkind ist eben kein postmoderner Einzeller.

Das Lehren und die Lehrperson müssen rehabilitiert werden

Lernen ist ein dialogisches Geschehen, ein zwischenmenschlicher Austausch. Das zeigt die Lernpsychologie, das belegt die Neurowissenschaft. Der Hirnforscher Gerhard Roth sieht den Wert des Online-Learnings primär im Konsolidieren eines vorher erworbenen Wissens, nicht aber im Generieren neuer Erkenntnisse und Einsichten. Dazu braucht es, so Roth, die kompetente und vertrauenswürdige Lehrperson.[vii]

Eine verantwortungsbewusste Bildungswissenschaft plädiert darum schon längst für ein Wiederentdecken und Wiedererrichten des Lehrens, für ein „Re(dis)covery of Teaching“ – in vitaler menschlicher Präsenz. „Das Lehren und der Lehrer müssen rehabilitiert werden“, verlangt der Bildungsphilosoph Gert Biesta. Das gilt natürlich auch für die Lehrerin. Und Biesta fügt dezidiert bei: Es braucht einen Lehrer, „der die Schüler aus ihrer aktuellen, jeweilig begrenzten Subjektivität und Situiertheit hinausführen“ kann.[viii]

Weil er unter dem ganzen Schlamassel von Rechtschreibefehlern entdeckt hat, dass ich gute Aufsätze schreibe. […] Ich habe ihn geliebt.

Der Lehrer „hat mich von mir selber überzeugt“

Einen solchen Pädagogen beschreibt der (Dichter-)Lehrer Peter Bichsel, wenn er bekennt: „Ich hatte in der 5. und 6. Klasse in Olten einen wunderbaren Primarlehrer: Er hat mich von mir selber überzeugt, mich zum Schriftsteller gemacht. Weil er unter dem ganzen Schlamassel von Rechtschreibefehlern entdeckt hat, dass ich gute Aufsätze schreibe. […] Ich habe ihn geliebt.“[ix]

Solche Lehrerinnen und Lehrern führen Kinder und Jugendliche aus sich selbst heraus – zu ihren Möglichkeiten, zu ihren Potentialen. Von ihnen sagen die junge Menschen später vielleicht einmal: „O Captain! My Captain!“ Wie im berührenden Film „Der Club der toten Dichter“.

 

[i] Thomas Kerstan: Mit Liebe rechnen. In: DIE ZEIT, 15.10.2020, S. 38.

[ii] Michael Felten: Startbeschleunigung mit Tücken. In: FAZ, 14. Mai 2020, S. 6.

[iii] Vgl. dazu Klaus Zierer (2021): Ein Jahr zum Vergessen. Wie wir die Bildungskatastrophe nach Corona verhindern. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder, S. 27ff.

[iv] John Hattie & Klaus Zierer (2018): VISIBLE LEARNING. Auf den Punkt gebracht. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, S. 208f.

[v] Vgl. Ralf Lankau (2017): Kein Mensch lernt digital. Über den sinnvollen Einsatz neuer Medien im Unterricht. Weinheim/Basel: Beltz Verlag.

[vi] Roland Reichenbach (2020): Homeschooling, Distant Learning und das selbstorganisierte Kind. In: Merkur 08, S. 35.

[vii] Gerhard Roth (2011): Bildung braucht Persönlichkeit. Wie Lernen gelingt. Stuttgart: Klett-Cotta.

[viii] Ewald Terhart (2018), Eine neo-existenzialistische Konzeption von Unterricht und Lehrerhandeln? Zu Gert Biestas Wiederentdeckung und Rehabilitation des Lehrens und des Lehrers, in: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik, 94 (2018) 3, S. 479.

[ix] In: DIE ZEIT, 24. 06. 2021, S. 17.

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Johann Ludwig Vives – Begründer der neuzeitlichen Pädagogik https://condorcet.ch/2021/08/johann-ludwig-vives-begruender-der-neuzeitlichen-paedagogik/ https://condorcet.ch/2021/08/johann-ludwig-vives-begruender-der-neuzeitlichen-paedagogik/#respond Sun, 08 Aug 2021 19:34:10 +0000 https://condorcet.ch/?p=9156

Niemand in der Redaktion kannte Juan Luis Vives (1492–1540), den Humanisten, Lehrer und Aufklärer. Es ist erneut unserem Haushistoriker Peter Aebersold zu verdanken, dass wir wieder einmal eine bedeutende Persönlichkeit der Pädagogikgeschichte kennenlernen.

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Johann Ludwig Vives, 1492 – 1540, Humanist, Philosoph und Lehrer: die Natur selbst befragen.

Warum können uns Reformer weismachen, das Bisherige sei veraltet und das Neue sei immer besser? Neues kann sich normalerweise nur durchsetzen, wenn es tatsächlich besser ist. Weil das vielfach nicht der Fall ist, wird oft versucht, das Alte abzuwerten, um das (angeblich) Neue im besseren Licht erscheinen zu lassen.

Ein Beispiel dafür ist der pejorative Begriff «Frontalunterricht», der vom Schulreformer und Alt-Nazi Peter Petersen in den 1960er Jahren erfunden wurde, um seine Methoden hervorzuheben und die Sozialform des Klassenunterrichts durch Abwertung zu verdrängen. Seit dem Humanismus haben uns grosse Erzieher und Menschenkenner in ihren Werken ein Mass von Erziehungsweisheit hinterlassen, das heute noch gültig ist, weil der Mensch sich seither nicht verändert hat. Da dieses Wissen heute kaum mehr bekannt ist, kann es uns immer wieder als «neue» Erkenntnis verkauft werden.

Männer wie Galilei, Kepler, Kopernikus, Bacon, Descartes, Newton, Boyle, Leonardo da Vinci usw. schufen das geistige Fundament der Neuzeit.

Mit der Reformation im 16. Jahrhundert erwachte das Interesse an den Naturwissenschaften. Dies führte zu bahnbrechenden Errungenschaften auf allen Gebieten des menschlichen Wissens. Die neue Philosophie stellte die Erfahrung und das vernünftige Erfassen des Weltganzen in den Mittelpunkt, was innert wenigen Jahrzehnten zu philosophisch-wissenschaftlichen Fortschritten von grösster Tragweite führte. Männer wie Galilei, Kepler, Kopernikus, Bacon, Descartes, Newton, Boyle, Leonardo da Vinci usw. schufen das geistige Fundament der Neuzeit.

Zu ihnen gehört auch Johann Ludwig Vives, der als Begründer der neuzeitlichen Pädagogik gilt. Er gehörte zu den ersten, die die Fesseln der Schriftgelehrsamkeit abstreiften und die Natur selbst befragen wollten. Experiment und Erfahrung allein würden die menschliche Einsicht in das Naturgeschehen vertiefen. Vives entwarf Pläne zur Reform der Wissenschaften und wandte sich den grundlegenden Erziehungsproblemen zu, denen er seine bedeutendsten Schriften widmete.

Vives wurde 1492 in Valencia geboren. Sein Vater wurde als Jude während der Inquisition verbrannt.

Der 1492 in Valencia geborene Vives war ein spanischer Humanist, Philosoph und Lehrer. Er entstammte einer angesehenen, gebildeten spanischen Familie. Seine Verehrung galt besonders der Mutter, die er in seinen Schriften als Vorbild weiblicher Bildung darstellte. Als Kind von Marranen stand er im Schatten der spanischen Inquisition, die seinen Vater auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Er studierte 1508 Philosophie und Theologie an der Sorbonne in Paris und zog nach dem Abschluss des Studiums nach Brügge, wo er als Privatlehrer seine zukünftige Frau unterrichtete. Dort begegnete er Erasmus, der ihn zu einer humanistischen Schulung durch das Studium der alten Literatur anregte.

In seiner Schrift «Von der Unterstützung der Armen» verlangte er als Erster eine staatliche Fürsorge und forderte, dass der Reichtum der Kirchen dafür eingesetzt werde.

