Geographie - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Mon, 23 Nov 2020 05:43:47 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Geographie - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Ein “pädagogischer” Kuhhandel: Geografielektionen erhalten – dafür mehr Sensibilität bei politischen Themen https://condorcet.ch/2020/11/ein-paedagogischer-kuhhandel-geografielektionen-erhalten-dafuer-mehr-sensibilitaet-bei-politischen-themen/ https://condorcet.ch/2020/11/ein-paedagogischer-kuhhandel-geografielektionen-erhalten-dafuer-mehr-sensibilitaet-bei-politischen-themen/#respond Mon, 23 Nov 2020 05:08:13 +0000 https://condorcet.ch/?p=6994

Im Kanton Zürich soll der Geografieunterricht zugunsten der Mintfächer abgebaut werden. Dagegen wehren sich die Geografielehrer und schlagen einen "pädagogischen Kuhhandel" vor. Warum das nicht zielführend ist, erklärt uns Condorcet-Autorin Yasmine Bourgeois.

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Yasmine Bourgeois, Mittelstufenlehrerin ohne Wollsocken, Gemeinderätin der FDP in Zürich: Gesinnung erzeugen ist keine Aufgabe der Schule.

Kaum hat man den Lehrplan 21 in der Volksschule eingeführt, soll er auch schon seinen Weg in die Gymnasien finden, denn das Langgymnasium umfasst die obligatorischen Schuljahre 7 und 8.

Bedeutungsverlust der Profession

Um neu die Mint-Fächer zu stärken, sollen diese 1.5 Lektionen mehr umfassen. Weiter sollen die Fächer Informatik und Religion und Kultur eingeführt werden. Natürlich kann die Anzahl Lektionen nicht beliebig erhöht werden, ohne an anderen Orten fühlbare Abstriche zu machen. Konkret hat man die Lateinstunden und die Geografielektionen im Visier. Die angekündigte Reduzierung der Geografiestunden hat – nicht ganz unerwartet – Proteste bei den Geografielehrern ausgelöst. Das ist verständlich, denn einerseits gehört das geografische Wissen durchaus in den Humboldtschen Bildungskanon, vermittelt Orientierung und Einordnung. Andererseits geht es natürlich um den Bedeutungsverlust der Profession. Ähnlich wie unsere Bauern, die sich im Kampf um Subventionen seit längerem als Landschaftsschützer und Ökologiebeauftragte ausgeben, versuchen die Geografielehrer nun, sich als die Garanten der Nachhaltigkeit darzustellen. So zumindest argumentiert beispielsweise Lucius Hartmann, der oberste Gymilehrer der Schweiz. Er schlägt vor, die Lektionen, welche die Gymnasien zusätzlich frei verteilen können, den Geografen zuzuteilen, vorausgesetzt, sie verpflichten sich dazu, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in ihren Lehrplan aufzunehmen.

Es ist obsolet, wenn Lucius Hartmann den Geografielehrern verspricht, dass  ihre Lektionenzahl wieder erhöht werden, wenn sie bereit seien, BNE in ihren Lehrplan aufzunehmen – sie müssen es ohnehin tun.

Die BNE ist offizielles Staatsziel der Schweiz und in der Bundesverfassung verankert. Der Lehrplan 21 der Volksschule hat BNE ebenfalls integriert. Insofern ist es obsolet, wenn Lucius Hartmann den Geografielehrern verspricht, dass  ihre Lektionenzahl wieder erhöht werden, wenn sie bereit seien, BNE in ihren Lehrplan aufzunehmen – sie müssen es ohnehin tun.

Die Ansicht, dass eine Kürzung der Geografielektionen nicht sinnvoll ist, teile ich. Aber nicht der Nachhaltigkeit wegen. Das bedarf sicher einer tiefer gehenden Begründung.

