Sicherheit - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Sat, 30 Dec 2023 16:56:23 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Sicherheit - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Die amerikanische Manie, die Kinder permanent zu überwachen, zu betreuen und zu fördern, kann Angststörungen auslösen https://condorcet.ch/2023/12/die-amerikanische-manie-die-kinder-permanent-zu-ueberwachen-zu-betreuen-und-zu-foerdern-kann-angststoerungen-ausloesen/ https://condorcet.ch/2023/12/die-amerikanische-manie-die-kinder-permanent-zu-ueberwachen-zu-betreuen-und-zu-foerdern-kann-angststoerungen-ausloesen/#respond Sat, 30 Dec 2023 16:56:23 +0000 https://condorcet.ch/?p=15558

Das Phänomen der omnipräsenten Helikopter-Eltern schwappt immer mehr aus den USA nach Europa über. Doch nun wird Kritik an diesem Erziehungsstil laut. Manche Forscher vermuten sogar einen Zusammenhang mit den zunehmenden Angststörungen und Depressionen unter Jungen. Wir bringen einen Artikel des NZZ-Journalisten David Signer.

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Zieht man mit Kindern in die USA um, sticht einem der andere Erziehungsstil ins Auge. Was man in der Schweiz spöttisch Helikopter-Eltern nennt, ist hier normal. Ständig kreisen Mütter und Väter in einer Mischung aus Überbehütung und Kontrolle über ihren Kindern.

Gastautor David Signer, NZZ-Journalist

Das beginnt schon beim Schulweg: Im Gliedstaat Illinois dürfen Kinder erst ab 14 Jahren allein zur Schule gehen, selbst wenn es sich nur um eine Viertelstunde zu Fuss handelt. Allein zu Hause lassen darf man sie in Illinois ebenfalls erst ab 14. Ebenso wenig dürfen Kinder ohne Aufsicht draussen spielen, nicht einmal im Hinterhof oder auf dem Rasen vor dem Haus. Es besteht das reale Risiko, dass ein Nachbar die Polizei oder die Kinderschutzbehörde anruft. Auch auf dem Spielplatz weichen die meisten Eltern kaum von der Seite ihres Nachwuchses.

Die Vorbereitung auf das College beginnt kurz nach der Geburt

Aber die meisten Kinder haben sowieso kaum Zeit zum Spielen, weil die Eltern sie nach der Schule gleich zum Schwimmunterricht, ins Ballett, zur Geigenstunde oder in den Nachhilfeunterricht bringen. Treffen mit anderen Kindern beschränken sich auf organisierte “play dates”, bei denen die Erwachsenen daneben sitzen und für Anregungen und Leitplanken sorgen.

Viele Eltern sind besessen von der Idee der Frühförderung und sorgen sich, kaum ist das Kind geboren, ob es wohl den Sprung in ein gutes College schaffen wird. Zur Nonstop-Erziehung passt auch das permanente Lob. Der häufigste Satz auf Spielplätzen ist: “Good job, buddy!”, selbst wenn das Kind bloss die Rutschbahn heruntergekommen ist. Wohlgemerkt: Das hat eine sympathische, liebevolle, positive und förderliche Seite; es zeigt aber auch, wie Eltern sich in den Mittelpunkt stellen und alles bewerten. Eigentlich sollte man auf dem Spielplatz ja nicht Mutter oder Vater zufriedenstellen, sondern Spass haben.

Zusammenhang zwischen Überbetreuung und Angststörungen

Nun gibt es jedoch zunehmend Kritik an diesem Erziehungsmodell, das nicht nur in den USA, sondern mit einer Zeitverzögerung auch in Europa immer mehr dominiert. Organisationen wie Let Grow setzen sich für mehr kindliche Autonomie und eine Änderung der Gesetze ein und werden zu einer landesweiten Bewegung.

Auch auf wissenschaftlich-pädagogischer Ebene werden kulturelle Gewissheiten infrage gestellt. Peter Gray, Psychologieprofessor am Boston College, veröffentlichte kürzlich im “Journal of Pediatrics” einen Artikel, der heftiges Medienecho auslöste. Er postuliert, dass die psychischen Störungen und die Suizide im Kindes- und Jugendalter, die beide seit Jahren markant zunehmen, im Zusammenhang stehen mit der elterlichen Intensivbetreuung und dem Mangel an freiem Spiel.

