Image - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Thu, 09 Nov 2023 00:05:02 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Image - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Mehr als Mandala malen – eine Antiwerbung der PH-Bern https://condorcet.ch/2023/11/mehr-als-mandala-malen-eine-antiwerbung-der-ph-bern/ https://condorcet.ch/2023/11/mehr-als-mandala-malen-eine-antiwerbung-der-ph-bern/#comments Thu, 09 Nov 2023 00:05:02 +0000 https://condorcet.ch/?p=15253

Die PH-Bern produzierte vor vier Jahren mehrere Kurzfilme, in denen die Vorzüge des Lehrberufs und natürlich auch ein Studium an der Hochschule angepriesen wurden. Plötzlich tauchten sie wieder auf. Condorcet-Autor Alain Pichard schaute sie sich an, nachdem er von einer Stellvertretung an einer 9. Klasse in einer Brennpunktschule zurückkam.

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Letzte Woche wurde mir obiger Werbefilm plus noch fünf weitere Porträts von Lehrpersonen zugeschickt. Sie wurden schon vor einigen Jahren produziert, zirkulieren aber offensichtlich seit neuestem wieder im Netz. Nach Durchsicht der PH-Werbedrehs schickte ich diese an eine befreundete Regisseurin, die im schweizerischen Filmwesen tätig ist und selbst auch Werbefilme dreht. Ich bat sie um eine fachkundigen Expertise. Ihr Urteil war unbarmherzig. Die fünf Filmchen, welche die PH-Bern zu ihren Studiengängen und dem Lehrberuf allgemein produzieren liess, hätten allerhöchstens «Schultheaterniveau». Müde Witzchen, gestelzte Aussagen, komplette Uncoolness. Eine Antiwerbung für den Berufsstand. So die Kurzzusammenfassung.

Werbefilme für unseren Berufsstand, sollten eigentlich das Ziel haben, intelligente, initiative und interessante Persönlichkeiten für einen Beruf zu gewinnen, der zurzeit ein Imageproblem hat.

Werbefilme für unseren Berufsstand, sollten eigentlich das Ziel haben, intelligente, initiative und interessante Persönlichkeiten für einen Beruf zu gewinnen, der zurzeit ein Imageproblem hat. Als gestandener Lehrer, der ab und zu einmal ins Kino geht und auch schon Werbefilme in Auftrag gegeben hat, realisierte ich schnell, dass hier fast alles schief ging. Das fängt schon beim Titel «Mehr als Mandala malen» an. Man nehme an, Coop würde mit einem Film für den Verkäuferinnenberuf werben. Würde der Titel dann heissen: «Wir verkaufen mehr als Süssigkeiten»? Oder «Coop verkauft keinen Mist»? Negativ besetzte Wörter im Titel sind in der Kommunikationstechnik ein No go. Ein krasser Anfängerfehler. Eine sympathische Pascale, Studentin im 3. Jahr, führt uns mit einigen müden Witzchen durch ihr Institut, und bestätigt nebenbei unfreiwillig alle Klischees, die man sich heute von den Lehrerinnen macht. Sie spricht zu den Betrachtern des Films wie mit Kindern, mit einer Babysprache und einem leichten Sprachfehler, was sie sympathisch, aber nicht cool macht. Intelligente dynamische Persönlichkeiten stellen hier bereits ab. Die von mir angefragte Regisseurin schüttelte den Kopf: «Was haben sich die Filmemacher (wer war das eigentlich?) dabei gedacht, als sie die arme Pascale in diesem Outfit gefilmt haben? Eine Mischung aus Klimaaktivistin und Kitabetreuerin tingelt durch graue Gänge, bieder angezogen, wenig Ausstrahlung, wenig Charisma, einfach nur herzig.» Das gelte im Übrigen auch für ihre männlichen Kollegen, die in den anderen Filmen auftreten. Dass sie dann noch in ihrer Wohnung Gitarre übt, bedient weitere Schablonen, die man sich von Unterstufenlehrerinnen macht. Ich kenne Lehrerinnen, die als SLAM-Akrobaten auftreten oder in Rockbands spielen.

