Evaluation - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Sat, 25 Mar 2023 22:26:45 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Evaluation - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Zu wenig Lehrerinnen und Lehrer: die wahren Gründe https://condorcet.ch/2023/03/zu-wenig-lehrerinnen-und-lehrer-die-wahren-gruende/ https://condorcet.ch/2023/03/zu-wenig-lehrerinnen-und-lehrer-die-wahren-gruende/#comments Tue, 21 Mar 2023 13:33:46 +0000 https://condorcet.ch/?p=13458

Landauf, landab sind Schulpräsidenten und Schulleiter daran, für das neue Schuljahr Lehrkräfte zu suchen. In der Ostschweiz ist die Situation zwar etwas weniger dramatisch als in anderen Landesteilen. In der Bodenseeregion konnten erneut alle offenen Lehrerstellen besetzt werden. Trotzdem bleibt die Situation auch hier angespannt, wie Gastautor Prof. Dr. Mario Andreotti schreibt.

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Für den sich seit Jahren zuspitzenden Lehrermangel werden vonseiten der Schulbehörden und Bildungspolitiker mehrheitlich Gründe genannt, welche die wahren Ursachen verschleiern. Es ist von zu tiefen Einstiegslöhnen, von zu grossen Klassen, von steigenden Schülerzahlen, von zunehmender Teilzeitarbeit der Lehrkräfte und dergleichen mehr die Rede. Das mag ja alles stimmen. Doch die eigentlichen Gründe für den akuten Mangel an Lehrkräften liegen anderswo.

Gastautor Prof. Dr. Mario Andreotti

Seit einiger Zeit brodelt es in verschiedenen Schulen, weil Schulbehörden, aber auch Schulleiter den Lehrkräften in teilweise forscher Gangart, sich am Lehrplan 21 orientierende Lernkonzepte verordnen wollen. Die Lehrkräfte werden dazu in Weiterbildungskurse geschickt, um auf ihre neue Rolle als Coaches oder Lernbegleiter getrimmt zu werden. Zudem werden sie kontrolliert und evaluiert, mit Lernberichten, Beobachtungsbögen, Protokollen und Koordinationssitzungen belastet, so dass sie kaum mehr zum Unterrichten kommen, geschweige denn Zeit für den menschlichen Kontakt mit den Schülern finden. Trotz ihrer mehrjährigen Hochschulausbildung traut man ihnen nicht mehr zu, den Unterricht selbständig zu organisieren. Es braucht dazu noch Lernberater, Schulentwickler, Evaluatoren, Supervisoren und Instruktoren, die in erster Linie zu kontrollieren haben, ob die einzelnen Lehrkräfte in ihr Raster passen.

Verpönter Frontalunterricht würde beste Lernergebnisse bringen

Der Lehrerberuf ist im Begriff, massiv abgewertet zu werden. Bis anhin organisierten und erteilten die Lehrkräfte den Unterricht und genossen dabei, im Rahmen des Lehrplans, Methodenfreiheit. Sie leiteten die Geschicke ihrer Klassen und wurden von administrativem Krimskrams weitgehend verschont, so dass sie sich ihrer Hauptaufgabe, dem Unterrichten, vollumfänglich widmen konnten. Heute haben die Lehrkräfte nach dem Lehrplan 21 zu unterrichten, der auf 470 Seiten über 2000 Kompetenzstufen auflistet. Die einst hochgehaltene Methodenfreiheit ist nur noch Theorie. Der Frontalunterricht, der nachgewiesenermassen die besten Lernergebnisse brachte, ist vollkommen verpönt. An seine Stelle tritt “selbstorganisiertes Lernen”, bei dem die Schüler ihren Lernprozess selber steuern sollen und die Lehrperson nur noch als Coach an der Seitenlinie den Lernprozess begleitet.

Zu all dem beklagen sich die Lehrkräfte zunehmend über die mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Öffentlichkeit. Überfüllte Klassen, integrativer Unterricht und ständig neue administrative Aufgaben tragen dazu bei, dass bei den Lehrkräften das Gefühl fehlender Anerkennung entsteht. Verwundert es da noch, dass unter solchen Bedingungen immer mehr Lehrkräfte die Freude am Beruf verlieren?

Prof. Dr. Mario Andreotti, Dozent für Neuere deutsche Literatur

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Misstrauen statt Dialog: Was Lehrevaluationen heute leisten https://condorcet.ch/2021/08/misstrauen-statt-dialog-was-lehrevaluationen-heute-leisten/ https://condorcet.ch/2021/08/misstrauen-statt-dialog-was-lehrevaluationen-heute-leisten/#respond Thu, 12 Aug 2021 10:06:46 +0000 https://condorcet.ch/?p=9179

Die Deutschen haben bekanntlich den Drang, Bürokratie immer perfekt und umfassend zu gestalten. Die Evaluation und Rückmeldungskultur ist in Deutschland einer sinnfreien Generierung von Daten zum Opfer gefallen, Misstrauen regiert, die Qualität bleibt auf der Strecke. Condorcet-Autor Ralf Lankau berichtet.

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Prof. Dr. phil. Ralf Lankau, Fakultät Medien, Hochschule Offenburg
Bild: Lankau

Ein Instrument der Fremdsteuerung von Bildungseinrichtungen, die Ausrichtung von Lehr- und Lernprozessen an fachfremden Parametern der Ökonomie und unsinnigen Kennzahlen: Das sind die derzeit praktizierten Lehrevaluationen an Hochschulen. Sie sind ein Musterbeispiel der Dekonstruktion einer ihrem Wesen nach sozialen und dialogischen Einrichtung. Das Ziel ist die Standardisierung, Steuerung und Hierarchisierung von Lehre und Unterricht.

