Fachhochschulen - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Sun, 15 Dec 2019 21:45:35 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Fachhochschulen - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Bildungsgerechtigkeit, ein jahrzehntealtes Desiderat neu aufgewärmt https://condorcet.ch/2019/12/bildungsgerechtigkeit-ein-jahrzehntealtes-desiderat-neu-aufgewaermt/ https://condorcet.ch/2019/12/bildungsgerechtigkeit-ein-jahrzehntealtes-desiderat-neu-aufgewaermt/#respond Sun, 15 Dec 2019 12:18:28 +0000 https://condorcet.ch/?p=3315

Das ging aber schnell. Der Artikel von Hans Joss ("Wie und wem Schule schadet...", 14.12.19) führte zu energischem Widerspruch. Condorcet-Autor Felix Schmutz mahnt in seiner Replik, die Stärken unseres Systems nicht aus den Augen zu verlieren. Falsche Laufbahnentscheide lassen sich in unserem System viel leichter korrigieren.

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Felix Schmutz, BL

Da ist es wieder, das Schuldbewusstsein, dass Kindern Unrecht geschieht, wenn sie nicht alle in gleicher Weise vom Angebot der Schule profitieren können. Seit Dahrendorf in den Sechzigerjahren vom brach liegenden Potenzial der Jugendlichen aus der Arbeiterschicht sprach, ist das Problem bekannt. Die von Herrn Joss zitierte Untersuchung wärmt im Grunde nur auf, was unter dem Begriff der Chancenungleichheit seit langer Zeit die Bildungspolitik umtreibt.

Wie lässt sich das Problem lösen?  

  1. Beseitigung der Selektion?

Seit Anfang der Siebzigerjahre gibt es in Deutschland neben dem dreigliedrigen System die Gesamtschule. In den 90-er Jahren zeigte der Vergleich der gross angelegten BIJU-Studie (Bildungsverläufe im Jugendalter, Max Planck-Institut Berlin) das enttäuschende Resultat: Statt der erhofften besseren Förderung der Benachteiligten, wiesen die Jugendlichen der Gesamtschule keine besseren Leistungen auf als diejenigen des selektiven Systems. Im Gegenteil: Die Kinder mit guten Startchancen in der Gesamtschule wiesen gegenüber denjenigen in Realschule und Gymnasium am Ende der Schulzeit einen Rückstand von zwei Jahren auf. Fazit: Das Niveau geht einfach für alle nach unten. Dürfen sich die Gesamtschüler auch melden, um für erlittenes Unrecht entschädigt zu werden?

 

Die Chancengleichheit hat sich zugegebenermassen nicht verbessert

Die Selektion ist ab einer gewissen Stufe schon deshalb sinnvoll, weil sich Kinder und Jugendliche massiv unterscheiden im Lerntempo und in der Abstraktionsfähigkeit. Menschen haben unterschiedliche kognitive Begabungen und verfügen damit über unterschiedliche Fähigkeiten, schwierigen Lernstoff zu bewältigen. Dass sich familiäre Anregungen auf die Entwicklung dieser Fähigkeiten in den ersten Lebensjahren auswirken, soll nicht bestritten werden. Sie ist leider eine Tatsache. Müssen wir die Kinder deshalb auffordern, ihre Eltern für die nachteilige Früherziehung einzuklagen?

 

  1. Gezielte Förderung?

Sprachliche Frühförderung, Förderzentren in Schulen, Hausaufgabenhilfen, Integration, alle diese Möglichkeiten werden schon lange ausprobiert. Leider haben sie bis heute die Chancengleichheit nicht merklich verbessert. Alle paar Jahre stellt eine neue Untersuchung wieder fest, dass das System Benachteiligte entlässt. Traurig, aber wahr!

Kinder und Jugendliche, die bei der Selektion einen Zug verpassen, haben später immer wieder die Möglichkeit, Ausbildungen nachzuholen, falsche Laufbahnentscheide zu korrigieren.

Es gibt jedoch ein hoffnungsvolles Aber:

