Schulreform - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Thu, 18 Apr 2024 06:51:04 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Schulreform - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Eine Bilanz nach 25 Jahren Schulreformen https://condorcet.ch/2024/04/eine-bilanz-nach-25-jahren-schulreformen/ https://condorcet.ch/2024/04/eine-bilanz-nach-25-jahren-schulreformen/#comments Thu, 18 Apr 2024 06:51:04 +0000 https://condorcet.ch/?p=16506

Fünf zentrale Reformvorhaben stellt Condorcet-Autor Hanspeter Amstutz bezüglich ihrer Wirkung auf die jüngere Schulentwicklung auf den Prüfstand. Die mit vielen Vorschusslorbeeren versehenen Reformschritte sind mit der Ankündigung geschaffen worden, sie würden die Schulqualität entscheidend verbessern. Sie dürfen daher auch an diesem hohen Anspruch gemessen werden.

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  1. Bildungssteuerung aufgrund von Lernstandserhebungen

“Durch ein Top-down-Bildungsmonitoring kann die Schulqualität kontinuierlich gesteigert werden.”

Bildungsversprechen:

Durch regelmässige Lernstandserhebungen in systematisch ausgewählten Schulen werden in zentralen Fächern die Leistungen der Schülerinnen und Schüler ermittelt. Die EDK und die Pädagogischen Hochschulen verschaffen sich durch diese auf wissenschaftlicher Basis erhobenen Messungen einen Überblick über den Erfolg des Unterrichts in den einzelnen Fächern. Werden Mängel festgestellt, sollen durch gezielte Steuerungsmassnahmen die Resultate verbessert werden.

Gastautor Hanspeter Amstutz

Bilanz:  Es herrscht in der EDK grosse Ratlosigkeit, wie die festgestellten Mängel behoben werden könnten.

Den Lernstand einer Klasse festzustellen ist zwar aufwändig, aber keine Hexerei. Ganz anders sieht es aus, wenn die festgestellten Mängel behoben werden sollten. Schon in der ersten PISA-Studie wurde festgestellt, dass die Lesefähigkeiten unserer Schulabgänger nur mittelmässig waren. Die konzeptlosen Steuerungsmassnahmen blieben wirkungslos und die Grundkenntnisse im Deutsch wurden gar noch schlechter. Das Top-down-Prinzip erweist sich als Misserfolg, wenn Schulentwicklung nicht in enger Zusammenarbeit mit den Schulpraktikern erfolgt und deren dringende Forderung nach einer Konzentration aufs Wesentliche weiter missachtet wird.

Lösungsansatz:

Nach eingehender Befragung der Lehrpersonen Ballast aus dem Bildungs-Wunschprogramm abwerfen und sich auf wesentliche Bildungsziele einigen.

 

  1. Frühes Sprachenlernen als ein Schlüssel zum Schulerfolg

“Das frühe Lernen zweier Fremdsprachen verschafft den Kindern einen erheblichen Startvorteil.”

Bildungsversprechen:

Kinder lernen Sprachen leichter als Erwachsene. Mit einer modernen Mehrsprachendidaktik und spielerischen Lernformen können problemlos zwei Fremdsprachen nebeneinander gelernt werden. Mit einem Schwergewicht auf den kommunikativen Fähigkeiten statt auf der Grammatik stehen Fremdsprachen allen Kindern offen. Diese werden so rechtzeitig auf die Anforderungen einer globalisierten Welt vorbereitet.

Bilanz:  Das Konzept einer frühen Dreisprachigkeit ist kein Erfolgsmodell und hinterlässt zu viele Verlierer.

Karikatur von Alain Pichard nach Idee von r.alf

Die Behauptung, dass die meisten Primarschüler mit nur zwei oder drei Wochenlektionen eine Fremdsprache durch das Eintauchen in ein Sprachbad (Immersion) spielerisch lernen würden, ist völlig falsch. Immersion gelingt nur, wenn Kinder täglich in vielen Situation mit einer Fremdsprache in Berührung kommen. Gescheitert ist auch die propagierte Mehrsprachendidaktik, die in einigen Lehrmitteln zu einem eigentlichen Unterrichtsdebakel geführt hat.

Immersion gelingt nur, wenn Kinder täglich in vielen Situation mit einer Fremdsprache in Berührung kommen.

Völlig ungenügend sind auch die Resultate des Frühfranzösisch, wo bis zu zwei Drittel einer Klasse die elementarsten Bildungsziele nicht erreichen. Dieser Misserfolg dämpft die Freude vieler Schüler am Sprachenlernen und führt in manchen Fällen bis zum Schulverdruss. Der Aufwand für das Lernen der Frühfremdsprachen geht teils auf Kosten wertvoller Übungszeit im Deutsch, wo immer grössere Defizite festgestellt werden.

Lösungsansatz:

Eine Fremdsprache in der Primarschule genügt!

  1. Der Lehrplan als verlässlicher Bildungskompass

“Der Lehrplan 21 ist ein Bildungskompass, der als Schweizer Rahmenlehrplan verbindliche Bildungsziele festlegt.”

Bildungsversprechen:

Der neue Lehrplan erleichtert die Mobilität, indem innerhalb vereinheitlichter Schulstrukturen (drei einheitliche Bildungszyklen) in allen Kantonen dieselben Bildungsziele gelten. Mit einem verbindlichen Konzept aus Grundanforderungen und erweiterten Kompetenzzielen soll sichergestellt werden, dass die Qualität der Volksschulbildung gewährleistet und gut überprüfbar ist.

Bilanz:  Der Lehrplan erfüllt seine Funktion als Bildungskompass nur unzureichend.

Das Jahrhundertwerk des neuen Lehrplans führt weit über seinen Grundauftrag der Harmonisierung der Bildungsziele hinaus. Mit seinen oft kompliziert formulierten Kompetenzzielen und seiner Überfülle an Möglichkeiten wirkt er unübersichtlich und erschwert eine Konzentration auf wesentliche Bildungsinhalte.

Der Grundsatz, dass im neuen Lehrplan Kompetenzen gegenüber Inhalten eindeutig Vorrang haben, ist in vielen Fällen fragwürdig.

Ein Lehrplan, der den Anspruch erhebt, ein nützlicher Bildungskompass für Lehrpersonen zu sein, erfüllt seinen Zweck nicht, wenn er kaum einmal konsultiert wird.

Der Grundsatz, dass im neuen Lehrplan Kompetenzen gegenüber Inhalten eindeutig Vorrang haben, ist in vielen Fällen fragwürdig. So ist es wenig hilfreich, wenn beispielsweise im Geschichtsunterricht bestimmte politische Kompetenzen an mehr oder weniger beliebigen Inhalten erworben werden können. Lehrpersonen und Schüler möchten in erster Linie wissen, welche konkreten Bildungsinhalte im Zentrum des Unterrichts stehen.

Lösungsansatz:

Ein Lehrplan in Kurzform mit verbindlichen Bildungsinhalten als Ergänzung zur aktuellen Vollausgabe wäre für die Schulpraxis sehr hilfreich.

  1. Integration aller Schüler in Regelklassen

“Alle Kinder haben das Recht, in einer Regelklasse unterrichtet zu werden.”

Bildungsversprechen:

Keine Schülerin und kein Schüler soll in irgendeiner Form von seinen Mitschülern ausgegrenzt werden. Die Separation in Kleinklassen ist deshalb kein geeignetes Mittel, um Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten oder Lerndefiziten zu fördern. Klassenlehrpersonen werden von Heilpädagoginnen unterstützt, damit in Regelklassen integrierte schwierige Schüler professionell betreut werden können.

Bilanz: Das dogmatisch aufgegleiste Integrations-Konzept hat den Praxistest nicht bestanden und ist finanziell ein Fass ohne Boden.

Kinder und Jugendliche mit Teilleistungsschwächen oder kognitiven Einschränkungen belasten eine Klasse in der Regel weit weniger als Schüler mit aggressiven Verhaltensauffälligkeiten. Wo einzelne Schüler hingegen immer wieder den Unterricht durch ihr auffälliges Verhalten massiv stören, wird konzentriertes Arbeiten in der Klasse stark beeinträchtigt. Lehrpersonen beklagen sich zu Recht, dass sie in diesen Fällen zu viel pädagogische Energie auf Einzelne aufwenden müssen. Die versprochene Unterstützung durch Fachkräfte ist meist ungenügend, da die Heilpädagoginnen nur wenige Stunden in den ihnen zugeteilten Klassen verbringen können.

Solange Lösungen mit Klein- oder Förderklassen kategorisch abgelehnt werden, wird sich die Diskussion weiter im Kreis drehen.

Die in den Bildungsstäben dogmatische vertretene Ansicht, Kleinklassen seien keine gleichwertigen Alternativen zu einer integrierten Schulung, erschweren pragmatische Lösungen. Die meistgenannte Forderung, die Zahl der Heilpädagoginnen sei massiv zu erhöhen, ist in der aktuellen Personalsituation nicht realistisch und droht finanziell zu einem Fass ohne Boden zu werden. Solange Lösungen mit Klein- oder Förderklassen kategorisch abgelehnt werden, wird sich die Diskussion weiter im Kreis drehen.

Lösungsansatz:

Eine separative Förderung soll gleichberechtigt neben dem aktuellen Integrationsmodell stehen und darf finanziell für die Schulen kein Nachteil sein.

