öffentliche Schule - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Sun, 30 Apr 2023 12:15:33 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png öffentliche Schule - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Das Ziel ist die Abkehr von der Öffentlichen Bildung https://condorcet.ch/2023/04/das-ziel-ist-die-abkehr-von-der-oeffentlichen-bildung/ https://condorcet.ch/2023/04/das-ziel-ist-die-abkehr-von-der-oeffentlichen-bildung/#comments Sun, 30 Apr 2023 12:15:33 +0000 https://condorcet.ch/?p=13773

Diane Ravitch erinnert uns an die Geschichte der Vouchers in den USA. Es handelt sich um eine beeindruckende Wandlung eines Begriffs, geboren aus rassistischen Motiven bis zu seiner Umdeutung zu einem progessiven Element des Bildungsumbaus. Peter Greene, kein Unbekannter in unserem Blog, doppelt nach und erklärt uns, was die Vouchers in Wirklichkeit bewirken.

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Diane Ravitch: Die Südstaaten schufen Gutscheine, damit weiße Schüler nicht gezwungen waren, mit schwarzen Schülern zusammen zur Schule zu gehen.

Diane Ravitch erinnert uns an die Geschichte der Vouchers: Es ist allgemein bekannt, dass die Idee der Gutscheine als Reaktion auf die Brown-Entscheidung von 1954 entstand. Die Südstaaten wollten die Aufhebung der Rassentrennung in ihren Schulen vermeiden und schufen daher Gutscheingesetze, damit weiße Schüler nicht gezwungen waren, mit schwarzen Schülern zusammen zur Schule zu gehen. (Eine aufschlussreiche Erzählung dazu liefert uns das Buch von Steve Suitts’ Overturning Brown: „The Segregationist Legacy of the Modern School Choice Movement”). Manche halten den Liberalisten Milton Friedman für den Paten der Gutscheinbewegung, aber sein Aufsatz von 1955, in dem er sich für Gutscheine aussprach, wäre ohne die im Süden verabschiedeten Gesetze im Nebel der Zeit verschwunden.

Die Idee der Gutscheine war viele Jahre lang stigmatisiert, weil sie mit Segregation in Verbindung gebracht wurde. Doch 1990 wurde sie durch eine wissenschaftliches Untersuchung von John Chubb und Terry Moe mit dem Titel „Politics, Markets, and America’s Schools“ wiederbelebt, in dem sie die These aufstellten, dass Gutscheine in Wirklichkeit ein Patenrezept für viele Probleme der US-amerikanischen Volksschule darstellten.

Wir wissen heute, dass sie sich geirrt haben. Wir wissen auch, dass die meisten Gutscheine von Schülern in Anspruch genommen werden, die bereits an privaten und religiösen Schulen angemeldet waren, so dass Gutscheine eine teure Subvention für Familien sind, die die Subvention zwar mögen, aber nicht brauchen.

Warum also wird weiterhin für Gutscheine geworben? Warum sagen die Befürworter von Gutscheinen, dass “alle Familien die gleiche Wahl haben sollten wie die Reichen”, wenn der Wert von Gutscheinen nicht für die von den Reichen besuchten Eliteschulen bezahlt wird? Warum werden sie als Rettung für die Kinder verkauft, obwohl sie es nicht sind?

Peter Greene sieht hinter der Gutschein-Bewegung ein ruchloses Ziel. Er schrieb diesen Beitrag ursprünglich vor zwei Jahren, hat ihn aber kürzlich erneut veröffentlicht, weil er so vorausschauend war.

Der Zweck von Gutscheinen ist die Abkehr von öffentlichen Schulen. Wenn sich die Wahlfreiheit durchsetzt, sieht die Gemeinschaft keinen Grund, sich für private Entscheidungen zu besteuern. Anleiheemissionen werden verloren gehen. Eltern, deren Kinder nicht mehr zur Schule gehen, werden keine Steuern für die Kinder anderer Leute zahlen. Menschen ohne Kinder werden denken: “Das ist nicht meine Verantwortung. Die Menschen werden nicht für religiöse Schulen für Andersgläubige zahlen wollen. Schulbildung wird zu einer persönlichen Verantwortung werden, nicht zu einer staatsbürgerlichen Verantwortung.

Peter Greene, Lehrer, Autor des Diane Ravitch-Blog: Eine merkwürdige Kehrtwende.

Peter Greene schreibt: Wir müssen einen anderen Weg finden, um über Gutscheine zu sprechen.

Während die GOP eine Initiative in mehreren Bundesstaaten startet, um Gutscheine oder Super-Gutschein-Bildungssparkonten in vielen Staaten des Landes einzuführen, wird es immer klarer, dass wir die Gutschein-Bewegung durch die falsche Linse betrachtet haben (was bis heute die Linse ist, die die Voucheristas gefördert haben).