Auf einmal galt es als unterschichtstypische, bildungsferne Vernachlässigung, die Kinder “unbeaufsichtigt” zu lassen und sie nicht in jeder freien Minute zu “fördern”.

Oft wird der Anstieg von frühen Angststörungen und Depressionen mit sozialen Netzwerken, Bildschirmzeit und Corona erklärt. Laut Gray setzte die Zunahme jedoch schon vor etwa fünfzig Jahren ein, als sich auch das “overparenting” langsam ausbreitete. Offenbar begann der Trend in der – oberen, akademischen – Mittelklasse, die von Abstiegsängsten geplagt wird. Zugleich nahm die Zahl der Geschwister ab und breitete sich populärwissenschaftliches Wissen über Pädagogik und Psychologie aus.

Die Konklusion war: Man muss Kinder so früh wie möglich systematisch fördern, damit sie den Sprung in die höhere Bildung schaffen, als Garant für sozialen Aufstieg oder zumindest Status quo. Das erzieherische Mikromanagement wurde im Laufe der Jahre als vorbildlich und normal angesehen und sickerte von den oberen Klassen in die unteren. Auf einmal galt es als unterschichtstypische, bildungsferne Vernachlässigung, die Kinder “unbeaufsichtigt” zu lassen und sie nicht in jeder freien Minute zu “fördern”.

Freies, unstrukturiertes Spiel unter Gleichaltrigen ist wichtig

Vergessen ging dabei laut Gray, dass Kinder – sozial, kognitiv, intellektuell, motorisch – am meisten im freien Spiel mit Kameraden lernen. Und auch beim Nichtstun: Gerade Langeweile kann zu neuen Ideen inspirieren. Die “unstrukturiert” verbrachte Zeit ist nicht vergeudet, auch wenn man damit im Gegensatz zu Klavierstunden und Sportklub im Aufnahmeverfahren für Highschool und College nicht punkten kann. Die Optimierungsmanie führt nicht nur bei den Kindern zu Konformitätsdruck und Leistungsdenken, sondern auch bei den Eltern: Alle haben das Gefühl, in verantwortungsloser Art zu wenig für ihren Nachwuchs zu tun.

So ist es selbst bei Kindergeburtstagen üblich, dass man ein Formular unterschreiben muss, das die Gastgeber vor Klagen im Falle eines Unfalls schützt.

Hinzu kommt, vor allem in Grossstädten, die Furcht vor Autounfällen, Überfällen, Kidnapping, Pädophilen und allgemein vor der “stranger danger” – die diffuse Angst vor “gefährlichen Fremden”. Sie ist auch ein Grund für den Waffenkult. Ausgerechnet die USA, die Selbstverantwortung, Freiheit und Draufgängertum hoch bewerten, sehen, im Gleichschritt mit “woken” Überzeugungen, Kinder und Jugendliche nicht mehr als Entdecker, Forscher und Abenteurer, sondern als verletzliche Opfer, die man vor der gefährlichen Welt beschützen muss. Damit sind Ängste vorprogrammiert.

Die Jungen kennen nichts anderes als die Dauerbetreuung

Zu dieser Übervorsicht passen auch die Tendenz zum Homeschooling, das Alkoholverbot bis 21 Jahre, die um sich greifenden Bücherverbote in Schulbibliotheken sowie die Obsession mit Versicherungen und Haftungsausschuss. So ist es selbst bei Kindergeburtstagen üblich, dass man ein Formular unterschreiben muss, das die Gastgeber vor Klagen im Falle eines Unfalls schützt. Selbst über einer harmlosen Party hängt das Damoklesschwert von Verletzungen, Anwälten und Schadenersatzforderungen.

Der Prozess verstärkt sich im Lauf der Generationen. Die Jungen von heute erinnern sich, im Gegensatz zu den Älteren, nicht mehr, dass es einmal anders war: dass man stundenlang allein oder mit Kameraden draussen spielte, ohne dass sich irgendjemand Sorgen machte deswegen. Für die junge Generation ist pausenlose Betreuung normal, und so wird sie wohl dereinst auch ihre eigenen Kinder aufwachsen lassen. Diejenigen, die selbst unter den verbreiteten Angststörungen leiden, werden erst recht versuchen, ihre Schützlinge gegen Gefahren abzuschirmen, anstatt ihnen Stärke, Mut und Neugierde mit auf den Weg zu geben.