Zur Zeit des Türkenansturms versuchte Vives mit Briefen an die Könige und den Papst einen europäischen Frieden und eine gemeinsame Front gegen die Türken zu bilden. Den Friedenswillen wollte er durch Aufklärung und Schulung des Volkes festigen. In seiner Schrift «Von der Unterstützung der Armen» verlangte er als Erster eine staatliche Fürsorge und forderte, dass der Reichtum der Kirchen dafür eingesetzt werde. Er wollte die Wissenschaft als Mittel anwenden, um die Unzulänglichkeiten der bestehenden politischen und sozialen Einrichtungen aufzudecken.

Die Gelehrten könnten jedoch nur Bedeutsames erschaffen, wenn sie vom Willen der Wahrheit beseelt seien.

Vives überwand die platonische Lehre von den «angeborenen Ideen» (Ideenlehre).

Als Universalgelehrter sah er den Ursprung der Wissenschaften darin, dass der Mensch seine Hilflosigkeit in der Natur überwinden wollte. Die Gelehrten könnten jedoch nur Bedeutsames erschaffen, wenn sie vom Willen der Wahrheit beseelt seien. Er wies auf die Gefahren des Unwesentlichwerdens in allen Disziplinen hin. Alle Erkenntnis müsse darauf ausgerichtet sein, den Menschen besser zu machen und ihn sittlich zu fördern. In seiner Schrift «Von der Seele und vom Leben» betonte er, dass die Basis der Pädagogik auf einem psychologischen Fundament ruhe und dass man das Wesen der Seele nur in ihren Äusserungsformen, also empirisch, studieren könne. Die platonische Lehre von den «angeborenen Ideen» (Ideenlehre) hatte er überwunden, indem er der Seele ein Streben nach Wahrheit, nicht aber deren angeborenen Besitz zuschrieb. Hier war Vives besonders fortschrittlich, wenn man bedenkt, dass die Vererbungslehre von Platon auch heute noch selbst bei Fachleuten weit verbreitet ist. Der Mensch zeichne sich durch das Sprechen-Können zusammen mit der Vernunft aus. Da die Sprache die Beziehungen der Menschen untereinander ermögliche, bedürfe sie der grösstmöglichen Pflege und Ausbildung.

Mit seinen «Bemerkungen über die Methode des Lernens» verdient Vives auch heute noch unsere uneingeschränkte Bewunderung.

Mit seinen «Bemerkungen über die Methode des Lernens» verdient Vives auch heute noch unsere uneingeschränkte Bewunderung. Lehren heisst für ihn, dasjenige, was man selbst wisse, einem anderen, der es noch nicht wisse, zu vermitteln. Der Lernende werde dadurch geistig bereichert und der Lehrende selbst auch, da der Unterricht auch sein Wissen vermehre, anrege und fördere. Ähnlich der Sonne, die mit ihren Strahlen die Keime erwecke, müsse auch der Lehrer am Schüler alles zu entwickeln versuchen, ohne ihn in eine bestimmte Bahn abzudrängen. Die drei Etappen des Lernens sind für ihn die Empfindung, die Vorstellung und das Denken. Durch das Vorbild des Lehrers erlange der Schüler Ausdauer und Fleiss, ohne die er in den Wissenschaften nichts zustande bringen könne. Darum müsse der Lehrer das Ideal des Lernenden sein, von seiner Persönlichkeit gehen mehr Wirkungen aus als von seinen Kenntnissen. Der Lehrer habe die Funktion, die Persönlichkeit seiner Schüler zu bilden, die weit über das Vermitteln blosser Verstandeskultur hinausreiche. 500 Jahre nach Vives bestätigt John Hattie mit seiner Meta-Studie, dass die Erkenntnisse von Vives weltweit Gültigkeit haben.

500 Jahre nach Vives bestätigt John Hattie mit seiner Meta-Studie, dass die Erkenntnisse von Vives weltweit Gültigkeit haben.

Vives hat in seiner Schrift «Von der Schulung in den Wissenschaften» seine Pädagogik ausführlich dargelegt. Sein Idealbild einer Schule umfasst die ganze wissenschaftliche Ausbildung vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter. Die Schule sollte dort stattfinden, wo die körperliche und seelische Gesundheit der Kinder gewährleistet werde und nicht im Trubel von Residenzstädten. Der Staat solle die Lehrpersonen schulen und bezahlen. Sie müssten ideal gesinnte Persönlichkeiten sein, die die Jugend zu fördern wünschten, indem jeder gemäss seiner Individualität behandelt werde. Der Schüler müsse deshalb in allen seinen Betätigungen in Arbeit und Spiel genau beobachtet werden und diese Beobachtungen müssten an Lehrerkonferenzen ausgetauscht werden, um festzulegen zu können, wie jeder einzelne zu führen sei.

Die lateinische Sprache sollte unterrichtet werden, weil diese die einzige Weltsprache der Gelehrten sei.

Darum muss der Lehrer das Ideal des Lernenden sein, von seiner Persönlichkeit gehen mehr Wirkungen aus als von seinen Kenntnissen.

Die lateinische Sprache sollte unterrichtet werden, weil diese die einzige Weltsprache der Gelehrten sei. Die Pflege der Muttersprache lag ihm besonders am Herzen. Für den Sprachunterricht vom siebten bis zum fünfzehnten Lebensjahr legt er Wert auf die Selbsttätigkeit der Schüler, die mit Fragen und Antworten Beiträge zu den Lektionen liefern sollten. Die Geschichte gilt ihm als Lehrmeisterin der Lebensklugheit, aus historischen Studien könnten die Menschen Schlüsse für die Gegenwart ziehen. Die Heranwachsenden sollten mit der historischen Entwicklung des Menschengeschlechts als Kulturgeschichte vertraut gemacht werden, wobei man sich nicht bei äusseren Ereignissen (Schlachten, Eroberungen) aufhalten sollte, weil diese im Vergleich zur friedlichen Entwicklung der Völker nicht ins Gewicht fallen. Die Werke des Friedens und die Lehren von hochgebildeten, rechtschaffenen Männern mit ihren Worten, Taten und ihre ehrenvollen Absichten sollten zum Vorbild genommen werden. Die Naturwissenschaften sollten gründlich gelehrt werden, wobei die Schüler durch Beobachtung der verschiedensten Berufe Erfahrungen sammeln sollten (Autopsie).

Seine Auffassung, dass auch die Frau ein Recht auf angemessene Bildung habe, trug Wesentliches zur Emanzipation der Frau in der Neuzeit bei.

Mit seinem Buch «Erziehung der christlichen Frau» war Vives der eigentliche Bahnbrecher der Mädchenerziehung und einer vielseitigen weiblichen Bildung, deren Endziel, die Sittlichkeit, für das Gemeinwesen von grundlegender Bedeutung sei. Seine Auffassung, dass auch die Frau ein Recht auf angemessene Bildung habe, trug Wesentliches zur Emanzipation der Frau in der Neuzeit bei. Der Humanist Vives gilt mit Recht als Begründer der neuzeitlichen Pädagogik. Seine Anregungen, reichen weit in die folgenden Jahrhunderte hinein und beeinflussten unter anderen Neander, Ratich, Comenius und Locke.

Wie können wir vom Rückblick in die Vergangenheit profitieren? Wir können eine Standortbestimmung vornehmen: Was haben wir in den 500 Jahren seit Vives in der Schule erreicht? Wie steht es mit der Persönlichkeitsbildung, der Friedenserziehung, dem Geschichtsunterricht usw.? Wo befinden wir uns heute: auf dem Fort- oder Rückschritt? Wie ist der Stellenwert der Pädagogik in Praxis und Ausbildung heute und wie derjenige der Psychologie, die Vives als Fundament der Pädagogik ansah? Gibt es dabei Zusammenhänge mit den in verschiedenen Studien und Pisa seit 2012 festgestellten Leistungsverschlechterungen in der Schule?

Peter Aebersold

Quellen:

Gregorio Marañón: Vives humaniste espangnol, Paris 1941

Susanne Zeller: Juan Luis Vives (1492–1540). Wiederentdeckung eines Europäers, Humanisten und Sozialreformers jüdischer Herkunft im Schatten der spanischen Inquisition. Lambertus, Freiburg im Breisgau 2006, ISBN 3-7841-1648-5.