Bei Gutscheinen geht es nicht um die Befreiung oder Ermächtigung von Eltern. Es geht darum, private Interessen zu ermächtigen, den riesigen Berg an Bildungsgeldern in diesem Land abzubauen. Es geht darum, jede Art von Aufsicht und Rechenschaftspflicht abzubauen; es ist auffallend, wie viele dieser Gutschein-Gesetze dem Staat ausdrücklich verbieten, sich in irgendeiner Form in die Arbeit der Anbieter einzumischen.

Gutscheine sind der Schwanz, nicht der Hund. Sie sind das öffentliche Abbild der Privatisierung – und nicht nur der Privatisierung der “Bereitstellung” von Bildung.

Stellen Sie sich die Gutscheinprogramme folgendermaßen vor.

Sie müssen die Bildung Ihres Kindes Stück für Stück auf einem Markt einkaufen, der durch sehr wenig Aufsicht und sehr wenige Leitplanken gekennzeichnet ist.

Der Staat verkündet: “Wir demontieren das öffentliche Bildungssystem. Sie sind auf sich allein gestellt. Sie müssen die Bildung Ihres Kindes Stück für Stück auf einem Markt einkaufen, der durch sehr wenig Aufsicht und sehr wenige Leitplanken gekennzeichnet ist. In diesem neuen Bildungsökosystem müssen Sie selbst für Ihren Lebensunterhalt aufkommen. Um Ihnen den Stachel zu nehmen, geben wir Ihnen einen kleinen Betrag in die Hand, der Ihnen hilft, die Kosten zu decken. Viel Glück.”

Es handelt sich nicht um ein Gutscheinsystem. Es ist ein System, bei dem man selbst zahlt. Es ist ein System, bei dem Sie auf sich selbst gestellt sind. Der Gutschein ist nicht der Sinn des Systems; er ist lediglich eine kleine Zahlung, damit Sie nicht merken, dass Sie gerade entlassen wurden.

Freiheit und Ermächtigung werden, wie immer, in direktem Verhältnis zu dem Geldbetrag stehen, den Sie ausgeben müssen.

Der Betrag des Gutscheins wird schrumpfen. Dieser Betrag basiert auf dem, was das öffentliche Schulsystem für die Ausbildung eines Kindes ausgibt, und die Steuerzahler werden diesen Betrag in Zukunft schrumpfen lassen, da die Schulen selbst schrumpfen werden, um Einrichtungen für Schüler bereitzuhalten, die keinen privaten Anbieter finden, der sie aufnimmt, oder deren Eltern sich nicht leisten können, was der Gutschein nicht abdeckt. Und denken Sie daran, dass wir diesen Film schon einmal gesehen haben – nach Brown v. Board of Education haben weiße Familien in einigen Bundesstaaten ihre Kinder in private Segregationsakademien gebracht, und dann haben sie die Steuern für öffentliche Schulen gesenkt (denn warum sollten sie weiterhin Steuern für ein System zahlen, das ihr Kind nicht mehr benutzt).

Gutscheine sind der Schwanz, nicht der Hund. Sie sind das öffentliche Abbild der Privatisierung – und nicht nur der Privatisierung der “Bereitstellung” von Bildung. Bei der Voucherisierung geht es auch darum, die Verantwortung für die Erziehung der Kinder zu privatisieren, den Eltern zu sagen, dass die Erziehung ihr Problem ist und nicht das der Gemeinschaft.

Wir brauchen einen anderen Begriff für diese Art von Politik; “Voucher” fasst nicht ansatzweise, worum es wirklich geht. Ich kann mir eine Welt vorstellen, in der Charterschulen ein lebensfähiger, ja sogar nützlicher Teil eines soliden öffentlichen Bildungssystems sind; es ist keineswegs die Welt, in der wir derzeit leben, aber ich kann sie mir vorstellen. Aber das System, das die Befürworter von Gutscheinen wollen, ist absolut unvereinbar mit einem funktionierenden öffentlichen Bildungssystem. Und es hat nichts mit Freiheit zu tun.

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Privatschulen fordern das Bildungssystem heraus: Was die Schweizer Volksschule von ihnen lernen sollte https://condorcet.ch/2022/02/privatschulen-fordern-das-bildungssystem-heraus-was-die-schweizer-volksschule-von-ihnen-lernen-sollte/ https://condorcet.ch/2022/02/privatschulen-fordern-das-bildungssystem-heraus-was-die-schweizer-volksschule-von-ihnen-lernen-sollte/#comments Tue, 01 Feb 2022 07:59:10 +0000 https://condorcet.ch/?p=10445

Bildungsexpertin Margrit Stamm schreibt, dass man die Privatschulen zu lange als qualitativ weniger gute Institutionen für verwöhnte Kinder aus vermögenden Familien abgetan habe.

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Margrit Stamm: Mit dem Privatschultrend ist auch die Schwächung der Berufsbildung verbunden.

Elitär, exklusiv, käuflich, sagen die Gegner – innovativ, leistungsförderlich, individualisiert die Befürworter. Privatschulen bringen uns in Wallung, spätestens dann, wenn eine Sozialdemokratin ihr Kind in ein privates Gymnasium schickt oder irgendwo am Zürichsee eine Schule mit einem «International» im Namen öffnet.

