die Rolle der Lehrkräfte - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Mon, 12 Feb 2024 12:59:36 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png die Rolle der Lehrkräfte - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Teenager wünschen sich eine kompetente Führung im Klassenzimmer https://condorcet.ch/2024/02/teenager-wuenschen-sich-eine-kompetente-fuehrung-im-klassenzimmer/ https://condorcet.ch/2024/02/teenager-wuenschen-sich-eine-kompetente-fuehrung-im-klassenzimmer/#comments Mon, 12 Feb 2024 12:59:36 +0000 https://condorcet.ch/?p=15933

Autorität ist derzeit wieder gefragt, sei es in der Politik, in Betrieben oder in der Schule. Was aber ist Autorität und welche Autorität ist hier gefragt? Condorcet-Autor Hanspeter Amstutz versucht diese Fragen zu beantworten und hat Verständnis, dass der Begriff "Autorität" auch negative Erinnerungen weckt.

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Im links dominierten Stadtzürcher Parlament wurde kürzlich ein Vorstoss überwiesen, der mehr Sicherheitspersonal an Schulen verlangt und grundsätzlich die Autorität der Lehrkräfte stärken will. Das Postulat war eine Reaktion auf diverse Gewaltvorfälle im Schulbereich, die für einige Unruhe sorgten. Offensichtlich hat man erkannt, dass vor allem die Klassenlehrkräfte mehr Unterstützung für ihren anspruchsvollen Bildungsauftrag benötigen.

 Trägt die Lehrerbildung zum Autoritätsverlust der Lehrkräfte bei?

Hanspeter Amstutz, Starke Schule Zürich:  Urvertrauen als riesiges Kapital

Die Rückbesinnung auf mehr Führung im Klassenzimmer erstaunt nicht, wenn man auf gewisse extreme pädagogische Strömungen sieht. Allen Ernstes wird von manchen Dozenten an Pädagogischen Hochschulen die Meinung vertreten, Lehrpersonen müssten die Lernprozesse nur begleiten und sich möglichst unauffällig im Hintergrund halten. Pädagogischer Gestaltungkraft in Form von anschaulicher Instruktion, packenden Erzählungen und kreativen Übungsphasen im Klassenverband wird mit viel Misstrauen begegnet. Im neusten Magazin des Tages-Anzeigers spricht sich die Bildungsexpertin Rahel Tschopp gar dafür aus, die Klassenlehrer abzuschaffen und für die Schüler eines ganzen Stockwerks ein gemeinsames Coaching einzuführen. Diese Einstellung sorgt dafür, dass im Eiltempo pädagogische Autorität verloren geht und ganze Klassen aus dem Ruder laufen. Viele Buben beginnen den Unterricht zu stören, wenn sie nicht wissen, wer der Chef im Klassenzimmer ist und was dieser Mensch fachlich zu bieten hat.

 

Erfolgreiche Pädagogik kommt nicht ohne ein gewisses Mass an begründeter Autorität aus. Gebildete Erwachsene haben gegenüber Kindern einen deutlichen Wissensvorsprung. Kinder erleben tagtäglich in verschiedenen Bereichen dieses Wissensgefälle und sind grundsätzlich bereit, von Erwachsenen zu lernen, wenn sich diese verständnisvoll zeigen. Ganz besonders gilt diese natürliche Abhängigkeit in der Schule, wo Kinder erwarten, dass ihre Lehrerin sie richtig führt. Die allermeisten Mittelstufenschüler bringen ihrer Klassenlehrerin einen grossen Vorrat an Vertrauen entgegen, wenn sie mit Freude ihren Beruf ausübt. Dieses Urvertrauen ist das riesige Kapital, auf welches pädagogische Autorität angewiesen ist. Umso wichtiger ist es, dass sich die Lehrpersonen ihrer grossen Verantwortung bewusst sind und natürliche Autorität nicht durch fragwürdige schulische Experimente untergraben wird.

15-Jährige schauen auf jeden Fall genau, was die Persönlichkeit eines Lehrers ausmacht.

Erfolgreiches Lernen ist mehr eine Bergtour als eine Seilbahnfahrt

 Auch auf der Oberstufe wünschen Teenager eine verständnisvolle Führung im Klassenzimmer. Das schliesst nicht aus, dass durch den entwicklungspsychologisch notwendigen Prozess der Abgrenzung von den Erwachsenen Phasen des Protests auftreten. 15-Jährige schauen auf jeden Fall genau, was die Persönlichkeit eines Lehrers ausmacht. Kann ein Lehrer jedoch für ein Fach begeistern und bietet er Gewähr für grundlegende Fairness im Umgang mit Jugendlichen, folgen die allermeisten seinen pädagogischen Intentionen. Dieses Vertrauen erlaubt es einem Lehrer, den Weg zu einem Bildungsziel als herausfordernde Bergtour zu deklarieren. Das ist zwar strenger als eine Fahrt mit der Seilbahn, aber als Lohn winken unbezahlbare Gemeinschaftserlebnisse. Die pädagogische Festigkeit des Lehrers hilft dabei, auch mühsame Passagen zu überwinden.