Wir lehren hier Umgang mit Diversität ganz nach Lehrplan 21.

Interessant sind die kolportierten Botschaften dennoch. Die fröhlich aufgestellte Studentin unterrichtet NMG und Musik an mehreren Klassen. In eine dieser Klassen dürfen wir hineinschauen. Die Schüler – wir vermuten eine 5. Klasse – sitzen in Inseln in einem schönen Klassenzimmer alle vor dem Laptop und diskutieren sichtlich leb- und ernsthaft über schulische Inhalte. Am Visualizer auf dem Lehrerpult hängt ein Triangel. Pascale schlägt es an, ein angenehm leiser Ton ertönt, die Kinder verstummen und schauen ihre Lehrerin brav und erwartungsfroh an. Pascale freut sich: «Alles eine Frage des Classroom-Managements – kann man lernen!», flüstert sie in die Kamera. Und: «Wir lehren hier Umgang mit Diversität ganz nach Lehrplan 21». Damit wäre auch der staatliche Propagandaanspruch abgehakt. Es ist eine Art Disney-World, die uns hier präsentiert wird.

Als die positiv eingestellte Pascale ihre Dozentinnen aus dem Klassenzimmer holt und sie nach ihrer Tätigkeit fragt, erhält man plötzlich Botschaften, die sich an Erwachsene richten. Das heisst, es gibt hier so etwas wie fundierte Kurzbotschaften. Am Schluss besucht unsere zukünftige Kollegin noch einige Kommilitonen und fragt sie, weshalb sie den Beruf so cool finden. Man hört dabei Aussagen wie «jeder Tag ist anders» oder «Die Beziehung mit den Kindern ist mir wichtig». Immer wieder wird die Teamarbeit betont. In einem anderen Film erklärt uns ein Junglehrer aus Ipsach auf SUP-Board (wie kommt man auf eine solche Idee? Wollte man den Freizeitcharakter unseres Berufs betonen?), wie wichtig ihm im Beruf die Teamarbeit sei. Die Botschaft: Ziel des Unterrichtens ist die Teamarbeit!

Zwei Dinge fehlen völlig: Man sieht kaum Aufnahmen von Schülerinnen und Schülern (was man technisch hätte einblenden können) und man hört nichts von Belastungen, Frust, Schwierigkeiten und Grenzerfahrungen.

Wenn man aber alles Negative und Anspruchsvolle weglässt, besteht die Gefahr, dass man einen Beruf vermittelt, dessen Tätigkeit intellektuell anspruchslos ist und der keine nennenswerten Herausforderungen bietet.

Diese Aufgabe übernimmt ein Analysenpapier, dass ironischerweise vor wenigen Tagen vom Personalverband der Lehrkräfte (Bildung Bern) herausgegeben wurde. In diesem Informationsschreiben wird erklärt, weshalb so viele Lehrkräfte in Teilzeit arbeiten. Neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in dramatischen Worten auf die dunkle Seite der Lehrtätigkeit hingewiesen: Belastung, Belastung, Belastung. Es ist von Burnoutgefahr die Rede, von Unterbezahlung, von Grenzsituationen.

Natürlich gehört das nicht in einen Werbefilm. Wenn man aber alles Negative und Anspruchsvolle weglässt, besteht die Gefahr, dass man einen Beruf vermittelt, dessen Tätigkeit intellektuell anspruchslos ist und der keine nennenswerten Herausforderungen bietet.

Die von mir angefragte Regisseurin rät: «Auf keinen Fall aufschalten! Das ist klassische Antiwerbung:» Ein bisschen streng ist das Urteil dieser Regisseurin schon. Sie fragte mich, ob ich wisse, wie hoch das Budget dieser Filmchen war. Als ich mit der Gegenfrage antwortete, wie viel sie denn bei einem Werbefilm verdiene, meinte sie: «Ich arbeite nicht unter einem Tagesansatz von 15’000 Fr. Aber darin ist alles enthalten: Outfit, Beleuchtung, Drehbuch, Casting, Kamera, Schnitt usw.»