Schweizweit besuchen durchschnittlich sechs Prozent der Heranwachsenden eine Privatschule, Tendenz steigend. Das ist noch kein hoher Marktanteil, doch betrachtet man die Privatschülerquote in Gemeinden und Kantonen, sieht es anders aus. Im Kanton Zürich haben beispielsweise Zumikon oder Kilchberg Anteile von gegen 26 Prozent. Spitzenreiter bei den Kantonen sind Genf mit 14 Prozent und Basel-Stadt mit 10 Prozent. Schülerinnen und Schüler mit ausländischer Staatsangehörigkeit besuchen fast doppelt so oft eine Privatschule wie einheimische Schulkinder.

Schweizweit besuchen durchschnittlich sechs Prozent der Heranwachsenden eine Privatschule, Tendenz steigend.

Warum werden Privatschulen zunehmend eine Konkurrenz der öffentlichen Schulen? Die Antworten aus einer Pisa-Vergleichsstudie zeigen Überraschendes. Egal ob man das Alter der Lehrkräfte oder die Zufriedenheit der Kinder und Jugendlichen unter die Lupe nimmt: Unterschiede zwischen öffentlichen und privaten Schulen sind marginal. Doch in der Leistung stechen die Privaten hervor. Ihre Schülerinnen und Schüler sind besser in Mathematik, sie lesen flüssiger und machen weniger Rechtschreibfehler. In der Sekundarstufe I sind sie den Heranwachsenden öffentlicher Schulen bis zu einem halben Jahr voraus. Und sie haben weniger Sitzenbleiber.

Das Ergebnis spricht somit auch für die öffentlichen Schulen und ihre Integrations­fähigkeit. Sie haben den gesellschaftlichen Auftrag, alle Kinder, sowohl die Besten als auch die Schwächsten, auszubilden, zu fördern und zu integrieren.

Einer der Gründe hierfür liegt in der homogen hohen sozialen Herkunft der Privatschüler und -schülerinnen. Berücksichtigt man dies, schneiden öffentliche Schulen ein wenig besser ab. So besehen ist es erstaunlich, dass Privatschulen nicht ausgeprägter von ihrem Herkunftseffekt profitieren. Das Ergebnis spricht somit auch für die öffentlichen Schulen und ihre Integrations­fähigkeit. Sie haben den gesellschaftlichen Auftrag, alle Kinder, sowohl die Besten als auch die Schwächsten, auszubilden, zu fördern und zu integrieren. Trotzdem haben sie teilweise versäumt, mit den Privatschulen gleichzuziehen. Etwa im Bestreben, das eigene Profil sichtbar zu machen, individuelle Betreuung und gezielte Förderprogramme für begabte Kinder zu etablieren oder die Beziehung zwischen Lehrkräften und Heranwachsenden mehr zu gewichten.

Doch dahinter steckt nicht selten die Strategie, das Gymnasium und damit die Maturität als Statussymbol garantieren zu können.

Hinter dem Entscheid von Eltern, den Sprössling in eine Privatschule zu schicken, stecken spezifische Vorstellungen, wie eine optimale Bildung aussehen soll. Dabei überwiegen Klagen, die Klassen seien zu gross, das Kind würde gemobbt oder die Schülerschaft sei zu heterogen. Doch dahinter steckt nicht selten die Strategie, das Gymnasium und damit die Maturität als Statussymbol garantieren zu können. Deshalb kann der Wechsel in eine Privatschule auch lediglich Ausdruck einer Art Bildungsangst sein, das Kind könnte die erwarteten Ziele nicht erfüllen.

Der Trend hat auch mit der Volksschule selbst zu tun. Sie klagt zu viel über ehrgeizige Eltern, anstatt das Zepter in die Hand zu nehmen und aufzuzeigen, wozu sie fähig ist. Die Volksschule muss ein Spiegel der Gesellschaft sein, nicht die Privatschulen. Sie sind eine sinnvolle Ergänzung der öffentlichen Schulen. Doch zu lange hat man die Privatschulen als qualitativ weniger gute Institutionen für verwöhnte Kinder aus vermögenden Familien abgetan.

