Bern - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Thu, 01 Jun 2023 19:38:16 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Bern - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Wie man einem Lehrer die Zeit stiehlt https://condorcet.ch/2023/05/wie-man-einem-lehrer-die-zeit-stiehlt/ https://condorcet.ch/2023/05/wie-man-einem-lehrer-die-zeit-stiehlt/#comments Sat, 27 May 2023 15:27:59 +0000 https://condorcet.ch/?p=14138 Condorcet-Autor Alain Pichard befindet sich - wie viele seiner Berufskolleginnen und -kollegen - im Abschlussstress. Zeugnisse, Abschlusstheater, Abschlussreise und das grosse Schulfest stehen bevor. Ja, und dann sind noch die Schüler, die alles verpatzt haben und einer Triagestelle gemeldet werden müssen.

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Almir* und Vanessa* stehen einen Monat vor Schulschluss ohne eine Anschlusslösung da. Der eine ist aufgrund seines Verhaltens kaum vermittelbar und hat auch schon einen befristeten Schulausschluss hinter sich, die andere hatte eine „absolut sichere“ Zusage für eine Lehrstelle in der Tasche, was sich letztendlich als Illusion herausstellte.

Ich erspare Ihnen nun die Ursachenforschung, wie es zu den oben geschilderten Situationen kam. Sie kommen immer wieder vor.

Deshalb muss nun eine Lösung gefunden werden. Die Anmeldetermine für die staatlichen Brückenangebote sind zwar längst verstrichen, aber es gibt natürlich immer noch Gefässe, solche Jugendliche in ein Programm zu schicken. Im Folgenden möchte ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einmal schildern, wie ein solches – im Prinzip banales – Anmeldeverfahren im Kanton Bern abläuft.

Nach Elterngesprächen beschliessen wir, Almir an das BVS anzumelden.

Freitag, den 19. Mai, 15.00 Uhr

Ich rufe das Sekretariat des BVS an. Es kommt der Telefonbeantworter. Rufen Sie bitte während der Büroöffnungszeiten an.

Montag, den 22. Mai, 12.00 Uhr

Ich telefoniere mit dem BVS.  Und frage, ob es noch möglich sei, Schüler an das BVS zu melden. Es wird mir mitgeteilt, dass man die Nachzügler nicht mehr direkt bei ihnen anmelden könne, sondern sich an die Triagestelle wenden müsse. Das müsse man mittels des elektronischen Anmeldeverfahrens lösen. Nein, sie könne mir den Link nicht mitteilen, er ist aber auf der Webseite der BKD unter Brückenangebote zu finden.

Alain Pichard, Lehrer Sekundarstufe 1, GLP-Grossrat im Kt. Bern und Mitglied der kantonalen Bildungskommission: Versuchen Sie es später.

13.30 Uhr, SOL (Selbstorganisiertes Lernen)

Ich logge mich in das Anmeldeprozedere ein und beginne im Beisein von Almir alle nötigen Daten einzugeben. Vorher habe ich noch das Zwischenzeugnis scannen müssen, weil Almir es nicht mehr in seinen elektronischen Unterlagen finden konnte. Auf Seite 2 erhalte ich einen Code. Der wird mir an meine Mailadresse geschickt. Ich öffne diesen, setze ihn in der Anmeldeseite ein und fahre fort. Es kommt eine Fehlermeldung: “Sie haben nicht alle Fragen beantwortet. Bitte ergänzen Sie Ihre Angaben (1)” Und es geht nicht weiter. Ich überprüfe das Ganze noch einmal, aber es kommt immer noch die Fehlermeldung. Ich setze das Ganze neu auf und fülle noch einmal im Beisein von Almir alle benötigten Daten ein. Erneut erhalte ich einen Code, setze ihn ein, aber wieder kommt die Fehlermeldung. Ich sage Almir, dass ich anrufen werde, er solle in den Unterricht gehen.

15.30 Uhr, Unterricht beendet. Ich rufe die angegebene Nummer (Brückenangebote) an. Es kommt die Nachricht: „Es sind alle Leitungen besetzt, bitte gedulden Sie sich.“ Es folgt eine Musik. Dann: “Im Moment kann Ihr Anruf nicht entgegengenommen werden, versuchen Sie es später noch einmal.“

Ich versuche es noch zweimal. Immer dasselbe. Ich gebe auf und denke, dass ich es morgen erneut probieren werde.