Auf der Internet Seite von Education 21 werden Inhalte und Fragestellungen von BNE wie folgt definiert:

SchülerInnen setzen sich mit Lebensstilen auseinander

«BNE ist kein neues Fach, sondern knüpft an viele aktuelle Themen an, die in der Schule etabliert und im Lehrplan verankert sind. […] Die Schülerinnen und Schüler setzen sich unter Einbezug globaler/lokaler und zeitlicher Entwicklungen mit Lebensstilen auseinander und damit mit überfachlichen Themen wie beispielsweise Ernährung, Mobilität und ressourcenschonende Technik oder Konsum. BNE beinhaltet und lanciert neue Inhalte und Fragestellungen und bezieht zur Zielerreichung weitere überfachliche Bildungszugänge mit ein wie zum Beispiel UmweltbildungGlobales LernenGesundheitsförderungPolitische Bildung und Menschenrechtsbildung sowie ökonomische Bildung

Wir sind uns wohl alle einig, dass BNE seine Berechtigung in den Lehrplänen hat. So werden diese Themen insbesondere in der Volksschule auch begeistert von den Lehrpersonen aufgenommen und entsprechend in den Unterricht miteinbezogen.

Verschiedene Wege bei der Umsetzung

Die Frage stellt sich nun, wie diese Inhalte in den Schulen vermittelt werden. Hier gibt es verschiedene Wege.

Mit der Legitimation der Verfassung und der Lehrpläne fühlen sich Lehrkräfte frei, ihre von der politischen Ausrichtung gefärbte Meinung in ihren Unterricht einfliessen zu lassen. Spricht man sie darauf an, ist die Antwort voraussehbar. Nämlich, es sei klarer Auftrag, dies im Unterricht zu thematisieren.

Unterstützt werden sie dabei von Unterrichtsmaterialien, deren Eindeutigkeit kaum etwas zu wünschen übrig lässt, wie untenstehende Ausschnitte dokumentieren:

«Wer ohnehin schon viel hat, profitiert von der Globalisierung, wer dagegen wenig hat, gerät noch mehr unter wirtschaftlichen Druck.»

«Wir werden durch Medikamente versklavt», statt uns gesund zu ernähren.

«Chemiemultis machen Farmer abhängig. Monsanto etwa ist ein Hersteller von «trojanischer Saat», der seine Gegner «finanziell fertig» macht. Seine Gegner dagegen sind «Helden»».

«NGOs» fordern «Wohlstand für alle statt Reichtum für wenige». Sie verlangen deshalb Regeln, «die allen Menschen ein gutes Leben ermöglichen». Und wollen eine Wirtschaft, «in der nicht nur der Gewinn im Zentrum steht, sondern auch Mensch und Umwelt».

«Autofahrer sind «Anerkennungs-Typen». «Ein Auto zu besitzen, ist mehr als nur ein eigenes Fortbewegungsmittel zu haben. Ein Auto ist Statusobjekt, ein Symbol. Damit zeige ich, dass ich es im Leben zu etwas gebracht habe, selbständig bin, Geld besitze usw.»

Solche Inhalte sind schlicht und einfach nicht politisch neutral. Stehen sie so in einem Lehrmittel, entspricht das nicht der gesetzlich verankerten politischen Neutralität. Schulamt und Volksschulamt sehen unverständlicherweise keinen Handlungsbedarf und schieben die Verantwortung an die Lehrer ab. Es sei Aufgabe der Lehrpersonen, diese Inhalte neutral wiederzugeben.

Keine Frage, Lehrer sind nicht neutral und sie müssen es auch nicht sein. Es geht um Mündigkeit.

Neugier wecken und nicht indoktrinieren

Keine Frage, Lehrer sind nicht neutral und sie müssen es auch nicht sein. Aber sie müssen professionell handeln, das heisst, sie müssen die Kinder befähigen, durch Unterricht Zusammenhänge zu verstehen, ihre Neugier wecken, wissenschaftliche Denkweisen zu entwickeln. Kurzum: Sie müssen die Kinder zu mündigen Menschen erziehen, die sich ihre Meinung später selber bilden können.

Indoktrination, Umerziehung, Bombardierung mit einschlägigem Filmmaterial ist hier nicht vorgesehen und vor allem auch nicht nachhaltig. Häufig bewirkt ein solcher Unterricht das Gegenteil von dem, was man eigentlich beabsichtigt.