Auch die Bildungspolitik ist gefordert. Denn mit dem Privatschultrend ist auch die Schwächung der Berufsbildung verbunden. Es versteht sich von selbst, dass Eltern, die ihr Kind für teures Geld in eine Privatschule schicken, den akademischen Weg im Blick haben und kaum die Berufslehre. Obwohl es Privatschulen gibt, welche dieses Problem proaktiv angehen, müssten Kantone die Berufsbildung gezielter stärken. Das betrifft vor allem Kantone, die mit ihrer Steuerpolitik finanzstarke und privatschulaffine Familien anziehen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Oltener Tagblatt: https://www.oltnertagblatt.ch/meinung/kolumne-privatschulen-fordern-das-bildungssystem-heraus-was-die-schweizer-volksschule-von-ihnen-lernen-sollte-ld.2196926

 

 

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Freie Schulwahl – Schönheit einer Fata Morgana https://condorcet.ch/2021/01/freie-schulwahl-schoenheit-einer-fata-morgana/ https://condorcet.ch/2021/01/freie-schulwahl-schoenheit-einer-fata-morgana/#comments Mon, 18 Jan 2021 14:54:10 +0000 https://condorcet.ch/?p=7503

Man hört zwar im Moment nicht viel von den Befürwortern der "Freien Schulwahl". Im Hintergrund aber verfolgen sie ihr Anliegen weiter und sind daran, einen zusätzlichen Anlauf zu wagen, erklärt uns Condorcet-Auto Felix Hoffmann. Warum ihre Chancen diesmal gar nicht so schlecht stehen, begründet er im folgenden Beitrag. Nicht zufällig platzieren wir diesen Artikel unmittelbar nach Peter Aebersolds Porträt über unseren Namensgeber Condorcet, der die öffentliche Schule begründet hatte (https://condorcet.ch/2021/01/condorcet-ein-revolutionaerer-paukenschlag-fuer-das-bildungswesen/).

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Scheintherapie für die öffentlichen Schule

Die freie Schulwahl ist verführerisch. Der damit geschaffene Wettbewerb zwischen den einzelnen Schulstandorten stellt eine elegante Lösung dar zur Unschädlichmachung des zerstörerischen Tsunamis an Schulreformen.

Aber auch die bildungsfeindliche Passepartout-Fremdsprachenideologie könnte sich keine Schule leisten, denn auch sie wäre ein eklatanter Standortnachteil gegenüber Schulen, an denen mit seriösen Lehrmitteln unterrichtet wird.

Die Ideologie der angestrebten totalen Integration beispielsweise liesse sich im Rahmen der Wettbewerbsorientierung nicht aufrechterhalten. Die daraus im Unterricht resultierende Nivellierung nach unten wäre ein erheblicher Standortnachteil. Eltern würden Schulstandorte wählen mit einem differenzierenden System, welches die Lernenden in unterschiedliche Klassentypen einteilt entsprechend individueller Begabung und Bedürfnisse. Aber auch die bildungsfeindliche Passepartout-Fremdsprachenideologie könnte sich keine Schule leisten, denn auch sie wäre ein eklatanter Standortnachteil gegenüber Schulen, an denen mit seriösen Lehrmitteln unterrichtet wird.

Der Wettbewerb würde die Standorte der öffentlichen Schule zwingen, der Flut schädlicher Reformen im Namen des Erfolgs auszuweichen.

 

Freie Schulwahl: Bisher chancenlos

 

Das Prinzip Hoffnung

Eine Schule ist nur erfolgreich, wenn sie fokussiert ihrer Kernaufgabe der Bildung nachgehen kann. Im sich permanent drehenden Reformkarussell hingegen vermag sie Qualitätsstandards schwerlich aufrechtzuerhalten. Lehrkräfte können kaum erfolgreich unterrichten und gleichzeitig ununterbrochen ihre Schule reformieren. An die Stelle der Qualität tritt dann nicht selten deren ständige Thematisierung. Der Wettbewerb würde die Standorte der öffentlichen Schule zwingen, der Flut schädlicher Reformen im Namen des Erfolgs auszuweichen. Damit würde sich auch der die Reformwucherung beschleunigende Wulst an Gremien, Ausschüssen, Kommissionen und dergleichen von selbst erledigen. Die so eingesparten Gelder könnten dann zugunsten der Lernenden eingesetzt werden. Aber auch der negative Einfluss unzähliger im Dienst an sich selbst stehender „Bildungsfunktionäre“, „Bildungsexperten“ und anderer Amateure würde elegant zurückgebunden. All dies wäre scheinbar möglich alleine kraft der heilenden Wirkung des Wettbewerbs.

Der Schein trügt

So einleuchtend dies erscheint, so utopisch ist es, die freie Schulwahl in der Praxis umzusetzen. Zwei Beispiele zur Verdeutlichung: a) Die Kapazität eines jeden Schulstandorts ist begrenzt. Geht die elterliche Nachfrage darüber hinaus, wird entweder ausgelost, oder die Schulbehörde bestimmt, wer wo zugeteilt wird. Beides verstösst gegen die freie Schulwahl und das Gebot der Gleichbehandlung. b) Ein Schulstandort wird während Jahren gut geleitet. Um die begrenzte Kapazität der elterlichen Nachfrage anzupassen, wird die Infrastruktur schliesslich zulasten der Steuerzahler ausgebaut. Kurz darauf übernimmt eine mangels Erfahrung Reform gläubige Schulleitung das Ruder, wodurch wenige Jahre später der neue, 200 Schüler fassende Gebäudeteil wieder leer steht.

Die freie Schulwahl ist kein geeignetes Instrument für die öffentliche Schule mit ihrer gesellschaftlichen Klammerfunktion und ihrem Fokus Mensch.