  1. Lehrpersonen sollen primär als Lerncoachs wirken

“Der Frontalunterricht ist abzulösen durch didaktische Konzepte, in welchen die Lehrpersonen als Lerncoachs die Jugendlichen begleiten.”

Bildungsversprechen:

Moderne Lernkonzepte basieren auf Lernlandschaften und digitalen Lernprogrammen, die ein weitgehend selbständiges Lernen mit unterschiedlichen Bildungszielen ermöglichen. Digitale Programme vereinfachen die Organisation eines stark individualisierten Unterrichts und entlasten die Lehrpersonen im Bereich des Sprach- und Rechentrainings.

In didaktisch anregenden Lernlandschaften sollen die Jugendlichen in individuellem Lerntempo selbständig Wege finden, um wichtige Bildungsziele zu erreichen. Dabei stehen ihnen die Lehrpersonen als kompetente Begleitpersonen zur Seite. Frontalunterricht kann den individuellen Bedürfnissen der Jugendlichen kaum gerecht und soll deshalb stark eingeschränkt werden.

Bilanz:  Die generelle Verunglimpfung des Frontalunterrichts durch führende didaktische Zentren war ein Rohrkrepierer.

Wissenschaftlich ist die Abwertung der direkten Instruktion (genannt Frontalunterricht) in keiner Weise haltbar. Die Erwartung, Lehrkräfte könnten in der Funktion als unterstützende Lernbegleiter von Jugendlichen weit mehr bewirken als bei gemeinsamen Einführungen im Klassenverband, hat sich als illusorisch erwiesen. Spätestens seit der bekannten Hattie-Studie weiss man, dass ein von einer kompetenten Lehrkraft geführter gemeinsamer Unterricht sehr effizient sein kann.

Für die meisten Schüler ist eine sorgfältige direkte Instruktion in Verbund mit angeleiteten gemeinsamen Übungsphasen von zentraler Bedeutung für den Lernerfolg.

Zu viele Jugendliche scheitern am Anspruch eines zielgerichteten eigenverantwortlichen Lernens, da sie noch nicht über die dazu notwendige Selbstdisziplin verfügen. Für die meisten Schüler ist eine sorgfältige direkte Instruktion in Verbund mit angeleiteten gemeinsamen Übungsphasen von zentraler Bedeutung für den Lernerfolg. Lehrpersonen müssen frei entscheiden können, welche Lernformen in bestimmen Situationen am geeignetsten sind. Leider haben Druckversuche im methodischen Bereich in den letzten Jahren zugenommen und eine erhebliche Unsicherheit in Lehrerkreisen ausgelöst. So wurde mit dem favorisierten neuen Rollenbild und detaillierten methodischen Vorgaben die pädagogische Gestaltungsfreiheit der Lehrpersonen zum Schaden der Volksschule erheblich beeinträchtigt.

Lösungsansatz:

Lehrpersonen benötigen Rückenstärkung durch eine volle Garantie der Methodenfreiheit und dürfen nicht in die Rolle des Lerncoachs gedrängt werden.

 

Versuch einer Gesamtbilanz der Reformen

Die mit hohen Erwartungen verknüpften fünf grossen Reformvorhaben wurden ihrem Anspruch, einen entscheidenden Schritt vorwärts zur Schulentwicklung zu leisten, nicht oder höchstens teilweise gerecht. Zu vieles wurde gross angekündigt, aber nur wenig davon erreicht. Zwar gibt es zu dieser Aussage wenig konkrete Daten, die direkte Auswirkungen der fünf Reformen auf die Schulleistungen belegen könnten. Aber entsprechende Befragungen der Lehrerverbände bei ihren Mitgliedern lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die grossen Reformbaustellen sind bestens bekannt und führen im Schulalltag immer wieder zu heftigen Diskussionen über die getroffenen bildungspolitischen Zielsetzungen.

Zu vieles wurde gross angekündigt, aber nur wenig davon erreicht.

 

Bedenklich an der ganzen Sache ist, dass die EDK bisher keinen ihrer grossen Reformschritte einer systematischen Überprüfung unterstellt hat. Einige der Reformen liegen schon ein paar Jahre zurück, so dass eine gründliche Bilanz längst hätte erwartet werden können. Zwar gibt es Lernstandserhebungen in mehreren Fächern, die gewisse Rückschlüsse auf die Wirkung der Reformvorhaben ermöglichen. Aber die Reformen an und für sich waren nie Gegenstand einer gründlichen Analyse, wie man dies bei einem wissenschaftlich begleiteten Grossprojekt erwarten könnte. Besonders umstrittene Reformen wie das Dreisprachenkonzept der Primarschule oder die schulische Integration wurden von der EDK gar wie Tabuzonen behandelt. Statt sich einer offenen Diskussion zu stellen, verteidigte man sich unter Zuhilfenahme starrer Dogmen oder übte recht massiven politischen Druck aus.

Die Schulqualität kann nur gefördert werden, wenn die Bilanz der eingeleiteten Reformen positiv ausfällt.

Die vorliegende Bilanz ist in keiner Weise ein Versuch, das Rad der Geschichte in der Pädagogik zurückzudrehen. Unsere Volksschule muss sich den aktuellen Herausforderungen stellen und sich weiterentwickeln. Aber die Schulqualität kann nur gefördert werden, wenn die Bilanz der eingeleiteten Reformen positiv ausfällt. Ist diese zwiespältig oder gar negativ, besteht berechtigter Grund zur Sorge, dass unsere nach wie vor erstaunlich robuste Volksschule ernsthaften Schaden nimmt. Um dies zu verhindern, braucht es jetzt eine gründliche Analyse der Schulentwicklung der letzten 25 Jahre und eine stärker an der Schulpraxis orientierte Bildungspolitik.

 

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Wenn eine Laienpredigt die Glaubwürdigkeit der Volksschule untegräbt https://condorcet.ch/2024/04/wenn-eine-laienpredigt-die-glaubwuerdigkeit-der-volksschule-untegraebt/ https://condorcet.ch/2024/04/wenn-eine-laienpredigt-die-glaubwuerdigkeit-der-volksschule-untegraebt/#comments Wed, 10 Apr 2024 13:54:54 +0000 https://condorcet.ch/?p=16466

Condorcet-Autorin Christine Staehelin kritisiert die gegenwärtigen Forderungen der selbsternannten Bildungsrevolutionäre als oberflächlich, unsachlich und ohne jede Evidenz.

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Christine Staehelin, Primarlehrerin, Mitglied des Bildungsrates und der GLP-Basel: Kein pädagogischer Inhalt mehr.

Keine noch so erfolglose Reform der letzten dreissig Jahre schwächt das Ansehen und das Vertrauen in die Volksschule so sehr, wie der aktuelle Diskurs rund um die Abschaffung der Selektion, der Notengebung, des instruktiven Unterrichts, des Klassenunterrichts und der Hausaufgaben.

Diese unsachliche, oberflächliche und ohne empirisch begründete Argumente geführte Debatte –  falls man hier überhaupt von einer solchen sprechen kann, denn sie erinnert eher an eine Laienpredigt selbsternannter Heilsbringer – trifft die Glaubwürdigkeit der Volksschule mitten ins Herz. Und das schadet ihr mehr als alles andere. Denn wenn wir die Öffentlichkeit glauben lassen wollen, dass die Volksschule total umgekrempelt werden sollte, dann sprechen wir dieser Institution in ihrer aktuellen Form ihre Funktionsfähigkeit ab. Alle jene, die meinen, mit ihren sonderbaren, nicht nachvollziehbaren und ideologisch geprägten Ansätzen irgendetwas zur Verbesserung der Volksschule beizutragen, irren sich deshalb ganz grundsätzlich. Das einzige, was aus der aktuellen Debatte resultieren wird, sind die Destabilisierung der Institution und die verantwortungslose Auflösung der pädagogischen Aufgabe, welche die ältere Generation gegenüber der jüngeren zu erfüllen hat. Während die Reformen sich immer – wenn auch grösstenteils in einer unglücklichen Art und Weise – auf eine pädagogische Institution bezogen, haben die neuen Ansätze, welche in den Medien nun propagiert werden, gar keinen pädagogischen Inhalt mehr. Dies ist nicht nur für die Schule selbst tragisch, sondern auch für jene, welche die Debatte anführen, da sie nicht merken, worüber sie eigentlich reden und wohin das tatsächlich führen wird.

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Noten abschaffen? Oder wie Wädenswil seine Schule zerstört https://condorcet.ch/2024/04/noten-abschaffen-oder-wie-waedenswil-seine-schule-zerstoert/ https://condorcet.ch/2024/04/noten-abschaffen-oder-wie-waedenswil-seine-schule-zerstoert/#comments Thu, 04 Apr 2024 11:41:56 +0000 https://condorcet.ch/?p=16411

Markus Somm, Chefredaktor des "Nebelspalter", wohnt mit seinen 5 Kindern in Wädenswil. Drei davon sind in der Oberstufe Wädenswil beschult worden. Das OSW möchte die Schule revolutionieren. Was das heisst, zeigt dieser Beitrag aus Elternsicht. Der Artikel ist zuerst im Nebespalter unter der Rubrik Somms Memo erschienen.

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Die Fakten: In der Oberstufe Wädenswil möchte man die Noten abschaffen. Farben sollen sie ersetzen.