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Wer die Schulen verkommen lässt, lässt den Staat verkommen https://condorcet.ch/2023/03/wer-die-schulen-verkommen-laesst-laesst-den-staat-verkommen/ https://condorcet.ch/2023/03/wer-die-schulen-verkommen-laesst-laesst-den-staat-verkommen/#comments Tue, 28 Mar 2023 05:35:08 +0000 https://condorcet.ch/?p=13508

Der Lehrermangel ist zum Dauerzustand geworden, die Schulen werden zu Krisenherden. Die Politik reagiert desinteressiert bis hilflos. Gelöst werden können die Probleme nur, wenn Bildungspolitik endlich als Infrastrukturpolitik verstanden wird. Der NZZ-Journalist Andri Rostetter analysiert in einem sehr gut geschriebenen Text die Problemfelder der Bildungspolitik unseres Landes.

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2006 setzten die Lehrerinnen und Lehrer der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln einen Hilferuf ab. Die Gewalt war derart eskaliert, dass sich einzelne Lehrer nur noch mit Notfall-Handy ins Schulzimmer getrauten. 2020 geriet die Gesamtschule Bockmühle in Essen in die Schlagzeilen, weil dort angeblich fast zwei Drittel der 1400 Schüler aus Familien stammen, die von Hartz IV leben. 2021 standen laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung in Deutschland 47 500 Schülerinnen und Schüler am Ende ohne Hauptschulabschluss da. Das sind 6,2 Prozent.

Verglichen mit den Problemvierteln deutscher Grossstädte ist die Schweiz eine Komfortzone. Der kleinräumige Föderalismus verhindert, dass ganze Stadtteile in einem Sumpf von sozialer Vernachlässigung, Integrationsproblemen und Kriminalität versinken. Lehrerinnen und Lehrer sind anständig bezahlt, vor ihren Schulen steht kein Sicherheitspersonal, das Dealer vom Pausenplatz fernhalten muss.

Die Schulen kämpfen aber auch hier zunehmend mit Problemen, die einen geregelten Unterricht verunmöglichen. Verhaltensauffällige Kinder, veraltete Infrastruktur und fehlendes Personal gehören längst zum Alltag. Lehrerinnen und Lehrer verbringen ihre Zeit damit, Schüler aus dysfunktionalen Familien zu beaufsichtigen, Krisengespräche durchzuführen und Sondersettings zu organisieren.

Schulleitungen müssen permanent Lücken im Personalbestand stopfen, sie kämpfen mit Platzproblemen und behördlichen Leerläufen. Die Eltern zeigen sich gegenüber den Schulen entweder desinteressiert, oder sie halten sie für unfähig, ihrem hochbegabten Nachwuchs die richtige Förderung angedeihen zu lassen.

Der Teufelskreis von Personalmangel und sinkender Qualität

Der Niedergang des gesellschaftlichen Stellenwerts der Schulen ist kein neues Phänomen. Der Imageverlust geht zurück auf die Institutionskritik der 1968er Bewegung, die an allem rüttelte, was nach Autorität aussah. Die in den 1990er Jahren beginnende Reformkaskade führte zu einer allgemeinen Orientierungslosigkeit in der Bildung, die Attraktivität des Lehrerberufs sank weiter.

Diese Entwicklungen mögen alte Verkrustungen aufgebrochen haben, sie haben aber vor allem die Resilienz der Schulen geschwächt. Ob Migration, Digitalisierung oder Pandemie: Globale politische und gesellschaftliche Verwerfungen schlagen im Klassenzimmer heute mit voller Wucht auf. Gleichzeitig sind die Schulen kaum auf die Zukunft vorbereitet. Laut dem WEF-Report «The Future of Jobs» von 2016 werden später 65 Prozent der Kinder, die heute in die Primarschule kommen, Berufe haben, die es noch nicht gibt.