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Pädagogisch wirken durch Zusammen-Wirken https://condorcet.ch/2021/03/paedagogisch-wirken-durch-zusammen-wirken/ https://condorcet.ch/2021/03/paedagogisch-wirken-durch-zusammen-wirken/#comments Tue, 02 Mar 2021 05:24:25 +0000 https://condorcet.ch/?p=7892

Lehrerinnen und Lehrer, die vom Miteinander überzeugt sind und in Grundprinzipien überein-stimmen, erreichen bei ihren Schülern bessere Lernerfolge. Entscheidend ist die Schulleitung. Das zeigt die Forschung, schreibt Condorcet-Autor Carl Bossard.

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Carl Bossard: Warum gibt es Schule?

Das Ganze geht gerne aus dem Blickfeld verloren – auch in der Bildungspolitik. Häufig dominieren die Details; die Teile tanzen voran. Komplexe Zusammenhänge erkennen und verstehen fällt dann schwer. Ungewohnte Zugänge können helfen – wie beispielsweise der Rat des schrulligen Lehrers Bömmel im Film „Die Feuerzangenbowle“. „Da stellen wir uns mal ganz dumm!“, fordert er seine Schüler im Film „Die Feuerzangenbowle“ auf. Beginnen wir also mit der ganz banalen Frage: „Warum gibt es Schulen?“ Es hat sie nicht immer gegeben – und möglicherweise wird es sie auch nicht immer geben. Auf der Suche nach ihrem Sinn könnten wir zudem systemisch nachbohren: „Wie heisst die Frage, auf die Schulen die Antwort sind?“

 

Das Eigentliche und Wesentliche nicht vergessen

Wir alle kennen sie, und sie tönt trivial: Schule und Unterricht sollen Kindern und Jugendlichen wirksames individuelles und soziales Lernen ermöglichen. Noch knapper formulierte es Remo Largo, der vor Kurzem verstorbene Kinderarzt: „Schule ist für Kinder da.“[i] Doch was so basal ist, muss stets aufs Neue betont sein.

Und wer die unzähligen kurzatmigen Innovationen der vergangenen Jahre betrachtet, ist nicht überzeugt, ob der Reformfokus wirklich konsequent auf dem Grundauftrag der Schule gelegen hat.

 

Lehren ist personales Wirken

Das Eigentliche und Wesentliche geht bei den vielen aktuellen Ansprüchen und Anliegen an die Schule leicht vergessen. Oft beschleicht einen der Eindruck, die Schule sei nur bedingt eine pädagogische Institution – zu viele gesellschaftliche Kräfte spielen hinein; sie sind dem Kern des pädagogischen Wirkens nicht unbedingt förderlich. Und wer die unzähligen kurzatmigen Innovationen der vergangenen Jahre betrachtet, ist nicht überzeugt, ob der Reformfokus wirklich konsequent auf dem Grundauftrag der Schule gelegen hat. Darum muss das Schlüsselanliegen, der Lernfortschritt der Kinder, wie eine Statue im wandernden Wüstensand stets aufs Neue freigeschaufelt werden. Daran hat der Nobelpreisträger Albert Einstein in einer zeitlosen Rede erinnert: Die Wahrheiten und Erkenntnisse über die gute Schule müssten immer wieder ausgegraben und an die Oberfläche befördert werden.

Verbinden, um zu stärken

Unnötigen Sand im Getriebe wegweisen und als Wegweiser hin zum pädagogischen Grundauftrag agieren, das ist die Kardinalaufgabe der Schulleitung. Der Weg führt über die Lehrerinnen und Lehrer – über ihr pädagogisches Engagement und ihre Grundhaltungen. Die Verantwortlichen müssen die individuellen Wirkkräfte wie ein Brennglas auf das Lernen der Kinder bündeln und die Einzelteile mit dem Ganzen verknüpfen.

Ein Schulkollegium ist deshalb so stark, wie es sich gegenseitig stärken kann. Der Schulleitung kommt dabei eine eminent wichtige Funktion zu.

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Verbinden, um zu stärken, darum geht es[ii] – in den Einzelteilen das Bewusstsein der wechselseitigen Abhängigkeit und der gemeinsamen Wirkkraft wecken. Im Wissen: Sinn kommt aus dem Ganzen, Handeln ist in den Teilen. Doch das Handeln in den Teilen wirkt wieder auf das Ganze zurück – und dann das Ganze wieder auf die Teile, analog zum hermeneutischen Zirkel. Ein Schulkollegium ist deshalb so stark, wie es sich gegenseitig stärken kann. Der Schulleitung kommt dabei eine eminent wichtige Funktion zu.

Vom Geheimnis kollektiver Wirksamkeitserwartung

Die Unterrichtsforschung macht es deutlich: Das Geheimnis des Unterrichtserfolges und der Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler liegt nicht primär im Organisatorisch-Strukturellen, sondern in der Art und Weise, wie das Kollegium über Schule denkt: Das Denken bestimmt das Sein. In der Bildungswissenschaft wird von kollektiver Wirksamkeitserwartung gesprochen, von der „Collective efficacy of teachers”.[iii]

Gelingt es einer Schule, eine gemeinsame Vision von Bildung zu entwickeln und Prinzipien herauszuarbeiten, Kriterien für Unterrichtsqualität zu bestimmen und sie als Richtschnur des alltäglichen Handelns ins Klassenzimmer zu übertragen, dann kann sie vieles bewirken.[iv] Dabei steht im Zentrum dieses Denkens nicht etwa die Frage: Haben wir genügend digitale Flipcharts und ausreichend Tablets? Sondern die elementare Frage schlechthin: Was ist uns für die Kinder und Jugendlichen pädagogisch gemeinsam wichtig? Wie können wir sie am konsequentesten fördern und miteinander optimal wirken?

Wirkung entsteht aus Zusammen-Wirken

Lehren ist personales Wirken, Unterrichten nicht primär ein technisches Problem, sondern eine menschliche Aufgabe. „Teacher, know thy impact!“ – „Wisse, was du bewirken kannst!“ Auf diese einprägsame Kurzformel bringt darum der angesehene Bildungsforscher John Hattie die Kernbotschaft seiner grossen empirischen Unterrichtsstudie.[v] Lehrerinnen und Lehrer müssen um ihren „impact“ wissen.

Zentrale Funktion

Und dazu zählen beispielsweise alle Einflussgrössen, in denen sich die humane Ebene des Unterrichts widerspiegelt – das Emotionale und Beziehungshafte, das Dialogische und Ermutigende. Sie erzielen auf die Lernleistung der Schüler eine überdurchschnittliche Wirkung. Und wenn eine Schulleitung die individuellen Kräfte synergetisch verbinden kann, entsteht im Team eben diese gemeinsam getragene Wirksamkeitserwartung.[vi] Nichts ist überzeugender als die Einsicht: „Wir brauchen einander.“ Miteinander bewirken wir mehr. Dafür müssen wir aber in zentralen Zielen übereinstimmen und gemeinsame Grundwerte wie beispielsweise die Feedbackkultur und Fehlertoleranz teilen.

Gemeinsam die Lernerfolge der Schüler verstärken

Sich dumm stellen, um klar zu sehen, lautet Lehrer Bömmels Rat. Er führt vielleicht zur Frage, auf die Schulen eine Antwort sind, und damit zum grundlegenden Auftrag einer Schulleitung: über gemeinsame Prinzipien im Team die Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler verstärken. Die Forschung spricht von „Collective teacher efficacy”. Sie hat einen ausserordentlich hohen Wirkwert.

 

[i] Bettina Musall, Auf dem Schulweg, in: Spiegel Special 7/2008, S. 68.

[ii] Vgl. Reinhard K. Sprenger (2012), Radikal führen, Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 54.

[iii] Wolfgang Beywl & Klaus Zierer (2018), 10 Jahre „Visible Learning“ – 10 Jahre „Lernen sichtbar machen“, in: Pädagogik 9 (70), S. 37.

[iv] Klaus Zierer (2021), Unheilsbringer, in: Süddeutsche Zeitung, 09.01.2021, S. 5.