 

Böse Erfahrungen

Notwendige Auflehnung gegen falsche Autoritäten

 Zu Recht wird hinter dem Begriff der Autorität oft ein dickes Fragezeichen gesetzt. Die bösen Erfahrungen der Europäer mit politischen Massenbewegungen, bei denen autoritäre Führer ganze Völker in den Abgrund führten, haben den Autoritätsbegriff schwer beschädigt. Wenn Menschen auf kritisches Denken verzichten und wesentliche Freiheiten nicht verteidigen, wird es tatsächlich gefährlich. Das gilt auch für die Schule, wo das längerfristige Ziel eines guten Unterrichts nicht Abhängigkeit, sondern eine möglichst grosse Selbständigkeit der Heranwachsenden ist. Echte pädagogische Autorität will den Menschen befreien, damit er seinen eigenen Weg gehen kann und ihn auf keinen Fall am Gängelband führen. Diese Zielsetzung gilt es bei allen pädagogischen Bemühungen stets vor Augen zu haben.

Krisen beim pädagogischen Autoritätsbegriff sind in der Geschichte oft durch tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen ausgelöst worden. Die Auflehnung der 68er gegenüber schikanierenden Lehrmethoden waren eine Reaktion der Jugend auf unnötig einengende Lebensformen ihrer Eltern aus der Weltkriegsgeneration. Erziehungsmethoden mit Körperstrafen waren in den frühen Sechzigerjahren an der Tagesordnung und mancher Lehrer verwechselte Autorität mit autoritärem Verhalten. Doch mit der von vielen 68ern geforderten radikalen Abwertung jeder Autorität wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und die pädagogische Kulturrevolution jener Jahre diskreditiert.

Kulturelle Errungenschaften müssen kompetent vermittelt werden

Die heutige Welle gegen schulische Autorität hat andere Wurzeln als bei den 68ern. Sie wird aus der Vorstellung abgeleitet, dass jedes Kind sich seine Welt weitgehend selbst erschaffen könne und individuell gefördert werden müsse. Dabei wird glatt unterschlagen, dass das Erlernen wesentlicher kultureller Errungenschaften eine hoch komplexe Aufgabe ist und ohne umsichtige Führung kaum gelingt. Oft wird man auch den Eindruck nicht los, dass gewisse Exponenten der neuen Didaktik grundsätzlich Mühe haben, Autorität mit Vertrauen in Verbindung zu bringen und im Schulbereich der unangenehmen Autoritätsfrage ausweichen. Verwirrende Vorstellungen über eine passive Lehrerrolle haben in der Volksschule bereits erheblichen Schaden angerichtet. Wenn zutiefst verunsicherte Lehrpersonen es nicht mehr wagen, aus der Rolle der grauen Maus herauszuschlüpfen und in ihren Klassen die Führung zu übernehmen, führt dies unweigerlich zu mehr disziplinarischen Problemen.

Lehrerinnen und Lehrer müssen die Kraft aufbringen und den Mut haben, eine Art pädagogische Gegenwelt zur schrillen Freizeitkultur zu schaffen.

Konzentriertes Lernen muss möglich sein.

Mut für eine pädagogische Gegenwelt zur digitalen Freizeitkultur

Konzentriertes Lernen ist die Basis für erfolgreichen Unterricht. Die Fokussierung auf ein angestrebtes Lernziel ist mit Schülern, die in der Freizeit einer Dauerberieselung durch Push-Nachrichten ausgesetzt sind, eine riesige Herausforderung. Lehrerinnen und Lehrer müssen die Kraft aufbringen und den Mut haben, eine Art pädagogische Gegenwelt zur schrillen Freizeitkultur zu schaffen. Diese Welt kann kein Konsumparadies der raschen Wunscherfüllung sein. Für die Schülerinnen und Schüler bedeutet dies, sich gründlich mit wesentlichen Themen auseinanderzusetzen und Freude an der eigenen Leistungsfähigkeit zu gewinnen.

Die pädagogische Gegenwelt ist kein Raum der Abschottung vom eigentlichen Leben, aber sie ermöglicht es, mit einer Art Filter die für Lernprozesse störenden Einflüsse zu reduzieren. Durch konzentrierte Präsenz in einem lebendigen und mit attraktiven Elementen gewürzten Unterricht wird die gewohnte Hektik der medialen Ablenkung ersetzt. Das Unmittelbare des Lernens in der Klassengemeinschaft, wo das einander Zuhören eine zentrale Rolle spielt, hilft dabei mit, die soziale Entwicklung zu fördern. Die Erfahrungen zeigen, dass dieser anspruchsvolle Bildungsauftrag am besten gelingt, wenn kompetente Lehrinnen und Lehrer mit innerer Überzeugung und der nötigen gesellschaftlichen Unterstützung ihre Führungsfunktion wahrnehmen.