Warum das wichtig ist: Seit Jahren wird die Schweizer Schule reformiert, seit Jahren werden die Schweizer Schüler immer schlechter. Vielleicht gibt es einen Zusammenhang?

Markus Somm, Herausgeber und Chefredaktor des “Nebelspalter”: Wer intelligent ist, weicht der Mühsal aus.

Es war einmal eine Sekundarschule in Wädenswil. Sie hatte einen guten Ruf, besonders bei uns Eltern, denn die Schülerinnen und Schüler lernten viel. Wir wohnen in Wädenswil, und drei unserer fünf Kinder gingen in diese Sekundarschule – zur allgemeinen Zufriedenheit, insofern man das von Kindern sagen kann, die natürlich, so auch unsere Kinder, der Meinung waren, sie hätten ihre Zeit auch gescheiter einsetzen können: Im Wald etwa mit der Pfadi. Oder vor dem Fernseher. Welches gesunde Kind lernt denn gerne, wenn draussen die Sonne scheint?

Die Oberstufe Wädenswil (OSW) besass einen hervorragenden Ruf, stand aber unter dem Verdacht, allzu altmodisch zu sein, was ihre Methoden und Inhalte anbelangte. Wenn man unter sich war (nicht wir, aber andere besorgte Bürger), wurde gar getuschelt, ein paar der Lehrer stünden der SVP nahe. Horribile dictu. Zu Deutsch: Uiuiui.

In der OSW wurde zum Beispiel die «Lernlandschaft» installiert, genannt «Lilo», wo Schüler machen, was sie wollen, pardon: sie lernen, wie man selbstbestimmt lernt, und dabei noch Spass empfindet, auch wenn das die meisten Erwachsenen bis ins hohe Alter nicht fertigbringen, auch die meisten Lehrer übrigens nicht.

Irgendwann wurden diese Lehrer dann Gott sei Dank pensioniert, und Wädenswil entwickelte ganz eigene Ambitionen, jedenfalls deren Politiker. Wädenswil wurde zum Standort der Moderne. Ein Paris der Bildungsstürme, ein Petrograd der permanenten Bildungsrevolution.

Kein Stein blieb auf dem anderen. Und auch die Sekundarschule Wädenswil, dieser Hort der Reaktion, wurde befreit.

In der OSW wurde zum Beispiel die «Lernlandschaft» installiert, genannt «Lilo», wo Schüler machen, was sie wollen, pardon: sie lernen, wie man selbstbestimmt lernt, und dabei noch Spass empfindet, auch wenn das die meisten Erwachsenen bis ins hohe Alter nicht fertigbringen, auch die meisten Lehrer übrigens nicht.

Lernlandschaft?

Unser jüngste Sohn Hans erlebte sie als Lernwüste, – was ihm allerdings nichts ausmachte, denn er machte einfach nichts, oder fast nichts. Während andere (meistens die Mädchen) fleissig ihre Aufgaben erledigten, konzentrierte er sich auf Videogames, die er ebenso fleissig absolvierte.

Lernlandschaft? Eher eine Lernwüste.

Wer intelligent ist, weicht der Mühsal aus. So ist der Mensch, so war Hans. Wir mussten ihn in einer anderen Schule unterbringen. Er lernte gar nichts mehr. Er verdurstete und verdorrte in der Lernlandschaft.

Die Revolution frass ihre Kinder.

Wenn etwas eine Revolution auszeichnet, dann der Zwang, immer weiter zu revolutionieren. Nie ist die Menschheit befreit. Nie die Oberstufe Wädenswil. Jetzt sollen die Noten aufgehoben werden. Nicht ganz, aber ein erster Schritt wird unternommen. Wir befinden uns in einer «Erprobungsphase».

Und das geht so:

  •     Zu Anfang des Semesters legt der Schüler selber fest, was für eine Note er erreichen will
  •     Eine 5 in Deutsch zum Beispiel (im Leseverstehen) oder eine 4,5 in Mathematik

Dann beginnt das Schuljahr, und es kommen viele Prüfungen auf ihn zu. Wenn der Schüler seine Arbeit zurückerhält, findet er aber keine Noten mehr, sondern der Lehrer («Lehrperson» im Revolutionsdeutsch) malt eine Farbe aufs Blatt:

  •     Hat der Schüler seine eigene Zielnote (etwa 6 statt 5 in Deutsch) übertroffen, dann erscheint Pink
  •     Hat er sie exakt erreicht, dann Grün
  •     Liegt er darunter, dann Orange
Für übertroffen gibt es die Farbe “pink”

Damit möchte die OSW allen Schülern «Erfolgsergebnisse» ermöglichen, «indem wir uns am individuellen Lernstand» orientieren, wie es in einem vertraulichen Papier heisst, das mir vorliegt.

   Triumph des Minimalismus. Ist das neuerdings eine Tugend?

«An der OSW setzen sich die Schüler:innen mit ihrem individuellen Anspruchsniveau auseinander», heisst es weiter auf Quarkdeutsch.

Mit anderen Worten:

Wer schlau ist, setzt sich eine Zielnote, die eindeutig unter seinem Potential liegt, das beschert ihm dauerhaft «Erfolgserlebnisse», (und mehr Zeit, um Videogames zu studieren)

Triumph des Minimalismus. Ist das neuerdings eine Tugend?

Gewiss, die OSW betont, dass für die «Setzung der Zielnote» die Lehrer und die Eltern miteinbezogen werden. Es wird mit dem Schüler also über dessen Noten verhandelt. Was für ein Heidenspass.

Wir Eltern müssen demnach nicht nur den Lehrer bezahlen, der seine Arbeit nicht mehr ausführt, sondern wir haben die Arbeit auch noch für ihn zu erledigen. Denn darum geht es am Ende (abgesehen von der Ideologie der Anti-Leistungsgesellschaft, dazu in einem nächsten Memo mehr):

  •     Der Lehrer (obwohl die meisten Lehrer das gar nicht verlangen), wird von scheinbar mühseligen Aufgaben entlastet
  •     Denn es ist mühselig, einem Schüler eine schlechte Nachricht in Form einer schlechten Note zu überbringen. Er mault, sie weint, die   Eltern holen den Anwalt
  • Stattdessen wird dem Lehrer sehr viel Bürokratie aufgebürdet, denn das Management dieses neuen «Notensystems» ist kein Vergnügen. Ich habe die entsprechenden Excel-Tabellen gesehen: Horror

«Wir sind der Überzeugung, dass die Noten häufig lernhinderlich sein können», steht in diesem Papier.

Aha. Haben wir je darüber abgestimmt? Gibt es dafür empirische Evidenz? Wer ist da «Wir»? Was an unseren Schulen derzeit unter dem Radar der Öffentlichkeit von ungewählten, aber von uns bezahlten Funktionären vorangetrieben wird, ist tatsächlich eine Revolution.

William Shakespeare 1564- 1616. «Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.» .

Lenin fragte 1917 schliesslich auch keinen Russen, ob er in den nächsten 74 Jahren in der Sowjetunion leben möchte.

Übrigens dürfen die Lehrer laut Papier der OSW im «Hintergrund» dann doch Noten setzen, ohne sie dem Schüler aber zu zeigen: eine 6, wenn Lernziel übertroffen, eine 5, wenn erreicht, eine 4 für «teilweise erreicht», 3, wenn «nicht erreicht»

«Im Hintergrund».

Oder um es mit William Shakespeare, einem englischen Schriftsteller, der sich nie in der Lilo aufhielt, zu sagen: «Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.»

Ich wünsche Ihnen einen nachdenklichen Tag

Markus Somm

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Charleston, South Carolina: The Collapse of a Federally-Funded Teacher Incentive Plan – by dianeravitch https://condorcet.ch/2022/01/charleston-south-carolina-the-collapse-of-a-federally-funded-teacher-incentive-plan-by-dianeravitch/ https://condorcet.ch/2022/01/charleston-south-carolina-the-collapse-of-a-federally-funded-teacher-incentive-plan-by-dianeravitch/#respond Fri, 28 Jan 2022 12:59:42 +0000 https://condorcet.ch/?p=10423

Der jüngste Post von Diane Ravitch behandelt ein Thema, das auch bei uns immer wieder im Gespräch ist. Die Einführung eines Leistungslohnes in den Schulen. Nach Diane Ravitch eine Idee, die immer wieder auftaucht und auch immer wieder scheitert. Immerhin zeigt ihr Bericht auch, dass die US-Behörden auch die Wirkungen ihrer Eingriffe zu untersuchen bereit sind und - wenn deren Effekt nicht gegeben ist - die Projekte einstellen. Eine Haltung, die man sich auch in unserem Land wünschen würde.

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Die Idee des Leistungslohns an Schulen ist immer wieder gescheitert.

Als ich das Buch “The Death and Life of the Great American School System: How Testing and Choice Are Undermining Education” (2010) schrieb, recherchierte ich über die Geschichte des Leistungslohns. Ich fand heraus, dass seit einem Jahrhundert immer wieder versucht wurde, eine Art Leistungslohn zu implementieren, was allerdings immer gescheitert ist. Vertreter der Privatindustrie glauben, dass die Verlockung einer Prämie die Lehrer dazu bringen würde, härter zu arbeiten und bessere Ergebnisse zu erzielen. Aber die Leistungszulage funktioniert nicht. Der Haupteffekt ist die Demoralisierung der Lehrer. Michael Bloomberg hat es in New York City versucht und ist damit gescheitert. In Tennessee wurde es von 2007 bis 2010 mit einem fetten Bonus von 15.000 Dollar versucht. Auch dort ist es gescheitert. Wo auch immer es versucht wurde, ist es gescheitert. Die Theorie ist falsch, und wie der große W. Edwards Deming argumentierte, funktioniert sie offensichtlich auch in der Wirtschaft nicht.