Donnerstag, den 25. Mai, 13.00 Uhr

Es wurde inzwischen Donnerstag, weil ich am Diensrag und Mittwoch alle Hände mit dem Abschlusstheater und der Organisation der Abschlussreise zu tun hatte. Inzwischen hat sich auch Vanessa dazu durchgerungen, dass ich sie bei der Triagestelle anmelde. Ich stelle mit ihr die Dokumente zusammen und  versuche, sie mittels des elektronischen Anmeldeverfahrens anzumelden. Dasselbe Prozedere, der Code und die Fehlermeldung. Um 14.00 Uhr (Bürozeit) versuche ich erneut, das Sekretariat der Brückenangebote zu erreichen. Wieder kommt die Mitteilung: “Im Moment können wir Ihren Anruf nicht entgegennehmen, versuchen Sie es später noch einmal.” Es habe am Donnerstagnachmittag unterrichtsfrei, schnappe mir einen Computercrack aus meinem Kollegium und wir versuchen es zu zweit. Wieder ein Fehlschlag. Mein Kollege meint, da müssten wir anrufen.

Ich versuche es insgesamt an diesem Tag sechsmal. Ohne Erfolg. Daraufhin schreibe ich der Behörde folgende Mail:

Sehr geehrte Damen und Herren

Mein Name ist Alain Pichard. Ich versuche seit einigen Tagen Sie telefonisch zu erreichen und werde durch den Sprachautomaten jeweils abgewiesen. Ich möchte einen Schüler und eine Schülerin bei Ihnen an die Triagestelle anmelden. Ich komme dabei immer zur Codeeingabe und dann, beim Weiter, kommt die Meldung: “Sie haben nicht alle Fragen beantwortet. Bitte ergänzen Sie Ihre Angaben (1)” Und es geht nicht weiter. Ich habe alles überprüft, aber es geht nicht weiter.

https://www.bkd.be.ch/de/start/themen/bildung-im-kanton-bern/berufsbildung/brueckenangebote/anmeldung-brueckenangebote/onlineanmeldung-brueckenangebot.html?action=createPublicForm&accessKey=fb55284a-6ea9-4224-a453-be3e03ea88d5&language=de&mandant=MBA

Der Zulassungscode ist XXXXXXXX (dem Autor bekannt)

Was soll ich machen? Auch bei meinem anderen Schüler geht es nicht.

Freundliche Grüsse

Alain Pichard

Etwas später füge ich noch eine 2. Mail hinzu:

Ist es normal, dass ich während insgesamt acht Telefonaten immer mit der Voicemail abgespeist werde, dass mein Anruf im Moment nicht entgegengenommen werden kann?

Freitag, den 26. Mai, 16.30 Uhr

Ich erhalte folgende Mail:

Guten Tag Herr Pichard

Bitte entschuldigen Sie die Unerreichbarkeit. Auf welche Nummer haben Sie angerufen? Denn wenn Sie auf die Fachstellen-Nr. (031 633 84 54) anrufen und von uns tatsächlich, aufgrund von Sitzungen, Ferien oder Teilzeitarbeit, gerad alle besetzt sind, sollten Sie grundsätzlich an den Empfang weitergeleitet werden und nicht nur an die Voicemail verwiesen werden.

Zu Ihrer Anfrage betreffend Anmeldung an die Triagestelle. Schülerinnen und Schüler aus der 9. Klasse können erst wieder ab der Woche 23 an die Triagestelle angemeldet werden. Daher kommt aktuell eine Fehlermeldung. Diese und weitere Informationen finden Sie ebenfalls auf unserer Webseite: Anmeldung über die Triagestelle Brückenangebote.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstwochenende.

Freundliche Grüsse

A. B. , Sachbearbeiterin

Game over

Frage an die Wissenschaft: Wo ist es auf der Webseite vermerkt, dass man die Schüler erst ab Woche 23. wieder anmelden darf? Und wenn ich es übersehen habe, weshalb kommt diese Meldung nicht, wenn man das Prozedere beginnt? Wenn lediglich eine Fehlermeldung gemeldet wird, glaubt man in der Regel, man habe einen Fehler begangen. Und ja, ich habe genau bei dieser Nummer angerufen – und bin nicht weitergeleitet worden.