 

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«Neue Autorität» an der Schule! – Wie bitte? https://condorcet.ch/2024/02/neue-autoritaet-an-der-schule-wie-bitte/ https://condorcet.ch/2024/02/neue-autoritaet-an-der-schule-wie-bitte/#respond Sun, 04 Feb 2024 08:14:10 +0000 https://condorcet.ch/?p=15878

Zuerst verpönt man sie, die pädagogische Autorität, und dann kehrt sie ins Schulzimmer zurück, versehen mit dem Attribut des «Neuen». Durch die Hintertüre und über ein privates Institut. Gedanken von Condorcet-Autor Carl Bossard zur Slalomfahrt eines elementaren Begriffs.

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Carl Bossard, Condorcet-Autor und Bildungsexperte: Das kontaminierte Wort «führen» hat einen schalen Beigeschmack.

«Neu» muss es sein. Fast alles, was etwas auf sich hält, wird als «neu» erklärt. Das bringt Beifall und Akzeptanz. Das «Neue» gilt vielen schon als das Bessere und dem «Alten» Überlegene. Das versteht sich; niemand will als altbacken gelten. Die Pädagogik ist dafür besonders anfällig und mit ihr die Bildungspolitik – aus Sorge, nicht mehr zeitgemäss zu sein. Vergessen gehen die anthropologischen Konstanten, ignoriert wird das, was immer gilt – weil wir Menschen sind. Die menschliche Evolution ist eben nicht mit der technischen Innovation gleichzusetzen. Doch das geschieht. Und wo nicht mehr nachgedacht wird, da wird vorgedacht – mit neuen Begriffen und Slogans: «Neues Lernen» beispielsweise oder «Neue Lernkultur». Nun ist die Autorität an der Reihe, die «Neue Autorität», wie sie aktuell heisst.

Wenn die Schulqualität erodiert

«Allahu Akbar», so riefen Jugendliche der Primarschule Bern Bethlehem und umzingelten dabei eine Lehrerin. Der Vorfall von Mitte Dezember 2023 erregte Aufsehen. Die Stadtberner Schule will ihn mit dem Ansatz der sogenannten «Neuen Autorität» aufarbeiten.  In der Schweiz bekannt gemacht hat ihn das ‘Systemische Institut für Neue Autorität’ (sina) in Zürich. Das Konzept boomt.  Die Schulen buchen Kurse.

Das Buch von Chaim Omer landete einen Riesenerfolg

Die Not ist gross, Burnout selbst bei Kindergärtnerinnen kein Einzelfall. Vielerorts ist das Schulsystem an der Grenze der Belastbarkeit angelangt, sagen Insider. Gar von «Erosion der Schulqualität» ist die Rede und vom «Tohuwabohu» in gewissen Klassenzimmern, wie «Der Beobachter» vor einiger Zeit gemahnt hat.  Die «Neue Autorität» soll nun Regeln und damit Ruhe in die Schule bringen und «entgegenkommende Verhältnisse» schaffen. So fordert es der deutsche Soziologe Jürgen Habermas fürs Gelingen eines guten Unterrichts. Die Idee der «Neuen Autorität» geht auf den israelischen Psychologen Heim Omer zurück.  Sie entstammt nicht dem Unterrichtsalltag; sie kommt aus der Familientherapie. Das Konzept beruht auf einer unmissverständlichen Sprache und hoher Präsenz von Eltern oder Lehrpersonen sowie dem Abstecken verbindlicher Regeln.

Abgrenzung gegenüber einer Autorität, die es nicht mehr gibt

Was ist nun so neu an der «Neuen Autorität»? Die empirische Unterrichtsforschung, die Hirnbiologie, die Resonanzpädagogik fordern das alles, und zwar unmissverständlich. Dazu finden sich die Prinzipien der «Neuen Autorität» längst in der aussagekräftigen Studie von Jacob S. Kounin zum Classroom-Management.[5] Neu ist an der «Neuen Autorität» wenig, mindestens für die Schule – trotz des verheissungsvollen neuen Namens. Interessanter ist vielmehr die Abgrenzung. An die Stelle einer Autorität durch Macht trete eine neue Autorität durch Beziehungsarbeit, sagt Sebastian Teuscher, Schulleiter der Primarschule Bern Bethlehem. Und dezidiert fügt er bei: «Die klassische Autorität hat ausgedient.»