[v] John Hattie (2012), Visible Learning for Teachers. London, New York: Routledge, S. IX.

[vi] Vgl. Wolfgang Beywl (2019), Vom Miteinander überzeugte Lehrpersonen steigern die Lernerfolge. Kollektive Wirksamkeitserwartung als Angelpunkt der Schulentwicklung, in: Journal für Schulentwicklung, Jg. 23, Nr. 1, S. 50.

 

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Selektive Sicht auf den Unterricht https://condorcet.ch/2021/02/selektive-sicht-auf-den-unterricht/ https://condorcet.ch/2021/02/selektive-sicht-auf-den-unterricht/#comments Tue, 02 Feb 2021 10:25:34 +0000 https://condorcet.ch/?p=7620

Über den Wert der Hausaufgaben kann man geteilter Meinung sein. Wer sich dabei auf wissenschaftliche Studien beruft, sollte bestimmte Erkenntnisse nicht einfach ausblenden. Ein Zwischenruf von Condorcet-Autor Carl Bossard.

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Carl Bossard: Bildungsbewusste Eltern werden ihre Kinder weiterhin anregen.

Es geht auch ohne „Ufzgi“! Unter diesem Titel berichtet die NZZ über die Zürcher Schulgemeinde Männedorf; sie startet ein Pilotprojekt und schafft für die Erst- bis Drittklässler die obligatorischen Hausaufgaben ab.[1] Ersetzt werden sie mit Schulaufgaben. Die Gemeinde ist nicht allein. Verschiedene kommunale Schulen haben die „Ufzgi“-Pflicht aufgehoben, so beispielsweise Köniz, Kriens oder Arbon. Sie werden wohl nicht die Einzigen bleiben und Nachahmer finden.

Bildungsgerechtigkeit dank Hausaufgabenverbot?

Die Hausaufgaben stehen seit Längerem unter Druck. Remo Largo, der kürzlich verstorbene Kinderarzt und bekannte Bestsellerautor, meinte lakonisch: “Hausaufgaben bringen gar nichts. Schüler und Eltern werden damit nur schikaniert.”[2] Fehlender Lerneffekt und schulische Schikane sind die beiden Hauptvorwürfe gegenüber den Hausaufgaben.[3]

Remo Largo: Hausaufgaben bringen gar nichts.
Bild: KEYSTONE/Gaetan Bally

Hausaufgaben würden überdies die soziale Ungleichheit in Bildungsprozessen verstärken, das Leistungsgefälle vergrössern und so die Chancengleichheit erschweren, lautet ein dritter Einwand. Stefan C. Wolter, der Direktor der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung, forderte darum ein Hausaufgabenverbot bis zur vierten Primarklasse. Von dieser Massnahme profitierten vor allem Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund.[4] Ihnen bereiteten die Hausaufgaben deutlich mehr Mühe.

Beliebte Wenn-Dann-Korrelation

Auch die Schule Männedorf begründet ihren Entscheid mit der Bildungsgerechtigkeit. Alle Kinder sollten die gleichen Chancen haben.[5] Mit diesem Argument setzt die Schulgemeinde auf die Wenn-Dann-Beziehung: Wenn wir die Hausaufgaben abschaffen, dann erhöhen wir die Chancengleichheit für alle. Mit dieser Ansicht steht Männedorf nicht alleine. Doch ist es wirklich so einfach?

Wer die Hausaufgaben abschafft, schafft sie trotzdem nicht ab, selbst wenn der reguläre Unterricht sie mit sogenannten Lernzeiten und Schulaufgaben kompensiert.

Bildung und Erziehung kennen das „Gesetz der ungewollten Nebenwirkungen“. Formuliert hat es der Philosoph und Pädagoge Eduard Spranger.[6] Kaum jemand beachtet es – so wenig wie die Beipackzettel von Medikamenten. Verschiedene Schulen streichen darum die offiziellen Hausaufgaben. Ihre Begründung: Sie wollen Bildungsgerechtigkeit. Und die Nebenwirkung? Wer die Hausaufgaben abschafft, schafft sie trotzdem nicht ab, selbst wenn der reguläre Unterricht sie mit sogenannten Lernzeiten und Schulaufgaben kompensiert.

Regelmässige und kurze Hausaufgaben

Bildungsbewusste Eltern werden ihre Kinder weiterhin anregen, mit ihnen vielleicht sogar wiederholen und automatisieren. Sie wissen um den unverzichtbaren Wert des Repetierens, des Nachbereitens und Vorbereitens, des (Nach-)Denkens. Kinder aus anderen Familien haben diese Chance vielleicht nicht. Die nicht beabsichtigte Folge: Die Schere im Bildungsmilieu öffnet sich weiter. Doch der Schulerfolg darf nicht vom elterlichen Bildungsniveau oder Portemonnaie abhängig sein.

Die Schere im Bildungsmilieu öffnet sich weiter.

Niemand will das. Darum müsste Sprangers „Gesetz der ungewollten Nebenwirkungen“ auch hier ernst genommen werden. Alle Kinder haben das Recht auf dieses zusätzliche Gefäss. Regelmässige und kurze, zum Denken und Handeln anregende (Haus-)Aufgaben sind darum wichtig. Dazu gehören sinnvolle, spielerische, entdeckende Elemente.

Nichts zu suchen haben Hausaufgaben als Ersatz für fehlende Übungsphasen oder zum Nachholen, was der Unterricht aus didaktischem Unvermögen versäumt hat.

Hausaufgaben öffnen ein Fenster zur Schule

Nichts zu suchen haben Hausaufgaben als Ersatz für fehlende Übungsphasen oder zum Nachholen, was der Unterricht aus didaktischem Unvermögen versäumt hat. Fehl am Platz sind beispielsweise Arbeitsblätter mit repetitivem Charakter. Das ist nicht der Sinn von Hausaufgaben, sondern deren Perversion. Ebenso wenig dürfen sie die Eltern in die Rolle von Ersatzlehrpersonen oder Hilfssheriffs zwängen; allerdings können sie ihnen ein Fenster zur Schule öffnen und Grundlage für Gespräche mit den Kindern schaffen. Das Interesse der Eltern wirkt sich vorteilhaft aus. Auch das weiss man aus der Forschung.

Bezug auf die Hattie-Metastudie

John Hattie: Moderate Effektstärke

Bei ihrem Hausaufgaben-Entscheid bezieht sich die Schule Männedorf explizit auf den renommierten neuseeländischen Bildungsforscher John Hattie. Seine Studie „Visible Learning“ ist wegen ihrer enormen Datenbasis besonders beachtenswert. Hattie untersuchte die Lernwirksamkeit von rund 250 Einzelbefunden wie die Klassenführung oder das bewusste Üben. Er beziffert den durchschnittlichen Effekt aller Einflussgrössen auf die Schülerleistung mit einem Kennwert von 0.4. Diese Grösse markiert für Hattie den Bereich der „erwünschten Effekte“.[7] Das gezielte Feedback beispielsweise erreicht eine Wirkgrösse von 0.75, die Glaubwürdigkeit der Lehrperson den hohen Wert von 0.9.

Den Hausaufgaben ordnet Hattie die moderate Effektstärke von 0.33 zu.[8] Bei jüngeren Kindern sind die Wirkwerte kleiner. Auch wenn der Lernwert der Hausaufgaben nur mässig positiv ausfällt, ist das kein Grund, sie abzuschaffen, wohl aber, sie präzis und dosiert zu erteilen, sie zu evaluieren und zu kommentieren – in Hatties Sprache: sie mit andern Wirkwerten synergetisch zu verbinden.

Eine Effektstärke allein wirkt wenig

Ein Beispiel erklärt Hatties Denken und seine Daten: Das Fachwissen der Lehrerin erzielt in seinen empirischen Studien den minimen Wirkwert von 0.09. Das erstaunt auf den ersten Blick. Nun könnte man schliessen, ein Lehrer brauche ja gar keine Fachkompetenz. Das Gegenteil ist der Fall. Zum Tragen kommt sie aber erst in Kombination mit den wichtigen Wirkfaktoren des pädagogischen Engagements und dem didaktischen Können. Erst das Zusammenspiel von elementaren und wirksamen Unterrichtsvariablen führt zu effektvollen Prozessen und damit zu effektivem Lernen.