Dem geneigten Leser und auch den BefürworterInnen von BNE seien auch die Verfassungsgrundsätze unseres Kantons in Erinnerung gerufen:

So heisst es im

Art. 116 Öffentliche Schulen

1 Kanton und Gemeinden führen qualitativ hochstehende öffentliche Schulen.

2 Diese sind den Grundwerten des demokratischen Staatswesens verpflichtet. Sie sind konfessionell und politisch neutral.

Aber auch im Bildungsgesetz ist die konfessionelle und politische Neutralität verankert:

  • 2. Bildungs- und Erziehungsaufgaben

1 Die Volksschule erzieht zu einem Verhalten, das sich an christlichen, humanistischen und demokratischen Wertvorstellungen orientiert. Dabei wahrt sie die Glaubens- und Gewissensfreiheit und nimmt auf Minderheiten Rücksicht. Sie fördert Mädchen und Knaben gleichermassen.

Wird die Bekundung des guten Willens zudem noch als Kompetenz gehandelt, als prüfbare und messbare Kompetenz bewertet, dann enden wir bei einem Erziehungsbegriff mit totalitärem Anspruch.

Leider werden genau auf diese Weise Kinder – insbesondere im Volksschulalter– beeinflusst.

Insofern plädiere ich zwar dafür, dass nicht bei den Geografielektionen gekürzt wird, fordere die Verantwortlichen aber dazu auf, dem Bildungsgedanken der Schule mehr Gewicht zu geben. Gesinnung zu erzeugen ist keine Aufgabe einer öffentlichen Schule und darf deshalb auch kein Lehrplanziel sein. Wird die Bekundung des guten Willens zudem noch als Kompetenz gehandelt, als prüfbare und messbare Kompetenz bewertet, dann enden wir bei einem Erziehungsbegriff mit totalitärem Anspruch.

Yasmine Bourgeois

 

 

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Politische Bildung als Schulfach? Gedanken zu Georg Geigers Artikel https://condorcet.ch/2020/01/politische-bildung-als-schulfach-gedanken-zu-georg-geigers-artikel/ https://condorcet.ch/2020/01/politische-bildung-als-schulfach-gedanken-zu-georg-geigers-artikel/#comments Mon, 13 Jan 2020 09:00:37 +0000 https://condorcet.ch/?p=3621

Condorcet-Autoren Georg Geiger skizzierte in seinem Artikel Leitlinien für politische Bildung als Schulfach und als interdisziplinäre Zusammenarbeit (https://condorcet.ch/2020/01/politische-bildung-sich-um-die-welt-als-ganzes-sorgen-machen/). Condorcet-Autor Felix Schmutz sieht da sehr viele Probleme bei der Umsetzung dieser Forderung.

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Wo bleibt die Abgrenzung zum klassischen Geschichtsunterricht?

Georg Geiger skizziert in seinem Artikel Leitlinien für politische Bildung als Schulfach und als interdisziplinäre Zusammenarbeit. Er möchte, dass allen Lehrpersonen, die sich dazu berufen fühlen, die Berechtigung dafür erteilt wird. Die Ausführungen zeigen auf, was politische Bildung umfassen müsste:

– Einbezug aktueller Themen wie Klimapolitik, Populismus, Rassismus, etc.,

– Mitbestimmung und damit Eins-zu-eins-Erfahrung politischer Auseinandersetzungen und Abläufe,

– kontroverse Meinungen zulassende, nicht normative oder moralisierende Stossrichtung des Unterrichts.

Diese Grundzüge sind sicher angemessen. Was dabei noch zu bedenken und zu klären wäre:

  1. Wie gestaltet sich auf der Sekundarstufe II die thematische Abgrenzung zum bzw. die Koordination mit dem Geschichtsunterricht, in dem Regierungsformen und die Entstehung der europäischen Demokratien wichtige Stoffe sind? Formen des Zusammenlebens, Entscheidens und Führens sowie die politischen Körperschaften und Institutionen sind Themen, die nicht nur durch Erfahrung im praktischen Erleben, sondern auch inhaltlich und theoretisch verstanden werden müssen. Der Unterricht müsste somit immer praktische, aktuelle Beispiele in Zusammenhänge einbetten, an denen prinzipielle Erkenntnisse gewonnen werden können. Nur so wird aus der Beschäftigung mit politischen Themen ein wirklicher Unterricht.
Vorkenntnisse theoretischer Art sind unerlässlich, wenn die Diskussion nicht auf Stammtischniveau absinken oder mit dem Abfackeln der US- oder der russischen Fahne auf der Strasse enden soll.