Die Nachbesprechung

Zur pädagogischen Arbeit des Unterrichtens, nicht nur an Hochschulen, gehört der Dialog über Inhalte, Methoden und Ziele von Lehrveranstaltungen. Zu Beginn des Semesters werden die Themen und deren Einbindung in den fachlichen bzw. historischen Kontext, besonders relevante Einzelaspekte, begleitende Literatur und Leistungsnachweise besprochen. Am Ende des Semester steht die Nachbesprechung, oft verbunden mit einer Rückmeldung von Seiten der Studierenden per Fragebogen.

Die Basis waren das Seminar, wechselseitiges Vertrauen durch direkte Beziehung und gemeinsame Ziele: der erfolgreiche Abschluss der Veranstaltung, auch Diskussionen über mögliche thematische Ergänzungen oder Verbesserungsvorschläge für die Lehrveranstaltung selbst.

Üblich war, dass die Lehrenden diese Fragebögen im Seminar ausgeben, am Ende der Stunde einsammeln und die Rückmeldungen in der Folgewoche mit den Studierenden besprechen. Die Basis waren das Seminar, wechselseitiges Vertrauen durch direkte Beziehung und gemeinsame Ziele: der erfolgreiche Abschluss der Veranstaltung, auch Diskussionen über mögliche thematische Ergänzungen oder Verbesserungsvorschläge für die Lehrveranstaltung selbst.

Geradezu widersinnig wird die Praxis einiger Einrichtungen: Lehrende dürfen Evaluationsbögen nur austeilen. Studierende sammeln die Bögen ein und übergeben sie in einem verschlossenen Umschlag der oder dem Evaluationsbeauftragten der Fakultät.

Misstrauenskultur als das „neue Normal“

Das ist mit den Evaluationsverordnungen im Rahmen des Bologna-Prozesses ins Gegenteil gekippt. Statt einer Dialogkultur existiert ein generelles Misstrauen gegenüber allen Beteiligten. Unterstellt wird beiden Seiten Unaufrichtigkeit. Lehrende etwa dürfen die Evaluationsbögen nicht mehr einsammeln und auswerten. Sie könnten ja handschriftlich ausgefüllte Evaluationsbögen mit ebenfalls handschriftlich geschriebenen Klausuren vergleichen. Für Kritiker des Seminars könne das – so die Logik – zu schlechten Noten in Klausuren führen. Das unterstellt die Verletzung einer zentralen Amtspflicht – die (soweit möglich) objektive und personenunabhängige Beurteilung von Leistungsnachweisen – und wäre sowohl beamten- wie verwaltungsrechtlich zu ahnden.

 

Statt einer Dialogkultur existiert ein generelles Misstrauen gegenüber allen Beteiligten.

Studierende dagegen könnten aus Angst vor schlechten Noten vor Kritik zurückschrecken, selbst wenn der Semestersprecher oder die Semestersprecherin die Evaluationsbögen einsammelt und die ausgewerteten Ergebnisse ohne Namensnennung im Seminar vorträgt. Letzteres wäre allerdings rechtlich mehr als fragwürdig, da die Evaluationsbögen personenbezogene Daten erheben. Sind Bologna-Hochschulen (als Sammelbegriff für tertiäre Bildungseinrichtungen) mittlerweile Orte der Angst, Anpassung und Unterordnung, in denen ein Diskurs nicht mehr möglich ist? Wo sonst sollen Studierende lernen, Kritik zu äußern oder vorgegebene Strukturen in Frage stellen?

Geradezu widersinnig wird die Praxis einiger Einrichtungen: Lehrende dürfen – wie oben angemerkt – Evaluationsbögen nur austeilen. Studierende sammeln die Bögen ein und übergeben sie in einem verschlossenen Umschlag der oder dem Evaluationsbeauftragten der Fakultät. Die Bögen werden anschließend gescannt, Ankreuz-Antworten automatisiert statistisch ausgewertet, die Ergebnisse den Lehrenden zugemailt  – mitsamt der handschriftlichen Anmerkungen der Freitextfelder. Lehrende, die Schriftproben vergleichen und Klausurnoten danach vergeben wollten, könnte das auch in der digitalisierten Variante.

Wechselseitiger Anpassungsdruck

Wer auf rein digital realisierte Evaluationen setzt (mit aufwendigen Anonymisierungsmethoden zumindest für die Studierenden), unterschlägt die Folgen einer technisierten Feedback-Kultur. Fehlende soziale Einbindung und Kontrolle bei kommunikativen Prozessen, auch und gerade von berechtigter, konstruktiver, auch notwendiger Kritik, führt ohne (oder nur imaginiertes) soziales Gegenüber schnell zum Entgleisen der Sprache. Wer allein an Bildschirm und Tastatur sitzt, neigt schneller zu Polemik, wie man es aus den sozialen Medien kennt. Konstruktives Feedback bleibt dann aus.

Immerhin sind die Daten (samt Zuordnung zu Person und Veranstaltung) jetzt im Hochschul-IT-System hinterlegt und für die weitere „Personalführung“ (die an Hochschulen für die Professorenschaft (noch) nicht vorgesehen ist) nützlich. Wer z.B. nach der W-Besoldung alimentiert wird, muss bei seinen regelmäßigen Selbstberichten u.a. die Evaluationsergebnisse beilegen. Sie gelten als ein Kriterium für mögliche Zulagen.