  1. Das duale Bildungssystem der Schweiz ermöglicht dem allergrössten Teil der Jugendlichen, einen Beruf zu erlernen und Arbeit zu finden. Die Jugendarbeitslosigkeit bewegt sich in der Schweiz auf einem spektakulär tiefen Niveau trotz PISA-Schreckensmeldungen, trotz der hohen Migrantenzahl, trotz dem selektiven Schulsystem.
  2. Würden sich die Pädagogischen Hochschulen wieder vermehrt darauf konzentrieren, den Auszubildenden brauchbares Unterrichtshandwerk, didaktisch-methodisches Alltagswissen und diagnostische Sensibilität zu vermitteln, anstatt in abstrusen Theorien (Selbstlernarchitekturen, Kompetenzorientierung, Mehrsprachigkeitsdidaktik, etc.) zu schwelgen, wäre schon sehr viel gewonnen. Einfach wieder lernen, wie man Lesen, Schreiben, Sprechen, Rechnen vermittelt. Eine gestärkte Professionalität der Lehrpersonen würde Ungerechtigkeiten wenigstens ein Stück weit Gegensteuer geben.
  3. Tatsächlich weist unser Bildungssystem insgesamt eine hohe Chancengerechtigkeit auf. Kinder und Jugendliche, die – aus welchen Gründen auch immer, z.B. auch aus zeitweiliger Bequemlichkeit oder wegen misslichen Familienverhältnissen – bei der Selektion einen Zug verpassen, haben später immer wieder die Möglichkeit, Ausbildungen nachzuholen, falsche Laufbahnentscheide zu korrigieren. Die Schweiz verfügt über ein ausgeklügeltes System von Fachhochschulen, höheren Fachschulen, Übergangsjahren, Abendschulen. Solche Übergänge zu erleichtern und zu begleiten, ist die bessere Idee, als an einem sehr erfolgreichen Schulsystem dauernd herumzubasteln und es alle paar Jahre neu erfinden zu wollen.

 

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EDK, AVS, FHNW – das Bermuda- Dreieck der Eigenmächtigkeit https://condorcet.ch/2019/06/edk-avs-fhnw-das-bermuda-dreieck-der-eigenmaechtigkeit/ https://condorcet.ch/2019/06/edk-avs-fhnw-das-bermuda-dreieck-der-eigenmaechtigkeit/#respond Fri, 14 Jun 2019 10:54:44 +0000 https://lvb.kdt-hosting.ch/?p=1389

Ein Aufschrei geht durch die Bildungspolitik der Schweiz. Am 24. Mai wurden die Ergebnisse der nationalen Leistungstests publiziert. Der Condorcet-Blog hat darüber mehrfach berichtet. Die Eidgenössische Erziehungsdirektoren Konferenz (EDK), die ohne demokratische Legitimation das bisher erfolgreiche Bildungssystem unseres Landes zur sogenannten "Kompetenzorientierung" zwingt, zögerte die Veröffentlichung seit 2016/17 lange hinaus. Gastautor Felix Hoffmann fasst zusammen.

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Mit den nationalen Leistungstests wollte die EDK einen Vergleich zwischen den Kantonen. Urs Kalberer, Sprachdidaktiker und Sekundarlehrer fragt sich, warum nun betont werde, dass die Kantone aufgrund unterschiedlicher Stundenzahlen gar nicht zu vergleichen seien. Warum gab es dann aber eine solch aufwändige Vergleichsuntersuchung? Bilinguale Kantone wie Wallis oder Freiburg wiederum sind punkto Französischkenntnisse nicht vergleichbar mit Baselland, wo die Schülerschaft kaum Berührungspunkte mit der zweiten Landessprache hat. Warum, fragt Kalberer weiter, waren die Schülerleistungen in Mathematik und beim Leseverständnis anlässlich der PISA-Prüfungen besser als bei den nationalen Tests? Und warum herrscht bezüglich dieser Unstimmigkeiten völlige Intransparenz? Prof. Dr. Walter Herzog hegt dazu eine Vermutung.

Kompetenzbeschreibungen sind viel zu vage
Emer. Professor Walter Herzog, Bern

Pseudowissenschaftlichkeit und Eigenmächtigkeit

Herzog erachtet die Kompetenzbeschreibungen des Lehrplan 21 als viel zu vage zur Überprüfung von Schülerleistungen. Ferner betont er, wird die Abgrenzung zwischen Kompetenz und Inkompetenz von der EDK ausgehandelt, also nicht nach wissenschaftlichen Kriterien bestimmt. Offenbar geht es hier nicht um eine ergebnisoffene Auswertung von Prüfungsergebnissen, sondern darum, „[…] dass man nicht will, dass zu viele oder zu wenige Schülerinnen und Schüler als inkompetent bezeichnet werden.“ Damit wäre der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Die EDK könnte so ihren eigenwillig eingeschlagenen Reformkurs mittels frisierter Testresultate rechtfertigen. Die Ergebnisse könnten also noch viel schlechter sein. Die EDK legt nicht nur fest, „[…] wie unser Schulsystem zu reformieren ist, sondern beschliesst auch gleich noch selber, wie gut ihr die Reform gelungen ist.“ Diese Eigenmächtigkeit hat System, auch im Kanton Baselland.