Rehabilitierung des Lehrberufs

Wettbewerb ist die Grundlage für sich selbst regulierende Waren- und Dienstleistungsmärkte. Insofern braucht es ihn beispielsweise bei der Wahl von Schulbüchern und Reformvorhaben, um untaugliche Konzepte und damit Fehlinvestitionen von vornherein auszuschliessen. Er ist hingegen kein geeignetes Instrument für die öffentliche Schule mit ihrer gesellschaftlichen Klammerfunktion und ihrem Fokus Mensch. Die unheilvolle Allianz zwischen Politik, Administration und Fachhochschulen zur Ankurbelung der ertragreichen Reformindustrie muss anders zerschlagen werden. Der erste Schritt in diese Richtung ist die generelle Aufwertung des Lehrberufs, nachdem er die letzten Jahre wegen einer verfehlten Bildungspolitik massiv an Attraktivität einbüsste.

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Condorcet – ein revolutionärer Paukenschlag für das Bildungswesen https://condorcet.ch/2021/01/condorcet-ein-revolutionaerer-paukenschlag-fuer-das-bildungswesen/ https://condorcet.ch/2021/01/condorcet-ein-revolutionaerer-paukenschlag-fuer-das-bildungswesen/#respond Sun, 17 Jan 2021 13:24:16 +0000 https://condorcet.ch/?p=7487

Es hat lange gedauert, bis unser "Haushistoriker" Peter Aebersold sich mit unserem Namensgeber beschäftigt. Nun endlich liegt seine Würdigung vor. Die Redaktion des Condorcet-Blogs ist stolz, mit Jean Marie Condorcet einen Mann zu ehren, der in weiten Teilen der Deutschschweiz noch völlig unbekannt ist, dessen Bedeutung aber für das schweizerische Bildungssystem immens ist. Im ersten Teil seiner umfangreichen Würdigung zeigt Peter Aebersold, wie Condorcet sein Bildungskonzept durch den Nationalkonvent brachte, trotz heftiger Kritik der revolutionären Fanatiker.

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Es war ein revolutionärer Paukenschlag für das Bildungswesen, als der französische Nationalkonvent (September 1792 bis Oktober 1795) am 24. Juni 1793 die Verfassung der ersten Republik proklamierte, in der im Artikel 22 ein staatliches Bildungswesen verankert wurde: „Der Unterricht ist für alle ein Bedürfnis. Die Gesellschaft soll mit aller Macht die Fortschritte der öffentlichen Aufklärung fördern und den Unterricht allen Bürgern zugänglich machen.“

Damit hatte der moderne Staat 2000 Jahre nach Aristoteles neben Demokratie, Menschenrechte und Gewaltenteilung den vierten Pfeiler, die öffentliche Erziehung und Bildung, erhalten und John Lockes Überlegungen zu Naturrecht, Staatsphilosophie und Erziehung wurden mit der Forderung nach einer allgemeinen, öffentlichen Volksbildung weitergeführt.

Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet war im Februar 1792 Präsident der Gesetzgebenden Nationalversammlung (Oktober 1791 bis September 1792) und 1792 Mitglied des Konvents geworden, wo er die Unterrichtskommission leitete. 1791 hatte er für das staatliche Bildungswesen ein weitreichendes Modell entworfen, das richtungsweisend für die Einrichtung öffentlicher Volksschulen in ganz Europa wurde.
 

Öffentliches Bildungswesen auf dem Fundament von Natur-und Menschenrecht

Mit seinen Schriften «Cinq mémoires sur l’instruction publique» (1791 veröffentlicht) und dem «Rapport sur l’instruction publique » (1793 veröffentlicht) stellte Condorcet seine moderne Theorie der republikanischen Schule auf das Fundament des Naturrechts und der Menschenrechte, ganz im Sinne der Westschweizer Naturrechtsschule.

Zur Legitimation seiner schulpädagogischen Überlegungen und deren ethischer und politischer Begründung stützte sich Condorcet auf die beiden ersten Artikel der „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ der Nationalversammlung von 1789:

Artikel 1: „Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es. Gesellschaftliche Unterschiede dürfen nur im allgemeinen Nutzen begründet sein.“

Artikel 2: „Der Zweck jeder politischen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unantastbaren Menschenrechte. Diese sind das Recht auf Freiheit, das Recht auf Eigentum, das Recht auf Sicherheit und das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung.“

Das gleiche Anliegen, die Volksbildung als Voraussetzung für den Zugang zur Freiheit zu fördern, verfolgte in der Schweiz Condorcets Zeitgenosse Pestalozzi, der 1792 von der französischen Nationalversammlung zum Ehrenbürger ernannt wurde.