Die in den 1990er Jahren beginnende Reformkaskade führte zu einer allgemeinen Orientierungslosigkeit in der Bildung, die Attraktivität des Lehrerberufs sank weiter.

Seit den Schulschliessungen in der Pandemie haben die Pädagogen zwar wieder an Ansehen gewonnen. Die Eltern haben gesehen, wie schwierig es ist, die Kinder Tag für Tag zu unterrichten. Politisch blieb dieser Prestigezuwachs praktisch folgenlos. Abgesehen von der alljährlichen Sommerdebatte um den Lehrermangel und ein paar halbherzigen Gegenmassnahmen bleiben die Schulen sich selbst überlassen.

Damit beginnt ein Teufelskreis. Die Überforderung des Personals steigt, die Attraktivität der Schule als Arbeitsplatz nimmt ab. Lehrkräfte wechseln den Job, oder sie steigen gar nicht erst ein. Das bestehende Personal muss mehr Aufgaben übernehmen, die Gefahr der Überlastung steigt. Je weniger Personal den Schulen zur Verfügung steht, desto schwieriger wird es, die Qualität des Unterrichts auf dem geforderten Niveau zu halten.

Überforderte Behörden, hilflose Politik

Die Politik reagiert ohnmächtig. In der Frühlingssession hat der Nationalrat eine Untersuchung zum Einfluss von Reformen auf den Lehrerbestand in Auftrag gegeben. Das ist löblich, wird aber wirkungslos bleiben. In den vergangenen Jahren haben unzählige Studien die Ursachen des Lehrermangels beleuchtet, der Einfluss von Reformdruck, Klassengrössen, Lohnniveau, Ausbildungsmöglichkeiten und weiteren Faktoren ist hinlänglich bekannt.

Die Schule muss als Arbeitsplatz so attraktiv wie möglich sein.

Hilflos mutet auch der Entscheid des Nationalrats an, Berufsmaturanden den Zugang zur pädagogischen Hochschule künftig prüfungsfrei zu gewähren. Mit der höheren Durchlässigkeit lässt sich die Zahl der Lehrdiplome vielleicht kurzfristig steigern. Für die Qualität der Ausbildung bedeutet das aber nichts Gutes. Im schlechteren Fall führt es zu einer Nivellierung nach unten und damit zu einer schleichenden Deprofessionalisierung des Lehramtes, mitsamt den negativen Folgen: Je schlechter die Lehrkräfte ausgebildet sind, desto höher sind das Frustrationspotenzial und das Risiko eines raschen Berufsausstiegs.

Dass die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer über die Salärpolitik gesteuert werden könne, ist längst widerlegt.

Auch der wiederkehrende Ruf nach höheren Löhnen ist ein Ausdruck der Ratlosigkeit. Dass die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer über die Salärpolitik gesteuert werden könne, ist längst widerlegt. Selbst das SP-nahe Beratungsbüro Bass musste in einer Studie für den Kanton Graubünden 2010 feststellen, dass Lohnerhöhungen kein effizientes Mittel sind, um den Lehrermangel zu bekämpfen. Vielmehr haben sie das Potenzial, das Problem zu verschärfen, zumal sie ein Anreiz zur Pensenreduktion sein können.

Die Gemeinden sind mit der Bildungspolitik ebenfalls überfordert. Dringend nötige Bauprojekte werden auf die lange Bank geschoben, Modernisierungen und Erweiterungen mit Verweis auf knappe Budgets gestrichen. Wo moderne Schulhäuser mit kinderfreundlicher Umgebung und vernetzten Arbeitsplätzen für Pädagoginnen, Logopäden und Schulleitungen stehen sollten, stapeln sich über Jahre lernfeindliche Blechkisten. Der Container ist zum Sinnbild für die kurzsichtige Bildungspolitik geworden. Er steht für die Hoffnung, dass sich das Problem mit den Schülerzahlen und der Infrastruktur irgendwann von selbst lösen wird.

Die Infrastruktur ist der Schlüssel zum Erfolg

Für die Schule gibt es einen zentralen Ausweg aus der Krise: Sie muss als Arbeitsplatz so attraktiv wie möglich sein. Sie muss ein Ort sein, an dem sich die Lehrerinnen und Lehrer gern aufhalten. Sie muss Schülerinnen und Schülern die bestmögliche Umgebung bieten, um sich zu entwickeln. Das funktioniert nur, wenn die Kantone und die Gemeinden in den nächsten Jahren massiv in die Infrastruktur investieren.