Im Jahr 2010 wurde ich zu einem Treffen mit den führenden Vertretern der Innenpolitik im Weißen Haus Obamas eingeladen (Melody Barnes, Leiterin des Innenpolitischen Rates, Rahm Emanuel, Stabschef von Präsident Obama, und Ricardo Rodriguez, Bildungsberater

Ex-Präsident Obama mit Emmanuel Rahm: Wir haben eine Millarde für den Leistungslohn freigegeben.

des Präsidenten). Sie fragten mich, was ich von den Common-Core-Standards halte. Ich schlug vor, sie zunächst in zwei oder drei Staaten zu testen und zu sehen, wie sie funktionierten, bevor sie landesweit eingeführt würden. Sie verwarfen diesen Gedanken. Dann fragten sie mich, was ich von einem Leistungslohn hielte, und ich entgegnete, was ich hier im ersten Absatz geschrieben habe. Sie erklärten hingegen, dass sie soeben 1 Milliarde Dollar für einen Lehreranreizfonds freigeben würden. Das Ganze war eine Verschwendung meiner Zeit. Wahrscheinlich auch eine Verschwendung der ihren.

Vor kurzem stieß ich auf diese Geschichte aus Charleston, South Carolina, die 2016 in der Lokalzeitung “The Post and Courier” erschien. Es ist ein Nachruf auf den Bundeszuschuss des Teacher Incentive Fund der Stadt.

Ein gewisser Paul Bowers schrieb damals: Drei Jahre und 11,7 Millionen Dollar später hat der Schulbezirk Charleston County nicht viel vorzuweisen für sein umstrittenes Programm, das die Bezahlung der Lehrer an die Leistung der Schüler koppelte.

Charleston (South Carolina): Ein Grossteil der Gelder wurde für die Evaluatoren ausgegeben.

Das Bridge-Programm, das unter der früheren Verwaltung von Superintendentin Nancy McGinley entwickelt und mit einem 23,7 Millionen Dollar schweren Zuschuss aus dem Teacher Incentive Fund finanziert wurde, sollte gute Lehrer fördern und bei der Stange halten, indem es sie für gute Leistungen finanziell belohnte. Stattdessen stieg die Lehrerfluktuation an den meisten Pilotschulen des Programms an, und interne Umfragen ergaben, dass die Lehrer durch die mitunter hohen Zahlungen nicht motivierter wurden.

Der Bezirk hatte bisher mehr als die Hälfte des Zuschusses ausgegeben, wobei seit 2013 nur 614.900 Dollar für Lehrerprämien ausgegeben wurden. Der Großteil wurde für die Bezahlung von Beratern und einer kopflastigen Bürokratie von Lehrer-Coaches und Evaluatoren verwendet, um das Programm am Laufen zu halten.

Die Schulbehörde beschloss im Februar, im Herbst eine letzte Runde von Lehrerprämien auszuzahlen und den Rest der Mittel der Bundesregierung zu überlassen. Danach wird Bridge einen ruhigen Tod sterben.

Es hat das Vertrauen und die Moral absolut untergraben.

Nun ja, für einige ein ruhiger Tod. Für den Drayton Hall-Grundschullehrer Patrick Hayes, den Gründer der Interessengruppe EdFirstSC, der gegen den Plan gewettert hatte, ist es schwer, sich die Bemerkung zu verkneifen: “Ich habe es euch ja gesagt.”

“Es hat das Vertrauen und die Moral absolut untergraben. Man hat allgemein das Gefühl, dass die Leute nicht glauben, dass wir unsere Arbeit machen”, sagte Hayes.

Hayes sagte, dass die meisten Lehrerinnen und Lehrer es als angenehm empfinden, wenn ein Schulleiter sie im Unterricht beobachtet, dass sie aber oft nervös auf den nächsten Überraschungsbesuch eines vom Bezirksamt beauftragten Evaluators warten.

“Wenn man Menschen dazu bringt, sich auf externe Belohnungen zu konzentrieren, sind sie so besorgt um diese Belohnungen, dass sie sich darauf konzentrieren, anstatt auf die Arbeit, die sie machen sollen.”, sagte Hayes. “Insgesamt ist die Vorstellung, dass die Erwachsenen nervöser sein müssen, damit die Kinder besser werden, falsch.

McGinley lehnte eine Stellungnahme für diesen Artikel ab.

Bridge begann als Pilotprogramm an 13 Schulen mit hoher Armut und hohen Schülerzahlen, darunter die North Charleston High und die Burns Elementary. Auf der Grundlage einer Formel, die auf Verbesserungen bei den Testergebnissen der Schüler, Beobachtungen in den Klassenzimmern und staatlichen Bewertungen basiert, begann der Bezirk mit der Auszahlung von jährlichen Prämien in Höhe von 1.000 bis 4.000 Dollar für leistungsstarke Lehrer und Schulverwalter an diesen Schulen.

Bei diesen Zuschüssen muss man einen solchen Erfolg vorweisen können, dass man nach Ablauf des Zuschusses bereit ist, auf etwas zu verzichten, was man dafür tut, oder einen Weg zu finden, weiterhin dafür zu bezahlen.

Nach dem Zeitplan für den Bundeszuschuss sollte der Bezirk in diesem Schuljahr damit beginnen, alle Lehrkräfte anhand der Bridge-Maßnahmen zu bewerten, und die Prämien ab dem Schuljahr 2016/17 an alle Schulen auszahlen. Bezirksvorsteherin Gerrita Postlewait schätzte im Februar, dass die Einführung allein im nächsten Jahr eine Delle von 5 Millionen Dollar in den ohnehin schon knappen Haushalt des Bezirks reißen würde. Und wenn der fünfjährige Zuschuss ausläuft, müsste der Bezirk das Programm ohne staatliche Unterstützung finanzieren.

Cindy Bohn-Coats: Bringt es etwas oder bringt es nichts?

Die Vorsitzende des Schulausschusses, Cindy Bohn Coats, meinte, sie habe nicht für die Beendigung von Bridge gestimmt, weil es ein Misserfolg gewesen sei, sondern weil der Erfolg nicht groß genug gewesen sei, um die Kosten zu rechtfertigen.

“Bei diesen Zuschüssen muss man einen solchen Erfolg vorweisen können, dass man nach Ablauf des Zuschusses bereit ist, auf etwas zu verzichten, was man dafür tut, oder einen Weg zu finden, weiterhin dafür zu bezahlen”, sagte Coats.

Lange bevor Postlewait und der Vorstand Bridge absetzten, hatten sich Lehrer gegen das Programm ausgesprochen. In einem Bericht der Charleston Teacher Alliance vom Oktober wurde empfohlen, die Zuschussgelder an den Bund zurückzugeben, und eine Umfrage zitiert, die ergab, dass nur 16 Prozent der Lehrer in den Bridge-Pilotschulen der Meinung waren, das Programm funktioniere.

“Wir werden für unseren Dienst bezahlt, nicht für dessen Ergebnis”, sagte die Direktorin der Charleston Teacher Alliance, Jody Stallings, eine Lehrerin der Moultrie Middle. “Das Gleiche gilt für Soldaten, Polizisten und Ärzte, und zwar aus gutem Grund. Die Faktoren, die unseren Erfolg ausmachen, hängen von so viel mehr ab als von individuellen Anstrengungen.

Stallings sagte, seine Gruppe habe versucht, sowohl die McGinley-Verwaltung als auch den Interims-Superintendenten Michael Bobby davon zu überzeugen, dass der Bridge-Plan “fehlerhaft, verschwenderisch und zum Scheitern verurteilt” sei. Aber erst nachdem Postlewait im Juli sein Amt angetreten hatte, begann sich das Blatt gegen den Plan zu wenden.

Trotz der vielen entschiedenen Gegner von Bridge schrieb ein Sprecher des Bezirks, dass das Programm “positives Feedback” erhalten habe, als Mitarbeiter des bundesweiten Teacher Incentive Fund im Frühjahr 2015 einen Besuch abstatteten. Und es hatte bis zum Schluss lokale Unterstützer.

Im November, kurz nachdem sie die Verantwortung für Bridge von der früheren Bezirksleitung übernommen hatte, schrieb Projektleiterin Anita Huggins in einer E-Mail an Postlewait, dass ein Gremium von fünf Schulleitern einstimmig dafür war, ein weiteres Jahr Fördergelder zu bewilligen. Unter Auflistung einiger Kommentare der Schulleiter schrieb sie, dass die Rückgabe der Gelder während einer 18 Millionen Dollar schweren Haushaltskrise “eine erhebliche PR-Herausforderung darstellen könnte” und “die Kultur des CCSD, nichts zu Ende zu bringen”, noch verschärfen könnte.

“Unabhängig davon, ob wir es zugeben”, zitierte sie einen Schulleiter, “hat der Zuschuss zu einem erhöhten Bewusstsein für die Leistungsdaten der Schüler geführt.”