*Namen geändert

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Frühfranzösisch – jetzt auch Basel-Stadt https://condorcet.ch/2023/05/bildungsstrategie-fuer-den-fremdsprachenerwerb-in-der-primarschule/ https://condorcet.ch/2023/05/bildungsstrategie-fuer-den-fremdsprachenerwerb-in-der-primarschule/#comments Fri, 19 May 2023 08:56:50 +0000 https://condorcet.ch/?p=14048

Die Reform der Sprachbildung in Schulen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Frühfranzösisch, wird immer wieder diskutiert. Dies löst auch politische Reaktionen in den Passepartout-Kantonen aus, die insbesondere eine Verbesserung der Fremdsprachenstrategie und ebenso höhere Sprachkompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Deutsch zum Ziel haben. Ein Gastbeitrag von Sandra Bothe- Wenk, Grünliberale Kantonsrätin in Basel-Stadt.

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Anzug (Motion) betreffend die Überarbeitung der Bildungsstrategie beim Fremdsprachenerwerb an der Volksschule und Stärkung der Grundlagefächer

Ein nationaler Vorstoss zur Untersuchung der Auswirkungen von Schulreformen in Bezug auf den Lehrermangel wurde in der Frühjahrssession an den Bundesrat überwiesen. Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur betonte, dass einige Schulreformen wie der Fremdsprachenunterricht auf dünnen wissenschaftlichen Grundlagen basieren.

Sandra Bothe, GLP-Grossrätin: Die wissenschaftliche Evidenz ist unbefriedigend.

In diesem Zusammenhang wurden in den Kantonen Baselland und Bern, die am Passepartout-Projekt (Erneuerung des Fremdsprachen-Unterrichts an der Volksschule) beteiligt sind, parlamentarische Vorstösse eingereicht, die eine neue Bildungsstrategie beim Erwerb der Fremdsprachen an der Volksschule fordern. Ziel ist es, insbesondere den Französischunterricht zu verbessern, so dass höhere Leistungen erreicht werden und das Französisch als Landessprache einen angemessenen Stellenwert erhält resp. beibehält.

Im Kanton Basel-Stadt wird demgegenüber geplant, dass Schülerinnen und Schüler im Leistungszug A der Sekundarschule ab der 2. Klasse die Option haben sollen, Französisch abzuwählen, um stattdessen ihre Fähigkeiten in Deutsch und Mathematik zu verbessern. Dies hätte Auswirkungen auf die Durchlässigkeit der Leistungszüge. Man kann sich deshalb grundsätzlich die Frage stellen, ob Deutsch und Mathematik nicht bereits in der Primarschule stärker gewichtet werden sollten, um dafür im A-Zug der Sekundar Französisch beibehalten zu können.

Alain Pichard, Lehrer Sekundarstufe 1, GLP-Grossrat im Kt. Bern und Mitglied der kantonalen Bildungskommission: Reichte einen Vorstoss im Kanton Bern ein.

Die im Nachbarkanton Baselland eingereichte Motion bzgl. dem Fremdsprachenerwerb hat der Landrat im Februar 2023 als Postulat überwiesen, um den Französischunterricht in der Primarschule zu überprüfen und wenn nötig anzupassen. Die Regierung hat angeboten, das Sprachkonzept ausgehend von fundierten Studien und Erhebungen neu zu erarbeiten. Hier interessieren insbesondere auch die Ergebnisse der schweizweiten Überprüfung des Erreichens der Grundkompetenzen (ÜGK) in der Schulsprache und den ersten beiden Fremdsprachen, welche nun im Frühjahr 2023 durchgeführt wird. Damit liegt anschliessend eine aktuelle Datenlange vor, die neben bewährten didaktischen Ansätzen eine weitere Grundlage bieten, um eine neue, erfolgsversprechende und evidenzbasierte Bildungsstrategie zu entwickeln.