Nun denn, wir haben in unserem Kollegium eine Lehrerin, deren Hobby das Filmemachen ist. Der Condorcet-Blog hat bereits zwei ihrer Filme aufgeschaltet. https://condorcet.ch/2022/09/kreativitaet-einer-integrationsklasse-ein-beispiel-aus-biel/

Bescheidenes Budget, viel Inspiration und Rasse, schräge Motive. Wir können der PH den Kontakt vermitteln

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Baselland als Pionierkanton beim Geschichtsunterricht https://condorcet.ch/2023/04/baselland-als-pionierkanton-beim-geschichtsunterricht/ https://condorcet.ch/2023/04/baselland-als-pionierkanton-beim-geschichtsunterricht/#respond Wed, 26 Apr 2023 08:05:57 +0000 https://condorcet.ch/?p=13722

Dem Schulfach Geschichte fehlt schweizweit ein überzeugendes Profil. Verpackt im Sammelfach RZG und ohne verbindlichen inhaltlichen Aufbau, gilt Geschichte an vielen Schulen als unattraktiv. Wie der Geschichtsunterricht sein verstaubtes Image abschütteln und das Interesse für politische Fragen wecken kann, steht im Zentrum des nachfolgenden Gastbeitrags von Hanspeter Amstutz.

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Landauf, landab wird gegenwärtig auf das grossartige Schweizer Verfassungswerk von 1848 hingewiesen. Während damals in allen umliegenden Ländern die Versuche scheiterten, mit demokratischen Strukturen ein neues politisches Zeitalter einzuleiten, hat unser kleines Land diese Revolution ohne grosses Blutvergiessen vollzogen. Die neue Verfassung war die solide Basis für weitere bedeutende Schritte zu einem modernen Rechtsstaat, wie wir ihn heute kennen.

Gastautor Hanspeter Amstutz

Dieser Weg war oft steinig und führte auch an Abgründen vorbei. Einige Meilensteine wie der aufwühlende Generalstreik von 1918, die militärische Krise von 1940 oder die überfällige Einführung des Frauenstimmrechts im Jahr 1971 markieren den Werdegang unseres Landes. Eigentlich könnten wir trotz kritischer Einwände durchaus ein wenig stolz sein über diese Entwicklung.

Doch leider ist es bei unseren Volksschulabgängern mit dem Basiswissen über die modernere Schweizer Geschichte nicht weit her. Mit anderthalb Wochenstunden Geschichte, die in Basel-Stadt noch mit Medienkunde und Informatik geteilt werden müssen, lassen sich kaum vertiefte Einblicke in wesentliche Epochen unserer Geschichte vermitteln. Das Fach fristet im Stadtkanton und den meisten andern Deutschschweizer Kantonen nur noch ein Mauerblümchendasein. Die aktuelle Didaktik sucht zwar Auswege aus der Zeitnot, indem über selbständiges Erarbeiten einzelner geschichtlicher Themen der Unterricht organisiert wird.

Das Fach fristet im Stadtkanton und den meisten andern Deutschschweizer Kantonen nur noch ein Mauerblümchendasein.

Doch das Verständnis für das Werden unseres Staates wächst kaum, wenn auf einen geschichtlichen Aufbau verzichtet werden muss. Zudem ist es ein schwieriges Unterfangen, Jugendliche anhand von historischen Dokumenten im Selbststudium zu begeistern. Nur allzu oft hört man von Teenagern die Klage, Geschichte sei ein langweiliges Fach.

Mit mehreren Initiativen das Sammelfach RZG verhindert

Besser machen es da die Baselbieter. Die Starke Schule beider Basel (SSbB) hat sich mit mehreren Volksinitiativen tüchtig ins Zeug gelegt, um für das Fach Geschichte die guten Rahmenbedingungen zu erhalten. Das eigenständige Fach hat mit zwei Wochenstunden einen festen Platz in der Stundentafel und wird auch in der Baselbieter Bildungspolitik als jugendgerechte staatspolitische Grundlage gesehen. Durch ein erfüllbares Bildungsprogramm in Form eines viel beachteten Mini-Lehrplans wurde das Fach Geschichte klar aufgewertet. Die Idee einer verdichteten Gesamtschau der Entstehung der modernen Schweiz im unruhigen europäischen Umfeld gehört in den Baselbieter Sekundarschulen wieder zu den verbindlichen Bildungsinhalten.