Lehrer Lämpel ist out – nicht aber personale Autorität.

Damit grenzt er sich gegenüber einer Autorität und «autoritären Personen» ab, wie sie der Philosoph Theodor W. Adorno um 1950 analysiert hat und Siegfried Lenz sie in seiner «Deutschstunde» schildert. Das war Autorität als Position; sie setzte auf rigorose formale Hierarchie – und verletzte viele junge Menschen. «Der Schüler Gerber» von Friedrich Torberg hat sie erlebt und ist daran tragisch gescheitert. Frank Wedekind karikiert sie in seinem gesellschaftskritisch-satirischen Drama «Frühlings Erwachen» – mit dem Untertitel «Eine Kindertragödie». Warum also solche Zerrbilder konstruieren, wenn sie doch überwunden sind?[6]

Autorität ist ein schwieriger Begriff, ein «Anwärter auf die Rolle des Generalbösewichts», wie es der Philosoph Hans Blumenberg ausdrückt.

Auf die Manege des Klassenzimmers ungenügend vorbereitet

Autorität ist ein schwieriger Begriff, ein «Anwärter auf die Rolle des Generalbösewichts», wie es der Philosoph Hans Blumenberg ausdrückt. Autorität hat man nicht einfach, sie wird einem zugesprochen – oder eben nicht. Personale Autorität ist ein Beziehungsverhältnis, eine Art Vertrauen – und unerlässlich in der Manege des Klassenzimmers und im härter gewordenen pädagogischen Alltag. Gefordert ist Führungs- und Widerstandkraft. Darauf sind manche Junglehrer nur ungenügend vorbereitet und vor allem nicht eingeübt. Das zeigt der verzweifelte Ruf nach „neuer“ Autorität.

Die aktuelle Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen hin zur Individualisierung vernachlässigt das konsequente Führen einer Klasse.

Erklärbar ist das nur, weil die personale Autorität – sie galt lange und vielerorts als selbstverständlich – zur Seite geschoben wurde. Die aktuelle Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen hin zur Individualisierung vernachlässigt das konsequente Führen einer Klasse. Angehende Lehrer würden heute nicht mehr primär Klassen führen, heisst es; es werde individualisiert. Die Lehrperson sei Coach, und in der Funktion als «Partnerin» oder «Berater» begleite sie die Lernenden. Der gemeinsame Unterricht sei tendenziell out, die Klassenführung darum sekundär geworden. Ohnehin habe das historisch kontaminierte Wort «führen» einen schalen Beigeschmack.

Kinder suchen einen Häuptling

Solche Tendenzen verkennen die Realität. Die pädagogische Leadership-Aufgabe muss gezielt geschult werden. Der Neurobiologe Joachim Bauer drückt es so aus: «Kinder und Jugendliche wollen beides: Verständnis und Führung.» Das seien unerlässliche Tragpfeiler eines respektvollen und effizienten Unterrichts. Anders formuliert: Kinder wollen einen fairen Häuptling; sie wünschen sich eine empathische Dirigentin.

Das Bejahen der Leadership im Schulzimmer hängt zusammen mit einem positiven Bezug zur pädagogischen Autorität. Ein Schüler erlaubt sich eben mehr, wenn eine Lehrperson über wenig Autorität verfügt. Respekt, wie ihn die «Neue Autorität» einfordert, ist an personale Autorität gebunden. Er wird zugeschrieben und braucht ein vitales Vis-à-Vis: eine Lehrperson mit positiver Autorität, die schülerzentriert steuert und mit einem verbindlichen Commitment das Verhalten in der Klasse regelt.

Zentral sind die Lehrpersonen und ihr Unterricht – und ihre spürbare Beziehung zu den Kindern.

Teachers are leaders of learning and learners

Die empirische Bildungsforschung zeigt es: Zentral sind die Lehrpersonen und ihr Unterricht – und ihre spürbare Beziehung zu den Kindern. Da gibt es weder Anbiederung noch Laissez-faire oder fraternisierende Nähe. Das wissen begabte Pädagogen. Sie führen straff-locker und strahlen dabei eine charmante und natürliche Autorität aus. Sie kennen auch den Mut zum Nein. Solchen Autoritäten gegenüber empfindet man Respekt. Er bildet sich durch Zuschreibung personaler und sozial-humaner Werte. Eine Respektperson überzieht man nicht mit lärmigen Übergriffen à la Bern Bethlehem.

Wer mit achtsamer Autorität zu führen gelernt hat, wird in der Dynamik einer pulsierenden Klasse bestehen. Das ist im heutigen Gedränge des Unterrichtszimmers zwar keine Garantie gegen renitentes Schülerverhalten, aber eine wichtige Prävention – im Wissen: Kinder suchen einen «Leader». In der amerikanischen Pädagogischen Psychologie heisst es pragmatisch: «Teachers are leaders of learning and learners.» Lehrer führen das Lernen und die Lernenden. Wer dieses elementare Handwerkszeug in der Grundbildung gelernt hat, braucht keine «Neue Autorität».