Die Hochschulbürokratie hat auf dialogische Prozesse keinen Zugriff.

Sinnfreie Generierung von Daten

Das Missfallen an der internen Evaluation in Seminaren krankt aus Sicht der Hochschulbürokratie an zwei Parametern. Zum Ersten hat sie auf solche dialogische Prozesse keinen Zugriff bzw. kann nur Ergebnisprotokolle auswerten. Das gilt für Lehrevaluationen innerhalb der Fakultäten genauso wie für die besprochenen Themen in Studienkommissionen oder Fakultätsrats-Sitzungen. Es entspricht den Grundprinzipen einer demokratisch verfassten Hochschule und Studentenschaft, dass man im Positiven wie auch bei Problemen miteinander spricht. Das pädagogische Versprechen „Was wir hier im Raum besprechen, verlässt den Raum nicht.“ ist ja überhaupt erst die Basis für ein offenes Gespräch. Das aber bleibt für die Datensammler unbefriedigend, da intransparent.

Sie bevorzugen es, die Qualität der Lehre und Forschung an normierten Prozessen und messbaren, validierten, vor allem reproduzierbaren Ergebnissen festzumachen.

Der zweite Kritikpunkt der Hochschul-Manager ist der fehlende Druck zur Standardisierung von Veranstaltungen mit dem Ziel der Mess- und Vergleichbarkeit. Sie bevorzugen es, die Qualität der Lehre und Forschung an normierten Prozessen und messbaren, validierten, vor allem reproduzierbaren Ergebnissen festzumachen. Doch Hochschullehre lebt von den beteiligten Charakteren und Persönlichkeiten. Anders als in Unternehmen sind alle Professorinnen und Professoren einer Hochschulen gleichberechtige Kolleginnen und Kollegen. Es gibt weder von Dekanaten noch Rektoraten oder selbst Ministerien Weisungsbefugnisse, außer der Festlegung des zu erbringenden Lehrdeputats. Die grundgesetzlich geregelte Lehr- und Forschungsfreiheit verbietet die Einflussnahme auf Inhalte und Methoden von Lehrveranstaltungen. Das heißt, die Entscheidungen über Inhalte, Methoden und Ziele von Lehrveranstaltungen verantwortet der oder die Einzelne.

Wer nun – wie in anderen Ländern – die Weiterbeschäftigung der Lehrenden an positive Lehrevaluationen knüpft, generiert nach und nach inhaltsentleerte Fächer.

Wer nun – wie in anderen Ländern – die Weiterbeschäftigung der Lehrenden an positive Lehrevaluationen knüpft, generiert nach und nach inhaltsentleerte Fächer. Der Unterricht wird unterhaltsam, die Aufgaben sind leicht, die Noten durchgängig freundlich. Fachinhalte werden nicht nach Fachlogik mit zunehmender Komplexität strukturiert, sondern nach Parametern der „Kundenzufriedenheit“ und erwünschtem „Output“. Die Anzahl der BA- und MA-Abschlüsse steigt ähnlich rasant wie die Abiturquote und Durchschnittsnote – und der Markt für qualifizierte Bildungsabschlüsse wird den privaten Anbietern gegen entsprechendes Schul- und Studiengeld überlassen.

Sie bevorzugen es, die Qualität der Lehre und Forschung an normierten Prozessen und messbaren, validierten, vor allem reproduzierbaren Ergebnissen festzumachen.

Die Lösung

Gefochten wird um Grundprinzipen: akademische Autonomie und freie Lehre vs. Unterordnung unter Marktmechanismen. Während Lehrende konstruktive Rückmeldungen aus der Nachbesprechung einer freiwilligen und dialogischen Lehrevaluationen offen aufnehmen – so meine über 30-jährige Erfahrung in tertiären Bildungseinrichtungen –, sind anonymisierte Auswertungsbögen, die als PDF zugemailt und als Steuerungsinstrument missbraucht werden, wertlos. (Zumal die Trivialität der Fragen die akademische Lehre beleidigt: Die Lehrveranstaltung ist gut strukturiert. Der Dozent ist engagiert. Die LV fördert das Interesse am Fach. Der Workload ist zu hoch/genau richtig/zu wenig.) Die Ergebnisse der auf einer Skala von 1 bis 5 anzukreuzenden Antworten nivelliert sich statistisch zuverlässig im Mittelfeld. Freitextantworten sind i.d.R. wenig aussagekräftig. Das Ausfüllen der Formulare verkommt zu einem anonymisierten Ritual.

Statt der sich zunehmend verselbständigenden Rituale zur Generierung von sinnfreien Kennzahlen und Statistiken zu frönen und immer größere Evaluationsabteilungen aufzubauen, sollten Hochschulen die Evaluationen wieder ihrem ursprünglichen Ziel zuführen: Verbesserung der Lehre durch direkten Dialog.

Individualtität der Lehrerpersönlichkeit geht verloren

Das heißt: Statt der sich zunehmend verselbständigenden Rituale zur Generierung von sinnfreien Kennzahlen und Statistiken zu frönen und immer größere Evaluationsabteilungen aufzubauen, sollten Hochschulen die Evaluationen wieder ihrem ursprünglichen Ziel zuführen: Verbesserung der Lehre durch direkten Dialog. Das geht nur vor Ort und im direkten Miteinander. Dazu sollte man die Lehrevaluationen erfahrenen und im Unterrichten (!) qualifizierten Pädagoginnen und Pädagogen überantworten, statt Betriebswirte, Empiriker und Informatiker zu überfordern. Verloren gehen sonst die Individualität der Lehrpersönlichkeiten, die Vielfalt der individuellen Lehr- und Unterrichtsmethoden und nicht zuletzt die Eigengesetzlichkeit der Fächer.

