{"id":13009,"date":"2023-01-30T06:58:18","date_gmt":"2023-01-30T05:58:18","guid":{"rendered":"https:\/\/condorcet.ch\/?p=13009"},"modified":"2023-01-30T11:00:59","modified_gmt":"2023-01-30T10:00:59","slug":"probieren-geht-ueber-studieren","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/condorcet.ch\/2023\/01\/probieren-geht-ueber-studieren\/","title":{"rendered":"Probieren geht \u00fcber Studieren"},"content":{"rendered":"
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Philipp Loretz, Lehrer Sekundarstufe 1, Pr\u00e4sident des lvb: In einer Wellnesswoche zum Arzt.<\/figcaption><\/figure>\n

Auf die Frage, wie man herausfinden k\u00f6nne, ob man f\u00fcr den Lehrberuf geeignet sei, sagte ein Quereinsteiger ohne p\u00e4dagogische Ausbildung freim\u00fctig: \u00abProbieren geht \u00fcber Studieren\u00bb. F\u00fcr dieses gefl\u00fcgelte Wort hege ich durchaus Sympathie. Ohne diese Haltung h\u00e4tte ich weder laufen noch tanzen gelernt. Die neue IKEA-Kommode baute ich allerdings erst nach sorgf\u00e4ltiger Konsultation der Anleitung zusammen. Und im Unterschied zum Do-it-yourself-M\u00f6belbau stellt Unterrichten ein weitaus komplexeres Unterfangen dar, das profunde Fachkenntnisse, p\u00e4dagogisches Knowhow, ein reichhaltiges Methodenrepertoire u.v.m. erfordert.<\/p>\n

Was sich angehende Lehrpersonen in einem drei- bis f\u00fcnfj\u00e4hrigen<\/em> Studium aneignen, l\u00e4sst sich in Zeiten des Lehrpersonenmangels scheinbar auf f\u00fcnft\u00e4gige<\/em> Crashkurse komprimieren \u2013 so geschehen letzten Sommer im Kanton Z\u00fcrich. Ganz wohl ist es den Verantwortlichen beim Schwingen des Zauberstabes dann aber doch nicht. In Form von Mentoraten werden nicht diplomierten Einsteiger erfahrene Berufsleute zur Seite gestellt. Im besten Fall wird dieses Engagement entsch\u00e4digt, im schlechtesten Fall unter \u00abTeamarbeit\u00bb im Rahmen sogenannter Schulentwicklung verbucht.<\/p>\n

Um zu verhindern, dass Studienabg\u00e4nger den Lehrberuf vorzeitig verlassen, werden landauf, landab auch f\u00fcr diplomierte Berufseinsteiger Mentorate eingef\u00fchrt resp. ausgebaut. Der Betrachter reibt sich verwundert die Augen: Mentorate f\u00fcr Quereinsteiger ohne<\/em> p\u00e4dagogischen Hintergrund, Mentorate f\u00fcr Studienabg\u00e4nger mit<\/em> p\u00e4dagogischer Ausbildung.<\/p>\n

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Ursula Renold: Sollte das Experiment mit den Notfalll\u00f6sungen allerdings von Erfolg gekr\u00f6nt sein, dann muss die Wirkung der Akademisierung im Feld \u2013 im Schulzimmer \u2013 hinterfragt werden.<\/figcaption><\/figure>\n

Dieser Widerspruch blieb auch den Medien nicht verborgen. So warf der Moderator der SRF-Sendung \u00abEco Talk\u00bb vom 29.8.22 die provokative Frage auf, ob man denn auf die zu akademische Ausbildung an den PHs nicht einfach verzichten k\u00f6nnte. Ursula Renold, Bildungs\u00f6konomin an der ETH, warnte vor voreiligen R\u00fcckschl\u00fcssen. Sollte das Experiment mit den Notfalll\u00f6sungen allerdings von Erfolg gekr\u00f6nt sein, dann m\u00fcsse die Wirkung der Akademisierung im Feld \u2013 also im Schulzimmer \u2013 hinterfragt werden.<\/p>\n

