Rückmeldungskultur - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Thu, 12 Aug 2021 10:06:46 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Rückmeldungskultur - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Misstrauen statt Dialog: Was Lehrevaluationen heute leisten https://condorcet.ch/2021/08/misstrauen-statt-dialog-was-lehrevaluationen-heute-leisten/ https://condorcet.ch/2021/08/misstrauen-statt-dialog-was-lehrevaluationen-heute-leisten/#respond Thu, 12 Aug 2021 10:06:46 +0000 https://condorcet.ch/?p=9179

Die Deutschen haben bekanntlich den Drang, Bürokratie immer perfekt und umfassend zu gestalten. Die Evaluation und Rückmeldungskultur ist in Deutschland einer sinnfreien Generierung von Daten zum Opfer gefallen, Misstrauen regiert, die Qualität bleibt auf der Strecke. Condorcet-Autor Ralf Lankau berichtet.

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Prof. Dr. phil. Ralf Lankau, Fakultät Medien, Hochschule Offenburg
Bild: Lankau

Ein Instrument der Fremdsteuerung von Bildungseinrichtungen, die Ausrichtung von Lehr- und Lernprozessen an fachfremden Parametern der Ökonomie und unsinnigen Kennzahlen: Das sind die derzeit praktizierten Lehrevaluationen an Hochschulen. Sie sind ein Musterbeispiel der Dekonstruktion einer ihrem Wesen nach sozialen und dialogischen Einrichtung. Das Ziel ist die Standardisierung, Steuerung und Hierarchisierung von Lehre und Unterricht.

Die Nachbesprechung

Zur pädagogischen Arbeit des Unterrichtens, nicht nur an Hochschulen, gehört der Dialog über Inhalte, Methoden und Ziele von Lehrveranstaltungen. Zu Beginn des Semesters werden die Themen und deren Einbindung in den fachlichen bzw. historischen Kontext, besonders relevante Einzelaspekte, begleitende Literatur und Leistungsnachweise besprochen. Am Ende des Semester steht die Nachbesprechung, oft verbunden mit einer Rückmeldung von Seiten der Studierenden per Fragebogen.

Die Basis waren das Seminar, wechselseitiges Vertrauen durch direkte Beziehung und gemeinsame Ziele: der erfolgreiche Abschluss der Veranstaltung, auch Diskussionen über mögliche thematische Ergänzungen oder Verbesserungsvorschläge für die Lehrveranstaltung selbst.

Üblich war, dass die Lehrenden diese Fragebögen im Seminar ausgeben, am Ende der Stunde einsammeln und die Rückmeldungen in der Folgewoche mit den Studierenden besprechen. Die Basis waren das Seminar, wechselseitiges Vertrauen durch direkte Beziehung und gemeinsame Ziele: der erfolgreiche Abschluss der Veranstaltung, auch Diskussionen über mögliche thematische Ergänzungen oder Verbesserungsvorschläge für die Lehrveranstaltung selbst.

Geradezu widersinnig wird die Praxis einiger Einrichtungen: Lehrende dürfen Evaluationsbögen nur austeilen. Studierende sammeln die Bögen ein und übergeben sie in einem verschlossenen Umschlag der oder dem Evaluationsbeauftragten der Fakultät.

Misstrauenskultur als das „neue Normal“

Das ist mit den Evaluationsverordnungen im Rahmen des Bologna-Prozesses ins Gegenteil gekippt. Statt einer Dialogkultur existiert ein generelles Misstrauen gegenüber allen Beteiligten. Unterstellt wird beiden Seiten Unaufrichtigkeit. Lehrende etwa dürfen die Evaluationsbögen nicht mehr einsammeln und auswerten. Sie könnten ja handschriftlich ausgefüllte Evaluationsbögen mit ebenfalls handschriftlich geschriebenen Klausuren vergleichen. Für Kritiker des Seminars könne das – so die Logik – zu schlechten Noten in Klausuren führen. Das unterstellt die Verletzung einer zentralen Amtspflicht – die (soweit möglich) objektive und personenunabhängige Beurteilung von Leistungsnachweisen – und wäre sowohl beamten- wie verwaltungsrechtlich zu ahnden.

 

Statt einer Dialogkultur existiert ein generelles Misstrauen gegenüber allen Beteiligten.