Gleich geht es der vielgepriesenen Individualisierung. Als (Einzel-)Effektwert erreicht sie lediglich die unbedeutende Grösse von 0.22 und ist für den Lernerfolg der Kinder wenig wirksam. Wenn Schülerinnen und Schüler bei dieser Methode allein gelassen werden, sind sie vielfach überfordert – das gilt besonders für lernschwächere Kinder. In der Debatte um Bildungsgerechtigkeit geht das gerne vergessen. Wirksam wird diese anspruchsvolle Unterrichtsform erst, wenn junge Menschen auf Lehrerinnen und Lehrer stossen, die ihnen Halt und Orientierung geben, die ihnen Resonanzen vermitteln und sie ermutigen. Es sind alles Einflussgrössen, in denen sich die personale Ebene des Unterrichts widerspiegelt. Sie erzielen einen hohen Wirkwert: etwa die Lehrer-Schüler-Beziehung (0.72) oder die besondere Unterstützung von Kindern mit Lernschwierigkeiten (0.77).

Nicht der Weisheit letzter Schluss

Abschaffen ist nicht der Weisheit letzter Schluss

Es geht auch ohne „Ufzgi“!, bilanziert die NZZ etwas gar salopp und zitiert dabei John Hattie. Doch ein präziser Blick auf das Zusammenspiel vieler Variablen aus der empirischen Unterrichtsforschung, wie es Hattie implizit voraussetzt, kommt nicht zum gleich euphorischen Schluss. Im Gegenteil! Kurze und regelmässige, kontrollierte und über individuelle Feedbacks kommentierte Hausaufgaben haben durchaus ihren Wert. „Die Gesamteffekte sind positiv“, resümiert Hattie.[9] Auch hier gilt: Entscheidend sind die Lehrerinnen und Lehrer.

 

[1] In: NZZ, 14.01.2021, S. 17

[2] Peter Krebs, Ein pädagogisches Ritual überlebt. In: NZZ, 30.09.2013, S. 42.

[3] Vgl. Mario Andreotti (2019), Hausaufgaben – leeres Ritual oder notwendig? In: Eine Kultur schafft sich ab. Beiträge zu Bildung und Sprache. Schwellbrunn: FormatOst, S. 81f.

[4] Yannick Nock, Brisante Idee: Hausaufgabenverbot für Primarschüler? In: Aargauer Zeitung, 06.04.2018.

[5] Lena Schenkel, Die Hausaufgaben werden je länger, je mehr zu Schulaufgaben, in: NZZ 14.01.2021, S. 13.

[6] Eduard Spranger (1962), Das Gesetz der ungewollten Nebenwirkungen in der Erziehung. Heidelberg: Quelle und Meyer.

[7] John Hattie & Klaus Zierer (2018), VISIBLE LEARNING. Auf den Punkt gebracht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 30.

[8] Dies. (2017), Kenne deinen Einfluss! „Visible Learning“ für die Unterrichtspraxis. 2. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 200.

[9] John Hattie (2013), Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von “Visible Learning”, besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 276.

 

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Das Pendel mag eine abgedroschene Metapher sein. Und doch hat es in der Pädagogik seine Be-deutung. Es zeigt Ausschläge und verweist auf zeitgeistige Aufgeregtheiten und didaktische Ein-seitigkeiten, meint Condorcet-Autor Carl Bossard.

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Carl Bossard: Keine Verabsolutierung einer Unterrichtsmethode.

„Il näsch“. So schrieb vor einiger Zeit ein junger Gymnasiast das Französisch-Sätzlein „il neige“ auf. Der Schüler wollte sich den Ausdruck einprägen; doch eine trendige Didaktik verbot das (Auf-)Schreiben. Die damalige Fremdsprachen-Methode setzte ganz auf das Audiovisuelle, auf Ton und Bild. Schriftliches blieb tabu. Das Einseitige mit dem Primat des Mündlichen benachteiligte bestimmte Lerntypen. Sie behalfen sich mit unbeholfenen Notizen. So gut es eben ging. Das Unterrichtkonzept ist in der Zwischenzeit zwar verschwunden, nicht aber der Degout vieler Schüler vor dem Französisch.

 

Pädagogische Einseitigkeiten

Sich die Buchstaben selber erarbeiten.
Bild: AdobeStock

Das ist kein Einzelfall. Bekannt ist die Methode „Schreiben nach Gehör“, auch „Lesen durch Schreiben“ genannt. In die Schulen gebracht hat sie Schweizer Reformpädagoge Jürgen Reichen. Sein Ziel: Das Buchstabenbüffeln beenden; die Kinder sollen sich die Schriftsprache selbst erarbeiten.[1] Mit Hilfe einer Buchstabentabelle schreiben sie so, wie sie die Wörter hören. Spontan und ohne fremde Hilfe. Auf diese Art verwandeln sie Sprache in Schrift. Fehler werden nicht korrigiert. Das demotiviere die Kinder, so Reichen. Auch explizites Üben untersagte er. Vielen blieb so der Weg zu einem korrekten Deutsch verwehrt. Nun verbieten verschiedene deutsche Bundesländer diese Methode. In der Schweiz hat der Kanton Aargau „Lesen durch Schreiben“ aus dem Lehrmittelkatalog gestrichen. Nidwalden stoppt diese Unterrichtsmethode ab der 2. Primarstufe.

Entgegengesetzte Richtung

Das pädagogische Pendel schwingt auf die eine, dann auf die andere Seite, sei es eher im methodischen Bereich, sei es mehr im pädagogischen Kontext. Ödes Pauken und freudloses Faktenlernen, wie es beispielsweise Hanno Buddenbrook unter dem preussischen Drillmeister „Direktor Doktor Wulicke“ erlebt hat,[2] ist glücklicherweise verschwunden. Der Perpendikel schlug eher nach der entgegengesetzten Seite aus: Lernen soll primär „Spass“ machen.

Aktuelle Pendelausschläge

Das Pendel wird nie stillstehen; aktuelle Stichworte verdeutlichen es: „Vom Lehren zum Lernen“ wird postuliert oder „Beziehung statt Erziehung“ propagiert. Da ist von „von der Instruktion zum selbstregulierten Arbeiten“ die Rede und „von Inhalten zu Kompetenzen“. Alle diese didaktischen Devisen und pädagogischen Postulate zielen auf ein Entweder-oder, auf einen Pendelschlag in diese oder in jene Richtung. Sie lassen nur das das Eine gelten, und dieses Eine wird hypemässig überhöht und verabsolutiert.

Wissen lässt sich nicht outsourcen

Lehrplan 21,
Kompetenzorientierung ist angesagt

„Kompetenzorientiert statt wissensbasiert“, so hört man im Zusammenhang mit dem Lehrplan 21 vielfach und dazu den Hinweis: Wissen lasse sich googeln; entscheidend seien Kompetenzen. Dieser Slogan verkennt, dass es kein Können ohne grundlegendes Wissen im traditionellen Sinne geben kann; Wissen lässt sich nicht outsourcen. Das Schlagwort negiert, dass wirksame Lernprozesse aus einem Sowohl-als-auch entstehen, dass vermeintlich Gegensätzliches sich gegenseitig auch bedingt. Das erinnert an die prominenten Zwillinge Inhalt und Form. Zum guten Burgunder gehört auch ein Burgunderkelch.

Ein dialektisches Begriffspaar

Augenfällig wird das beispielsweise am Begriffspaar von Freiheit und Sicherheit. Die beiden Begriffe widersprechen sich – je nach Perspektive, aus der man argumentiert. Sie stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander, und doch bedingen und ergänzen sie sich – ähnlich wie Yin und Yang. Jede Freiheit bedarf einer gewissen Sicherheit, eines Rahmens, innerhalb dessen sie sich bewegen kann. Und jede Sicherheit schafft auch Freiheit, weil sie einen Rahmen formt, innerhalb dessen man wieder frei sein kann.