Mit dieser Forderung liegt Renold goldrichtig, denn die Lehrerbildung steckt tats\u00e4chlich in der Krise. Crashkurse zu Dumpingpreisen auf der einen, praxisferne, technokratische Ausbildungen auf der anderen Seite. Es ist deshalb h\u00f6chste Zeit, Wege aus dieser doppelten Sackgasse zu finden.<\/p>\n

In der aktuellen Notlage gilt es, engagierte Quereinsteiger mit einem Flair f\u00fcr P\u00e4dagogik zu gewinnen, die sp\u00e4testens zwei Jahre nach dem Quereinstieg bedarfsgerechte Nachqualifikationen in Angriff nehmen. Gleichzeitig sei der PH FHNW w\u00e4rmstens ans Herz gelegt, im wahrsten Sinne des Wortes \u00fcber die B\u00fccher zu gehen und daf\u00fcr zu sorgen, dass angehende Lehrpersonen im fachdidaktischen Bereich von praxiserprobten, erfolgreichen P\u00e4dagogen mit Herzblut in die Kunst des Lehrens eingef\u00fchrt werden. Die PH-Direktion w\u00e4re ferner gut beraten, sich vom Verlegenheitsmantra, Berufserfahrung sei schwer zu quantifizieren, zu verabschieden.<\/p>\n

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Wie weit soll die Forschung gehen in der Lehrerausbildung gehen?<\/figcaption><\/figure>\n

Das kantonale Projektteam \u00abLehrpersonenmangel\u00bb unter Beteiligung des LVB ist bestrebt, drohende z\u00fcrcherische Zust\u00e4nde mit Hilfe eines vielf\u00e4ltigen Massnahmenpakets abzuwenden. Wie die Attraktivit\u00e4t des Lehrberufs aus Sicht des LVB nachhaltig gesteigert werden kann, legt Roger von\u00a0 Wartburg in seiner Auswertung der LVB-Mitgliederbefragung \u00abBelastungsfaktoren im Lehrberuf\u00bb dar. [Die Condorcet-Leserinnen und Leser k\u00f6nnen diese hier (08_LVB-Mitgliederbefragung-Belastungsfaktoren-im-Lehrberuf_lvb-inform_22-23-02<\/a>\u00a0) \u00f6ffnen.]<\/p>\n

Sollte der Lehrberuf trotz aller Appelle schweizweit weiterhin an Anziehungskraft verlieren, werden Ihnen, liebe Mitglieder, wohl bald schon zahlreiche T\u00fcren offenstehen. Schliesslich d\u00fcrften vor dem Hintergrund des Fachkr\u00e4ftemangels auch andere gebeutelte Branchen kreative Angebote lancieren. Falls Sie also demn\u00e4chst auf verlockende Ausbildungs-Dumping-Inserate wie \u00abMaschineningenieur in 5 Tagen\u00bb, \u00abWerde Polymechanikerin, ein Wochenende gen\u00fcgt!\u00bb oder \u00abJetzt: in der Wellnesswoche zum Hausarzt\u00bb stossen sollten, dann nutzen Sie Ihre Ausstiegschancen unbesorgt, denn Sie wissen ja: Probieren geht \u00fcber Studieren!<\/p>\n

Philipp Loretz Pr\u00e4sident LVB<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Der Condorcet-Autor Philipp Loretz ist auch Pr\u00e4sident des lvb. In der neusten Ausgabe des lvb-Bulletins werden im Detail die Ergebnisse einer Umfrage ausgewertet, welche der Verband in seinem Kanton durchf\u00fchrte (Der Condorcet-Blog berichtete dar\u00fcber). Wir ver\u00f6ffentlichen hier das Editorial der ausserordentlich lesenswerten Brosch\u00fcre. <\/p>\n","protected":false},"author":19,"featured_media":13012,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_acf_changed":false,"footnotes":""},"categories":[1],"tags":[1018,1035,1026,1613],"coauthors":[979],"acf":[],"aioseo_notices":[],"post_mailing_queue_ids":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/13009"}],"collection":[{"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/users\/19"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=13009"}],"version-history":[{"count":5,"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/13009\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":13019,"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/13009\/revisions\/13019"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/media\/13012"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=13009"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=13009"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=13009"},{"taxonomy":"author","embeddable":true,"href":"https:\/\/condorcet.ch\/wp-json\/wp\/v2\/coauthors?post=13009"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}