Postlewait hatte auch damit begonnen, eine breite Palette von Distriktprojekten unter die Lupe zu nehmen, von Leseinterventionen bis hin zu Verhaltensmanagementprogrammen, und nach einem “Return on Investment” zu suchen, um ihre weitere Existenz zu rechtfertigen.

Zu diesem Zeitpunkt war Bridge bereits geschwächt. Im Oktober hatte das Bezirksamt 10 durch den TIF-Zuschuss finanzierte Koordinatoren für die berufliche Entwicklung auf Positionen auf Schulebene versetzt, die aus dem allgemeinen Betriebsfonds bezahlt wurden, und sie damit aus dem Bridge-Programm herausgenommen. Postlewait hatte auch damit begonnen, eine breite Palette von Distriktprojekten unter die Lupe zu nehmen, von Leseinterventionen bis hin zu Verhaltensmanagementprogrammen, und nach einem “Return on Investment” zu suchen, um ihre weitere Existenz zu rechtfertigen.

Bridge war kein Totalverlust. Der Bezirk sammelte in diesem Schuljahr für “fast alle Lehrer” Beobachtungsdaten und Daten über die Entwicklung der Schüler zu sammeln, und verlangte so ein von allen Lehrern das Ausfüllen von Unterlagen über die Lernziele der Schüler.

Cindy Bohn Coats erklärte, sie hoffe, dass die Gespräche, die zum Ende von Bridge geführt hätten, regelmäßig stattfinden sollten, da sich der Bezirk auf ein Budgetierungssystem zubewegt, das keine Ausgaben als selbstverständlich ansieht.

“Ich glaube nicht, dass der Charleston County School District jemals ein wirklich erfolgreicher Bezirk sein wird, solange wir nicht bereit sind, dies auf jährlicher Basis zu tun”, meinte Coats. “Schauen Sie sich die Programme an. Funktionieren sie? Sollten wir sie ausweiten? Sollen sie weitergeführt werden?”

Diane Ravitch

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Zitat der Woche: Ganz aktuell – Chantal Galladé https://condorcet.ch/2021/05/zitat-der-woche-ganz-aktuell-chantal-gallade/ https://condorcet.ch/2021/05/zitat-der-woche-ganz-aktuell-chantal-gallade/#respond Sun, 16 May 2021 15:40:41 +0000 https://condorcet.ch/?p=8590

Die ehemalige SP-Nationalrätin und heutige Schulpräsidentin der Stadt Winterthur mahnt einen Reformstopp in der Bildung an! Sie ist mittlerweile aus der SP ausgetreten und politisiert heute in der GLP.

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Wie ich vom «Revoluzzer» zum «Konservativen» (gemacht) wurde! https://condorcet.ch/2019/05/wie-ich-vom-revoluzzer-zum-konservativen-gemacht-wurde/ https://condorcet.ch/2019/05/wie-ich-vom-revoluzzer-zum-konservativen-gemacht-wurde/#respond Wed, 08 May 2019 08:41:22 +0000 https://lvb.kdt-hosting.ch/?p=761

Welche Schule streben die Anhänger einer kompetenzorientierten Volksschule an? Welche Schule wollen wir, die Kritiker dieses umfassenden Umbaus unseres Schulsystems? Wer ist konservativ, wer ein Erneuerer? Zeit für eine Einordnung!

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Alain Pichard, Lehrer mit 43-jähriger Berufserfahrung, Gewerkschafter, Initiant der Aktion 550gegen550, Mitherausgeber des Einspruchs, GLP

Im Jahre 1977 wurde ich als Primarlehrer patentiert und begann unmittelbar mit dem Unterrichten. Ich gehörte zu einer linken Lehrergeneration, welche die Schule, ja mehr noch, die Gesellschaft durch den Unterricht verändern wollte.

Die verschiedenen Kollegien, in die meine linken Freunde und ich eintraten, empfingen uns bei weitem nicht mit offenen Armen. Das lag unter anderem an der Tatsache, dass sich der Pillenknick erstmals bemerkbar machte, was zu Klassenschliessungen führte. Um eine grössere Arbeitslosigkeit der frisch ausgebildeten Lehrkräfte zu vermeiden, verfügte die Regierung ein Verbot der Überstunden für die alteingesessenen Lehrkräfte, von denen einige bis  an die 38 Lektionen unterrichteten.

Die Schule war reformbedürftig

Schon allein aus dieser Tatsache lässt sich ermessen, wie es damals um die Unterrichtsqualität bestellt war. Die Schule, in die wir damals eintraten, hatte zweifellos einen grossen Reformbedarf, sowohl inhaltlich wie auch strukturell. Die Lehrkräfte waren praktisch unkündbar, die Unterrichtsqualität spielte keine Rolle, der Unterricht wurde in den seltensten Fällen pünktlich begonnen. Die Vorsteher waren Verwalter, die Lehrkräfte Einzelkämpfer. In den einzelnen Kollegien gab es zwar flache Hierarchien, aber undefinierte Machtstrukturen, was bedeutete, dass sich die lautesten, ältesten und impertinentesten jeweils durchsetzten.

Strukturell war die Schule sehr selektiv. 60% der Schüler besuchten im Kanton Bern in der Oberstufe das Realniveau (das damals noch Primarschule hiess). Die Sekundarschüler wurden von besser ausgebildeten Lehrkräften mit höheren Löhnen unterrichtet.

Langeweile und monotoner Unterricht
Bild: Heini Stucki

Frontalunterricht, ellenlanges Abschreiben oder Langeweile prägten nicht selten den Unterricht. Strukturell war die Schule sehr selektiv. 60% der Schüler besuchten im Kanton Bern in der Oberstufe das Realniveau (das damals noch Primarschule hiess). Die Sekundarschüler wurden von besser ausgebildeten Lehrkräften mit höheren Löhnen unterrichtet.

Wir traten an, um dies alles zu verändern.

Wir traten an, um dies alles zu verändern. Gruppenunterricht, Projektunterricht (neudeutsch: kooperatives Lernen), französische Chansons, Schülerzeitungen, unkonventionelle Theaterstücke, partizipierende Elternabende prägten unser praktisches Handeln. Vor allem aber waren wir offen für Neues. Wir probierten vieles aus, wobei auch einiges schief ging.  Und – das muss man ehrlicherweise festhalten – wir hatten des Öfteren auch jenen missionarischen Diktus drauf, der heute bei den Promotoren der aktuellen Bildungsreformen festzustellen ist.

Wir traten an, um dies alles zu verändern

Geprägt durch die «Rote Fabrik in Biel» – das Staatliche Lehrerseminar

Das Lehrerseminar in Biel galt bei vielen Bildungspolitikern als eine Art «Rote Fabrik». Dort lehrte uns eine junge Generation von Aeblianern (Hans Aebli, Grundformen des Lehrens. Stuttgart: Klett 1961) moderne Ansätze der Pädagogik und  des Problemlösens. Einer der wichtigsten Begleiter war der Bieler Methodiklehrer und spätere SP-Parteipräsident Hans Müller, der damals die «autogestion» vertrat und in gewisser Weise die Idee der teilautonomen Schule vorwegnahm.

Bei einer spektakulären Demo im Grossen Rat des Kantons Bern 1983, wo wir für das Schulmodell 6/3 warben. Der Autor trägt die Nummer 6 auf dem Bild.

Natürlich waren wir auch politisch aktiv. Wir traten nicht den altehrwürdigen Lehrerverbänden bei, die zu jener Zeit noch an die 98% der Lehrkräfte zu ihren Mitgliedern zählten, sondern schlossen uns den neu gegründeten VPOD-Lehrergruppen an und betrachteten uns als Teil der Arbeiterbewegung.

Unsere Gewerkschaftszeitung: Wir waren schon damals “bilingue”.

Initiativen und Proteste

Mit Initiativen zur Abschaffung der Selektion, mit Vorstössen zur notenfreie Schule oder der Reduktion der Kleinklassen und vieles mehr sorgten wir für den nötigen politischen Druck. Unterstützt wurden wir von den linken Parteien. In den SP-Sektionen gab es zahlreiche Bildungskommissionen, Ausdruck dessen, welchen Wert der Bildung damals innerhalb der linken Bewegung eingeräumt wurde. Wie hoch die Bedeutung der Bildung heute in der Linken ist, kann man in Zürich sehen. Dort wurde der freisinnige Stadtrat Filippo Leutenegger erst kürzlich mit der Stimmenmehrheit der linken Parteien in die Bildungsdirektion «strafversetzt».

Und auch wenn wir vielen Irrtümern aufgesessen waren, wenn sich manches als utopisch und wenig praktikabel erwiesen hatte, wenn es zwischendurch auch gar viel Chaos gab, wir können für uns in Anspruch nehmen, dass wir mit anderen fortschrittlichen Kräften der Gesellschaft die Schule positiv veränderten. Der Unterricht in der Volksschule wurde freier, kreativer und lebendiger. Die Schule wurde durchlässiger, der Unterricht besser. Es gelang in einem relativ kurzen Zeitraum ein erstaunlicher kultureller Wandel.

Meine Sympathien für Ernst Buschor

Ernst Buschor, Bildungsdirektor im Kanton Zürich: Wir hatten Sympathien für ihn.