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Wer schweigt, schadet der Volksschule https://condorcet.ch/2019/11/wer-schweigt-schadet-der-volksschule/ https://condorcet.ch/2019/11/wer-schweigt-schadet-der-volksschule/#comments Sat, 16 Nov 2019 12:55:57 +0000 https://condorcet.ch/?p=2875

Der pensionierte Sekundarlehrer und Condorcet-Autor Hanspeter Amstutz hat den Text von Carl Bossard (Wer trägt die Verantwortung, 3. November) gelesen und sich dabei seine Gedanken über fehlenden Mut und grassierenden Konformismus gemacht.

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Hanspeter Amstutz
Bild: Fabü

Zu recht kritisiert Carl Bossard die wilde Phase des didaktischen Experimentierens der letzten Jahre. Fremdsprachen-Lehrmittel mit völlig neuen Lernkonzepten wurden ohne eigentliche Erprobungsphase eingeführt. Begleitet war die Umstellung durch verlockende Versprechungen vom schnellen Lernerfolg. Schon in der Primarschule würden dank der neuen Methoden die Kinder munter parlieren und einfache Texte bestens verstehen. Lehrerinnen und Lehrer wurden in Weiterbildungskurse geschickt, um die Kinder künftig im intensiven Sprachbad fördern zu können.

Den Eltern wurde das Blaue vom Himmel versprochen

Doch das reichte noch nicht. Da die Frage des frühen Lernens zweier Fremdsprachen zu einem Politikum geworden war, wurden auch den Eltern das Blaue vom Himmel herunter versprochen. Die meisten Bildungspolitiker liessen sich noch so gerne blenden und setzten ganz auf die Karte des vermeintlichen Fortschritts. Wer es als Lehrer in dieser Situation wagte, die ehrgeizigen Bildungsziele zu hinterfragen, musste mit böser Kritik rechnen.

Und nun das: Die jüngsten Studien zeigen, wie miserabel es um die Französischkenntnisse steht. Nur wenige Primarschüler sind überhaupt imstand, am Ende der Mittelstufe eine einfache Konversation in der zweiten Fremdsprache zu führen. Doch das schwache Abschneiden umfasst nicht nur den Fremdsprachenbereich. Auch die Grundkenntnisse vieler Schüler in der Mathematik, wo ebenfalls neue didaktische Wege beschritten wurden, sind ungenügend. Dies hat die lange zurückgehaltene nationale Erhebung zur Ermittlung der mathematischen Kompetenzen in der Volksschule mit überraschender Deutlichkeit gezeigt.

Einer offenen Diskussion über die eingeschlagenen Reformen stellen sich nur wenige.

Eigentlich hätten die alarmierenden Resultate ein bildungspolitisches Erdbeben auslösen müssen. Zweifellos waren manche Wissenschafter über die Ergebnisse erschrocken, denn sie hatten wirklich mehr erhofft. Doch einer offenen Diskussion über die eingeschlagenen Reformen stellten sich nur wenige. Noch peinlicher war das Verhalten führender Bildungspolitiker. Sie versuchten, die Ergebnisse zuerst totzuschweigen und später schönzureden. Die einzigen, die in grosser Zahl jetzt auf die Barrikaden stiegen, waren Lehrpersonen. Viele waren erbost, dass man ihre begründeten Bedenken stets als fehlenden Reformwillen interpretiert hatte.

Wider den Tunnelblick bei der Konzeption von Schulreformen

Unsere Volksschule braucht dringend eine offenere Reformkultur. Das beginnt schon in der Konzeptionsphase grosser Neuerungen. Diese dürfen nicht mit einem Tunnelblick auf ein einzelnes Fach oder auf eine Spitzengruppe von Begabten konzipiert werden. Mögliche Nebenwirkungen müssen bedacht und in Erprobungen sorgfältig abgeklärt werden. Dabei gilt es, den anspruchsvollen Dialog zwischen Wissenschaftern und Schulpraktikern wirklich auf Augenhöhe zu führen. Manche Fehlentwicklung könnte so vermieden werden.

Die Dauerbaustellen sind bekannt

Ist es unverschämt zu fordern, dass gemachte Fehler endlich korrigiert und nicht länger verschwiegen werden? Immer mehr Millionen von Franken in Projekte zu stecken, die nicht vom Fleck kommen und nachweislich grossen Schaden hinterlassen, entspricht nicht einem rationalen politischen Handeln. Die Dauerbaustellen sind bestens bekannt, sie reichen von falschen Sprachkonzepten bis zum zermürbenden Einsatz der Heilpädagoginnen beim integrativen Schulmodell.

Die Lehrkräfte dürfen nicht länger schweigen.

Doch auch die Lehrerschaft ist gefordert und muss aus der Deckung der brav Ausführenden herauskommen. Aufgrund der Erfahrungen mit gescheiterten Schönwetter-Konzepten und zunehmenden bürokratischen Abläufen ist jede Lehrperson berechtigt, die Praxistauglichkeit von Neuerungen ins Zentrum der Überlegungen zu stellen. Duckmäusertum ist total fehl am Platz, wenn Konzepte sich als unbrauchbar erweisen. Auch die Lehrerverbände sind in der Pflicht, nicht länger zu schweigen. Wie Carl Bossard schreibt, geht es ja nicht um Waren, die Schaden nehmen, sondern um Kinder. Die Zeit ist reif, um die bequeme Gewohnheit des mutlosen Schweigens zu durchbrechen.