Studierende dagegen könnten aus Angst vor schlechten Noten vor Kritik zurückschrecken, selbst wenn der Semestersprecher oder die Semestersprecherin die Evaluationsbögen einsammelt und die ausgewerteten Ergebnisse ohne Namensnennung im Seminar vorträgt. Letzteres wäre allerdings rechtlich mehr als fragwürdig, da die Evaluationsbögen personenbezogene Daten erheben. Sind Bologna-Hochschulen (als Sammelbegriff für tertiäre Bildungseinrichtungen) mittlerweile Orte der Angst, Anpassung und Unterordnung, in denen ein Diskurs nicht mehr möglich ist? Wo sonst sollen Studierende lernen, Kritik zu äußern oder vorgegebene Strukturen in Frage stellen?

Geradezu widersinnig wird die Praxis einiger Einrichtungen: Lehrende dürfen – wie oben angemerkt – Evaluationsbögen nur austeilen. Studierende sammeln die Bögen ein und übergeben sie in einem verschlossenen Umschlag der oder dem Evaluationsbeauftragten der Fakultät. Die Bögen werden anschließend gescannt, Ankreuz-Antworten automatisiert statistisch ausgewertet, die Ergebnisse den Lehrenden zugemailt  – mitsamt der handschriftlichen Anmerkungen der Freitextfelder. Lehrende, die Schriftproben vergleichen und Klausurnoten danach vergeben wollten, könnte das auch in der digitalisierten Variante.

Wechselseitiger Anpassungsdruck

Wer auf rein digital realisierte Evaluationen setzt (mit aufwendigen Anonymisierungsmethoden zumindest für die Studierenden), unterschlägt die Folgen einer technisierten Feedback-Kultur. Fehlende soziale Einbindung und Kontrolle bei kommunikativen Prozessen, auch und gerade von berechtigter, konstruktiver, auch notwendiger Kritik, führt ohne (oder nur imaginiertes) soziales Gegenüber schnell zum Entgleisen der Sprache. Wer allein an Bildschirm und Tastatur sitzt, neigt schneller zu Polemik, wie man es aus den sozialen Medien kennt. Konstruktives Feedback bleibt dann aus.

Immerhin sind die Daten (samt Zuordnung zu Person und Veranstaltung) jetzt im Hochschul-IT-System hinterlegt und für die weitere „Personalführung“ (die an Hochschulen für die Professorenschaft (noch) nicht vorgesehen ist) nützlich. Wer z.B. nach der W-Besoldung alimentiert wird, muss bei seinen regelmäßigen Selbstberichten u.a. die Evaluationsergebnisse beilegen. Sie gelten als ein Kriterium für mögliche Zulagen.

Die Hochschulbürokratie hat auf dialogische Prozesse keinen Zugriff.

Sinnfreie Generierung von Daten

Das Missfallen an der internen Evaluation in Seminaren krankt aus Sicht der Hochschulbürokratie an zwei Parametern. Zum Ersten hat sie auf solche dialogische Prozesse keinen Zugriff bzw. kann nur Ergebnisprotokolle auswerten. Das gilt für Lehrevaluationen innerhalb der Fakultäten genauso wie für die besprochenen Themen in Studienkommissionen oder Fakultätsrats-Sitzungen. Es entspricht den Grundprinzipen einer demokratisch verfassten Hochschule und Studentenschaft, dass man im Positiven wie auch bei Problemen miteinander spricht. Das pädagogische Versprechen „Was wir hier im Raum besprechen, verlässt den Raum nicht.“ ist ja überhaupt erst die Basis für ein offenes Gespräch. Das aber bleibt für die Datensammler unbefriedigend, da intransparent.

Sie bevorzugen es, die Qualität der Lehre und Forschung an normierten Prozessen und messbaren, validierten, vor allem reproduzierbaren Ergebnissen festzumachen.

Der zweite Kritikpunkt der Hochschul-Manager ist der fehlende Druck zur Standardisierung von Veranstaltungen mit dem Ziel der Mess- und Vergleichbarkeit. Sie bevorzugen es, die Qualität der Lehre und Forschung an normierten Prozessen und messbaren, validierten, vor allem reproduzierbaren Ergebnissen festzumachen. Doch Hochschullehre lebt von den beteiligten Charakteren und Persönlichkeiten. Anders als in Unternehmen sind alle Professorinnen und Professoren einer Hochschulen gleichberechtige Kolleginnen und Kollegen. Es gibt weder von Dekanaten noch Rektoraten oder selbst Ministerien Weisungsbefugnisse, außer der Festlegung des zu erbringenden Lehrdeputats. Die grundgesetzlich geregelte Lehr- und Forschungsfreiheit verbietet die Einflussnahme auf Inhalte und Methoden von Lehrveranstaltungen. Das heißt, die Entscheidungen über Inhalte, Methoden und Ziele von Lehrveranstaltungen verantwortet der oder die Einzelne.