Im Rahmen der Unterrichtskommission des Konvents entstanden mehrere Schriften zur Umgestaltung des Unterrichtswesens. Deren Ergebnisse und Thesen, die als Gesetzesentwurf vorlagen, fasste Condorcet in einer Rede zusammen, die er am 20. und 21. Juni 1792 hielt. Für Condorcet ist die Bildung, hier steht er ganz auf dem Boden der Aufklärung, die sicherste Grenze gegen Fanatismus, Tyrannei und Aberglauben, der beste Garant für Demokratie und Fortschritt. Die ersten Worte seiner Rede lauten:

„Allen Angehörigen des Menschengeschlechts die Mittel darzubieten, dass sie für ihre Bedürfnisse sorgen und ihr Wohlergehen sicherstellen können, dass sie ihre Rechte kennenzulernen und auszuüben, ihre Pflichten zu begreifen und zu erfüllen vermögen; jedem die Gelegenheit zu verschaffen, dass er seine beruflichen Geschicklichkeiten vervollkommnen und die Fähigkeiten zur Ausübung sozialer Funktionen erwerben kann, zu denen berufen zu werden er das Recht hat, dass er das ganze Ausmass seiner Talente zu entfalten imstande ist; und durch dies alles unter den Bürgern eine tatsächliche Gleichheit herzustellen und die durch das Gesetz zuerkannte politische Gleichheit zu einer wirklichen zu machen; das muss das erste Ziel eines nationalen Unterrichtswesens sein; und für ein solches Sorge zu tragen, ist unter diesem Gesichtspunkt für die öffentliche Gewalt ein Gebot der Gerechtigkeit.“

„Die Verwirklichung des Menschenrechts auf Unterricht und Bildung soll [aber] nicht nivellieren, sondern, «alle […] auf einen höheren Stand heben».“ Und die allgemeine, öffentliche Bildung soll auch das Recht auf freie Berufswahl ermöglichen und sichern.

Pestalozzi: Ehrenbürger der Französischen Revolution

Das gleiche Anliegen, die Volksbildung als Voraussetzung für den Zugang zur Freiheit zu fördern, verfolgte in der Schweiz Condorcets Zeitgenosse Pestalozzi, der 1792 von der französischen Nationalversammlung zum Ehrenbürger ernannt wurde.

 Wissen allen zugänglich machen und vor der Macht schützen

Zum ersten Mal wurde die philosophische Idee der Institution Schule in ihrer Komplexität und in Bezug auf die Volkssouveränität durchdacht. Condorcets wichtigste Forderungen waren, das Wissen vor der Macht zu schützen, die Exzellenz als höchste Form der Gleichheit zu betrachten, jedes Kind als vernünftiges Rechtssubjekt zu sehen, die öffentliche Bildung nicht dem Partikularwillen und der unmittelbaren Nützlichkeit zu unterwerfen.

„Die Republik muss die Unabhängigkeit der öffentlichen Bildung von allen Mächten, selbst von der Politik, sicherstellen“.

Im «Rapport „Sur l’instruction publique“ ruft Condorcet zwei Themen in Erinnerung: „Die Republik muss die Unabhängigkeit der öffentlichen Bildung von allen Mächten, selbst von der Politik, sicherstellen“. Als Antwort auf Marats Angriffe betont er, wie in den «Cinq mémoires sur l’instruction publique», die Rolle der Gelehrten bei der Bestimmung des Grundwissens, das vermittelt werden soll. Wenn diese beiden Bedingungen nicht erfüllt sind, verliert die öffentliche Bildung ihre Freiheit und die Gleichheit aller Bürger verkommt zur leeren Worthülse.

Es gibt ein Bürgerrecht auf Bildung

Condorcets „Fünf Denkschriften zum öffentlichen Bildungswesen“ begründeten die Verantwortung der Gesellschaft, den Menschen 1. eine öffentliche Bildung in Form 2. einer Volksschule für Kinder, 3. einer Ausbildung für die allgemeinen Bedürfnisse der Menschen, 4. einer Berufsausbildung und 5. einer naturwissenschaftlichen Ausbildung anzubieten.

Denkschrift 1: Die Gesellschaft schuldet den Menschen eine öffentliche Bildung, ein „Bürgerrecht auf Bildung“

In der ersten Denkschrift begründet Condorcet die Notwendigkeit einer allgemeinen, öffentlichen Bildung aus dem Naturrecht. Mit der öffentlichen Bildung soll die Gleichberechtigung verwirklicht werden:

„Öffentliche Bildung ist eine Pflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Bürgern. Vergeblich wäre erklärt worden, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben; vergeblich hätten die Gesetze dieses erste Prinzip der ewigen Gerechtigkeit respektiert, wenn die Ungleichheit der moralischen Fähigkeiten die grösste Zahl daran hinderte, diese Rechte in vollem Umfang zu geniessen. Der Sozialstaat vermindert notwendigerweise die natürliche Ungleichheit, indem er die gemeinsamen Kräfte zum Wohlergehen der Einzelnen beitragen lässt“.