[1] Nina Fargahi, An den Schulen boomt die «Neue Autorität», in: Tages-Anzeiger 16.01.2024, S. 4.

[2] Susanne Balli, «Neue Autorität»: Ein Konzept macht Schule, in: CH Media, 29.01.2024, S. 19.

[3] Julia Hofer, Tohuwabohu im Klassenzimmer, in: Beobachter 25/2021, S. 92.

[4] Haim Omer/Arist von Schlippe (2010), Autorität durch Beziehung. Die Praxis des gewaltlosen Widerstands in der Erziehung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Dazu: Haim Omer/Philip Streit (2016), Neue Autorität: Das Geheimnis starker Eltern. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

[5] Jacob S. Kounin (2006), Techniken der Klassenführung. Standardwerke aus Psychologie und Pädagogik. Reprints von Jacob S. Kounin, hrsg. von D. H. Rost (2006). Waxmann: Münster/München/Berlin.

[6] Vgl. Roland Reichenbach (2011), Pädagogische Autorität. Macht und Vertrauen in der Erziehung. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer.

 

 

 

 

 

 

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Ausbildung, so ziemlich am Lehrerberuf vorbei https://condorcet.ch/2022/11/ausbildung-so-ziemlich-am-lehrerberuf-vorbei/ https://condorcet.ch/2022/11/ausbildung-so-ziemlich-am-lehrerberuf-vorbei/#comments Mon, 28 Nov 2022 11:44:34 +0000 https://condorcet.ch/?p=12402

Daniel Wahl, Journalist beim Nebelspalter, entwickelt sich in seiner Berufsbranche immer mehr zu einem profunden Bildungsjournalisten. In diesem Beitrag beschreibt er – ausgehend von einem originellen Stelleninserat – den Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

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Daniel Wahl ist Redaktor und Reporter beim Nebelspalter.

Die Primarschule Schötz im Kanton Luzern hat in Zeiten des Lehrermangels auf kreative Weise ein Stelleninserat formuliert: Sie drehte ein Filmchen, in dem die Kinder ihre künftige Lehrerin beschreiben: «Sie muess liäb sy, sie muess nätt sy, sie muess mir chönne hälfä, muess guet zeichne, singä und uns Mathe lerne chönnä. Sie muss chönnä, säge, dass mir ruhig sind».

Der Videoclip lief diesmal aber nicht auf einem Stelleninserate-Portal, sondern vor Lehrern und Schulleitern im Kanton Zürich, die sich Gedanken über die Ursache des Lehrermangels machten und darüber diskutieren wollten.

Das Fazit: Die Kinder beschreiben einen völlig anderen Lehrer, als er an den Pädagogischen Hochschulen (PH) herangezüchtet wird. «Die Stimmen unserer Kunden gehen leider vergessen. Wir sollten wieder einmal auf die Kinder hören, sie sagen es uns doch deutlich», erklärte der Pädagoge Carl Bossard, der das Filmchen mitgebracht hatte. Bossard zählt als Gründungsrektor der PH Zug und heutiger Bildungsberater zu den fundiertesten Kritikern des Bildungssystems im Land.

Eigentlich hätte der Diskussionsanlass des Vereins «Starke Voksschule Zürich» unmittelbar vor dem Wochenende das Diskussionsfeld zum Thema Lehrermangel – Ursachen und Lösungsansätze – sehr weit stecken wollen. Doch die Stimmen der Kinder der Primarschule Schötz gingen den anwesenden Pädagogen derart unter die Haut, dass man fast nur noch über den Zustand der PHs zu sprechen in der Lage war. Das Filmchen offenbarte offensichtlich, dass die «verkopfte Ausbildung», wie es hiess, an der PH ziemlich an den Bedürfnissen des Lehrerberufs vorbeizielt und Ursache für den Lehrerverleider ist.

Carl Bossard analysierte die Aussagen im Videoclip: Da sind Kinder, die in erster Linie von Menschen mit einer pädagogischen Haltung unterrichtet werden möchten – von einem Lehrer, der Kinder wirklich gern hat. Sie wünschen Vorbilder im Singen, im Zeichnen; sie wünschen sich eigentlich Fachkompetenz. Das wird aber an den PHs heutzutage nicht mehr vertieft vorausgesetzt (siehe Interview mit Lehrer Jürg Wiedemann: «Das Aufgabenfeld der Pädagogischen Hochschulen soll zusammengestrichen werden»).

«Man kann nie beides gleichzeitig haben – heterogene Klassen führen und eine effiziente Schule sein. Oder Freiheit ausleben und Ordnung zugleich einfordern».