Hanspeter Amstutz

 

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Das unrühmliche Schicksal von Passepartout https://condorcet.ch/2019/09/das-unruehmliche-schicksal-von-passepartout/ https://condorcet.ch/2019/09/das-unruehmliche-schicksal-von-passepartout/#comments Tue, 17 Sep 2019 04:58:58 +0000 https://condorcet.ch/?p=2228

Condorcet-Autor Felix Schmutz beschreibt in seinem Beitrag wohl das nahende Ende eines der düsterten Kapitels "neureformerischer" Irrläufer, das Passepartout-Konzept.

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Felix Schmutz, BL

Geringes Medienecho zum Abschluss

Mit überraschend geringem Medienecho endete das sechskantonale Fremdsprachenprojekt Passepartout, mit dem ganz neue Unterrichtskonzepte samt den dazu entwickelten Lehrmitteln Mille feuilles, Clin d’oeil und New World obligatorisch implementiert wurden. Der Abschlussbericht des Projektleiters Reto Furter[1] fand ebenso wenig Beachtung wie die umfangreiche und lang angekündigte Evaluation des IfM (Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg) von 2019[2].

Wieso diese Zurückhaltung? Furter schreibt dazu im Abschlussbericht:

Im Frühling 2018 beschloss die Steuergruppe, keine gemeinsame Medienkonferenz zum Abschluss des Projekts durchzuführen. Es sei zu exponiert, zu stark in der Kritik, um öffentlich eine positive Bilanz zu ziehen. Zudem liegen die Ergebnisse im Rahmen der ÜGK (der EDK) nicht wie geplant bereits im Juni vor. Eine Verschiebung zu kommunizieren wäre Wasser auf die Mühlen der kritischen Medien giessen. (Furter, S. 26)

Kritische Stimmen wurden stets auf die Evaluation vertröstet. Die Verantwortlichen nahmen an, dass damit der Erfolg der neuen Methode und die Tauglichkeit der Lehrmittel bewiesen und alle Befürchtungen der Unzufriedenen beseitigt werden könnten. Blind vertrauten sie darauf, mit dem neuen Unterrichtskonzept markante Verbesserungen zu erzielen. In einem ersten Schritt wurden deshalb 2017 die Kenntnisse nach vier Jahren Primarschulunterricht in Französisch evaluiert, und zwar in Kombination mit der EDK-Überprüfung der Grundkompetenzen in der ersten Fremdsprache (ÜGK).

Während die Ergebnisse des EDK-Tests im Mai 2019 ausführlich kommuniziert wurden, blieb es um die gleichzeitig veröffentlichten, ergänzenden Resultate der IfM-Studie auffällig still. Die Passepartout-Steuergruppe beschloss sogar im Juni 2019 endgültig, die Evaluation der Sekundarstufe, deren Ergebnisse für 2021 angekündigt waren, gar nicht mehr durchführen zu lassen. Man begnüge sich mit der dann fälligen Überprüfung der gesamtschweizerischen Grundkompetenzen der EDK, ohne die Passepartout-Didaktik und das Lehrmittel Clin d’oeil speziell zu untersuchen.

Der Glaube an die Wirksamkeit ist ins Wanken geraten

Der Verdacht liegt nahe, dass der kleinlaute Umgang mit der Evaluation und der Verzicht auf weitere IfM-Studien ein Zeichen dafür sind, dass der tiefe Glaube an die Wirksamkeit der «neuen Didaktik» doch etwas ins Wanken geraten ist. Offen zugeben kann man das noch nicht, es gilt, das Gesicht zu wahren, besonders auch wegen des vielen Geldes, das man in das Projekt gesteckt hat.

Ergebnisse stellen das Unterrichtskonzept in Frage

Warum wurde nun aber der Bericht zur Evaluation des IfM nicht breiter bekannt gemacht? Zu lesen war lediglich von den Ergebnissen der EDK-Überprüfung der Grundkompetenzen, denn das war die gute Nachricht: 62% schafften die Grundkompetenz A1.2 im Lese-, 88% im Hörverstehen. Für die Passepartout-Kantone galt allerdings als Grundanforderung nach 4 Jahren Französisch das Niveau  A2.1. Dort sah es nicht mehr so rosig aus: Nur 33% schafften das Leseverstehen und 57% das Hörverstehen. Richtig niederschmetternd waren hingegen die nur vom IfM geprüften Sprechkompetenzen: Ganze 42,5 % schafften das Niveau A1.2 und gar nur 11 % das von Passepartout anvisierte Niveau A2.1.

Eine gigantische Materialschlacht die jedes Jahr im Müll landet!

Eine Didaktik, die sich dezidiert der Förderung der Kommunikation und den Strategien des Leseverstehens verschrieben hat, ist als gescheitert anzusehen, wenn sie nach 4 Jahren Unterricht mit einem derart bescheidenen Resultat aufwarten muss.