Wer nun – wie in anderen Ländern – die Weiterbeschäftigung der Lehrenden an positive Lehrevaluationen knüpft, generiert nach und nach inhaltsentleerte Fächer.

Wer nun – wie in anderen Ländern – die Weiterbeschäftigung der Lehrenden an positive Lehrevaluationen knüpft, generiert nach und nach inhaltsentleerte Fächer. Der Unterricht wird unterhaltsam, die Aufgaben sind leicht, die Noten durchgängig freundlich. Fachinhalte werden nicht nach Fachlogik mit zunehmender Komplexität strukturiert, sondern nach Parametern der „Kundenzufriedenheit“ und erwünschtem „Output“. Die Anzahl der BA- und MA-Abschlüsse steigt ähnlich rasant wie die Abiturquote und Durchschnittsnote – und der Markt für qualifizierte Bildungsabschlüsse wird den privaten Anbietern gegen entsprechendes Schul- und Studiengeld überlassen.

Sie bevorzugen es, die Qualität der Lehre und Forschung an normierten Prozessen und messbaren, validierten, vor allem reproduzierbaren Ergebnissen festzumachen.

Die Lösung

Gefochten wird um Grundprinzipen: akademische Autonomie und freie Lehre vs. Unterordnung unter Marktmechanismen. Während Lehrende konstruktive Rückmeldungen aus der Nachbesprechung einer freiwilligen und dialogischen Lehrevaluationen offen aufnehmen – so meine über 30-jährige Erfahrung in tertiären Bildungseinrichtungen –, sind anonymisierte Auswertungsbögen, die als PDF zugemailt und als Steuerungsinstrument missbraucht werden, wertlos. (Zumal die Trivialität der Fragen die akademische Lehre beleidigt: Die Lehrveranstaltung ist gut strukturiert. Der Dozent ist engagiert. Die LV fördert das Interesse am Fach. Der Workload ist zu hoch/genau richtig/zu wenig.) Die Ergebnisse der auf einer Skala von 1 bis 5 anzukreuzenden Antworten nivelliert sich statistisch zuverlässig im Mittelfeld. Freitextantworten sind i.d.R. wenig aussagekräftig. Das Ausfüllen der Formulare verkommt zu einem anonymisierten Ritual.

Statt der sich zunehmend verselbständigenden Rituale zur Generierung von sinnfreien Kennzahlen und Statistiken zu frönen und immer größere Evaluationsabteilungen aufzubauen, sollten Hochschulen die Evaluationen wieder ihrem ursprünglichen Ziel zuführen: Verbesserung der Lehre durch direkten Dialog.

Individualtität der Lehrerpersönlichkeit geht verloren

Das heißt: Statt der sich zunehmend verselbständigenden Rituale zur Generierung von sinnfreien Kennzahlen und Statistiken zu frönen und immer größere Evaluationsabteilungen aufzubauen, sollten Hochschulen die Evaluationen wieder ihrem ursprünglichen Ziel zuführen: Verbesserung der Lehre durch direkten Dialog. Das geht nur vor Ort und im direkten Miteinander. Dazu sollte man die Lehrevaluationen erfahrenen und im Unterrichten (!) qualifizierten Pädagoginnen und Pädagogen überantworten, statt Betriebswirte, Empiriker und Informatiker zu überfordern. Verloren gehen sonst die Individualität der Lehrpersönlichkeiten, die Vielfalt der individuellen Lehr- und Unterrichtsmethoden und nicht zuletzt die Eigengesetzlichkeit der Fächer.

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„Rückkoppelungen sind unsere Freunde!“ https://condorcet.ch/2021/03/rueckkoppelungen-sind-unsere-freunde/ https://condorcet.ch/2021/03/rueckkoppelungen-sind-unsere-freunde/#comments Sun, 14 Mar 2021 15:33:48 +0000 https://condorcet.ch/?p=8044

Feedback hat einen starken Effekt, sagt die Unterrichtsforschung. Allerdings nicht das land-läufige „Du bist okay!“ oder „Das hast du gut gemacht!“ Was aber zeichnet lernwirksames Feed-back aus? Dieser Frage geht Condorcet-Autor Carl Bossard nach.