Carl Bossard

Da sind Kinder, die sich nach Hilfe und Unterstützung sehnen und nicht selbstorientiertes Lernen oder Büro-Lernlandschaften auf dem Radar haben. Es sind Kinder, die Ruhe im Unterricht wünschen; während die Bildungsreformen der PH auf integrative und heterogen zusammengesetzte Klassen zielten und so ein Klima der Hektik schafften. «Das sind ganz konkrete Erwartungen, die die Kinder äussern», sagt Bossard. Das Filmchen zoome in den Kernauftrag der Schule, was aber in der akademischen Welt der PHs nicht mehr vermittelt werde: die Kinder in die Welt führen und ihnen die Denkweisen eröffnen, so Bossard.

Kein Entweder-oder an den Schulen

«Man kann nie beides gleichzeitig haben – heterogene Klassen führen und eine effiziente Schule sein. Oder Freiheit ausleben und Ordnung zugleich einfordern», erklärt der Pädagoge weiter. Den Schulen werde heute nicht mehr vorgegeben, was sie inhaltlich zu unterrichten haben. Heute werde detailliert dekretiert und genau geregelt, was die Schülerinnen und Schüler am Ende können müssen – und teilweise auch verordnet, wie das zu erreichen sei.

Das Lernen sei ein dialektischer Prozess, zwei Zugrichtungen, die ausgewogen vorhanden sein müssten. Allerdings – und das war der Grund, weshalb Bossard der PH in Zug den Rücken gekehrt hat – hätten sich die Pädagogischen Hochschulen in den letzten Jahren «völlig einseitig» entwickelt. Sie hätten die Heterogenität maximiert und die Effizienz minimiert, eine flippige Vielfalt propagiert, statt üben und automatisieren mehr Technik und digitale Hilfsmittel eingesetzt, auf Kosten des eigenständigen Denkens eine Dominanz von neuen Lernformen eingeführt – «wo man doch weiss, dass sie die Bildungsgerechtigkeit nicht fördern, weil schwache Schüler überfordert sind» – sowie eine Regelungsdichte und eine Flut von bürokratischen Vorschriften erlassen, was auf Kosten der Freiheit geht.

«Die Lehrer reduzieren ihre Pensen, sie fliehen aus den Schulzimmern oder sie flüchten in die Teilzeitarbeit.»

Carl Bossard

Carl Bossard, berät Schulen und leitet Weiterbildungskurse.

Die Akademisierung des Lehrerberufs ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass kaum ein Lehrer mehr das volle Pensum mehr wahrnehmen kann. Es braucht ein Zertifikat fürs Schwimmen, eines fürs Singen, eine Zusatzausbildung für Französisch, eine fürs Englisch. Keine Schulabgängerinnen, keine Schulabgänger sind indessen an einer Primarschule voll als Klassenlehrer einsatzfähig. «Das vertreibt die Lehrer aus dem Verantwortungsposten ‹Klassenlehrer›. Die Lehrer reduzieren ihre Pensen, sie fliehen aus den Schulzimmern oder sie flüchten in die Teilzeitarbeit», sagt Carl Bossard.

Es ist ein Fakt mit Folgen. Von den Zürcher Lehrern arbeiten 80 Prozent in einem Teilzeitpensum; im Durchschnitt beträgt ihr Arbeitsumfang 69 Prozent eines regulären Pensums.

Mit einigen Müsterchen aus dem Alltag belegte die Zürcher Bildungspolitikerin und frischgebackene Schulleiterin Yasmine Bourgeois (FDP) Bossards Aussagen. Beispielsweise habe sich eine Lehrerin entschuldigt, zu lange Frontalunterricht gemacht und die Kinder zu spät in die Gruppenarbeit geschickt zu haben. Sie habe nicht unterrichtet, wie sie es mustergültig an der PH gelernt habe. In der Gruppenarbeit, so ihre Angst, drohte ihr die unruhige Klasse zu entgleiten. Für Bourgeois ist das ein Beleg dafür, wie stark den neuen Lehrern ein schlechtes Gewissen eingeredet wird, wenn sie sich an die traditionelle Lernform «Frontalunterricht» halten würden.

«Heute sind fünf bis sieben Personen für eine Klasse verantwortlich, aber niemand trägt mehr die Verantwortung.»