Das IfM, das streng die Fragen klärte, die von der Projektleitung gestellt wurden, rührt noch an einem weiteren Credo der neuen Didaktik, der «Sprachbewusstheit», mit anderen Worten: am Kern der Mehrsprachigkeitstheorie, der besagt, dass «Die Sprachen … nicht mehr isoliert gelernt [werden]. Es werden Bezüge zwischen Deutsch, Französisch und Englisch hergestellt, damit die Kinder von bereits Gelerntem profitieren und schon erworbene Lernstrategien anwenden können.»[3]. Dazu das IfM:

Wichtig ist jedoch zu sagen, dass der Zusammenhang zwischen der Arbeit an der Sprachbewusstheit und dem Aufbau der kommunikativen Sprachkompetenzen ungeklärt ist, d.h. dass mehr Arbeit an der Sprachbewusstheit sicherlich ein spezifisches Ziel für sich sein kann, dass sie aber nicht zwingend zu besseren rezeptiven und/oder produktiven Sprachkompetenzen führt.[4]

Damit weist das IfM auf das Problem hin, wie deklaratives (theoretisches) Sprachwissen in prozedurales (automatisch abrufbares) Sprachwissen überführt werden kann. Empirisch wurde nachgewiesen, dass dies nur mit grossem Übungsaufwand möglich ist.

Das IfM untersuchte per Fragebogen auch Motivation und Interesse an Französisch. Die Ergebnisse sind wiederum enttäuschend:

Ein Vergleich der Motivation zum Lernen der ersten Fremdsprache auf Basis der Schülerfragebogenitems über die Sprachregionen hinweg zeigt deutlich, dass die Motivation zum Französischlernen im Passepartout-Raum generell eher tief ist. Der Umstand, dass nur knapp die Hälfte der Schüler/innen die Themen und Texte bzw. die Aufgaben (tâches) im Lehrmittel (eher) interessant findet, kann durchaus eine Rolle für die Motivation spielen.

Zudem findet nur ca. die Hälfte der Schüler/innen den Französischunterricht interessant. [5]

Damit stellt das IfM das didaktische Konzept von Passepartout in drei zentralen Punkten in Frage:

  1. Leseverstehen und vor allem Sprechen werden mit dieser Didaktik zu wenig gefördert.
  2. Die Betonung von Sprachvergleichen und das gleichzeitige Lernen mehrerer Sprachen fördert die Kommunikationskompetenz nicht.
  3. Der Fokus auf Inhalte und Sprachverwendung wirkt sich auf die Motivation der Lernenden nicht förderlich aus.

Grundsätzliche Kritik zu wenig ernst genommen

Ob diese Feststellungen bei den Verantwortlichen gehört werden, ist aber fraglich. Der Umgang mit Kritik scheint ein Kernproblem des Passepartout-Projektes zu sein. Es gilt dabei zu unterscheiden zwischen grundsätzlichen Zweifeln am neuen Konzept und den in der Praxis festgestellten Mängeln der Lehrmittel:

Der Umgang mit Kritik scheint ein Kernproblem des Passepartout-Projektes zu sein.

Auf Letztere wurde zeitnah reagiert, indem Zusatzressourcen geschaffen wurden, die zum Teil noch immer in Arbeit sind: Differenzierungshilfen für Lernschwächere, Alltagswortschatz, Wörterbücher, Grammatik zum Nachschlagen, zusätzliche Übungsmaterialien, Umsetzungshilfen, On-Line-Angebote, Überarbeitung der Bände 5 und 6 von Mille feuilles, etc.

Clin d’oeil Schülerbox, Kostenpunkt: 35 CHF

Hingegen zeigten die Verantwortlichen keinerlei Musikgehör gegenüber der Kritik an der neuen Didaktik. Die theoretischen Grundlagen der Lehrmittel gelten bis heute als sakrosankt und unfehlbar, als stünden diese in keinem ursächlichen Zusammenhang mit den Mängeln der Lehrmittel und den nun offenkundig enttäuschenden Ergebnissen der Evaluation. Da man die Projektverantwortlichen als intelligente Menschen ernst nehmen möchte, erstaunt es doch sehr, dass sie sich nicht selbst die Frage stellen, ob die «neue Didaktik» nicht zumindest teilweise für die Beanstandungen an den Lehrmitteln mitverantwortlich sein könnte.

Auch wissenschaftliche Beiträge, die das Konzept seit 2016 in Zweifel zogen, werden in Furters Bericht schlicht übergangen. So die Clearing-House-Studie zur Frage, wie sich das Lernen mehrerer Fremdsprachen im Primarschulalter unter definierten Bedingungen auswirkt[6], die Untersuchung von Simone Pfenninger zum Nutzen des Frühenglischen[7] oder die Masterarbeit von Susanne Zbinden, die in einer mit summa cum laude bewerteten Vergleichsstudie zwischen Passepartout und dem Vorgängerlehrmittel Bonne Chance das signifikant schlechtere Abschneiden der Lernenden mit dem neuen Französischlehrmittel offenlegte und bereits die Empfehlungen abgab, welche die IfM-Evaluation zum Teil auch aufgegriffen hat:

  • Wortschatz- und Grammatikkenntnisse sind entscheidend fürs Leseverständnis
  • Strategien sind vor dem Niveau C1 wirkungslos für das Leseverständnis
  • Authentische Texte sind als didaktischer Einstieg nicht geeignet [8]

Theorie bestimmt Praxis oder «It’s the didactics, stupid!»