Die Ungleichheit in der Bildung erachtet Condorcet als eine der Hauptquellen der Tyrannei: „Die Gesellschaft darf keine Ungleichheiten zulassen, die zu Abhängigkeiten führen“. Mit der Gemeinbildung sollen nicht gleiche Bürger, sondern Kritiker des Gesetzgebers geschaffen werden. Die staatliche Volksschule für alle Kinder soll den neuen Generationen die Kultur ihrer Vorfahren vermitteln. Die Gesellschaft ist verantwortlich für eine öffentliche Erziehung als Mittel zur Vervollkommnung der menschlichen Spezies, in dem ihre geistige Entwicklung gefördert wird. Die allgemeine Bildung soll alle Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen, öffentliche Funktionen auszuführen zu können.

Schluss des ersten Teils von Peter Aebersolds Ehrung unseres Namensgebers. Im 2. Teil wird auf die Bedeutung von Condorcets Thesen für unsere Volksschule eingegangen.

 

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Linke Bildungspolitik: Eine starke öffentliche Schule für alle https://condorcet.ch/2020/08/linke-bildungspolitik-eine-starke-oeffentliche-schule-fuer-alle/ https://condorcet.ch/2020/08/linke-bildungspolitik-eine-starke-oeffentliche-schule-fuer-alle/#comments Fri, 28 Aug 2020 16:37:46 +0000 https://condorcet.ch/?p=6185

Anlässlich einiger kantonaler Wahlen bat die Redaktion des Condorcet-Blogs einige BildungspolitikerInnen, ihre Sicht über eine moderne Bildungspolitik zu formulieren. Mit Miriam Locher beginnen wir diese Serie. Miriam Locher ist eine profilierte Bildungspolitikerin der SP, die – nach Aussage unseres Redaktionsmitglieds Philipp Loretz – einer neuen Generation angehört.

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Die zentrale Forderung für die SP ist eine starke öffentliche Schule für alle. Nur so kann in einer Gesellschaft mit ungleichen Chancen sozialer Ausgleich ermöglicht werden. Alle Menschen sollen unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Herkunft Zugang zu Bildung und Ausbildung finden können. Nebst Ausbildung, Berufschancen und der Deckung des wirtschaftlichen Bedarfs geht es im Bildungswesen aber noch um wesentlich mehr.

Bildung vermittelt die Fähigkeit, sich für seine Interessen einsetzen zu können.

Bildung vermittelt die Fähigkeit, sich für seine Interessen einsetzen zu können. Bildung erlaubt, die Welt zu verstehen. Dabei ist es wichtig, dass die Schule Freude macht. Anstrengung soll nötig sein, aber sie darf auf keinen Fall Angst oder Leiden verursachen. Auch Gleichmacherei schadet der Bildung. Um dieses Ziel zu erreichen und die Schulen zu stärken, braucht es massiv mehr Ressourcen.

Auch Gleichmacherei schadet der Bildung.

Investitionen braucht es bei der frühen Förderung.

Investitionen braucht es einerseits am Anfang einer Schullaufbahn, bei der frühen Förderung, speziell der frühen Sprachförderung. Aber auch der Aufbau einer flächendeckenden pädagogischen Tagestruktur auf Primar- und Sekundarstufe ist dringend notwendig, um die Chancengerechtigkeit zu stärken.

Änderungen braucht es aus linker Sicht bei der Stundentafel, den Klassengrössen, beim Lektionendeputat, der Infrastruktur und den Arbeitsbedingungen der Lehrpersonen. Denn den Herausforderungen der heutigen Gesellschaft kann nur mit Anpassungen in diesen Bereichen begegnet werden. Das Deputat muss erhöht und Projektarbeit, Medien und Informatik von Deutsch und Mathematik gelöst werden. Die Klassengrössen müssen nach unten korrigiert (Richtzahl 18), das Niveau A gestärkt und Durchlässigkeit gefördert werden. Wert legen wir dabei auch auf einen adäquaten Umgang mit der fortschreitenden Digitalisierung. Die Schülerinnen und Schüler müssen optimal auf die digitalen Herausforderungen vorbereitet werden. Wir fordern genügend Investitionen in die IT auf der Primarstufe und auf den Sekundarstufen I und II und genügend Mittel, um die Lehrpersonen entsprechend weiterzubilden.

Integration um jeden Preis, Checks und ein flächendeckendes Monitoring erachten wir als nicht zielführend.

Nicht nur in Bezug auf die Digitalisierung steigen die Anforderungen an die Lehrkräfte. Umso wichtiger ist es, dass jegliche Lohn- und Rentenkürzungen und unnötige Mehrbelastungen verhindert werden. Integration um jeden Preis, Checks und ein flächendeckendes Monitoring erachten wir als nicht zielführend. Solche Vergleiche zwischen den Schulen bilden die unterschiedlichen Voraussetzungen der Bildungseinrichtungen in keiner Weise ab, sondern sie kosten viel Geld, binden zeitliche Ressourcen und bringen keinen nennenswerten Mehrwert.