1995 begann der Zürcher Bildungsdirektor Ernst Buschor den Bildungssektor nach betrieblichen Grundsätzen umzupflügen. Die sogenannte wirkungsgeführte Verwaltung (New Public Management) verfolgte die Trennung von strategischer und operativer Führung, wobei die einzelnen Verwaltungseinheiten eine Leistungs- und Kostenvorgabe erhielten. Mit diesen Leitlinien schuf Buschor die teilautonomen Schulen – eine einschneidende Änderung, gegen die sich vor allem ältere Lehrer zur Wehr setzten.

Gegen das Einzelkämpfertum

Obwohl der «Reformturbo», wie Ernst Buschor oft genannt wurde, 2002 mit der Ablehnung seines Volksschulgesetzes gebremst wurde, war sein Einfluss immens. Das lag auch daran, dass viele von uns linken Lehrkräften diesen Reformen eine gewisse Sympathie abgewinnen konnten. Zwar war die Schule, wie Herr Buschor sie antraf, längst nicht in Lethargie versunken, wie er es der Öffentlichkeit weismachen wollte. Aber wir sahen die immer noch bestehenden Mängel unseres Schulsystems und all die Widerstände, die wir auch bei kleinsten Veränderungswünschen überwinden mussten oder sogar an ihnen scheiterten.

Die Gründung der pädagogischen Hochschulen

Bis dahin hatte jeder Lehrer im Grunde seine eigene Schule geführt. Diesem Einzelkämpfertum sagte Buschor den Kampf an, was durchaus in unserem Sinne war. In den teilautonomen Schulen sollten die Lehrer gemeinsam pädagogische Schwerpunkte setzen, Leitbilder und Jahresprogramme erarbeiten, und wenn sie Probleme mit ihren Klassen hatten, diese im Team besprechen. Buschor kritisierte das behördliche Weisungsgehabe und verlangte die Abtretung von möglichst viel Autonomie an die einzelnen Einheiten des Bildungswesens. Neben der Universitätsreform zählt die Einrichtung einer pädagogischen Hochschule zu Buschors grössten Leistungen. Die zuvor verstreuten Seminarien wurden an einem Ort zusammengefasst; die Straffung der Weiterbildungsangebote ermöglichte es den Lehrern, von einer Schulstufe auf eine andere zu wechseln. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Buschor die Aufwertung des Lehrerberufs anstrebte, was die Vertreter dieses Standes aber nicht wahrhaben wollten, wir hingegen als positiv erachteten.

Langfristig jedoch hatten seine Ideen eine grosse Wirkung, vor allem – und das war uns nicht bewusst – weil vieles bereits im globalen Trend lag.

Die Ideen für seine Reformen holte sich der Bildungsdirektor öfters im Ausland. Nach einem kalifornischen Vorbild startete Buschor das Schulprojekt 21. Vorgesehen waren – notabene schon damals – der Einsatz von Computern im Unterricht, altersdurchmischte Lerngruppen sowie die sogenannte Immersion beim Fremdsprachenunterricht: Mathematik zum Beispiel wird auf Englisch unterrichtet. Zum Verhängnis wurde diesem Mann die fehlende Praxisnähe und das Tempo, mit dem er vieles auf einmal durchsetzen wollte. Langfristig jedoch hatten seine Ideen eine grosse Wirkung, vor allem – und das war uns nicht bewusst – weil vieles bereits im globalen Trend lag.

Bis heute ein Zankapfel: 1996 führte der Kanton Bern die geleiteten Schulen ein.

1996 wurden im Kanton Bern die geleiteten Schulen eingeführt. Die Schulkommissionen traten mit der Zeit einen grossen Teil ihrer Kompetenzen an die Schulleitung ab oder sie wurden sogar ganz abgeschafft und durch die örtliche Schuldirektion ersetzt. Wir empfanden dies als eine dringend notwendige Professionalisierung.

Das Zusammenwirken linker Reformpolitik und liberaler Modernisierung führte zu einer besseren Schule

Guy Lévy, ehemaliger Weggefährte, Gymnasiallehrer, Vorstandsmitglied der VPOD-Lehrerguppe, ehemaliges Mitglied der RML, später Chefbeamter der bernischen Erziehungsdirektion für die französischsprachigen Schulen.

Das Zusammenwirken linker Reformpolitik und liberaler Modernisierung hatte  dazu geführt, dass unsere Schule zu Beginn der HarmoS-Debatte und der Einführung des Lehrplans 21 in einer recht guten Verfassung war, was sich z. B. auch in der Bewältigung der Migrationswelle der späten 90-er-Jahr manifestierte. Niemand von uns wollte wieder zurück in die Schule der sechziger Jahre.

PISA sahen wir unkritisch

Die PISA-Tests sahen auch wir als einen Schritt in eine datenbasierte Forschung, welche gezielt die Schwächen und Stärken unseres Bildungssystems erkunden halfen. Und die Tatsache, dass das teuerste Schulsystem der Welt es fertigbringt, dass ein Fünftel der Schüler nicht einmal die tiefsten Standards beim Lesen erreicht, also praktisch als Illetristen aus der Schulpflicht entlassen wurden, konnte man ja nicht einfach wegdiskutieren.

Ich erinnere mich noch gut an ein Podium, auf welchem ich 2004 mit dem linken Gymnasiallehrer und (wie ich) Vorstandsmitglied der VPOD-Lehrergruppe, Guy Lévy, die Klingen kreuzte. Ich plädierte damals für die geleiteten Schulen, für Feedbackkultur, für Standards und für die teilautonome Schule. Mein Gegenpart Lévy kritisierte meine Haltung als «Neoliberalismus» und mich als Steigbügelhalter einer ökonomistischen Bildungspolitik. Pikant: Heute wehre ich mich gegen die Auswüchse eines auf Output getrimmten ökonomistischen Bildungssystems, während mein damaliger Kontrahent Guy Lévy, als Chefbeamter der bernischen Erziehungsdirektion sämtliche von ihm kritisierten Reformen umsetzt. Was ist also hier passiert?

Wir waren uninformiert und naiv

Wir sahen PISA unkritisch

Die Kritik, eine Art Steigbügelhalter einer ökonomistischen Bildung zu sein, muss ich heute teilweise akzeptieren. Die linken Lehrkräfte, welche ihren Beruf liebten und ihm treu blieben, hatten bei weitem nicht den wissenschaftlichen Background, über den die frühen Kritiker der nun einsetzenden Bildungsreformen verfügten. Wir wussten nichts von den Bildungsvorgaben der OECD, kannten die Agenda der PISA-Promotoren nicht. Wir waren uninformiert und ziemlich naiv. Vor allem aber waren wir intensiv mit unserem Unterricht beschäftigt und sahen die kommenden Signale des bevorstehenden Umbaus höchstens in Form immer umfassender werdenden bürokratischen Bevormundung.

Wir nutzten die pädagogischen Freiheiten: Werkstatt-Unterricht, Individualisierung, selbstgesteuertes Lernen gehörten zu unseren Methoden.

In den 90-er Jahren genossen wir ziemlich viele Freiheiten, die wir auch nutzten, um neue Unterrichtsmethoden auszuprobieren. Werkstattunterricht, konstruktivistische und individualisierende Lernmethoden, standen bei uns hoch im Kurs. Anfangs der 90-er Jahre erhielt ich sogar Besuch des jungen Pädagogikprofessors Kurt Reusser, der mit einer Delegation aus Zürich anreiste, um unseren Unterricht zu begutachten. Er war begeistert.

Uns störte zunehmend, dass praxisfremde Promotoren dieser neuen Lehrmethoden, dieselbigen stets überhöhten und nach dem gleichen Muster vorantrieben: „new train“ versus „old train“, „zeitgemäss“ versus „traditionell“.

Professor Kurt Reusser, Leiter des wissenschaftlichen Beirates des Lehrplanprojekts: Startete eine Vortragsreihe durch die Universitäten und PHs der Schweiz mit dem Titel: «Steuerung durch den Lehrplan 21».

Ironischerweise verliefen unsere Wege danach in entgegengesetzter Richtung. Während Professor Reusser seine Ideen eines individualisierenden und schülerzentrierten Unterrichts in seinen universitären Räumen weiterentwickelte und mit dutzenden von Fachartikeln untermauerte, erkannten wir als Praktiker die Grenzen dieser neuen Lernmethoden. In Brennpunktschulen mit einem hohen Prozentsatz unterprivilegierter Kinder funktionieren sie eben nur bedingt und schon gar nicht, wenn man sie quasi apodiktisch als alleiniges Lernverfahren installieren will. Wir gingen nach dem Prinzip «try and error» vor.

Uns störte zunehmend, dass praxisfremde Promotoren dieser neuen Lehrmethoden, dieselbigen stets überhöhten und nach dem gleichen Muster vorantrieben: „new train“ versus „old train“, „zeitgemäss“ versus „traditionell“.

Für uns galt das Prinzip: Die Schule ist gut, wenn sie gebildete Schüler entlässt. Und sie ist nicht gut, wenn sie das nicht tut.

Für uns galt das Prinzip: Die Schule ist gut, wenn sie gebildete Schüler entlässt. Und sie ist nicht gut, wenn sie das nicht tut. Der Weg dorthin war für uns keine ideologische Frage, sondern ein Mittel zum Zweck. Unter der Berücksichtigung zahlreicher Faktoren wie Alter, kognitivem Entwicklungsstand, Klassendynamik oder der Komplexität des Unterrichtsstoffes, nahmen wir uns das Recht heraus, selber darüber zu entscheiden, mit welchem didaktischen Konzept wir die Lernziele am besten erreichen.