Beispiel: Wenn der Präsident eines Landes, das sich als Demokratie versteht (heisse er Trump oder Putin), in einem andern Land Zielpersonen ermorden lässt, ohne dass ein geordnetes Gerichtsverfahren stattgefunden hat, müsste ein solches Ereignis nüchtern an Prinzipien gemessen und anhand staatsrechtlicher, politisch-strategischer und psychologischer Fragen erörtert werden. Dazu sind jedoch Vorkenntnisse theoretischer Art unerlässlich, wenn die Diskussion nicht auf Stammtischniveau absinken oder mit dem Abfackeln der US- oder der russischen Fahne auf der Strasse enden soll.

  1. Georg Geiger stellt sich vor, dass politische Bildung in unteren Klassenstufen (Sekundarstufe I) eher interdisziplinär erfolgen solle, wobei die Inhalte «altersgerecht heruntergebrochen» werden sollen. Das ist allerdings in zweierlei Hinsicht anspruchsvoll: 1. Didaktisches Reduzieren bedeutet Planung über längere Zeit hinweg, da der Faden immer wieder aufgenommen und die Inhalte allmählich ausdifferenziert werden müssen. 2. Wenn mehrere Lehrpersonen beteiligt sind (Interdisziplinarität), stellt sich die Frage der langfristigen Verantwortlichkeit und der Kohärenz. Das dürfte einiges an Absprachen verlangen. 3. Einfacher wäre, wenn auf der Sekundarstufe I die Verantwortung klar bei einer Lehrperson läge. Das würde folgende Unterrichtsmöglichkeiten erleichtern:

Beispielsweise wird meist erwartet, dass im Zusammenhang mit Abstimmungen und Wahlen Zusammenhänge erschlossen und eigene Positionen erarbeitet werden, wobei nicht klar ist, wer im Dschungel der Kompetenzorgien im Lehrplan 21 überhaupt noch Zeit dazu finden kann, insbesondere wenn, wie Georg Geiger vermerkt, das Fach Geschichte zeitlich reduziert worden ist oder Klassenlehrpersonen kein angemessenes Gefäss mehr dafür haben.

Ein anderes beliebtes Vorgehen besteht darin, die Klasse eine Woche lang Tagesschau oder digitale Nachrichtenmedien ansehen zu lassen und die darin vorkommenden Themen im Unterricht dann in Zusammenhänge einzubetten und zu erläutern.

Mitbestimmung eher im Klassenverband als in Schülerparlamenten, die meist krampfhaft von Lehrpersonen am Leben erhalten werden müssen.

Das Einüben von Planungen und Abläufen im Zusammenhang mit schulischen Unternehmungen wäre ein Schritt hin zu Geigers Vorstellung von der Schule als Polis. Dabei hat sich gezeigt, dass sich dies im Klassenverband eher bewerkstelligen lässt als in sogenannten Schülerparlamenten, die meist krampfhaft von Lehrpersonen oder Schulleitungen am Leben erhalten werden müssen und manchmal im Frust enden, wenn sich die Wünsche und Forderungen an den Realitäten reiben. Schlimmer noch, wenn Jugendliche merken, dass das Ganze nur eine pädagogische Alibi-Übung ist von Erwachsenen, die sich fortschrittlich geben wollen, indem sie ihre eigenen Ideen als diejenigen der Schülerinnen und Schüler kaschieren.

Das Argumentieren, Debattieren und Entscheiden lässt sich auch mit Planspielen üben, in denen z.B. eine fiktive Gemeinde oder ein fiktives Quartier entwickelt wird und bestimmte Vorhaben geplant werden sollen. Da zeigt sich manchmal, wie sich bei der Identifikation mit Interessengruppen bei Schülerinnen und Schülern grosses Engagement offenbart und sie ganz zu vergessen scheinen, dass sie sich eigentlich mit «trockener Politik» beschäftigen. Auch dazu braucht es natürlich ein entsprechendes Zeitgefäss wie Projekttage, Lager, etc.