Keine flächendeckende Checks

Diese finanziellen Mittel sollen vielmehr in die Infrastruktur der Schulbauten und das Rückgängigmachen von Kürzungen im Bereich des Musik- und Schwimmunterrichts und der Freifächer eingesetzt werden. Auch Klassenlager und ausserschulische Aktivitäten sind Teil des Unterrichts und sollen genügend Ressourcen zur Verfügung haben.

Jedes Kind hat ein Anrecht auf eine gute Bildung; dazu muss die öffentliche Schule die Beste sein. Und das kann nur mit Zurückhaltung bei neuen Reformen, ausreichenden Ressourcen, einer guten Infrastruktur und motivierten Lehrkräften erreicht werden.

Miriam Locher, 38-jährig, Pädagogin (Kindergarten) in Aesch BL,  Fraktionspräsidentin der SP BL, Vizepräsidentin der Bildungs-, Kultur-, und Sportkommission.  

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Der erste Beitrag aus dem Blog von Diane Ravitch: Der Sinn der öffentlichen Schule https://condorcet.ch/2019/07/der-erste-beitrag-aus-dem-blog-von-diane-ravitch-der-sinn-der-oeffentlichen-schule/ https://condorcet.ch/2019/07/der-erste-beitrag-aus-dem-blog-von-diane-ravitch-der-sinn-der-oeffentlichen-schule/#comments Wed, 24 Jul 2019 14:56:30 +0000 https://lvb.kdt-hosting.ch/?p=1714

John Merrow ist ein US-amerikanischer Rundfunkjournalist, der in den 70er Jahren über Bildungsfragen berichtete. Er war der Ausbildungskorrespondent für das PBS NewsHour-Programm. In einem Beitrag im «Diane Ravitch's blog» macht er sich Gedanken über den Sinn öffentlicher Schulen. Ein Sinn, der durch vierzig Jahre standardisierter Tests als Maßstab für den Schulerfolg, völlig korrumpiert wurde.

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John Merrow Bild: harvard.edu.com

Was genau ist der öffentliche Zweck der Schule? Warum investieren die Gemeinden in die Bildung all ihrer Jungen, anstatt die Aufgabe der Bildung einfach den Familien zu überlassen? Wir wissen, dass Eltern Kinder aus einer Vielzahl von Gründen zur Schule schicken. Es gibt aber den sogenannten größeren Zweck – eine Art gemeinsames Ziel –, worüber es sich lohnt, nachzudenken.

Lassen Sie mich meine Hypothese bekräftigen: Das öffentliche Bildungssystem in den USA wurde von Menschen korrumpiert, die von Messungen besessen sind,  derart, dass sie die Kinder auf ihre Testergebnisse reduzieren. Seit etwa 40 Jahren erleben wir das nun. Seit 40 Jahren richten sich die meisten Schulreformbemühungen auf Symptome wie niedrige Abschlussraten, niedrige Testergebnisse oder «die Leistungslücken». Aber die Reformen, die alle so grossartig klingen, ja sogar vorübergehend scheinbar zu Verbesserungen führen können, scheitern unweigerlich daran, dass sie die Ursache unserer Bildungsprobleme nicht angehen: ein Verständnis von Bildung, das völlig ökonomisiert ist und die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts nicht erfüllen kann.

Bildungsministerin Betsy DeVos glaubt nicht, dass Schulen einen öffentlichen Zweck haben; ihre Handlungen deuten darauf hin, dass sie denkt, die Bildung eines Kindes liege allein in der Verantwortung der Familie – Ende der Geschichte.

Ich hingegen hoffe immer noch, dass wir uns auch in diesen stark polarisierten Zeiten darauf einigen können, dass der Zweck von Schule darin besteht, amerikanischen Bürgern zu helfen zu wachsen. Betrachten Sie die vier Schlüsselwörter: Hilfe, Wachstum, amerikanisch und Bürger.

«Hilfe»: Schulen werden als Juniorpartner anerkannt. Sie existieren, um zu helfen – nicht um Familien zu ersetzen.

«Wachsen»: Schulbildung ist ein Prozess, er geht manchmal zwei Schritte vorwärts und einen zurück. Es ist vergleichbar mit einem Familienunternehmen, nicht mit einer börsennotierten Aktiengesellschaft, die durch Quartalsberichte lebt und stirbt.

«Amerikanisch»: E pluribus unum. Wir sind Amerikaner – eine Beobachtung, die es heute zu betonen gilt in Zeiten eines Donald Trump, der vermehrt die Karte des Rassismus als vermeintlichen Trumpf ausspielt.

«Bürger»: Diesen Begriff gilt es, wieder mit Leben zu füllen, und es gilt herauszufinden, was wir eigentlich wollen und wie unsere Kinder zu Erwachsenen werden sollen. Sollen sie gute Eltern und Nachbarn werden? Oder nachdenkliche WählerInnen? Oder zuverlässige Mitarbeiter? Selbstbestimmte Individuen – oder was sonst?

John Merrow

Übersetzung aus dem Englischen: Alain Pichard

 

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