Qualitätskontrolle - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Sun, 15 Mar 2020 19:33:48 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Qualitätskontrolle - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Worthülsen: Heute die Sache mit dem Qualitätsmanagements https://condorcet.ch/2020/03/worthuelsen-heute-die-sache-mit-dem-qualitaetsmanagements/ https://condorcet.ch/2020/03/worthuelsen-heute-die-sache-mit-dem-qualitaetsmanagements/#comments Sun, 15 Mar 2020 19:33:48 +0000 https://condorcet.ch/?p=4291

Redaktionsmitglied und Conodorcet-Autor Felix Hoffmann nimmt sich eine weitere rhetorische Worthülse vor: Das Qualitätsmanagement. Qualitätsmanagement gilt als Königsdisziplin, um Unternehmen, Universitäten, Schulen, Krankenhäuser und Verwaltungen auf Vordermann zu bringen. Vor Risiken und Nebenwirkungen warnt Felix Hoffmann. Stattdessen weist er auf eklatante Widersprüche hin.

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Felix Hoffmann, Sekundarlehrer, BL, Mitglied LVB, Starke Schule beider Basel

„Qualitätsmanagement bezeichnet die Qualitätsoptimierung von Dienstleistungen oder Produkten eines Unternehmens in allen Bereichen und Funktionen durch das Mitwirken aller Mitarbeiter.“[1] Bereits bei dieser kurzen Definition des Begriffs offenbart sich sogleich der privatwirtschaftliche Hintergrund. Die schulische Entsprechung dieses Konzepts beruht folglich auf der Übertragung privatwirtschaftlicher Managementmethoden. Auf die öffentliche Verwaltung bzw. Schule übertragene Konzepte aus der Privatwirtschaft werden allgemein als New Public Management bezeichnet. Problematisch ist dieser Transfer bereits insofern, als dass Schulen kein Produkt verkaufen. Wissens- bzw. Stoffvermittlung könnten allenfalls als Dienstleistungen verstanden werden. Doch für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement im Sinne der Qualitätssicherung wäre der im Schulbetrieb unübliche Wettbewerb unterschiedlicher Konzepte zumindest von grossem Vorteil, wenn nicht gar unerlässlich. Denn ohne Wettbewerb ist die Motivation für ein echtes Qualitätsmanagement tendenziell geschwächt.

Die Sache mit dem Wettbewerb

Es soll hier ausdrücklich nicht der freien Schulwahl das Wort geredet werden. Denn bei diesem Konzept entstehen nicht zu lösende Probleme und Gefahren gesellschaftlicher Natur, was in einem späteren Beitrag zu erörtern sein wird. Doch selbst in dem Bereich, wo Wettbewerb sinnvoll wäre – bei den Lehrmitteln -, wird er durch die meisten Bildungsdirektionen verhindert. Bestes Beispiel hierfür ist Passepartout

„Abgesehen vom Aspekt des nun etablierten interkantonalen Wettbewerbs stellt Passepartout einen eklatanten Verstoss gegen jegliche Form des Qualitätsmanagements dar.“

Keinerlei Wirksamkeitskontrolle

Die Passepartout-Lehrmittelreihe: Eine Pleite ohne Gleichen

Die Fremdsprachenideologie wurde ohne vorgängige Wirksamkeitsnachweise flächendeckend eingeführt im Sinne eines Obligatoriums. Qualitätssichernde Massnahmen fehlen seit Beginn und waren nie vorgesehen. Es ist dem Zusammenwirken der Starken Schule beider Basel, dem Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland und der dortigen Schuldirektorin Monika Gschwind zu verdanken, dass im Baselbiet seit dem 1. Januar 2020 eine geleitete Lehrmittelfreiheit in Kraft ist. Last but not least hat diesbezüglich auch der öffentliche Druck seitens der Elternschaft geholfen. Aus Gründen des Wettbewerbs steigt damit der Druck auf die anderen fünf Passepartout-Kantone. Diese werden das Nachsehen haben gegenüber einem Kanton, in dem Fremdsprachen dank vernünftiger Lehrmittel wieder erfolgreich unterrichtet werden. Abgesehen vom Aspekt des nun etablierten interkantonalen Wettbewerbs stellt Passepartout einen eklatanten Verstoss gegen jegliche Form des Qualitätsmanagements dar.