  1. Politische Prozesse zeichnen sich in demokratischen Verhältnissen durch Umständlichkeit, Komplexität, Kompromisse und Umwege aus. Das
    Jugenddemo in Zürich: Wir lehnen alles Bestehende ab.

    ist für Jugendliche, die in ihrer Ungeduld hier und jetzt und sofort etwas fordern oder verändern wollen, grundsätzlich unattraktiv. Es ist ja auch für Erwachsene oft schwer zu ertragen. Die Reaktion auf politisches Auf-der-Stelle-Treten kann sein: Verweigerung («Politik interessiert mich nicht, ist zu kompliziert, hat nichts mit mir zu tun.») oder Radikalisierung («Wir lehnen alles Bestehende ab, zerstören es, schliessen uns einer charismatischen Führungsperson an, die unsere Anliegen sofort verwirklichen will.»). Politischer Unterricht muss eine Lösung darin finden, zwischen jugendlichem Ungestüm und politisch-institutioneller Trägheit irgendwie zu vermitteln. Es wäre allerdings nicht klug, den Lernenden das wahre Gesicht der Politik geschönt darstellen zu wollen. Unehrlichkeit würde sich nicht auszahlen. So ist politische Bildung wohl keine leichte Aufgabe, sie braucht versierte Lehrpersonen mit grossem Motivationsgeschick und der Einstellung, dass sich das Engagement trotz allen Widerständen lohnt. Hierbei könnten Erzählungen über Vorbilder beiderlei Geschlechts als Identifikationsangebote sicher einiges bewirken.

 

 

 

 

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Politische Bildung: Sich um die Welt als Ganzes Sorgen machen https://condorcet.ch/2020/01/politische-bildung-sich-um-die-welt-als-ganzes-sorgen-machen/ https://condorcet.ch/2020/01/politische-bildung-sich-um-die-welt-als-ganzes-sorgen-machen/#respond Mon, 06 Jan 2020 12:08:22 +0000 https://condorcet.ch/?p=3588

Soll ein Fach "Politische Bildung" eingeführt werden, wie die Historikerin Béatrice Ziegler fordert? Condorcet-Autor Georg Geiger ist skeptisch.

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Béatrice Ziegler, Historikerin: Es braucht ein neues Schulfach.

Die Historikerin Béatrice Ziegler, die bis 2016 das Zentrum Politische Bildung und Geschichtsdidaktik der Pädagogischen Hochschule der FHNW in Aarau leitete, stellt in einem zweiseitigen Artikel der VPOD-Zeitschrift «bildungspolitik» vom Oktober 2019 fest, dass politische Bildung im gymnasialen Schulunterricht nur marginal vertreten sei, und sie plädiert dafür, die fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Perspektiven stärker zu berücksichtigen.

Der Beutelsbacher Konsens

Aspekte politischer Bildung seien in den Kantonen teilweise fachlich verankert, teilweise würden sie als «Element der ‹Schulkultur› oder im überfachlichen Bereich Berücksichtigung finden.» Frau Ziegler hat nichts gegen partizipative Elemente der Schulgestaltung, doch die dabei geförderten Kompetenzen seien kaum solche der politischen Bildung, sondern mehr überfachlicher Natur. Politische Bildung als Schulfach aber ermögliche den Aufbau politischer Kompetenz bei Individuen. Sie solle sich nicht an der Werteerziehung, «sondern an der Wertereflexion orientieren.» So, wie es auch der 1976 in Deutschland vereinbarte Beutelsbacher Konsens meint, der sich auf folgende Prinzipien für das Fach «Politische Bildung» geeinigt hat: Indoktrinationsverbot, Kontroversität und Schülerorientierung.

Für die Autorin ist die Sache klar: Politische Kompetenz werde nur wenig aufgebaut, «wenn die Lehrpersonen nicht selbst in der Didaktik der Politischen Bildung ausgebildet werden. Es lässt sich sogar zuspitzen: Egal, welche Lehrpersonen Politische Bildung unterrichten: Sie müssen dafür ausgebildet werden. Diese Ausbildung muss fachlich und insbesondere fachdidaktisch sein.» Das klingt alles sehr plausibel. Doch es ginge auch anders.

Die Schule zur Polis machen

Halten wir fest: Während gesamtgesellschaftlich Nationalismus, Populismus und Rassismus weltweit grassieren und die hereinbrechende Klimakatastrophe demokratiepolitisch eine enorme Herausforderung darstellt, werden die beiden Schulfächer Geschichte und Geographie, die sich mit eben diesen Themen beschäftigen, in der Volksschule stundenmässig reduziert und in einem neuen Sammelfach zusammengelegt, was zur Folge hat, dass eines der beiden Teilfächer oft fachfremd unterrichtet wird. Gleichzeitig taucht auf der Sek-II-Stufe ein neues Fach namens «Politische Bildung» auf, das aber angesichts der Informatikoffensive an den Gymnasien einen schweren Stand haben wird. In der Logik der Argumentation von Frau Ziegler ist auch absehbar, dass man für die Unterrichtsberechtigung in diesem neuen Fach zwingend ein entsprechendes Zertifikat an einer Pädagogischen Hochschule wird erwerben müssen.

