New Orleans - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Wed, 28 Aug 2019 20:12:09 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png New Orleans - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Diane Ravitch-Blog: High-School Absolventin in New Orleans kann weder lesen noch rechnen https://condorcet.ch/2019/08/diane-ravitch-blog-high-school-absolventin-in-new-orleans-kann-weder-lesen-noch-rechnen/ https://condorcet.ch/2019/08/diane-ravitch-blog-high-school-absolventin-in-new-orleans-kann-weder-lesen-noch-rechnen/#comments Wed, 28 Aug 2019 14:08:01 +0000 https://condorcet.ch/?p=2065

Sie kann nicht rechnen und liest wie eine Zweitklässlerin. Und trotzdem schliesst Denesha Gray die High-School in New Orleans ab. Wie so etwas möglich ist, erzählt uns das Behördenmitglied Lee P. Barrios im Diane Ravitch-Blog.

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Dennis Lewis erinnert sich deutlich an den Moment. Es war der Beginn des Schuljahres, und er versuchte seine Frau davon zu überzeugen, dass ihre 18-jährige Tochter dringend zusätzliche Unterstützung benötigte, die ihr aber von der High School konsequent vorenthalten wurden. Er zog eine Handvoll Münzen aus seiner Tasche und fragte seine Tochter, wie viel Geld er habe.

Charter School Mc Donogh

“Sie konnte es nicht zählen”, erinnerte er sich. Der Gesichtsausdruck seiner Frau – die nur drei Tage später an einem Aneurysma sterben würde – war versteinert. Denesha Gray hatte gerade die 12. Klasse begonnen. Ein Jahr später, – sie war immer noch nicht in der Lage, grundlegende Rechenoperationen durchzuführen oder einfache Texte zu lesen – lief sie stolz und strahlend über die Bühne der McDonogh 35 Senior High School und erhielt dort ihren erfolgreichen Abschluss.

Denesha litt unter einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, konnte aber trotz mehrerer Vorstösse des Vaters und eines medizinischen Gutachtens den Unterricht an der High School besuchen. Sie konnte kein Geld zählen, und sie las nur so gut wie eine Zweitklässlerin. Sie hätte Anrecht gehabt auf einen individualisierten Stützunterricht. Aber die Schule nahm die Mahnungen nicht ernst.

Und so schloss Denesha Gray 2018 die High School ab, nachdem sie alle Tests bestanden hatte. Ein Sieg für das All-Charter-System, das sie im Stich ließ. Sie wurde fast ausschließlich in einem Schulsystem ausgebildet, das nach dem Hurrikan Katrina als Labor für Bildungsreformen umgebaut wurde. Und Denesha ist kein Einzelfall. Sie ist eines der vielen Opfer eines katastrophalen Schulumbaus, das unsere öffentlichen Schulen in New Orleans in Charter-Schulen umgewandelt hatte. Vernachlässigung oder absichtliche Verweigerung des Rechts eines jeden Kindes auf besondere Unterstützungsmassnahmen sind das eine. Der eigentliche Skandal aber war, dass unser auf Testen bestehendes System offensichtlich nicht in der Lage ist, die gravierenden Schwächen unserer Kind aufzuzeigen. Das wirft auch ein grelles Licht auf die Zahl der angeblich steigenden Abschlüsse.

Viele von uns (gut ausgebildete und erfahrene Bildungsexperten) haben den Fortschritt des als “Reform” bezeichneten Bildungsexperiments in New Orleans kritisch begleitet. Unsere Kinder wurden als Versuchskaninchen für das Experiment verwendet. Es besteht kein Zweifel daran, warum das Experiment fehlgeschlagen ist.

Falsche Hypothesen

Bild: Adobe Stock

Wie bei allen gescheiterten Experimenten war die Hypothese fehlerhaft. Es ist wie bei einem Experiment, das z. B. auf der Idee basiert, dass die Milchproduktion erhöht wird, wenn man das Futter einer Kuh mit Apfelessig ergänzt. Dies ist auch tatsächlich der Fall. Und so nahm man an, dass das Hinzufügen von Essig beim Gießen unserer blühenden Pflanzen die Blüte erhöht. Ein erfahrener Wissenschaftler wird bald einmal erkennen, dass die Übertragung nicht klappt. Die Pflanze wird getötet.

Tod durch Plan

Verantwortlich dafür sind die letzten paar US-Bildungsminister (Duncan, King, DeVos) und unser Staatssekretär John White. Sie liessen es zu, dass unausgegorene Integrationskonzepte, Privatisierungen und vor allem immer mehr unqualifizierte Lehrer (wie Teach for America Rekruten) in unseren Klassenzimmern tätig sind. Hinzu kommt der Mangel an Fachwissen sowie die Macht und das Geld der Geldgeber dieser Experimente wie Bill Gates, die Waltons und Jeb Bush, die darauf bedacht waren, ihre falschen Theorien voranzutreiben. Dann folgte schnell eine lange Liste von Investoren, Politikern und Scharlatanen, und Sie haben das, was wir heute sehen: Unsere Kinder, unsere öffentlichen Schulen und unsere Lehrer “sterben” – und manche von uns würden sagen: “Tod durch Plan”.