Yasmine Bourgeois

Kein Verantwortung mehr

Auch beim Thema Lehrermangel steuert Bourgeois ein Müsterchen fehlgeleiteter Anreize bei: «Bei einem ihrer letzten Einstellungsgespräche sagte mir die Stellenbewerberin: ‹Was? Einen ganzen Tag zusammen mit der Klasse verbringen? Da brauche ich eine Assisenz!› Dabei hatte die Abgängerin der Pädagogischen Hochschule ihre neue Klasse noch nie gesehen», berichtet Bourgeois und fährt weiter, heute werde es als selbstverständlich angesehen, wenn mindestens zwei Personen im Klassenzimmer stehen. Dabei würden jedoch die Kinder eine eindeutige Bezugsperson verlieren. Heute seien fünf bis sieben Personen für eine Klasse verantwortlich, aber niemand trage mehr die Verantwortung.

Yasmine Bourgeois, Schulleiterin und Bildungspolitikerin FDP ZH

Die Lösungsansätze, die am Diskussionsabend in Zürich zur Sprache kamen, zielen in eine Richtung: Vereinfachung und zurück zu den Wurzeln.

  • Rückkehr zu Kleinklassen/Förderklassen
  • Ausbildung an den PHs zum Generalisten und nicht Fachspezialisten
  • Anreize für höhere Pensen
  • Den Lehrplan 21 weiter abspecken
  • Die frühe Einschulung überdenken
  • Fremdsprachige Kinder sollen lange genug Aufnahmeklassen für Deutsch besuchen
  • Reduzieren von Sitzungen
  • Weniger Bürokratie

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Bericht aus dem Klassenzimmer: Manche Schüler sind regelrecht verwildert. https://condorcet.ch/2022/10/bericht-aus-dem-klassenzimmer-manche-schueler-sind-regelrecht-verwildert/ https://condorcet.ch/2022/10/bericht-aus-dem-klassenzimmer-manche-schueler-sind-regelrecht-verwildert/#comments Mon, 31 Oct 2022 17:27:52 +0000 https://condorcet.ch/?p=12207

Der Gymnasiallhrer Sandro Trunz wurde bereits im Condorcet-Blog von seinem Kollegen Alain Pichard interviewt. Nun hat er in der Sonntagszeitung nachgedoppelt. In einem Gespräch mit der Journalistin Nadja Pastega redet er Klartext.

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Nadja Pastega, studierte Germanistin und Historikerin, arbeitet für den Nachrichten- und Hintergrundbund «Fokus» der SonntagsZeitung.

 «Ich bin Gymnasiallehrer und unterrichte derzeit an einer Sekundarschule in Biel. Als ich hier anfing, bin ich auf die Welt gekommen. Es herrschten irgendwie chaotische Zustände. Meine Klasse hatte in den letzten zwei Jahren mehr als sechs Lehrerwechsel erlebt. Manche Schüler sind regelrecht verwildert. Von Kolleginnen und Kollegen höre ich, dass es derzeit unüblich viele Problemfälle gibt – eine Folge des Lehrermangels und des Corona-bedingten Ausfalls von Lektionen.

Auf offene Stellen gibt es viel zu wenige bis gar keine Bewerbungen, schulfremde Leute rutschen rein, die den Job als Lückenbüsser machen und denen zum Teil die nötigen Qualifikationen fehlen. Zum Teil werden im Französischunterricht nur Lieder abgespielt, weil die Lehrpersonen die Sprache nicht beherrschen.

Es geht vorerst darum, Ruhe in den Betrieb zu bringen.

Das Frappierendste ist für mich diese grundsätzliche schülerische Lethargie und absolute Unfähigkeit, zu lernen oder einfach mal ruhig dazusitzen. Etwa ein Viertel der Schüler stört, vor allem die Jungs. Zu Beginn musste ich einen nach dem anderen vor die Tür schicken. Als ich dann nach einigen Minuten mit ihnen reden ging, sassen diese Störenfriede weinend im Flur.

In meiner 3. Sekundarschulklasse gibt es 23 Schülerinnen und Schüler. Ich unterrichte sie seit Anfang Jahr. Etwa 80 Prozent haben Migrationshintergrund, viele kommen aus unterprivilegierten Schichten. Die Lehrer machen einen Superjob, und es gibt auch wunderbare Schüler. Aber als ich vor der Klasse stand, habe ich gemerkt: Hier herrscht kein Klima, in dem in irgendeiner Form gearbeitet werden kann. Es geht vorerst darum, Ruhe in den Betrieb zu bringen.

Viele Schülerinnen und Schüler sind unkonzentriert, unruhig, desorganisiert. In der kleinsten Pause – selbst auf einem Skiausflug auf der Piste, wenn man mal eine Minute warten muss – haben sie wieder das Handy in der Hand. Sie gamen und zocken und posten. Die Pandemie hat das sicher gefördert, weil sie viel allein waren.