Ich plädiere dafür, dass an der Volksschule Geschichte und Geographie wieder zwei vollwertige Einzelfächer werden und dass an den Gymnasien alle interessierten FachlehrerInnen Politische Bildung unterrichten dürfen, egal, ob sie Französisch, Geschichte oder Informatik studiert haben.

Ich plädiere dafür, dass an der Volksschule Geschichte und Geographie wieder zwei vollwertige Einzelfächer werden und dass an den Gymnasien alle interessierten FachlehrerInnen Politische Bildung unterrichten dürfen, egal, ob sie Französisch, Geschichte oder Informatik studiert haben. Denn alle bringen ja eine didaktische Grundausbildung mit, alle sind es sich gewohnt, variantenreich Fachwissen altersgerecht herunterzubrechen. Das Fachwissen bringen sie in ihrem Selbstverständnis als Citoyen und Citoyenne mit, als StaatsbürgerInnen, die sich für das aktuelle politische Geschehen interessieren. Und es werden sich dabei wohl nur diejenigen KollegInnen an dieses Fach heranwagen, die eh schon eine Affinität zur Politik haben.

Es ist wohl kein Zufall, dass dieses neue Fach weder «Staatsbürgerkunde» noch «Politikwissenschaft» genannt wird. Der Begriff «Politische Bildung» zielt darauf ab, Motivierungshilfe zu einem Engagement in unserer Gesellschaft zu leisten. Wenn wir uns heute um die Welt als Ganzes sorgen müssen, dann sollen auch alle Lehrkräfte, die sich von dieser Besorgnis angesprochen fühlen, mit dazu beitragen, diesen Blick aufs Ganze und aufs beispielhaft Einzelne zu schärfen. Je interdisziplinärer und von der politischen Gesinnung her bunter der Haufen der Engagierten ist, umso besser! Dabei sollte aber möglichst vermieden werden, allzu moralisch belehrend daherzukommen und die Stossrichtung eines möglichen Engagements normativ vorzutragen.

Der Gefahr der Demoralisierung durch die Riesenhaftigkeit der aktuellen Herausforderungen sind sowohl die SchülerInnen wie die Lehrkräfte ausgeliefert. Heute sollen sich die Leute auf der Strasse und die Kinder in der Schule Sorgen machen, die früher einem Aussenminister angestanden hätten, wie es der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk einmal flapsig formuliert hat. Das neue Fach soll probieren, mit kritischer Reflexion eine Richtschnur des Handelns zu formulieren, die aller Konfusionen zum Trotz eine hinreichend starke Orientierung bietet. Dabei ist es nötig und hilfreich, die Jugendlichen, wenn immer möglich, als gleichberechtigte PartnerInnen mit ins Boot zu holen und den Kurs als Team zu gestalten.

In diesem Fach sollten wir mit den Jugendlichen zusammen erlernen, was es heisst, sich in der Gemeinschaft der Schule, des Staates und des Global Village zu engagieren. Wir müssen die Schule zur Polis machen.

Wenn das Fach «Politische Bildung» mehr sein soll als eine Wiederholung der Dringlichkeiten, wie sie etwa in Geographie, Biologie, Geschichte, Wirtschaft und Recht oder Philosophie vermittelt werden, dann geht es vor allem um die Ausgestaltung eines neuen Begriffes von konkreter Solidarität mit universalen Implikationen. In diesem Fach sollten wir mit den Jugendlichen zusammen erlernen, was es heisst, sich in der Gemeinschaft der Schule, des Staates und des Global Village zu engagieren.