Die Passepartout-Verantwortlichen schienen nicht zu bemerken, dass mit den Zusatzmaterialien bereits tüchtig an der «reinen Lehre» gekratzt wurde:

  • Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten benötigen für die Konsolidierung mehr Bearbeitungszeit, mehr Lernzeit, mehr Übung und mehr Wiederholung;
  • Die Lernenden sind auf eine gute Vorentlastung angewiesen. Es fehlt oftmals das Vorwissen für die Themen bzw. Inputs in den Lehrmitteln. Deshalb werden für die Texterschliessung zusätzliche Lernaufgaben zur Verfügung gestellt;
  • Für das Verstehen der Aufträge in den «activités» brauchen die Lernenden Sprachunterstützung und eine Verringerung des Abstraktionsgrads, damit sie autonomer arbeiten können;
  • Für die Sprechanlässe werden zusätzliche Sprachmittel zur Verfügung gestellt;
  • Für die Schreibaufträge werden zusätzliche Strukturierungshilfen angeboten. (Furter, S.14/15)

 Dies sind didaktisch-methodische Prinzipien, die jeder Lehrperson, unabhängig vom Fach, als professionelle Verfahren geläufig sind. Passepartout tat mit diesen Korrekturen nichts anderes, als die neuen Lehrmittel schrittweise den bewährten alten anzunähern.

Warum haben die Autoren diese selbstverständlichen Grundsätze nicht von Anfang an berücksichtigt? Ganz einfach, weil sie im Widerspruch zu den Theorien der neuen Didaktik standen. So sollte «der Hauptakzent auf der kommunikativen Handlungsfähigkeit» liegen. «Entscheidend ist, dass die Kommunikation funktioniert und gelingt». «In Zukunft sollte der Unterricht stark anwendungs- und inhaltorientiert sein.» «Sinnvolle und motivierende Aufgaben sind der Motor des Lernens und dienen dem Kompetenzaufbau.» (Furter, S. 5)

Diese Aussagen spiegeln deutlich die konstruktivistische Hypothese, dass sich der Spracherwerb autogenetisch und ohne die bewährten didaktischen Hilfestellungen einstellen werde. Die neue Didaktik propagierte den Spracherwerb zunächst idealistisch als Selbstläufer.

Grammatik wurde als Popanz aufgebaut

Verhängnisvoll wirkte sich dabei aus, dass die «funktionale Mehrsprachigkeit» von Anfang an Mühe im Umgang mit der Grammatik und dem Wortschatz bekundete. Grammatik wurde als Popanz aufgebaut. Neu sollten «Grammatik, Wortschatz und Orthografie … kein Selbstzweck [sein], sondern Mittel zur Bewältigung sprachlicher Herausforderungen. Sie … ergeben sich aus den Aufgaben und sprachlichen Aktivitäten.»[9] Das heisst, ein systematischer Aufbau der sprachlichen Mittel ist nicht vorgesehen. Stattdessen werden bei jeder Aufgabe die jeweils benötigten Wörter und Strukturen als Liste angeboten, aus der sich die Lernenden ihr Sprachhandeln ad hoc zusammenstellen. Diese eklektische Methode ist allerdings lerntechnisch viel zu anspruchsvoll unter den zeitlich begrenzten, schulischen Bedingungen.

Die in ideologischem Eifer geschmähte «Korrektheit» ist in Wahrheit konstituierend für das Gelingen der Kommunikation.

Bei der Arbeit an Themen, die nach Furter «interessant, wichtig und bedeutsam sind», und für «sinnvolle und motivierende Aufgaben»[10] braucht es sehr schnell einen entsprechend elaborierten Sprachcode, der sich nicht einfach nebenbei ergibt. Sprache ist ein komplexes symbolisches Zeichensystem mit interner Struktur. Diese Struktur ist bedeutungstragend, historisch gewachsen und konventionell vereinbart. Struktur und Kommunikation sind zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Deshalb ist ein systematischer Aufbau der Sprachmittel aus lerntechnischen Gründen ebenso notwendig wie die Anwendung in kommunikativen Situationen, wenn die Sprachkompetenz transferierbar und ausbaufähig sein soll. Die in ideologischem Eifer geschmähte «Korrektheit» ist in Wahrheit konstituierend für das Gelingen der Kommunikation.

Diese weiteren Beispiele von Grundwidersprüchen (Didaktisierung der Kurse und Umgang mit sprachlichen Mitteln) zeigen zusammen mit den vorher genannten, warum die Lehrmittel von Anfang an nicht praxistauglich waren. Die verfehlte Theorie stand dem didaktisch Notwendigen im Weg. Oder in Abwandlung des Spruches von Bill Clinton an seinen Vorgänger: It’s the didactics, stupid!

Gescheitert sind nicht die Lehrkräfte, gescheitert sind FachhochschuldozentInnen

Gescheitert sind nicht die Primarschullehrkräfte, die sich ohne fachliche Ausbildung in die Vorbereitung stürzten und viele Stunden Weiterbildung auf sich nahmen. Gescheitert sind nicht die Autorinnen und Autoren, die nach den Vorgaben Lehrmittel ausbrüteten, die jetzt nicht genügen, sondern die Fachhochschuldozentinnen und  -dozenten, die Konzepte entwickelten, die von der internationalen Spracherwerbsforschung längst widerlegt oder relativiert wurden, die empirisch nicht abgesichert sind oder auf Fehlinterpretationen der Hirnforschung beruhen.[11] Auf Reto Furters Einsicht in diese Zusammenhänge muss man aber noch lange warten, liest man sein Kapitel mit dem Ausblick, was bei künftigen Projekten besser zu machen wäre und wie man die neue Didaktik noch radikaler und effizienter gegen renitente Ungläubige an der Sekundarstufe durchstieren solle.