Die Anzugsstellenden befürworten eine gemeinsame Bildungsstrategie in Bezug auf den Erwerb der Fremdsprachen in allen Passepartout-Kantonen und bitten deshalb die Regierung aus aktuellem Anlass (parlamentarische Vorstösse, ÜGK 2023) ebenfalls zu prüfen und zu berichten,

  • wie die aktuelle Sprachenstrategie (Schulsprache, Fremdsprachenunterricht) hinsichtlich ihrer Effizienz grundsätzlich überprüft und ergebnisorientiert angepasst werden kann,
  • wie die Ergebnisse der ÜGK 2023 in eine konkrete Verbesserung der Sprachenstrategie einfliessen können, die das Ziel hat, sowohl in der Schul- als auch in den Fremdsprachen höhere Leistungen zu erzielen,
  • ob der Erwerb der Fremdsprachen allenfalls verlegt werden kann/soll (beispielsweise Französisch auf die 5. und Englisch auf die 6. Klasse der Primarstufe) und im Gegenzug die Grundlagefächer Deutsch und Mathematik stärker gewichtet werden können,
  • inwiefern die Fremdsprachendidaktik grundsätzlich angepasst werden muss, um bessere Lernleistungen zu erzielen,
  • inwiefern eine gemeinsame Strategie mit allen Passepartout-Kantonen möglich und sinnvoll wäre und welche Schritte notwendig sind, um die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.

 

 

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Eilmeldung-BBZ-Biel-Eine Sonderprüfung endet mit einer Klatsche für die Aufsichtsbehörden https://condorcet.ch/2023/02/eilmeldung-bbz-biel-eine-sonderpruefung-endet-mit-einer-klatsche-fuer-die-aufsichtsbehoerden/ https://condorcet.ch/2023/02/eilmeldung-bbz-biel-eine-sonderpruefung-endet-mit-einer-klatsche-fuer-die-aufsichtsbehoerden/#comments Thu, 16 Feb 2023 21:49:26 +0000 https://condorcet.ch/?p=13116

Am 30. August berichteten wir über die unglaublichen Vorgänge im Berufsbildungszentrum Biel ( https://condorcet.ch/2022/08/schulleitungen-kontrollieren-die-lehrkraefte-wer-kontrolliert-die-schulleitungen/). Eine unfähige Direktorin wurde von oben durchgedrückt, monatelang trotz gravierender Führungsmängel von oben protegiert und schliesslich mit einer stattlichen Abgangsentschädigung entlassen. In der Kritik stand bald einmal das MBA (Mittelschul- und Berufsbildungsamt). Die Sonderprüfung der Finanzkontrolle ergab nun eine für bernische Verhältnisse schonungslose Analyse behördlichen Versagens.

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Alain Pichard, Lehrer Sekundarstufe 1, GLP-Grossrat im Kt. Bern und Mitglied der kantonalen Bildungskommission: Die Bestätigung des behördlichen Versagens.

In der Medienmitteilung der kantonalbernischen Bildungsdirektion heisst es im amtlichen Behördendeutsch: «Gemäss einer Sonderprüfung der Finanzkontrolle erfüllt das Berufsbildungszentrum Biel die gesetzlichen Anforderungen. Die von der Bildungs- und Kulturdirektion (BKD) angeforderte Sonderprüfung hat aber diverse Mängel in verschiedenen Bereichen festgestellt. Die BKD hat bereits begonnen, die von der Finanzkontrolle vorgeschlagene Massnahmen umzusetzen.»

Wer den ganzen Bericht liest, findet darin allerdings Sätze wie: “Die Aufsicht über das BBZ Biel wurde durch das MBA nicht in genügender Weise wahrgenommen.”

“Die Finanzkontrolle kommt zum Schluss, dass der Anstellungsprozess nicht gemäss den Vorgaben erfolgt ist.”

“Die angestellte Direktorin hat bereits im Zeitpunkt der Einstellung die Voraussetzung für die Stelle nicht vollumfänglich erfüllt.”

“Die mit der Anstellung betrauten Personen (intern und extern) waren teilweise auch während der Mediationsphase im Lead und wollten zu lange die Fehlbesetzung nicht wahrhaben. Eine Kündigung wäre aus Sicht der Finanzkontrolle deutlich früher möglich bzw. notwendig gewesen”.

“Der zu lange Trennungsprozess führte zu einem unnötig hohen finanziellen Schaden, einem grossen Vertrauensbruch beim BBZ Biel sowie zwischen dem MBA und Finanzkontrolle des Kantons Bern und dem BBZ Biel. Der Reputationsschaden und Vertrauensverlust ist beträchtlich. Zudem ist die Glaubwürdigkeit des Kantons beeinträchtigt.”

Unwahrscheinlich, dass die Fehlleistungen des MBA keine weiteren Konsequenzen nach sich ziehen werden.