Dabei soll es nicht nur um die globalen Herausforderungen gehen, sondern auch um die verhandelbare Ausgestaltung der eigenen Schule und um das Zusammenleben in der eigenen Stadt oder Gemeinde. Der Schaffung von demokratischer Öffentlichkeit kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

Aus der Schule eine Polis machen

Wir müssen die Schule zur Polis machen, in der man, wie es der Pädagoge Hartmut von Hentig formulierte, «im Kleinen die Versprechungen und Schwierigkeiten der grossen res publica erfährt, sich und seine Ideen erprobt und die wichtigsten Tätigkeiten übt: ein Problem oder Interesse definieren und es öffentlich verhandeln, andere Menschen überzeugen und sich von ihnen überzeugen lassen, Entscheidungen treffen, Zuständigkeiten bestimmen und dergleichen mehr.» Dabei soll es nicht nur um die globalen Herausforderungen gehen, sondern auch um die verhandelbare Ausgestaltung der eigenen Schule und um das Zusammenleben in der eigenen Stadt oder Gemeinde. Der Schaffung von demokratischer Öffentlichkeit kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.

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Sie haben die Antworten, wir stellen die Fragen https://condorcet.ch/2019/06/sie-haben-die-antworten-wir-stellen-die-fragen/ https://condorcet.ch/2019/06/sie-haben-die-antworten-wir-stellen-die-fragen/#respond Fri, 14 Jun 2019 11:40:55 +0000 https://lvb.kdt-hosting.ch/?p=1399

Hier können Sie die Fragen unserer Autoren an die EDK nachlesen!

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Fragenkatalog zur Überprüfung der Grundkompetenzen
Fragen zur politischen Verantwortung der EDK
1. Wieso hat es so lange gedauert, bis die Resultate der «Überprüfung des Erreichens
der Grundkompetenzen» (ÜGK) bekannt wurden?
2. Wurde von Seiten der Bildungsdepartemente/EDK Druck auf die Art und Weise der
Veröffentlichung der Resultate ausgeübt?
3. Wie kann es sein, dass die EDK als Urheberin der Grundkompetenzen auf der einen
Seite Verträge abschliesst sowie eine Überwachungsfunktion wahrnimmt und auf der
anderen Seite die Projektleitung innehat, also Einfluss auf operative
Projektentscheide nimmt?
4. Wieso werden die Protokolle der Sitzungen von EDK-Vorstand und EDKPlenarversammlung
nicht öffentlich gemacht?

Fragen zum Konzept der ÜGK
1. Im Bereich Schulsprache und erste Fremdsprache wurden zentrale
Kompetenzbereiche nicht geprüft. Welches sind die Gründe dafür?
2. Wie aussagekräftig sind die Resultate der ÜGK, wenn wesentliche Teilbereiche eines
Faches nicht geprüft werden?
3. Welche Schlüsse können aus der Tatsache gezogen werden, dass sich die Ergebnisse
der ÜGK und der PISA-Studien diametral widersprechen?
4. Wie konnte es dazu kommen, dass der Test zur Überprüfung der
Grundanforderungen in der Mathematik im Nachhinein als zu schwierig taxiert wird?
5. Weshalb werden schweizweit durchgeführte Tests nicht zuerst einem eng begrenzten
Probelauf unterzogen, damit allfällige Schwächen der Aufgabenstellungen rechtzeitig
erkannt werden?

Fragen zu Schlussfolgerungen aus den widersprüchlichen Testresultaten
1. Welche Schlüsse werden aus den gravierenden Mängeln, welche das «Centre for
Educational Testing» der Universität Luxemburg an der ÜGK konstatiert, für die
künftigen Tests gezogen?
2. Welche konkreten Massnahmen werden nun aufgrund der vorliegenden
Testergebnisse für den Unterricht abgeleitet?
3. Wie wird sichergestellt, dass Fächer wie Geschichte, Geografie oder der
handwerkliche und musische Bereich nicht völlig im Schatten der überprüften Fächer
stehen?
4. Müsste nicht mit einer Leistungsüberprüfung der gesamten pädagogischen Arbeit bei
einer begrenzten Zahl von ausgewählten Lehrpersonen ein Gegengewicht zum
isolierten Überprüfen einzelner Fächer geschaffen werden?

Die Berichte zu den ÜGK sind hier abrufbar: http://www.edk.ch/dyn/32350.php
Die nationalen Bildungsziele (Grundkompetenzen) sind hier abrufbar:
http://www.edk.ch/dyn/12930.php
Fehraltorf und Malans, 13.6. 2019 Hanspeter Amstutz und Urs Kalberer

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