Stabiles Geländer nötig

Analog könnte man sagen: Junge Menschen sollen zur persönlichen Autonomie geführt werden, doch dazu brauchen sie auch Strukturen, die sie stützen, eine Art von Rahmen. Auf dem Weg zur Selbständigkeit benötigen viele Kinder ein stabiles Geländer; über gezielte Feedbacks vermittelt es ihnen Halt und Sicherheit. Impulsgeberin ist die vital präsente Lehrperson, verantwortlich ein anregendes und führendes Visavis.

Kaum je wird bei diesem aktuellen Pendelschlag die Frage gestellt, was beim „selbstregulierten Lernen“ denn reguliert werden solle? Reguliert sich das Lernen selbst?

Lernen als gezielt gesteuerter Prozess

Unverständlich bleibt darum, dass erfahrene Lehrpersonen den „Lerncoach“ und damit das „selbstregulierte Lernen“ ihrer Schüler ins alleinige Zentrum des Unterrichts rücken – und sich selber zum „Lernbegleiter“ degradieren.[3] Kaum je wird bei diesem aktuellen Pendelschlag die Frage gestellt, was beim „selbstregulierten Lernen“ denn reguliert werden solle? Reguliert sich das Lernen selbst? Und wie begleitet man selbstreguliertes Lernen?

Wie lernen Schülerinnen und Schüler?

Die Antwort der Bildungswissenschaft ist unmissverständlich: Reguliert werden primär Lernprozesse. Lernen ist immer Aufbauen und Konsolidieren. Doch das können die wenigsten Kinder und Jugendlichen aus sich selbst heraus vollziehen. Notwendig ist ein engagiertes Gegenüber. Beim Lernen geht es um Verstehen, um Behalten oder Einprägen und dann um das Abrufen und das Weiterverarbeiten wie das Anwenden in neuen Kontexten – sei es Wissen oder Können. Das Lernergebnis dieser wichtigen Teilprozesse hängt von ihrer ganz spezifischen Interaktion ab.[4] Es basiert auf Austausch und Korrektur. Einseitigkeiten führen nicht weiter; schulische Lernprozesse sind dialektische Vorgänge. Gesteuert werden sie von verantwortungsbewussten Lehrpersonen.

Mischwald ist besser als Monokultur

Einseitigkeiten sind unhaltbar

Guter und effizienter Unterricht erfordert darum eine angemessene Balance, einen dynamischen Mix aus verschiedenen Methoden und Formen. Mischwald sei besser als Monokultur, sagen die Fachleute.[5] Besonders erfolgreich wirkt eine aktive Lehrperson mit einem lehrerzentrierten, aber ausgesprochen schülerorientierten und schüleraktivierenden Unterrichtsstil. Der renommierte Bildungsforscher John Hattie bezeichnet ihn als „Direkte Instruktion“.[6] Sie hat nichts zu tun mit einem monotonen Frontalunterricht. Aus der Forschung wissen wir, dass Schüler, erst recht solche mit Lernschwierigkeiten und defizitären Sprachkompetenzen, unbedingt eine starke Struktur und klare Führung brauchen. Sie sind auf ein kognitives Gerüst und viele kurzschrittige Hilfen, Inputs und Feedbacks angewiesen. Das (unter-)stützt sie entscheidend.

Gutem Lernen hinderlich ist die Verabsolutierung einer bestimmten Unterrichtsmethode: Die Lehrerin nur als Lernbegleiterin oder Coach sehen, den Lehrer nur als Dozierenden, das lässt sich nicht legitimieren.

 Die Farben der Schule sind die Zwischentöne

Als Verehrer der heiligen Dialectica sehe ich vieles in Spannungsfeldern. Ganz besonders im pädagogischen Alltag. Dazu gehört auch die Antinomie zwischen Instruktion und Konstruktion, zwischen dem lehrergelenkten Impuls-Geben und dem schülerzentrierten Selber-Tun. Es kommt mir vor, als müssten einige Pädagogen zuerst Hell und Dunkel erkennen und sich so bewusst werden, dass dies bloss zwei Pole sind. Dazwischen liegen unzählige Schattierungen. Vielleicht sind die Farben der Schule eben die Zwischentöne. Oder konkret formuliert: So viel Autonomie der Lernenden wie möglich, so viel Unterstützung und Hilfe durch die Lehrerinnen und Lehrer wie nötig.

 

(1) Jürgen Reichen (1988), Lesen durch Schreiben. Wie Kinder selbstgesteuert lesen lernen. Heft 1. . Aufl. Zürich: sabe Verlag

[2] Thomas Mann, Hanno Buddenbrook, in: Wo waren wir stehengeblieben…? Schulgeschichten. Hrsg. Martin Gregor-Dellin (1969), Frankfurt am Main: Fischer Bücherei, S. 14.

[3] In: Bote der Urschweiz, 07.01.2021, S. 10.

[4] Gerhard Steiner (2020), Selbstreguliertes Lernen – Voraussetzungen zu seiner Genese, in: Damian Miller & Jürgen Oelkers (Hrsg.), „Selbstgesteuertes Lernen“: Interdisziplinäre Kritik eines suggestiven Konzepts. Mit Nachbemerkungen zum Corona-Lockdown. Basel/Weinheim: Beltz/Juventa, S. 131f.

[5] Hilbert Meyer (2004). Was ist guter Unterricht? 2., durchgesehene Auflage. Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor, S. 9.

[6] John Hattie & Klaus Zierer (2017), Kenne deinen Einfluss! „Visible Learning“ für die Unterrichtspraxis. 2. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, S. 91f.

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Von unserem Leser Michel Laffer wurden wir auf einen Text des PH-Dozenten Gabriel Schneuwly aufmerksam gemacht. Es handelt sich um einen Artikel in einem «Handbuch», das von Autorinnen und Autoren des Instituts für Weiterbildung und Medienbildung (IWM) verfasst wurde. Der Text ist es nach Auffassung der Redaktion Wert, hier aufgeschaltet zu werden. Er setzt sich seriös und differenziert mit den Problemen der Unterrichtsentwicklung auseinander und ist auch dank der angeführten Belege eine durchaus notwendige Orientierungshilfe. Wir danken Herrn Schneuwly für die Erlaubnis, seinen Text hier aufschalten zu dürfen.

Schneuwly, Gabriel (2016): Unterrichtsentwicklung. In: Hansueli Hofmann, Priska Hellmüller und Ueli Hostettler (Hg.): Eine Schule leiten. Grundlagen und Praxis. Bern: hep verlag ag, S. 85–101.

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Dr. Gabriel Schneuwly, PHBern Studienleiter: Entscheidend sind nicht organisatorische Massnahmen.

Aktualität der Unterrichtsentwicklung
Schulentwicklung wird in der deutschsprachigen Literatur häufig als Zusammenspiel von Organisations-, Personal- und Unterrichtsentwicklung beschrieben (vgl. Buhren in diesem Band). Der Fokus hat sich dabei in den letzten Jahren leicht verschoben. Während in den
90er Jahren des letzten Jahrhunderts Schulentwicklung stark von der Organisationsentwicklung geprägt in der Schule Einzug hielt, gilt heute die Aufmerksamkeit stärker der Unterrichtsentwicklung: „Es besteht mittlerweile ein Konsens darüber, dass es sich bei Massnahmen, die der Weiterentwicklung des Unterrichts dienen, um den Kern der Schulentwicklung handelt.“ (Oelkers & Reusser 2008, S. 402).

Die stark rezipierte Hatte-Studie (Hattie, 2009) hat es in der ganzen Bildungslandschaft in Erinnerung gerufen: Entscheidend für gute Lernergebnisse sind nicht in erster Linie organisatorische oder schulstrukturelle Faktoren, sondern die Qualität des Unterrichts.

John Hattie: Die Unterrichtsqualität entscheidet.