Die Medienmitteilung der Bildungsdirektion gibt somit das Desaster des MBA  und ihrer Amtsleiterin Frau Barbara Gisin, sowie dem zuständigen Schulinspektor Furrer nicht wieder. Die Lehrkräfte des BBZ sehen sich vollumfänglich bestätigt. Unwahrscheinlich, dass die Fehlleistungen des MBA keine weiteren Konsequenzen nach sich ziehen werden. Der Condorcet-Blog wird in einer weiteren Folge den gesamten Verlauf dieses Skandals wiedergeben.

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Die Krokodilstränen der Lehrer- und Lehrerinnenorganisationen https://condorcet.ch/2022/09/die-krokodilstraenen-der-lehrer-und-lehrerinnenorganisationen/ https://condorcet.ch/2022/09/die-krokodilstraenen-der-lehrer-und-lehrerinnenorganisationen/#comments Sun, 11 Sep 2022 08:22:21 +0000 https://condorcet.ch/?p=11484

Die Lehrer- und Lehrerinnenverbände der Schweiz und ihr Zentralorgan LCH überbieten sich derzeit mit Forderungen und Ratschlägen, wie dem Lehrpersonenmangel zu begegnen sei. In diesem Basar der gut gemeinten Tipps und Halbanalysen mischen sich interessante Erkenntnisse, meint Condorcet-Autor Alain Pichard.

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Alain Pichard, Lehrer Sekundarstufe 1, GLP-Grossrat im Kt. Bern und Mitglied der kantonalen Bildungskommission

In einem kürzlich erschienenen BUND-Beitrag (23.8.22) wird die Sekretärin von Bildung Bern, Anna Katharina Zenger folgendermassen zitiert: «Die Ansprüche der Gesellschaft an die Schule hätten stark zugenommen. Das Volksschulgesetz verlangt, dass nach Möglichkeit alle Kinder unabhängig von ihren Möglichkeiten und allfälligen Beeinträchtigungen in der Volksschule integriert werden. Die Zahl der fremdsprachigen Kinder hat stark zugenommen. Dabei soll die Schule möglichst jedem Kind nach seinen individuellen Bedürfnissen gerecht werden. Diese Ansprüche an die Schule sind berechtigt. Aber entsprechend hat der Aufwand der Lehrkräfte nicht nur im Unterricht, sondern auch bei der Koordination der verschiedenen Angebote und bei der Arbeit mit den Eltern stark zugenommen.»

Anna-Katharina Zenger, Sekreträrin von Bildung Bern: Teamteaching und maximal 20 Schülerinnen pro Klasse.

Es ist eine Art Offenbarungseid, den die Personalvertreterin da von sich gibt. Es ist die Unterstützung des Prinzips «Bestellen, ohne zu bezahlen». Im Nachhinein, wenn sich dann herausstellt, dass die Neuerungen nicht den Effekt haben, wie es sich die Wunschprosa-Fabrikanten der Reformen vorgestellt hatten, wird dann immer auf ominöse Gelingensbedingungen verwiesen, im Prinzip die Forderung nach mehr. Aber davon später.

Heute sprechen die Lehrpersonenverbände von Entlastungen, Überforderungen und – man höre und staune – über eine Minderung der bürokratischen Belastung der Lehrkräfte.

Exemplarisch für diese Haltung war das Agieren der ehemaligen VPOD-Lehrergruppen-Sekretärin Corinne Schärer (Grüne), welche sich im bernischen Grossrat 2007 für den Integrationsartikel stark machte. Als damaliges Gewerkschaftsmitglied im VPOD informierte ich meine Kollegin über unsere Einwände, die in einem offenen Brief von über 30 Lehrerinnen und Lehrern formuliert worden waren. Unsere Sekretärin kämpfte wacker für eine genügende Finanzierung des historischen Inklusionsvorhabens. Als aber deutlich wurde, dass dieser Integrationsartikel mit den vorgesehenen Mitteln gar nicht zu bewältigen war, konnte sie nicht über ihren ideologischen Hintergrund springen, vergass ihren gewerkschaftlichen Auftrag und stimmte dem unterfinanzierten Reformvorhaben zu. Dass diese Reform dabei nicht nur die Realklassen im Kanton an den Rand der Funktionsfähigkeit und eine erkleckliche Zahl von Lehrkräften in die Nähe des Burnouts brachte, sondern auch den zahlreichen Kindern in den aufgelösten Kleinklassen einen Bärendienst erwies, ist ihr vermutlich noch heute nicht bewusst. Heute sprechen die Lehrpersonenverbände von Entlastungen, Überforderungen und – man höre und staune – über eine Minderung der bürokratischen Belastung der Lehrkräfte. Dabei vergessen sie, dass wesentliche Teile der heute beklagten Fehlentwicklungen von den Lehrerorganisationen mitgetragen worden sind. Sie erwiesen sich als Steigbügelhalter absurdester Bildungsreformen, deren Effekt nicht garantiert waren und deren Kosten nicht selten ins Unermessliche stiegen.