 

Monopol der Fachhochschulen

Der Lehrplan 21 wurde unter der Scheinbeteiligung von Lehrkräften von den Fachhochschulen (FH) erstellt. In Anlehnung daran entwarfen sie ideologische Unterrichtskonzepte wie das “Selbstorganisierte Lernen”, das die Schülerschaft völlig überfordert oder die gescheiterte “Mehrsprachigkeitsdidaktik”, die im Fremdsprachenunterricht ohne Vermittlung von Wortschatz, Grammatik und Übungsmöglichkeiten auskommen will. Nach Vorgabe dieser Ideologien vergaben die Fachhochschulen Aufträge an ausgewählte Verlage, die darauf basierende Unterrichtsmaterialien schufen, z.B. Mathbu, Mille feuilles, Clin d’oeil, New World. Wer die Vorgaben nicht erfüllte, bekam keine Aufträge. Die Fachhochschulen haben ergo das Weisungsrecht, mit welchen Lehrmitteln an der öffentlichen Schule zu unterrichtet ist. Im Baselbiet bestimmt diesbezüglich also weder die Bildungsdirektion noch der Bildungsrat – dieser winkte die Bücher mangels Alternativen einfach durch. Ausschlaggebend bei der Wahl von Unterrichtsmaterialien sind folglich nicht die Bedürfnisse der Lernenden, sondern Ideologien. Im Bemühen, ihren Einfluss nicht zu verlieren, bedient sich die FH Nordwestschweiz (FHNW) einfallsreicher Methoden.

Filz im Getriebe

Im Amt für Volksschulen arbeiten Angestellte, welche dort die Interessen der FHNW vertreten. Es heisst allerdings nicht umsonst:”Niemand kann zwei Herren dienen”, was die Frage aufwirft, für wen diese Leute letztlich arbeiten. Auffällig in diesem Zusammenhang ist der Auftritt einer AVS-Angestellten an diversen Standorten der Sekundarschule. Sie pries dort vehement und ausschliesslich die Kompetenzorientierung an, ohne die zuvor vom Parlament beschlossenen Themen und Stoffziele im Baselbieter Lehrplan zu erwähnen, so als gäbe es diese gar nicht. Eine weitere Angestellte bringt sich ohne Auftrag fortlaufend in die Evaluation neuer Fremdsprachenlehrbücher ein. Dies im Widerspruch zur vereinbarten Autonomie der hierfür geschaffenen Arbeitsgruppen. Zufälligerweise macht sie sich immer wieder stark für Lehrmittel, basierend auf der gescheiterten Mehrsprachigkeitsdidaktik. Zuletzt erstellte sie Preislisten zuhanden der Lehrmittelkommission. Dabei verteuerte sie die der FHNW nicht genehmen Bücher künstlich und deklarierte sie als Einweglehrmittel, obwohl sie für mehrere Jahrgänge einsetzbar sind.

Lehrmittelfreiheit als Antifilzmittel

Lehrmittelfreiheit tut not

Die von der Bildungsdirektion angestrebte Lehrmittelfreiheit beendet das Lehrmitteldiktat der FHNW, das nicht zuletzt zu den verheerenden Resultaten bei den nationalen Leitungstests führte. Mit der Lehrmittelfreiheit hat die Lehrkraft die Möglichkeit, ein an die Bedürfnisse ihrer Klasse optimal angepasstes Lehrmittel zu wählen. Die dank der Starken Schule beider Basel im Baselbieter Lehrplan festgeschriebenen Stoffinhalte und Themen sichern dabei einen für alle Lernenden standardisierten Stoffaufbau. Die Kombination von Stoffinhalten und Themen mit der Lehrmittelfreiheit entspricht dem Grundsatz: Viele Wege führen nach Rom. Den einzig richtigen Weg, wie ihn die FHNW in der Kompetenzorientierung zu erkennen glaubt, gibt es nicht. Dies ist der Hauptirrtum dieser von der EDK uniform und flächendeckend erzwungenen Schulreform. Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle beim schlechten Abschneiden unseres Kantons bei den nationalen Leistungstests.

Hauptursachen der Bildungsmisere

Neben der Kompetenzorientierung haben auch die unsägliche Menge anderer Reformen innert weniger Jahre und deren quasi Gleichzeitigkeit ihren Anteil daran. Die Umstellung der Lehrerausbildung, Frühfremdsprachen auf der Primarstufe, der Wechsel von 5/4 auf 6/3 und die Projektarbeit, um nur wenige Beispiele zu nennen, sind jede für sich aufwändig mit entsprechendem Ressourcenbedarf. Die Ressourcen aber wurden aufgrund mehrerer Sparpakete verknappt, während die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte wegen der Umsetzung der Reformen und der Aufstockung der Lektionenzahl zunahm. Zusätzlich gehen die Projektarbeit und Informatik zulasten des Deutsch- bzw. Mathematikunterrichts. Das Erreichen von Lehrplanzielen ist so nicht möglich. Ein grosser Stolperstein im heutigen Schulsystem ist allerdings die Integration. Dazu konnte man in der Sonntagszeitung vom 28. April 2019 Folgendes lesen: „Für 60 Prozent der Klassenlehrer sind verhaltensauffällige Schüler der grösste Belastungsfaktor. Sie werden als noch strapaziöser empfunden als Schulreformen.“

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Homepage von “Starke Schule beider Basel

 

Felix Hoffmann

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