Verschiedene Faktoren haben dazu beigetragen, die Unterrichtsentwicklung stärker ins Bewusstsein zu rücken: Da gab es einerseits die internationalen Vergleichsstudien zu den Leistungen der Schülerinnen und Schüler (z.B. Timss oder PISA), welche grosse mediale Aufmerksamkeit erhielten. Sie rückten den Fokus auf das Lehren und Lernen der Schülerinnen und Schüler sowie auf deren Lernergebnisse. Sie haben viele Entwicklungsanstösse zu einer Verbesserung des Unterrichts geliefert und entsprechende Projekte ausgelöst. Sie haben aber auch Fragen der Chancengerechtigkeit ins Bewusstsein gerufen. Generell hat die Schul- und Unterrichtsforschung gezeigt und die am stärksten rezipierte Hatte-Studie (Hattie, 2009) hat es in der ganzen Bildungslandschaft in Erinnerung gerufen: Entscheidend für gute Lernergebnisse sind nicht in erster Linie organisatorische oder schulstrukturelle Faktoren, sondern die Qualität des Unterrichts.

Lehrplan 21, Gesamtausgabe: Es kann von einem eigentlichen Projekt der Unterrichtsentwicklung gesprochen werden.

Parallel dazu fordern gesellschaftliche Entwicklungen den traditionellen Unterricht stark heraus: Einerseits wächst die Einsicht, dass ein im deutschen Sprachraum stark „homogenitätsversessener Unterricht“ (Grunder 2009, S. 115) der heutigen Zusammensetzung von Schulklassen nicht mehr gerecht wird. Andererseits schreitet die Digitalisierung der Gesellschaft voran, und die neuen Medien halten immer mehr Einzug im Unterricht. All dies ruft nach entsprechenden Konzepten.
Schliesslich beobachten wir aktuell im deutschsprachigen Sprachraum – und insbesondere in der Schweiz – an der Volksschule eine grosse Lehrplandebatte. Der Übergang von inhalts- und themenbezogenen zu kompetenzorientierten Lehrplänen lautet das Motto. Damit verbunden ist die Hinwendung zu einem stärker kompetenzorientierten Unterricht. Landauf, landab beschäftigt man sich mit der Einführung des neuen Lehrplans. Es kann dabei von einem eigentlichen Projekt der Unterrichtsentwicklung gesprochen werden.

Es geht also um die Frage des bei den Schülerinnen und Schülern tatsächlich ablaufenden Lernprozesses.

Wie lernen Schülerinnen und Schüler?

Klare Vorstellungen über guten Unterricht
Spricht man über Unterricht, kann man dies auf der Ebene der Makroprozesse (Oberflächenstruktur) oder der Mikroprozesse (Tiefenstruktur) tun (Oser und Baeriswyl 2001; Pauli & Reusser, 2010; Kunter & Trautwein 2013). Merkmale der Oberflächenstruktur sind bei einem Unterrichtsbesuch direkt sichtbar. Es geht um übergeordnete Organisationsmerkmale des Unterrichts wie Lernformen, Sozialformen, Muster der Unterrichtsinszenierung oder Rahmenbedingungen wie Zeitmanagement, Raumeinrichtung usw. Tiefenstrukturen hingegen sind im Unterricht nicht direkt sichtbar. Sie liegen dem Unterricht als psychologisch-didaktische Qualitätsdimensionen zugrunde. Es geht um die eigentliche Auseinandersetzung der Lernenden mit den Lernaufgaben sowie um den Austausch  der Lernenden mit der Lehrperson und untereinander. Es geht also um die Frage des bei den Schülerinnen und Schülern tatsächlich ablaufenden Lernprozesses.

Offener Unterricht: Unterdessen zeigt die Unterrichtsforschung aber, dass die Ergebnisse teilweise ernüchternd sind.

Was die Diskussion um Unterrichtsqualität schwierig macht, ist, dass sie nicht an der Oberflächenstruktur festgemacht werden kann. Das wäre leichter beobachtbar und beurteilbar. Frühere Unterrichtsentwicklungsprojekte wie z.B. das Projekt Erweiterte Lernformen in der Schweiz (vgl. Croci et al. 1995) oder Reformbemühungen rund um offenen Unterricht in Deutschland (vgl. z.B. Bönsch 1991 oder Peschel 2006) haben genau hier angesetzt. Unterdessen zeigt die Unterrichtsforschung aber, dass die Ergebnisse teilweise ernüchternd sind bzw. sehr differenziert betrachtet werden müssen (Bohl & Kucharz 2010,Niggli 2013, S. 29; Pauli et al., 2003). Offener Unterricht zeigt z.B. unterschiedliche Effekte bei leistungsstärkeren oder leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern. Oder es kommt auch drauf an, welche Unterrichtsergebnisse in den Fokus genommen werden: Geht es um fachliche Leistungen oder um motivationale Faktoren wie die Einstellung zur Schule, Kreativität oder Selbstständigkeit. In seiner umfassenden Sichtung der entsprechenden Literatur kommt Niggli (2013, S. 29) zu folgender Bilanz:

Offener Unterricht führt nicht automatisch zu guter Unterrichtsqualität.

• „Offener Unterricht kann im Vergleich zu traditionellem Unterricht zu etwas schlechteren Resultaten führen.
• Im Vergleich zum traditionellen Unterricht bewirkt offener Unterricht im nicht leistungsbezogenen Bereich (Einstellungen zur Schule, Kreativität,
Selbstständigkeit) etwas günstigere Ergebnisse.
• Lernschwächere Kinder und Jugendliche weisen im offenen Unterricht eine tiefere aktive Lernzeit auf.
• Für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler scheinen strukturierende Lernhilfen (angepasste Materialien, klare Instruktion) unabdingbar zu sein“.

Dem ist aber nicht so, weil für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler oft die klare mündliche Instruktion und Unterstützung der Lehrperson fehlen.

Offenbar führen Programme, die eine Öffnung des Unterrichts oder eine Erweiterung des Methodenrepertoires bezweckt haben, nicht per se zu guter Unterrichtsqualität. „Die Qualität entscheidet sich (…) vorrangig auf der didaktischen Ebene und in den Mikroprozessen des Unterrichts“ (Bohl und Kucharz 2010, S. 10). Ein erstes Mal wird dies in oben erwähnter Bilanz unter Punkt 3 deutlich. Je offener der Unterricht, desto stärker nimmt sich die Lehrperson zurück und desto höher müsste die Lernzeit der Schülerinnen und Schüler sein, würde man meinen.

Schriftliche Lernaufgaben in einem Wochenplan können oft für solche Lernende gar nicht anschlussfähig sein und damit ein aktives Lernen verunmöglichen.

Schwächere Schülerinnen und Schüler brauchen die direkte Instruktion mehr.
Bild: stock.adobe.com

Dem ist aber nicht so, weil für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler oft die klare mündliche Instruktion und Unterstützung der Lehrperson fehlen. Dies stellt eine Voraussetzung dafür dar, dass sie sich intensiv mit den Lernaufgaben auseinandersetzen können. Schriftliche Lernaufgaben in einem Wochenplan können oft für solche Lernende gar nicht anschlussfähig sein und damit ein aktives Lernen verunmöglichen. Unterrichtsqualität zeigt sich also an Tiefenstrukturmerkmalen des Unterrichts, den sogenannten Mikroprozessen des Unterrichts. Dies zeigt auch, dass die Beobachtung und Beurteilung von Unterrichtsqualität anspruchsvoll ist und eine gute pädagogisch-didaktische Ausbildung voraussetzt.

Zehn Merkmale

Die Suche nach den wesentlichen Wirkungsprinzipien des Unterrichts bzw. nach seinen Gütekriterien hat eine lange Tradition (Helmke 2009). Sie hat eine ganze Reihe von Katalogen mit solchen Merkmalen hervorgebracht (Helmke 2007; Helmke 2009; Meyer 2005; Meyer 2015). Diese bezeichnen eine Prozessqualität von Unterricht, die dazu beitragen soll, gute Lernergebnisse zu erzielen. Nachfolgend werden aufgrund ihrer empirischen Grundlage und weil sie häufig die Grundlage von gängigen Unterrichtsbeobachtungsinstrumenten darstellen, die Merkmale der fächerübergreifenden Unterrichtsqualität nach Helmke (Helmke 2009, S. 168-169) wiedergegeben:

1. Klassenführung, 2. Klarheit und Strukturiertheit, 3. Konsolidierung und Sicherung, 4. Aktivierung, 5. Motivierung, 6. lernförderliches Klima, 7. Schülerorientierung, 8.
Kompetenzorientierung, 9. Umgang mit Heterogenität, 10. Angebotsvariation

Helmke beschreibt die Wirkungsmechanismen so (ebd.), dass die Merkmale 2 −4 sich direkt auf den Lernerfolg, die Merkmale 5 −7 sich primär auf die Lernmotivation und indirekt auf den Lernerfolg auswirken. Bei den weiteren Merkmalen gibt es sowohl direkte Wirkungen auf den Lernerfolg als auch indirekte Wirkungen über die Lernmotivation.