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Carl Bossard: Zielgerichtet und unnachgiebig

„Auf der Basis menschlichen Wohlwollens unerbittlich in der Sache!“ Das verlangte ein gestrenger Praxislehrer von uns jungen Lehramtskandidaten. Gehörtes und Gesehenes einer Lektion mussten wir kritisch beurteilen und minuziöses Feedback geben. Dies anhand klarer, kurzer Kriterien. Genau beobachten, präzise analysieren, stringent formulieren und dabei kein Wort zu viel verlieren, das forderte er, der geschulte Generalstabsoffizier, von uns ein. „Wer alles sagt, sagt nichts“, meinte er lakonisch. Und immer zur Sache sprechen – zielgerichtet und unnachgiebig.

Erfolgreiches Feedback als Kreisprozess

Dieser Lehrerbildner war alles andere als ein martialischer 08/15-Typ. Im Gegenteil! Wir spürten: Feedbackgeben will gelernt sein. Er wollte uns darin weiterbringen – streng zwar, aber humorvoll und mit mitmenschlichem Fingerspitzengefühl. „Rückkoppelungen sind unsere Freunde!“, hiess seine Devise; dahinter versteckte sich sein kybernetisches Denken. Darum waren ihm fördernde Lehrerfeedbacks so wichtig. Sie steuerten und optimierten die Lernprozesse, liess er uns wissen.

Feedback ist nicht mit Noten zu verwechseln.

Zu diesem anspruchsvollen didaktischen Mittel gehörten in seinen Augen auch die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler. Für erfolgreiches Unterrichten bedingen sich Lehrer- und Schülerfeedback; beide standen für ihn in einem strukturellen Zusammenhang. Eines schärfte uns der Ausbildner beharrlich ein: Feedback ist nicht mit Noten zu verwechseln.

 Pauschales Lob als Feedback mit begrenzter Wirksamkeit

Konsequent unterschied der Praxisverantwortliche zwischen Hinweisen „ad personam“ und Rückmeldungen „ad rem“, zur Sache. Allergisch reagierte er auf undifferenzierte Zurufe wie „Gut gemacht! Ich könnt‘s nicht besser.“ oder „Bravo! Das war toll!“ In seinen Augen waren das nichts als sprachliche Plattitüden, inhaltlich wertlose Trivialitäten. Da hatte er wohl nicht ganz unrecht.

Aus der empirischen Unterrichtsforschung weiss man heute, dass pauschales Lob wie beispielsweise „Das hast du mit Bravour gelöst“ in seinem Wirkwert begrenzt bleibt.[1] Solche Rückmeldungen enthalten keine Informationen zum Lernprozess. Sie haben fast ausschliesslich mit Persönlichkeitsmerkmalen zu tun und bleiben auf der Ebene des Selbst. In Bezug auf die Lehrer-Schüler-Beziehung können sie durchaus positiv wirken. Allerdings gibt es in diesem Zusammenhang weitaus wirksamere Wege, eine Atmosphäre des Vertrauens und Zutrauens zu schaffen. Feedbacks, die auf das Selbst zielen, sind reflektiert und dosiert einzusetzen. Weniger ist hier wohl mehr. Darüber herrscht in der Forschung Konsens.[2]

Feedbacks sollten immer präzis und sachbezogen sein.

Feedback braucht Bezug zur konkreten Handlung

Damit das Feedback die Schwelle des ritualisierten Nettseins überschreitet und wirksam wird, muss es an reale Inhalte gebunden und sprachlich präzis formuliert sein. Da war unser Praxiscoach hartnäckig. Schwadronieren im luftleeren Raum ohne Bezug zum konkreten Gegenstand war ihm ein Gräuel.

Das erinnert mich an meinen 5./6.-Klassenlehrer, diesen passionierten Theatermenschen. Zum guten Lesen wollte er uns führen und natürlich zum korrekten, kohärenten Schreiben. In zwei Jahren verfassten wir über 20 Aufsätze. Jeden Text hat er sauber korrigiert und mit jedem Einzelnen seiner 50 Schüler persönlich besprochen. Das bedeutete mehr als tausend Gespräche. Noch heute höre ich einige seiner Aufsatz-Feedbacks. „Karl, zwischen diesen beiden Abschnitten stimmt der Übergang nicht.“ – „Das Wichtige kommt in den Hauptsatz, nicht in den Nebensatz. Probiere nochmals! Und dann kommst du wieder!“

Die Diskrepanz zwischen Sein und Sollen minimieren

Der passionierte Primarlehrer gab uns lernbezogenes Feedback. Er hat die Fehler in den Lernzielen und im Lernprozess thematisiert, sie bilateral besprochen, dabei Wege gezeigt und uns zu neuen und verbesserten Versuchen aufgefordert. Rückkoppelung als Artikulation der Differenz zwischen Sein und Sollen, das praktizierte unser 5./6.-Klassenlehrer. Er wollte so die Diskrepanz zwischen unserem konkreten Können und dem intendierten Lernziel verringern – mit gezielter Hilfe.