Die Berufsverbände sind heute Sprungbretter für politische und verwaltungstechnische Karrieren.

Die neue Schülerbeurteilung (SCHÜBE), die aus uns Lehrkräften Beurteilungsmaschinen machen wollte? Sie wurde von Bildung Bern unterstützt. Und wenn wir den Pfad der offenen und verhaltenen Unterstützung der Reformen weitergehen, können wir einige Stolpersteine erkennen, an die sich unsere «Gewerkschafter» heute nur ungern erinnern. Die neue Reform der Beurteilung, wo überfachliche Kompetenzen und Progression der Schüler festgehalten, dokumentiert und auf einer Skala von 1–10 benotet werden sollten? Klar, finden wir gut! Frühfranzösisch? Perfekt, brauchen wir! Abschaffung der Kleinklassen? Ist ein Gebot der Stunde! Obligatorische Elterngespräche (mit Protokoll)? Wir sind ja modern! Kompetenzorientierung mit Kompetenzraster? Finden wir toll! Obligatorische Weiterbildung mit Kontrolle und Dokumentierungen? Super! Die grossartig gescheiterte Lehrmittelreihe Passepartout? Eine umwerfende Innovation! Nachteilsausgleiche? Eine wichtige humane Reform! usw.

Die Ursache dieser Fehlentwicklung ist in der Entfremdung der Funktionäre von der Basis zu suchen. Die Berufsverbände sind heute vollständig politisiert und suchen die Nähe der Regierenden. Die Berufsverbände sind heute Sprungbretter für politische und verwaltungstechnische Karrieren.

Die Eingebundenheit und die permanente Nähe zur politischen Macht führen zur Identifikation mit dem Politsystem und enden nicht selten in der Sorge um die politische Resonanz in eigener Sache.

Therese Frösch, ehem.Gewerkschafterin, Regierungsmitglied und Nationalrätin.

Als langjähriger aktiver Gewerkschafter im VPOD sah ich unsere Sekretärinnen kommen und in «höhere» Gefilde verschwinden. Therese Frösch startete als Sekretärin des VPOD-Bern, wurde Stadträtin, Gemeinderätin und schliesslich Nationalrätin. Ihr Nachfolger, Michael Jordi, wurde ins Berner Stadtparlament gewählt und ist heute Zentralsekretär der GDK (Konferenz der Gesundheitsdirektoren). Dessen Nachfolgerin, Corinne Schärer, wurde Grossrätin und später Mitglied der Geschäftsleitung der UNIA. Die ehemalige Zentralsekretärin des LEBE (heute Bildung Bern), Irène Hänseberger, wurde Leiterin des stadtbernischen Schulamtes. Der ehemalige Sekretär von Bildung Bern, Christoph Michel, ist heute Leiter Personalmanagement Lehrpersonen bei der Bildungsdirektion. Der einstige scharfe Kritiker von Standardisierung und Testbatterien, Guy Lévy, Präsident der VPOD-Lehrergruppe Biel wurde Leiter der französischsprachigen Volksschulen in der Bildungsdirektion des Kantons Bern und setzte in dieser Funktion genau die Reformen um, die er einige Jahre zuvor kritisierte.

Irene Hänseberger, Zentralsekretärin von Bildung Bern, anschliessend Leiterin des Berner Schulamts.

Ich möchte hier in aller Deutlichkeit betonen, dass ich mit den meisten obgenannten Gewerkschaftsverantwortlichen gut zusammengearbeitet habe und keinerlei persönliche Ressentiments hege, im Gegenteil. Es geht hier um die Rolle des Funktionärs und seine Verbandelung mit den politischen Gremien. Die Eingebundenheit und die permanente Nähe zur politischen Macht führen zur Identifikation mit dem Politsystem und enden nicht selten in der Sorge um die politische Resonanz in eigener Sache.