Zehn Merkmale der Unterrichtsqualität sind ein breiter Katalog. Man kann sich gut vorstellen, dass eine Schule eine Auswahl trifft und für eine bestimmte Zeit eines dieser Qualitätsmerkmale zum Fokus ihrer Unterrichtsentwicklung macht. Aktuell dürfte es aus den weiter oben erwähnten Gründen so sein, dass die Kompetenzorientierung im Vordergrund steht. Dabei handelt es sich um ein Qualitätsmerkmal, das empirisch noch wenig erforscht ist. Es ist eher so, dass dieses Merkmal aktuell konzeptionell bearbeitet und immer näher bestimmt wird. Dabei zeigt sich bereits heute, dass es um ein vielschichtiges Merkmal handelt, das wiederum Bezug auf andere Merkmale nimmt, die eindeutiger als Tiefenstrukturmerkmale von Unterricht gefasst werden.

“Erfolgreicher Unterricht kann auf eine sehr verschiedene, aber nicht beliebige Weise
realisiert werden.”

In einer Phase der Problemstellung
braucht es in aller Regel den Klassenunterricht.

Der Blick auf die Tiefenstrukturmerkmale oder Mikroprozesse von Unterrichtsqualität hilft zu verstehen, was die beiden bekanntesten Unterrichtsforscher im deutschen Sprachraum, Weinert und Helmke, bereits vor der Jahrtausendwende formuliert haben (1997, S. 472): “Erfolgreicher Unterricht kann auf eine sehr verschiedene, aber nicht beliebige Weise realisiert werden”. Man kann sowohl Klassenunterricht als auch Unterricht in offenen Lernformen gut oder weniger gut durchführen. Die Gegenüberstellung von offenem Unterricht und Klassenunterricht hilft auch nicht weiter. Wichtig ist eine didaktisch reflektierte Verknüpfung unterschiedlicher Unterrichtsformen im Hinblick auf die Verwirklichung der Tiefenstrukturmerkmale von Unterricht. Es braucht z.B. in einer Phase der Problemstellung und Problemklärung in aller Regel den Klassenunterricht, damit kognitive Aktivierung hergestellt werden kann. Es braucht aber auch Phasen des Durcharbeitens und Übens, in denen eine hohe kognitive Aktivierung viel besser durch selbstgesteuerte Unterrichtsformen erreicht wird.

Idealerweise nutzt die Lehrperson (allenfalls in Zusammenarbeit mit einer Förderlehrperson) dann solche Phasen, um im Sinne der Schülerunterstützung mit einzelnen Lernenden oder Kleingruppen zu arbeiten. Betrachtet man die geschilderten drei Tiefenstrukturmerkmale des Unterrichts vertieft, wird deutlich, dass hier das Bild einer aktiven Lehrperson gezeichnet wird, die im Unterricht eine hohe Präsenz zeigt. Auf diesem Hintergrund sind auch die viel diskutierten Aussagen von Hattie (2009) zu verstehen, der in seinem ersten bei uns breit rezipierten Buch „Visible learning“ (ebd.) sowohl die „Sichtbarkeit“ der Lehrperson als auch der Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler betont. Er beschreibt seine Erfahrung, dass beim Betrachten von gutem Unterricht, Lehrer immer aktiv und involviert aufgetreten sind (ebd., S. 25-26). Sein Buch ist kein Plädoyer gegen offene Unterrichtsformen, sondern gegen eine einseitige Interpretation der Rolle von Lehrpersonen, die vermeintlich modern nur noch als Facilitator, als Lernbegleiter oder als Lerncoach beschrieben werden.

Gabriel Schneuwly, 2015 (Vorabdruck eines Kapitels, Kurzversion)

Literatur:
Bohl, Thorsten; Kucharz, Diemut (2010): Offener Unterricht heute. Konzeptionelle und didaktische Weiterentwicklung.
Weinheim: Beltz (Studientexte für das Lehramt, 22).
Bönsch, Manfred (1991): Offener und kommunikativer Unterricht − Freiarbeit und Beziehungsdidaktik. Oldenburg: Universität Oldenburg, Zentrum für Pädagogische Berufspraxis.
Croci, Alfons; Imgrüth, Peter; Landwehr, Norbert & Spring, Kathrin (1995): ELF. Ein Projekt macht Schule. Magazin zum Thema Erweiterte Lernformen. Littau und Buchs: Kantonale Lehrmittelverlage Luzern und Aargau.
Grunder, Hans-Ulrich (2009): Heterogenität und Innere Differenzierung des Unterrichts. In: Hans-Ulrich Grunder und Adolf Gut (Hrsg.): Zum Umgang mit Heterogenität in der Schule. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, S. 115-127.
Hattie, John (2009): Visible learning. A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. London, New York:Routledge.
Helmke, Andreas (2007): Was wissen wir über guten Unterricht? Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Unterrichtsforschung und Konsequenzen für die Unterrichtsentwicklung. Vortrag an der Veranstaltung “Lehren und Lernen für die Zukunft” zur flächendeckenden Einführung des Projektes “Selbstständige Schule” in Essen, 28. Oktober 2006. http://www.bertelsmannstiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-85520472-C0716157/bst/05_Vortrag_Prof_Helmke.pdf (besucht am 07.11.2012)
Helmke, Andreas (2009): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. 1. Aufl., Neubearb. von “Unterrichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern”. Seelze: Kallmeyer.  Kunter, Mareike; Trautwein, Ulrich (2013): Psychologie des Unterrichts. Paderborn: Ferdinand Schöningh.
Meyer, Hilbert (2005): Was ist guter Unterricht? (2. Aufl.). Berlin: Cornelsen Scriptor.
Meyer, Hilbert (2015): Unterrichtsentwicklung. 1. Aufl. Berlin: Cornelsen.
Niggli, Alois (2013): Didaktische Inszenierung binnendifferenzierter Lernumgebungen. Theorie – Empirie – Konzepte – Praxis.
Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Oelkers, Jürgen; Reusser, Kurt (2008): Qualität entwickeln – Standards sichern – mit Differenz umgehen. Expertise. Unter Mitarbeit von Esther Berner, Halbheer Ueli und Stolz Stefanie. Hg. v. Bundesministerium für Bildung und Forschung. Bonn, Berlin.
Oser, Fritz K. & Baeriswyl, Franz J. (2001): Choreographies of Teaching: Bridging Instruction to Learning. In: Virginia Richardson (Ed.): Handbook of research on teaching (4. Aufl.). Washington, D.C: American Educational Research Association.
Pauli, Christine; Reusser, Kurt; Waldis Monika & Grob, Urs (2003): “Erweiterte Lehr- und Lernformen” im Mathematikunterricht der Deutschschweiz. In: Unterrichtswissenschaft 31 (4), S. 291-320.
Peschel, Falko (2006): Offener Unterricht (4. Aufl.). Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
Reusser, Kurt; Pauli, Christine (2010): Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsqualität – Ergebnisse einer internationalen und schweizerischen Videostudie zum Mathematikunterricht: Einleitung und Überblick. In: Kurt Reusser (Hg.): Unterrichtsgestaltung und Unterrichtsqualität. Ergebnisse einer internationalen und schweizerischen Videostudie zum Mathematikunterricht. Münster: Waxmann, S. 9–32.
Weinert, Franz E.; Helmke, Andreas (Hg.) (1997): Entwicklung im Grundschulalter. Weinheim: Psychologie Verlags Union.

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