Viele Erzieher (und jetzt auch Eltern) auf lokaler, nationaler und sogar internationaler Ebene haben seit Jahren die Reformen und die orchestrierte Übernahme der Schulen von New Orleans nach dem Wirbelsturm Katrina kritisiert.

Die angeblich so guten Testresultate wurden durch ein völlig unbrauchbares Rechenschaftssystem möglich. Es wird manipuliert und getrickst, dass die Balken krachen.

Die wirksamste Waffe, die verwendet wird, um die Zerstörung unseres öffentlichen Schulsystems zu erleichtern, ist die Verwendung unseres standardisierten Tests HIGH STAKES.  Man stelle sich das mal vor. Ein einziger Test, der in Kombination mit den katastrophalen Common Core Standards, nach denen der Test ausgerichtet ist, und der unerprobte Lehrplan (nach dem im Klassenzimmer unterrichtet wird) erlangen die totale Kontrolle über unsere lokalen Schulbezirke.

Die angeblich so guten Testresultate wurden durch ein völlig unbrauchbares Rechenschaftssystem möglich. Es wird manipuliert und getrickst, dass die Balken krachen.

Wir haben die Beweise. Hier ist die Rede von Betrug, Unterlassung und Nötigung. Aber niemand ist da, der diesem Treiben ein Ende setzt, der diesen Skandal untersucht, der Massnahmen ergreifen will. Es ist, als würde man am Fuße des Berges stehen und warnen, dass eine Lawine droht, aber niemand in den Restaurants und teuren Häusern unten will glauben, dass hier eine Bildungskatastrophe ohnegleichen stattfindet.

Auf der Strecke bleiben unsere Kinder, bleiben Denesha Gray, die um ihre Lebenschance betrogen wurde. Lasst uns endlich mit diesem Irrsinn aufhören.

Lee P. Barrios, M.Ed., BESE  Distrikt 1, (BOARD OF ELEMENTARY AND SECONDARY EDUCATION)

Aufsichtsmitglied der Grundschule und des Sekundarschulwesens im Distrikt 1 (New Orleans)

 

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Was sind Charter-Schulen in den USA? https://condorcet.ch/2019/08/was-sind-charter-schulen-in-den-usa/ https://condorcet.ch/2019/08/was-sind-charter-schulen-in-den-usa/#comments Wed, 28 Aug 2019 14:07:29 +0000 https://condorcet.ch/?p=2084

Für den Leser des nachfolgenden Artikels von Lee P. Barrios (Diane Ravitch-Blog) hier noch eine einleitende Erklärung über die Charter Schulen in den USA.

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«Charter schools» sind Teil des öffentlichen Schulsystems in den USA. Sie werden über Steuereinnahmen finanziert, aber von privaten Organisationen oder oft auch gewinnorientierten Firmen betrieben. Die ersten derartigen Schulen entstanden Anfang der neunziger Jahre. «Charter» bezieht sich dabei auf den Vertrag, den die Betreiber mit dem jeweiligen Schulamt abschliessen. Laut Angaben eines Interessenverbands der «charter schools» waren 2014 knapp 7 Prozent der öffentlichen Schulen in den USA «charter schools». Es gibt sie in 42 der 50 Gliedstaaten.

(Quelle NZZ. Nov. 2015)

Ein Wesenszug dieses Typs Schule besteht darin, dass sie ihren Erfolg oder Misserfolg für messbar und vergleichbar halten. Was zählt, sind die Ergebnisse von Prüfungen sowie die Quoten von Schulabschlüssen. Dieser quantitative Ansatz ist nicht nur den «charter schools» eigen: Die Schulreform von Präsident G. W. Bush («No Child Left Behind») brachte solche Methoden für alle Schulen mit sich. Auch Präsident Bill Clinton förderte das Aufkommen der «charter schools». Präsident Obama hatte jedoch eingestanden, dass das Prüfen und Testen in amerikanischen Schulen zu weit gehe.

Charter-Schulen sollen eine Alternative zu den anderen öffentlichen Schulen bilden und erzeugen dadurch auch einen Wettbewerb. Viele ambitionierten Eltern, die kein Geld für eine Privatschule haben, melden ihre Kinder bei den Charter-Schulen an. Sie sind vor allem bei den Lehrkräften sehr unbeliebt.

Nachdem der Wirbelsturm Katrina 2003 grosse Teile von New Orleans überschwemmte und die Mehrheit der Schulen zerstörte, beschlossen die Behörden einen radikalen Neuanfang. Sie überführten fast alle öffentlichen Schulen New Orleans in das Charter-Modell. Seitdem steigen die Leistungen der Schüler sowie deren Abschlussraten konstant an, was den ehemaligen Bildungsminister Arne Duncan zu der Aussage veranlasste, dass der Hurrikan Katrine für das Bildungswesen New Orleans das Beste gewesen sei, was dieser Stadt habe widerfahren können. Später musste er sich allerdings für diese Äusserung entschuldigen.

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