Anschauungsmaterial gibt es genug. Grossbritannien versuchte bereits nach der Jahrtausendwende, mit dem Programm «Building School for the Future» über die Verbindung von Architektur und pädagogischer Innovation die Bildung zu modernisieren. Die dänische Designerin Rosan Bosch, eine Wegbereiterin moderner Bildungsarchitektur, berät weltweit Behörden und baut Schulen von Abu Dhabi bis Peking. In der Schweiz sind es vor allem Privatschulen, die sich dem langfristigen und innovativen Denken verschrieben haben, etwa die Neuen Stadtschulen in St. Gallen und Zürich oder die Bildungsgruppe Haus des Lernens.

In der Schweiz sind es vor allem Privatschulen, die sich dem langfristigen und innovativen Denken verschrieben haben.

Steigern lässt sich die Attraktivität der Schule als Arbeitsplatz auch, indem die Lehrerinnen und Lehrer radikal entlastet werden. Das heisst nicht nur, dass Aufgaben, die nicht unmittelbar mit dem Unterricht zu tun haben, gestrichen werden müssen. Nötig sind auch begleitende Massnahmen wie obligatorische Sprachkurse für fremdsprachige Kinder, Sanktionsmöglichkeiten für den Umgang mit unkooperativen Eltern und Begleitung für junge Lehrerinnen und Lehrer beim Berufseinstieg.

Dazu braucht es keine neuen Lehrpläne oder Harmos-Konkordate. Die Kantone können solche Massnahmen in Eigenregie umsetzen. Das kostet zwar Geld, ist mühselig und aufwendig. Und es wird Jahre dauern, bis sich die Wirkung entfaltet. Alternativen gibt es nicht. Eine Krise der Schule wird über kurz oder lang zu einer Krise der Gesellschaft.

Die unterschätzte Wirkung der Migration

Dass sich die Probleme weiter verschärfen werden, ist so gut wie sicher. Gemäss dem Bundesamt für Statistik (BfS) müssen bis 2031 allein für die Primarstufe zwischen 43 000 und 47 000 neue Lehrkräfte rekrutiert werden. Im gleichen Zeitraum werden die pädagogischen Hochschulen gemäss BfS-Zahlen voraussichtlich rund 34 000 Lehrdiplome für die Primarstufe ausstellen. Sogar im besten Fall werden also 9000 Lehrerinnen und Lehrer fehlen.

Diese Zahlen könnten noch markant nach oben korrigiert werden, zumal die Kinder, die nach 2026 zur Schule gehen werden, noch gar nicht geboren sind. Auch sind die 18 000 ukrainischen Kinder und Jugendlichen, die seit Kriegsbeginn in der Schweiz die Schule besuchen, noch nicht eingerechnet, da noch unklar ist, wie lange sie bleiben und wie viele noch hinzukommen werden.

Noch ist der Glaube an die immerwährende Spitzenqualität des eidgenössischen Bildungswesens unerschütterlich.

Infrastrukturpolitik ist ein wichtiger Schlüssel zur Bildungspolitik.

Auch der Effekt der Migration auf die Schulen wird nach wie vor unterschätzt. Der Bildungsbericht hält dazu unmissverständlich fest: Je mehr Kinder aus fremdsprachigen, ausländischen oder bildungsfernen Familien eine Schule hat, desto grösser werden die Schwierigkeiten. Das Leistungsniveau sinkt, soziale Konflikte und Kriminalität nehmen zu.

Noch ist der Glaube an die immerwährende Spitzenqualität des eidgenössischen Bildungswesens unerschütterlich. Die Schweizer Schulen werden aber gefährlich schnell ins Mittelmass absinken, wenn Bildungspolitik nicht endlich als Infrastrukturpolitik verstanden wird. Schulen gehören zur Grundausstattung eines Staates, sie sind essenziell für das Funktionieren und die Entwicklung der Demokratie und der Volkswirtschaft. Wer die Schulen verkommen lässt, lässt das Land verkommen.

 

Andri Rostetter

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