Es ist krass, wenn in einem Klassenzimmer niemand etwas machen will und eine totale Anschisskultur herrscht. Ein Schüler startete mal in meinem Französischunterricht aus eigenem Antrieb eine Umfrage: Wen das hier eigentlich interessiere, solle aufstrecken. Niemand hob die Hand. Logisch, niemand wollte sich blamieren. Einen Moment lang, als ich da vor 23 Nasen stand, wusste ich nicht weiter und dachte: Das ist jetzt wirklich der Todesstoss. Ich habe dann die Schulleitung geholt – zum ersten Mal in meiner Karriere.

Jemand sagte mal, wir Lehrer seien gut bezahlte Bürolisten, weil wir inzwischen einen riesigen administrativen Aufwand betreiben müssen: Lern- und Kompetenzdossiers erstellen, Berichte schreiben, ständig in Kontakt mit Behörden sein. Hinzu kommen hohe Anforderungen, schwierige Situationen im Klassenzimmer und dann noch die Pandemie – das hat vielen den Rest gegeben.

Mich nerven diese schöngeistigen Unterrichtskonzepte und pädagogischen Wunder-Theorien, die an den pädagogischen Hochschulen gelehrt werden. Sie haben wenig mit der Realität zu tun. Diesen Leuten in den warmen Studierstuben sollte man mal ein Jahr Pflichtpensum an dieser Schule verschreiben.

«Selbstorganisiertes Lernen». Tönt super, funktioniert aber oft nicht.

Das beste Beispiel ist das «selbstorganisierte Lernen». Tönt super, funktioniert aber oft nicht. In jeder Klasse gibt es ein paar Selbstläufer, die man mit einem Buch in die Ecke schicken kann und, siehe da: Sie lernen Englisch. Aber bei allen anderen muss man sich mit jedem einzelnen Schüler hinsetzen, sonst läuft gar nichts.

Mir geht es nicht nur um fachliche Kompetenzen. Ich möchte meinen Schülern auch anderes beibringen, was im Berufs- und Alltagsleben zählt: Pünktlichkeit, Haltung, Ordnung. Ich habe mal für zwei Wochen das Tragen von Trainerhosen verboten, weil es mir schlicht zu viel wurde und ich festgestellt habe, dass für einzelne die Schule die Verlängerung der Couch zu Hause darstellt. Es gibt keinen Übergang vom Chillen. Das ist ja die Hauptbeschäftigung dieser Generation. Wer trotzdem im Trainer kam, musste joggen gehen – mit der App eines Sportartikelherstellers.

Kleidung fällt zwar in die Verantwortung der Eltern, aber wenn es von zu Hause aus nicht gesteuert wird, sollte man eingreifen. Sonst bekommen es gewisse Jugendliche hin und latschen im Trainer und in Adiletten zum Vorstellungsgespräch.

Was mich bedrückt: Das schulische Niveau ist bei manchen Schülerinnen und Schülern erschreckend tief.

Oder nehmen wir Pünktlichkeit. Es gibt Jungs, die zu spät in den Unterricht kommen und sich nicht mal beeilen – die Kopfhörer mit Musik in den Ohren – und die sich dann am Pult schräg in den Stuhl fläzen. Das ist zum Teil wirklich eine Parodie, wo du denkst: Willst du mich veralbern?

Ein anderes Mal kam ein Schüler, der nicht zu meiner Klasse gehört, mitten in meiner Lektion wortlos rein, ging zum Brünneli und trank Wasser vom Hahn. Was er denn da mache, wollte ich wissen. Das Wasser schmecke hier besser, erklärte er. Einige Kolleginnen und Kollegen sind dazu übergegangen, dem Geläuf nach Lektionsbeginn Einhalt zu gebieten, dann darf keiner mehr das Schulzimmer betreten. Der Unterricht verträgt keine ständigen Störungen.

Was mich bedrückt: Das schulische Niveau ist bei manchen Schülerinnen und Schülern erschreckend tief. Sie kommen nach vier Jahren Frühfranzösisch in die Sekundarschule und können in einem Französischtext praktisch nichts vorlesen. Nicht mal qu’est-ce que c’est. Das wird wie Deutsch vorgelesen.

Auch der Stand im Deutschunterricht ist bei vielen Kindern ungenügend. Der hohe Migrationsanteil mag eine Erklärung sein. Aber das allein kann es nicht sein. Ich selber lasse auch Diktate schreiben. In der heutigen Pädagogik ist das völlig verpönt.

Ich hatte eigentlich vor, bloss ein halbes Jahr auszuhelfen, also nach den Sommerferien  wieder zu gehen. Zumal ich zehn Prozent weniger verdiene als ein Sekundarlehrer, weil ich das  Gymnasiallehrdiplom und damit die «falschen» Papiere habe. In Zeiten des Lehrermangels finde ich das grotesk. Aber einen weiteren Lehrerwechsel wollte ich meinen Schülerinnen und Schülern nicht zumuten. Ich bleibe noch ein Jahr – bis sie ihre Schulzeit beendet haben.»

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