Selbstreguliert funktioniert nicht

Aus der Unterrichtsforschung weiss man heute, wie wichtig möglichst konkretisierte Informationen sind. Schülerinnen und Schüler müssen ihr Lernen selbst steuern und regulieren können. Doch von selbst entsteht das nicht; selbstreguliert funktioniert nicht. Es braucht ein achtsames und aufmerksames Visavis, das gezielt und differenziert Feedbacks gibt. Rückkoppelungen sind vielleicht sogar der Schlüssel eines erfolgreichen Unterrichts. Sie gehören zu den effektivsten Instrumenten guten Lernens.

Feedback auf drei Ebenen

Doch was zeichnet wirksames Feedback sonst noch aus? Auch darauf verweist die Wissenschaft. Lernleistungsbezogene Rückmeldungen erfolgen auf verschiedenen Ebenen. Da ist einerseits der Bereich der Aufgabe. Er zeigt, was wir korrekt und was wir falsch gemacht haben. Das Feedback zielt hier auf die Qualität des aktuellen Produkts. Unser Lernen ist aber eingebettet in einen Prozess. Ebenso bedeutsam ist die Ebene des Verstehensprozesses: Wie können wir die Aufgabe bewältigen? Wie haben wir gearbeitet? Und als Drittes stellt sich die Frage: Wie gehen wir beim Lernen vor? Wie sind wir vorgegangen? Es ist die Ebene des regulatorischen Prozesses: Wie steuere und lenke ich Produkt und Prozess meiner Lernleistung?[3]

Erfolgreiches Feedback gibt auf allen drei Ebenen auch Antworten auf „Feed Up“, „Feed Back“ und „Feed Forward“.[4] Es sind Rückmeldungen zu den Fragen: Wohin gehe ich? Welches ist mein Lernziel? Und wie komme ich dabei voran? Daran stellt sich die Frage: Wohin geht es dann als Nächstes; welches ist das neue Ziel? Diese Fragen greifen ineinander über; sie wirken in der Regel zusammen. Und wenn diese Rückkoppelungen mit effektivem Unterricht kombiniert werden, tragen sie wesentlich zu einem verbesserten Lernen bei. Feedback ist einer der wirksamsten Einflussfaktoren auf den Lernprozess, sagt die empirische Unterrichtsforschung.

Gutes Feedback braucht ein fehlerfreundliches Klima

Bereits für unseren Praxiscoach war das Feedback etwas Grundlegendes. Vor manchen Jahren. Heute zählt es zu den am besten erforschten Methoden. Es muss aber eingebettet sein in eine positive Fehlerkultur. Wirksames Feedback sei nur in einem fehlerfreundlichen, angstfreien Klima möglich, dozierte unser strenger Praxislehrer. Die Forschung gibt ihm recht.

Von diesem Ausbildner habe ich wichtige Impulse empfangen – über seine glasklaren Rückkoppelungen. Sein Geheimnis: Er verknüpfte zielgerichtete Unerbittlichkeit mit mitmenschlichem Einfühlungsvermögen; er verband eine humanistische Grundverpflichtung mit unnachgiebigem Detailziehen. Noch heute bin ich ihm dankbar.

[1] John Hattie & Klaus Zierer (2018), VISIBLE LEARNING. Auf den Punkt gebracht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 88.

[2] John Hattie & Klaus Zierer (2017), Kenne deinen Einfluss! „Visible Learning“ für die Unterrichtspraxis. 2. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. S. 138.

[3] John Hattie (2013), Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von “Visible Learning”, besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, S. 210.

[4] Klaus Zierer, Vera Busse, Stephan Wernke, Lukas Otterspeer (2015), Feedback in der Schule – Forschungsergebnisse, in: Claus G. Buhren (Hg.), Handbuch Feedback in der Schule. Weinheim und Basel: Beltz, S. 44f.

 

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