Es ist ein schwieriges Unterfangen, Jugendliche anhand von historischen Dokumenten im Selbststudium zu begeistern.

Der jetzige Zustand beim Sammelfach RZG (Räume Zeiten Gesellschaften) in Basel-Stadt und den meisten anderen Kantonen ist völlig unbefriedigend. Der mit Kompetenzzielen völlig überladene Lehrplan ist keine Orientierungshilfe für einen auf grundlegende Bildungsinhalte ausgerichteten Geschichtsunterricht. Die wenigsten Bildungspolitiker sind sich bewusst, dass die Lehrplantheorie und die Schulrealität im Fach Geschichte bedenklich weit auseinanderklaffen. Da man sich bei den Bildungsstäben bisher auch nicht mit einer Evaluation des geschichtlichen Basiswissens befasst hat, sind illusionäre Vorstellungen über den täglichen Geschichtsunterricht die Regel. Die offenkundige Tatsache, dass ein Grossteil unserer Jugend am Ende der Volksschulzeit über die Entwicklung unserer modernen Demokratie nicht im Bild ist, hätte dennoch die Bildungspolitik längst aufschrecken müssen.

Wenn politisch bedeutende Themen ausgewählt werden, lassen sich Kinder und Jugendliche von lebendiger, auf Fakten basierender Erzählkunst begeistern.

Schweizer Geschichte im Umfeld des europäischen Donnerrollens kann unerhört spannend sein. Doch es gilt, das Fach vom verstaubten Image des irrelevanten Rückblicks auf längst vergangene Tage und vom Ausfüllen unzähliger Arbeitsblätter in ereignislosen Unterrichtsstunden zu befreien. Das Fach Geschichte braucht in der Schulrealität vielerorts erst einmal ein neues Profil. Wenn politisch bedeutende Themen ausgewählt werden, lassen sich Kinder und Jugendliche von lebendiger, auf Fakten basierender Erzählkunst begeistern. Sie wollen das geschichtliche Geschehen in geschilderten Bildern und dramatischen Verstrickungen erleben. Dabei geht es um Einblicke in das Schicksal von Völkern wie auch des einzelnen Menschen.

Lebendiger Geschichtsunterricht fördert das Interesse in allen Schulklassen 

So bietet beispielsweise die Zeit kurz vor und während des Zweiten Weltkriegs äusserst attraktiven Stoff, um die Situation eines Kleinstaats im Ring feindlicher Grossmächte schildern zu können. Die nicht immer gelungene Abgrenzung gegenüber dem Nazitum, der Wille unserer Bevölkerung zum Überleben und die gewagte Reduit-Strategie stossen bei Jugendlichen auf grosses Interesse.

Richtig vermittelt, bietet lebendiger Geschichtsunterricht Diskussionsstoff für alle Schulklassen in Hülle und Fülle.

Kritische Fragen zur restriktiven Flüchtlingspolitik oder zu unserer wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Achsenmächten sind dabei ebenso anzusprechen wie die täglichen Sonderleistungen der Frauen während der Kriegsjahre. Richtig vermittelt, bietet lebendiger Geschichtsunterricht Diskussionsstoff für alle Schulklassen in Hülle und Fülle.

Zwei politische Vorstösse in Zürich fordern eine Stärkung des Geschichtsunterrichtes 

Baselland hat mit dem Verzicht der Einführung des Sammelfachs RZG, welche den Geschichtsunterricht abgewertet hätte, ein klares Zeichen gesetzt. Man hat die kulturelle Bedeutung des Fachs in Erinnerung gerufen und klar verbesserte Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Geschichtsunterricht festgelegt. In Zürich scheint man unterdessen auf die Baselbieter aufmerksam geworden zu sein, denn gleich zwei politische Vorstösse verlangen eine Besserstellung des Fachs Geschichte im Rahmen des Lehrplans. Vielleicht reagieren die Baselstädter ja noch schneller, indem sie entschlossen die richtigen Lehren aus den gemachten Fehlern ziehen.

Hanspeter Amstutz

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