Deswegen waren wir gezwungen, gewisse Lehrmethoden zu überdenken, in Klassen mit einem hohen Migrantenanteil manchmal sogar ganz zurückzufahren, weil das Chaos zu gross wurde. Wir waren aber immer interessiert an den Ergebnissen unserer Arbeit. So führten wir schon in den frühen 80-er Jahren Schülerbefragungen über unseren Unterricht durch, was mir einmal sogar einen Rüffel des Schulleiters einbrachte. Unsere Outputfaktoren waren ausserdem die Anzahl Lehrabschlüsse, die Leistungsrückmeldungen aus den Gymnasien, die Lehrabbruchquote oder die Rückmeldungen der Eltern.

Der PISA-Schock 2002: Ein inszeniertes Drama

Hysterisierte Analysen

Obwohl wir grundsätzlich – wie oben angemerkt – gegenüber dem PISA-Test offen waren, begannen wir uns nun ob der wilden Rezeption die Augen zu reiben. Rundherum „hysterisierten“ Journalisten, Politiker und Funktionäre den doch eher simplen Test als «das Armageddon der öffentlichen Bildung». Die PISA-Resultate schienen die Schweiz einer narzistischen Kränkung auszusetzen. Wir nahmen zwar die schlechten Leseleistungen eines Teils unserer Schüler zur Kenntnis, weil sie einen schon lange vorhandenen Verdacht nun auch wissenschaftlich bestätigten. Wir stellten aber auch die Frage, ob das, was die Wirtschaftsorganisation OECD (sie ist die Auftraggeberin dieser Testreihe) da so alles gemessen hat, überhaupt dasjenige ist, von dem wir wollen, dass unsere Schüler das in der Schule lernen: Zum Beispiel Ankreuztests zu bestehen, anstatt möglichst kluge Aufsätze zu schreiben. Die Presse hyperventilierte und sprach von einem Bildungsschock. Die mediale Panik war angerichtet. Absurde Länderrankings ohne tiefgehende Analysen folgten, ein beispielloses Schulbashing setzte nun ein.

Nach der Lektüre des Weissbuches änderte ich meine  Haltung

Die EDK reagierte 2004 umgehend mit einem Weissbuch, in welchem sie vorschlug, das Schulsystem auf die PISA-Test-Formate umzustellen. Von da an entwickelte sich vieles zwangsläufig: Wer eine Vergleichbarkeit will, braucht Standards. Wer Standards hat, muss diese überprüfen und benötigt Tests, und wer diese Tests will, der braucht zu erwerbende Kompetenzen, «deren genaue Vermessung in ausgewiesenen Kompetenzstufen die zweifelhaften oft fehlerhaften Benotungen der Schüler durch die Lehrer ablösen und auf eine genaue empirisch zu erfassende Basis stellen sollten» (Originalzitat Reusser «Kompetenzorientierte Zeugnisse»). Deshalb sollte auch ein neu zu formulierender Lehrplan sich an Kompetenzen und nicht mehr an Inhalten orientieren.

Harmos war eine Steuerungsvorlage

Diese im Weissbuch formulierten Absichten wurden – weitgehend unbemerkt –  Teil der Harmos-Vereinbarungen, die 2008 zur Abstimmung gelangten. Und erstmals begannen wir – die linken Lehrkräfte an der Basis – uns mit dem theoretischen Hintergrund dieser Reformbestrebungen zu beschäftigen, unter anderem auch aufgescheucht durch ein Interview mit dem Berner Pädagogikprofessor Walter Herzog im „Bund“. Dieser meinte dort: «Weil die SVP Harmos ablehnt, glaubt die Linke, es handle sich um ein fortschrittliches Projekt. In Wirklichkeit handelt es sich um eine ausserordentlich problematische wenn nicht sogar reaktionäre Vorlage. » (Bund 20.2008).

Zusammen mit einer Handvoll linker Lehrkräfte, vor allem Bieler Gymnasiallehrer, widersetzte ich mich erstmals offen einer Bildungsvorlage. Diese Positionierung wurde von vielen linken Weggefährten mit Unverständnis zur Kenntnis genommen.

Heute, im Jahre 2018 stehen die Zeichen auf Umau. Kompetenzrorientierung, Vermessungswahn, Top-Down-Reformen, Ökonomisierung des Bildungswesens und eine regelrechte «Neomanie» (Professor Roland Reichenbach) haben die Volksschule im Griff.

Die im Weissbuch 2004 formulierten Ziele wurden in der Harmos-Abstimmung in 13 Kantonen gutgeheissen. Acht lehnten die Vorlage ab. Es ist allerdings unbestritten, dass ein Grossteil der Stimmenden keine Ahnung von gerade diesem brisanten Teil des Gesamtpakets hatte. Für die meisten war immer noch der Harmonisierungsgedanke das ausschlaggebende Motiv.

Heute, im Jahre 2018 stehen die Zeichen auf Umau. Kompetenzrorientierung, Vermessungswahn, Top-Down-Reformen, Ökonomisierung des Bildungswesens und eine regelrechte «Neomanie» (Professor Roland Reichenbach) haben die Volksschule im Griff.

Als am 28. Juni 2013 der Lehrplan 21 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war die Verblüffung greifbar, umfasste es doch auf 550 Seiten 463 Kompetenzen unterteilt in 4754 Konpetenzstufen.

Die Lehrplanverantwortlichen wirkten euphorisch: So sprach die damalige Erziehungsdirektorin des Kantons Zürich, Regine Aepli, von einem eindrücklichen Pionierwerk und der grössten « Erneuerung seit der Einführung der Schulpflicht» (TA 14.12.13). Der neue Lehrplan 21 – und das beförderte natürlich die gute Laune der Verantwortlichen – ging wie geplant – weit über die ursprünglich formulierten Zielsetzungen der Harmonisierung hinaus.

Im Prinzip geht es darum, den Unterricht von der zu erreichenden Performanz her zu denken und zu gestalten. Prof. Kurt Reusser

Und so kreuzten sich die Wege des Praktikers und des Professors wieder. Kurt Reusser inzwischen Leiter des wissenschaftlichen Beirates des Lehrplanprojekts lieferte die bildungspolitische Begründung für diese offensive Interpretation des Lehrplanauftrags: «Im Prinzip geht es darum, den Unterricht von der zu erreichenden Performanz her zu denken und zu gestalten (vgl. Lersch, 2007, 2010). Lehrpersonen stehen vor der Aufgabe, Stoffe und Inhalte so auszuwählen und als Lerngelegenheiten zu gestalten, dass erwünschte lehrplanbezogene Kompetenzen daran erworben oder gefestigt werden können.» (Kompetenzorientierte Zeugnisse –Recherche im Auftrag der Bildungsdirektion des Kantons Zürich, Oktober 2013) Und den verdutzten Lehrkräften im Lande, die immer noch von einem Harmonisierungsprojekt ausgingen,prognostizierte er: «Dazu gehören Eingangs-, und Diagnosetests, Checklisten (Indikatoren) zu den jeweiligen Kompetenzrasterfeldern, die Arbeit mit Portfolios, Lerngespräche, Selbstbeurteilungen, Administrationstools etc. Evident ist, dass die Erstellung von Kompetenzrastern und die Arbeit mit ihnen mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden sind. »

Er selber tingelte mit einer Vortragsreihe mit dem Titel: «Steuerung durch den Lehrplan 2» durch die Universitäten und PHs der Schweiz.

Nun stellte sich plötzlich das Demokratieproblem

Von da an gab es kein Halten mehr. Kompetenzraster, neue Beurteilungsformen, Bewertung überfachlicher Kompetenzen, 7-seitige Beobachtungsbögen im Kindergarten, flächendeckende Teste in der Nordwestschweiz, „Change Management“-Papiere im Thurgau, Umbau des Hauswirtschaftsunterrichts, neue Fremdsprachendidaktik, Classwalk-Through-Kontrollen der Schulleitungen, neue Inklusionskonzepte…

All dies sollte nun möglichst rasch und möglichst “topdown” installiert werden. Hearings ersetzten gründliche Vernehmlassungen, kritische Lehrkräfte wurden unter Druck gesetzt. Und die von mir damals befürworteten neuen Leitungsstrukturen kamen jetzt voll zum Tragen und wendeten sich gegen die Kritiker.

Damit stellte sich – wie schon bei «Bologna» – ein grundsätzliches Demokratieproblem.

Wem gehörte die Volksschule?

Der emeritierte Berner Professor Walter Herzog warnte früh vor den HarmoS-Vereinbarungen: „Sicher kein fortschrittliches Projekt“

In den Augen von Professor Walter Herzog und vieler meiner Kolleginnen und Kollegen wurde nun das „Öffentlichkeitsprinzip“ in Frage gestellt. „Man will aus der Öffentlichen Schule eine Staatsschule machen“, kritisierte Herzog. Die Lehrkräfte würden zu Vollzugsbeamten degradiert, die Bevölkerung habe zu all dem nichts mehr zu sagen.