Woher man für die Erfüllung dieser Forderungen die Lehrkräfte hernehmen soll, darüber schweigt sich die Personalvertreterin aus.

Seltsam vage sind denn auch die Statements der heutigen Gewerkschaftsvertreterinnen, wie Pino Mangiaratti, Präsident von Bildung Bern. Auf die Frage in der Berner Schule, was BIBE eigentlich konkret mache, antwortete er: «Wir suchen Lösungen, diskutieren, zeigen Missstände auf, versuchen, Haltungen zu verändern, leisten Überzeugungsarbeit, stellen Angebote bereit, informieren, organisieren Anlässe.» (Berner Schule, 4/22, Seite 3)

Auf die Frage nach Bürokratieabbau meint die BIBE-Sekretärin Zenger: «So wenig wie möglich, so viel wie nötig!»

Unschlagbar sind die Personalverbände im ganzen Land allerdings mit ihren frivolen Forderungen nach immer mehr. LCH, Bildung Bern und andere kennen in ihrem politischen Handeln nur die Quantität.  Lohnerhöhungen? Unbedingt! Arbeitszeitverkürzung? Auf jeden Fall! Harmos? Nur zu! Tagesschulen? Ein Muss! Begabtenförderung? Von uns aus! Qualitätskontrollen? Super! Frühfranzösisch? Perfekt, brauchen wir! Probleme mit der Integration? Mehr Heilpädagoginnen! Probleme mit schwierigen Schulklassen? Teamteaching! Überlastung der Klassenlehrkräfte? Eine zweite Entlastungslektion! Soziale Probleme in Brennpunktschulen? Mehr Schulsozialarbeit! Zu viel Bürokratie? Gemeinden müssen mehr Schulsekretärinnen einstellen, um die Lehrer und Schulleitungen zu entlasten!

Zenger fasste es im BUND-Beitrag folgendermassen zusammen: «Die Gewerkschafterin fordert deshalb maximale Klassengrössen von 20 Kindern und durchgehendes Teamteaching vom Kindergarten bis zur zweiten Klasse sowie mehr zeitliche Ressourcen bei gleichen Aufgaben für die Schulleitungen.»  (https://www.derbund.ch/wieso-lehrpersonen-ihr-pensum-nicht-erhoehen-wollen-761786151125).

Woher man für die Erfüllung dieser Forderungen die Lehrkräfte hernehmen soll, darüber schweigt sich die Personalvertreterin aus. Es mag ja sein, dass all die Forderungen der Gesellschaft an die Schule ihre Berechtigung haben, wie es Frau Zenger formuliert. Wenn man aber die Elemente dieses Wuschkonzerts zusammenzählt, dann wird man feststellen, dass der Markt dies alles gar nicht hergibt. Es fehlen Lehrkräfte, Heilpädagoginnen, und die Ressource Geld ist auch in Zeiten der “Modern Monetary Theory” nicht unbeschränkt vorhanden.

Inzwischen ist ein enormes Ausgabenwachstum in der Bildung im Gang. Im Kanton Bern bilden die Ausgaben im Bildungsbereich mit über 25% den höchsten Posten und betragen 2,270 Milliarden Franken. Von Bildungsabbau und Kaputtsparen keine Spur. Hingegen lohnt sich die Reflexion über die Frage, ob all die Ausgaben auch den gewünschten Effekt haben und auch wohin all dieses Geld fliesst. Das gilt auch für die zurzeit herumgebotenen Vorschläge zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels.

Und zum Schluss noch eine Bemerkung in eigener Sache. Von diesen kritischen Bemerkungen an die Adresse der Lehrerverbände ist der LVB, die Lehrerinnen- und Lehrergewerkschaft des Kantons Baselland, ausdrücklich ausgenommen. Zurzeit versucht deren Präsident, Philipp Loretz, die Bildungsverantwortlichen seines Kantons davon zu überzeugen, dass die Umsetzungshilfen der PHs zu den überfachlichen Kompetenzen (70 Seiten) höchst problematisch sei. Solche Initiativen würde man sich vermehrt von den anderen Personalverbänden wünschen. Vielleicht würde dann auch der Organisationsgrad dieser “Gewerkschaften” (er beträgt derzeit noch knapp 50%, von einst 98%) wieder steigen.

 

 

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