 

Zitierte Literatur:

Reto Furter (2018): Abschlussbericht zum Projekt Passepartout, Freiburg, August 2018
https://nwedk.ch/sites/nwedk.d-edk.ch/files/Passepartout%20Schlussbericht_2019.pdf

Eva Wiedenkeller, Peter Lenz (2019): Schlussbericht zum Projekt ‚Ergebnisbezogene Evaluation des Französischunterrichts in der 6. Klasse (HarmoS 8) in den sechs Passepartout-Kantonen‘ durchgeführt von Juni 2015 bis März 2019 am Institut für Mehrsprachigkeit der Universität und der Pädagogischen Hochschule Freiburg im Auftrag der Passepartout-Kantone
https://www.nwedk.ch/sites/nwedk.d-edk.ch/files/upload/190513_Passepartout-Evaluation_Schlussbericht_def.pdf

Eva Wiedenkeller, Peter Lenz (2019): Kurzbericht zum Projekt ‚Ergebnisbezogene Evaluation des Französischunterrichts in der 6. Klasse (HarmoS 8) in den sechs Passepartout-Kantonen‘
https://www.nwedk.ch/sites/nwedk.d-edk.ch/files/upload/190513_Passepartout-Evaluation_Kurzbericht_def.pdf

Dyssegaard, C.B., Egeberg, J. de H., Sommersel, H.B., Steenberg, K., & Vestergaard,  (2015) A systematic review of the impact of multiple language teaching, prior language experience and acquisition order on student’s language proficiency in primary and secondary school. Copenhagen: Danish Clearinghouse for Educational Research, Department of Education, Aarhus University

Simone E. Pfenninger (2014): The literacy factor in the optimal age discussion:
a five-year longitudinal study, International Journal of Bilingual Education and Bilingualism, DOI: 10.1080/13670050.2014.972334

Susanne Zbinden (2017): Leseverstehen mit altem und neuem Lehrmittel im Vergleich: Eine empirische Studie über das Verstehen von französischen Texten auf der Sekundarstufe 1, Masterarbeit, Universität Freiburg (CH).

Rod Ellis, Understanding Second Language Acquisition, Second Edition, Oxford 2015, Kindle-Edition

 

[1] Reto Furter (2018): Abschlussbericht zum Projekt Passepartout, Freiburg, August 2018
https://nwedk.ch/sites/nwedk.d-edk.ch/files/Passepartout%20Schlussbericht_2019.pdf

[2] Eva Wiedenkeller, Peter Lenz (2019): Schlussbericht zum Projekt ‚Ergebnisbezogene Evaluation des Französischunterrichts in der 6. Klasse (HarmoS 8) in den sechs Passepartout-Kantonen‘ durchgeführt von Juni 2015 bis März 2019 am Institut für Mehrsprachigkeit der Universität und der Pädagogischen Hochschule Freiburg im Auftrag der Passepartout-Kantone
https://www.nwedk.ch/sites/nwedk.d-edk.ch/files/upload/190513_Passepartout-Evaluation_Schlussbericht_def.pdf

[3] Furter, S. 5

[4] Evaluation IfM, S. 52

[5] Evaluation IfM, S. 91

[6] Dyssegaard, C.B., Egeberg, J. de H., Sommersel, H.B., Steenberg, K., & Vestergaard, S. be cited as (2015)  A systematic review of the impact of multiple language teaching,  prior language experience and acquisition order on student’s language proficiency in primary and secondary school. Copenhagen: Danish Clearinghouse for Educational Research, Department of Education, Aarhus University

[7] Simone E. Pfenninger (2014): The literacy factor in the optimal age discussion: a five-year longitudinal study, International Journal of Bilingual Education and Bilingualism, DOI: 10.1080/13670050.2014.972334

[8] Susanne Zbinden (2017): Leseverstehen mit altem und neuem Lehrmittel im Vergleich: Eine empirische Studie über das Verstehen von französischen Texten auf der Sekundarstufe 1, Masterarbeit, Universität Freiburg (CH).

[9] Furter, S. 5

[10] ebd.

[11] Dazu Rod Ellis (2015) Understanding Second Language Acquisition, der alle Theorien und die empirische Forschung dazu unter die Lupe nimmt.

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Das ist ein Ober schistreck https://condorcet.ch/2019/06/das-ist-ein-ober-schistreck/ https://condorcet.ch/2019/06/das-ist-ein-ober-schistreck/#respond Sat, 08 Jun 2019 11:09:03 +0000 https://lvb.kdt-hosting.ch/?p=1333

Für einmal wagt sich unser Condorcet-Autor, Alain Pichard, in die Elternperspektive. In seinem Büro hängt ein Bild seines Sohnes. Und mit diesem hat es seine Bewandnis. Die Geschichte einer sonderbaren Evaluation!

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Nach einigen Monaten in der 1. Klasse durfte mein Sohn sein Befinden in der Schule ausdrücken. Er wurde nach der Methode «Lesen durch Schreiben» unterrichtet und tat dies rustikal und phantasievoll. Konnte er aber seine «Gefühle situationsgerecht» ausdrücken, wie es die Beurteilungsnorm der überfachlichen Kompetenzen heute verlangt? Natürlich nicht. Und deshalb wurden wir Eltern zu einem Elterngespräch aufgeboten! Wir betraten gesenkten Hauptes das Klassenzimmer. Danach habe ich diese eindrückliche Evaluation eingerahmt. Sie hängt in meinem Büro!

Alain Pichard

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