Menschenrecht - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Fri, 27 Dec 2019 15:58:02 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Menschenrecht - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Wenn ein Dogma die Vernunft beiseite wischt https://condorcet.ch/2019/12/wenn-ein-dogma-die-vernunft-beiseite-wischt/ https://condorcet.ch/2019/12/wenn-ein-dogma-die-vernunft-beiseite-wischt/#respond Fri, 27 Dec 2019 15:58:02 +0000 https://condorcet.ch/?p=3467

Prof. Dr. Gerhard Steiner, 12 Jahre Lehrer im Isaak Iselin-Schulhaus in Basel und 25 Jahre Ordinarius für Psychologie (Entwicklung und Lernen) an der Universität Basel, erkennt im Beitrag der beiden Beamten des Basler Erziehungsdepartements viel Dogma und wenig Praxiskenntnis.

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Die Integration muss eine Art heilige Kuh sein.

Eigentlich geht es um nichts anderes als um die heilige Kuh «integrative Schule» und die Verhinderung der Wiedereinführung von Kleinklassen für Kinder mit deutlich unterschiedlichen Voraussetzungen im Vergleich zu denen der Standardklassen. Da ist zu lesen: Die integrative Schule «lebt», passt sich «ständig den neuen Anforderungen» an, wird «den gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen» gerecht und ist «zeitgemäss»; Kleinklassen sind es nach Ansicht der Autorin und des Autors (beide sind Bildungsfunktionäre des Erziehungsdepartements Basel-Stadt) nicht.

Um welche «gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen» es hier geht, wird nicht verraten.

Um welche «gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen» es hier geht, wird nicht verraten. Vielleicht ist die zunehmende Heterogenität bezüglich Lernfähigkeit und Lernwilligkeit in den Schulklassen gemeint. Diese Heterogenität ist aber nicht «gesellschaftlichen» Ursprungs, sondern von den Bildungsbehörden planmässig so gemacht, hausgemacht also, und es ist für diese offensichtlich schwer zuzugeben, dass das Jahrhundert-Reform-Modell «Integrative Schule» auf dem Holzweg ist. Daran ändert auch die Aussage der Zürcher Erziehungsdirektorin und Präsidentin der EDK, Silvia Steiner, nichts, wenn sie sich in einem Interview mit der NZZ (vom 28.01.2019) zur Aussage versteigt: «Der integrative Unterricht ist für mich kein Projekt, sondern ein Menschenrecht. Jeder sollte, wenn möglich, integriert unterrichtet werden», d.h. alle in ein und derselben Klasse: die hochbegabten, die durchschnittlichen, die bildungsfernen, die verhaltensgestörten und die behinderten Kinder.

«Der integrative Unterricht ist für mich kein Projekt, sondern ein Menschenrecht.»
Zürcher Erziehungsdirektorin und Präsidentin der EDK, Silvia Steiner

Von Integration kann keine Rede sein

In der integrativen Schule wird die immer vorhandene und unvermeidliche Heterogenität in den Klassen zusätzlich noch vergrössert, mit entsprechendem Effekt auf die Ausbildungsqualität auf allen Leistungsniveaus. Von Integration kann keine Rede sein, wie Roland Stark, einer der die Schule auch von innen kennt, in einem kürzlich in der BaZ publizierten Gastbeitrag treffend beschrieben hat. Eine hohe Ausbildungsqualität wäre für alle Lernenden (von den unauffälligen über die verhaltensgestörten bis zu den behinderten) in einem nicht-integrativen Lernumfeld mit Standard- und Kleinklassen viel effizienter zu haben, weil dort (1) die Organisation der Lehr-Lern-Situation wesentlich schlanker ist, was (2) weniger Umtriebe und Ablenkung zur Folge hat und (3) auf Seiten der Lernenden eine höhere Konzentration ermöglicht. Dadurch wird (4) die Nutzung der Lernzeit massiv erhöht, was (5) mehr sichtbaren Lernerfolg generiert. (6) würde die Autonomie vieler Lehrerinnen und Lehrer wiederhergestellt, ihr Kräfteverschleiss geringer und die Arbeitszufriedenheit grösser.

Kein Menschenrecht, aber gut begründbar

Das alles ist für mich zwar kein Menschenrecht, aber eine gut begründbare und relativ leicht realisierbare Vision und weder ein «Glorifizierungsversuch» früherer Organisationsformen der Schule noch ein «massiver Rückschritt», wie die beiden Spezialisten des ED meinen. Und sicher geben die Lehrerinnen und Lehrer ihr Bestes. Diesbezüglich sind sie aber nicht auf die verbale Anerkennung angewiesen, die man ihnen im Gastbeitrag der BaZ gleich zweimal gewährt. Anerkennung hat ein anderes Gesicht: Hätten sie die nötigen Freiheiten zur Gestaltung ihres pädagogischen Wirkungsfeldes, hätten sie die künstlich vergrösserte Heterogenität in den Klassen schon längst entflochten und wären zu einem effizienten leistungsniveau-orientierten Unterrichten in Standard- und Kleinklassen zurückgekehrt.

Prof. Dr. Gerhard Steiner

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