Die Sache mit den Mitarbeitergesprächen

Mitarbeitergespräche: Eine objektive Erfassung der Unterrichtsqualität ist zeitlich kaum möglich.

Weitere wertvolle Instrumente ausser Wettbewerb wären im Bereich des Qualitätsmanagements Mitarbeitergespräche und Stundenbesuche. Für eine einigermassen objektive Erfassung der Unterrichtsqualität einer Lehrkraft notwendig wären über einen längeren Zeitraum tägliche oder zumindest wöchentliche Stundenbesuche mit anschliessender Besprechung. Damit wäre auch eine nachhaltige Wirkung der Gespräche im Sinne einer gegebenenfalls notwendigen Qualitätsverbesserung gewährleistet. Doch für eine solche Handhabung dieser Instrumente steht den Schulleitungen schlicht zu wenig Zeit zur Verfügung, da sie sich um viele andere Aufgaben kümmern müssen, beispielsweise um Schulentwicklung.

 

„Veränderungen im Bildungswesen geschehen nämlich fast ausschliesslich top-down.“

Ein echtes Qualitätsmanagement wird aber ebenso erschwert durch das Fehlen des in der Definition erwähnten Mitwirkens aller Mitarbeitenden. Veränderungen im Bildungswesen geschehen nämlich fast ausschliesslich top-down. Der Lehrplan21 beispielsweise war seitens der damaligen Eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz längst auf Kompetenzen fokussiert, bevor Lehrkräfte für die Lehrplanarbeiten eingespannt wurden. Der grundsätzliche Fokus auf Kompetenzen war ihrerseits nicht in Frage zu stellen. Hier handelt es sich nicht um Mitwirkung, sondern um den Schein einer solchen zur Scheinlegitimation des Lehrplans durch Lehrkräfte, die sich dazu instrumentalisieren liessen, ohne sich dessen gewahr zu sein.

„Der diesbezügliche Irrglaube besteht darin, Qualität liesse sich durch deren Thematisierung mittels Worthülsen verbessern.“

Qualitätsmanagement im Schulbetrieb erscheint auf dem geschilderten Hintergrund als leere Worthülse. Sie wird u.a. immer dann bemüht, wenn aufgrund verfehlter Reformen die Unterrichtsqualität und Stoffvermittlung beeinträchtigt werden. Der diesbezügliche Irrglaube besteht darin, Qualität liesse sich durch deren Thematisierung mittels Worthülsen verbessern. Ein weiterer Irrtum in Bezug auf den Schulbetrieb bezieht sich auf die Bedeutung von Lehrplänen.

[1] https://www.gruenderszene.de/lexikon/begriffe/qualitaetsmanagement

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Hochsommerliche Gedankensplitter zur heisslaufenden Prüfungsmaschinerie https://condorcet.ch/2019/07/hochsommerliche-gedankensplitter-zur-heisslaufenden-pruefungsmaschinerie/ https://condorcet.ch/2019/07/hochsommerliche-gedankensplitter-zur-heisslaufenden-pruefungsmaschinerie/#respond Sun, 07 Jul 2019 13:11:12 +0000 https://lvb.kdt-hosting.ch/?p=1570

So heiss wie das Wetter lief zum Semesterende in der ganzen Schweiz die Prüfungsmaschinerie. Nun wird in allen Kantonen das Prüfungskraftwerk heruntergefahren. Und man steht da als einzelner Lehrer, der da ebenfalls mit seinen SchülerInnen durch musste, und man realisiert, dass man immer noch einen hochroten Kopf hat von all dem Prüfen und Benoten, jedoch kaum Zeit hatte, darüber nachzudenken, ob das alles Sinn macht. Condorcet-Autor Georg Geiger hat jetzt Zeit und hat auch nachgedacht