Daraufhin besannen sich viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes auf ihre verfassungsmässigen Rechte. Sie ergriffen Volksinitiativen, welche eine Abstimmung über den Lehrplan 21 forderten. Dabei kam es allerdings zu schwierigen Allianzen. In vielen Kantonen waren es SVP-nahe oder sogar klerikale Kreise, welche mit einem grossen Effort solche Volksbegehren trugen.

Der endgültige Bruch mit den «etablierten» Linken

Unsere Unterstützung für einen Teil der Lehrplaninitiativen machte mich in den Augen meiner ehemaligen Weggefährten endgültig zum „Renegaten“.

Guilt by association

„Guilt by association“ heißt im Englischen die Verunglimpfung über das Herstellen von Nähe. Dagegen gibt es keine Schiedsstelle, die man anrufen kann.

Elisabeth Badinter, französische Autorin: Kämpft gegen die Reformen der “pédagogistes”

Nun, bei aller Aufregung muss man nüchtern festhalten, dass es in der Geschichte der politischen Auseinandersetzungen immer wieder zu sogenannten unheiligen Allianzen gekommen ist. Die säkularen Franzosen sprechen hier mit etwas weniger Furor von «alliance contre nature». Ich erwähne das, weil in Frankreich ein ähnlicher Kampf um die Bildung tobt, allerdings auf einem ganz anderen intellektuellen Niveau. Die sogenannten „pédagogistes“ sind Anhänger der Kompetenzorientierung. Viele von ihnen sind von der Reformpädagogik geprägt und auch eher links ausgerichtet. Ihnen gegenüber stehen die „anti-pédagogistes“ die sich für einen klassischen Unterricht einsetzen. Sie nennen sich „républicains“ und unterteilen sich in zwei Lager: Einerseits stark links ausgerichtete Persönlichkeiten wie Frau Badinter, anderseits „les nouveaux philosophes“ wie Fienkelkraut, die sehr rechtslastig sind. Es gibt übrigens noch eine weitere Gruppe, zu der ich mich hingezogen fühle: Die «didacticiens», die einen Mittelweg suchen. In Frankreich käme es niemandem in den Sinn, Frau Badinter aufgrund dieser Tatsache als eine Rechte zu bezeichnen.

Linke Interessenpolitik

Viele meiner ehemaligen linken Weggefährten waren inzwischen dem Beispiel von Guy Lévy gefolgt und besetzten nun einen Posten in der Bildungsbürokratie. Parallel zu diesem Umbau der Volksschule wurde auch ein massiver Ausbau des schulischen Überbaus vorangetrieben. Lehrkräfte wanderten in Scharen in die neuen Berufsfelder wie Individuelle Förderung (IF), Deutsch für Fremdsprachige (DAZ), oder Schulsozialarbeit, sie wirkten an einem Weiterbildungsinstitut, wurden Dozenten an der PH, füllten die üppig gedeihenden Beratungs- und Evaluationsstellen oder arbeiteten in den nun immer zahlreicheren Arbeitsgruppen und Lehrmittelkommissionen und Funktionärsstellen der Verbände.

Professor Rudolf Kuenzli: Eine Allianz aus Verwaltung, Politik und Wissenschaft.

Professor Rudolf Künzli brachte dies in einem Referat in Baden (12. Oktober 2011) auf den Punkt: «Eine Allianz aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft hat sich gebildet. Ihr geht es um Steuerung und Auftragssicherheit.»

Es zeigte sich, dass diese Allianz nicht gewillt war, sich die Butter vom Brot zu nehmen und Seite an Seite mit den Promotoren der Bildungsreformen die Initiativen bekämpfte.

Die sozialdemokratische Partei verlangt in ihrem Parteiprogramm 2007 flächendeckende Teste mit Zertifikaten. Urs Moser, der Zulieferer dieser Teste hat sein Institut für Bildungsevaluation 2013 offiziell als Aktiengesellschaft eintragen lassen. Karin Fisli, SP-Präsidentin der Sektion Meikirch (Kanton Bern) schrieb im Facebook am 13.2.18: „Lehrerinnen und Lehrer, welche den Lehrplan 21 verhindern wollen, sollten echt nicht mehr im Schulzimmer stehen.“ Sie wurde kürzlich in den bernischen Grossrat gewählt.

Mein sozialdemokratischer Schulleiter forderte von mir plötzlich, meinen projektorientierten Unterricht einzuschränken und auswärtige Schulanlässe mindestens einen Monat vorher zur Bewilligung vorzulegen.

Ausschnitt aus dem Changemanagement-Leitfaden des Kantons Thurgau: Wenn das heute für „Links“ steht, bin ich tatsächlich nicht mehr links

 

Der sozialdemokratische Schuldirektor von Biel, Pierre-Yves Moeschler, liess mir von meinem sozialdemokratischen Schulleiter eine Kommunikationsvereinbarung vorlegen, in der es unter anderem hiess: „Verzichtet künftig auf verzerrende Darstellungen des Schulalltags!“ (Meine Antwort war die Kündigung).

Das Projekt Change Management im Kanton Thurgau wurde vom Sozialdemokraten Markus Mendelin im Auftrag der kantonalen Erziehungsdirektion entworfen.

Unser bewährtes Berufswahl-Unterrichtskonzept wurde vom lokalen Schulinspektorat zurückgewiesen. Begründung: „Die Kompetenzziele des WAH (Wirtschaft, Arbeit und Haushalt) müssen in dem Konzept vollständig enthalten sein.“ Der links-grüne Gemeinderat der Stadt Biel richtete im Mittelstandsquartier Beaumont sogenannte zweisprachige Klassen ein (Filière Bilingue) und verschärft die problematische Zusammensetzung der Schülerschaft in den Aussenquartieren (Klassen mit 100% Migrationsanteil).

Es sind nicht wir, die vermeintlich Konservativen, welche uns die Schule der 60-er Jahre zurückwünschen. Es sind die wirtschaftsfreundlichen Lobbygruppen, Stiftungen, Think-Tanks oder internationalen Organisationen, in ihrem Geist von der Handschrift einer neoliberalen Ideologie geprägt, die unsere Bildungsideale als überholt betrachten.

Bedroht sind die Errungenschaften der 70-er, 80-er und 90-er Jahre

Hier werden die Errungenschaften der linken Reformpolitik der 70-er, 80-er-und 90-er Jahre zurückgedreht. Es sind nicht wir, die vermeintlich Konservativen, welche uns die Schule der 60-er Jahre zurückwünschen. Es sind die wirtschaftsfreundlichen Lobbygruppen, Stiftungen, Think-Tanks oder internationalen Organisationen, in ihrem Geist von der Handschrift einer neoliberalen Ideologie geprägt, die unsere Bildungsideale als überholt betrachten. Angesagt ist der Wettbewerb auf dem Markt der knappen Lebenschancen. «Wenn aber Angebot und Nachfrage über den Wert von Wissen, Können und Haltung entscheiden, sind die Bildungsbemühungen nicht mehr auf einen überzeitlichen, inneren Maßstab menschlicher Vervollkommnung auszurichten, sondern an den fluktuierenden, kontingenten Markterfordernissen, die ausbleibende Anpassungs- oder Selbstinnovationsleistungen gnadenlos abstrafen» (Jochen Krautz / Matthias Burchardt, Time for Change S. 6, Juli 2018)

Als ich 1978 im Arbeiterquartier Mett als junger linker Lehrer angestellt werden sollte, schossen die Bürgerlichen aus allen Rohren gegen meine Wahl. Gewählt wurde ich schliesslich mit dem Stichentscheid des Präsidenten, dem Schreinermeister Liechti, SP-Stadtrat.

32 Jahre später musste ich miterleben, wie die von mir mitbegründete Gewerkschaftszeitung «das VPOD-Lehrermagazin» mich mit einem vierjährigen Schreibverbot belegte, der VPOD sämtliche neoliberalen Reformen vehement mitverteidigt, mir von einem Sozialdemokraten ein Maulkorb verpasst werden sollte.

Heute unterrichte ich in einem kleinen Oberstufenzentrum in der Nachbargemeinde Orpund. Der Schulleiter lässt mir alle Freiheiten, wie damals in den 90er Jahren, die Kolleginnen und Kollegen springen ein, wenn ich wegen eines Podiums mal von Unterricht fernbleibe. Der bürgerliche Schulkommissionspräsident begrüsste mich mit den Worten: «Wir sind stolz, Sie hier zu haben, wir wollen keine Kopfnicker.»

Bedroht ist das Erbe unseres Kampfes in den 70-er, 80-er und 90-er-Jahren, bedroht ist die Chancengleichheit, bedroht sind die Kinder der unterprivilegierten Schichten, welche nun einer Ideologie des völligen selbstgesteuerten und zweckorientierten Lernens geopfert werden.

«Viele Linke merken gar nicht mehr, wie sehr sie zum Öl dieser schönen neuen Welt geworden sind.»

Mein Freund und Mitstreiter Bruno Schaad, Sekundarlehrer aus Grenchen, formulierte es in einem Artikel folgendermassen: «Wir hatten früher Freude an einem Gedicht von Günter Eich. Dort heisst es unter anderem „Schlaft nicht, während die Ordner der Welt geschäftig sind! Seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt“ Viele Linke merken gar nicht mehr, wie sehr sie zum Öl dieser schönen neuen Welt geworden sind.»

Alain Pichard

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