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Es gab mal Zeiten, da durfte und musste jeder Lehrer und jede Lehrerin ganz individuell seine bzw. ihre Maturprüfungen gestalten. Dann begann man in den Fachgruppen einen Teil der Prüfungen gemeinsam zu erarbeiten, ohne dass einem dadurch das Recht auf individuelle Themen und Fragestellungen genommen wurde. Doch schon bald ertönte von oben der Ruf nach Prüfungsgerechtigkeit: Nun mussten pro Schulstandort etwa die gleichen Deutsch-Maturthemen angeboten werden. Und es wunderte niemanden, dass auch das den Standardisierungsfans noch nicht genügte. Plötzlich wurde die Zweitkorrektur der Maturaufsätze durch die ExpertInnen kritisiert. Beispiele für faule und willkürliche ExpertInnen fanden sich schnell und wurden gerne süffisant zum Besten gegeben. Also schaffte man die Zweitkorrektur der Maturaufsätze durch die ExpertInnen ganz ab. Nun sprachen die Herren von oben plötzlich von der Aufwertung der Fachschaften. Will heissen: Kolleginnen und Kollegen mussten diese Zweitkorrektur übernehmen. Die ExpertInnen sind nur noch an den mündlichen Prüfungen anwesend, was viele von ihnen sehr bedauern. Und zu guter Letzt erhält man von der Schulleitung ein einseitiges Merkblatt, auf dem genau festgehalten ist, welche und wie viele Maturaufsätze auf Grund welcher Kriterien gegengelesen werden müssen und welche nicht.

Immer mehr Hierarchisierung

Die Qualitätskontrolle wird immer mehr hierarchisiert. In jedem Fach nehmen sog. RessortleiterInnen die von den Fachgruppen gemeinsam erarbeiteten Maturvorschläge (inklusive Erwartungshorizonte) entgegen und beurteilen sie vergleichend. Die Prüfungshoheit liegt zwar formal immer noch bei den einzelnen RektorInnen, aber die RessortleiterInnen greifen zunehmend in die Erarbeitung der Prüfungsthemen ein. Und der nächste Schritt kündigt sich bereits an: Steuerungswissen müsse gesammelt werden, wird von oben moniert. Zum Beispiel: Welche Textsorte wird am häufigsten gewählt? Welche literarischen Texte sind beliebt, welche unbeliebt? Das ergibt dann bald mal, ich fress einen Besen, eine Liste mit Prosatexten und Gedichten, die als Kanon vorgeschrieben werden. Vorstellbar ist mittlerweile auch, dass Literaturinterpretationen nicht mehr Gegenstand der schriftlichen Deutschmatur sein dürfen.

Stattdessen gibt es bereits klare Vorgaben, wie hoch die Anzahl Wörter pro Aufsatz zu sein hat. Ja, das lässt sich doch bestens prüfen: Hat der Kandidat die geforderten 1000 Wörter nun geliefert oder nicht?

Bei gewissen Maturprüfungen taucht die Pädagogische Hochschule als Autorschaft auf, welche das Erstellen der Prüfungsaufgaben für die überforderten LehrerInnen übernimmt. Bei der Berufsmatur werden nur noch pragmatische Textsorten als Prüfungsthemen angeboten, die Interpretation literarischer Texte ist immer weniger erwünscht. Stattdessen gibt es bereits klare Vorgaben, wie hoch die Anzahl Wörter pro Aufsatz zu sein hat. Ja, das lässt sich doch bestens prüfen: Hat der Kandidat die geforderten 1000 Wörter nun geliefert oder nicht?

Und weil man Schulen gerne wie Flughäfen standardisieren will, geht man nun auch noch den Ergänzungsfächern an die Gurgel. Die Ergänzungsfächer (EF) sind die einzigen Wahlmöglichkeiten für GymnasiastInnen, abgesehen von den Schwerpunktfächern. Die bei den SchülerInnen sehr beliebten EF sind im zweitletzten Jahr mit 2 Stunden und im Maturjahr mit 4 Stunden dotiert und sie werden in der Regel alternierend mit Englisch geprüft. Etliche Schulen prüfen die Ergänzungsfächer jedoch nicht mehr an der Matur, sondern nur noch Englisch. Und in Zukunft, so wird gefordert, sollen das alle Schulen so machen. Man halte sich vor Augen, was das heisst: Geprüft werden neben Mathematik und den Schwerpunktfächern nur noch Sprachfächer – ich glaube, mich laust ein Affe! Das kann’s doch nicht gewesen sein zum Abschluss eines gymnasialen Bildungsweges: nur noch Mathe und Sprachen, keine zwingende Literaturinterpretation mehr, nur noch pragmatische Textsorten (Leserbrief, Kommentar, Erörterung, Rede, Essay) mit quantitativen Vorgaben, und alles genauestens kontrolliert von RessortleiterInnen. Qualitätsmanagement vom Feinsten, jubeln die Herren da oben, und wir, die kleinen Schulmeisterlein, schütteln bloss noch den vom vielen Prüfen hochroten Kopf …

Georg Geiger

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