Corona-Massnahmen - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Sun, 25 Apr 2021 21:28:49 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png Corona-Massnahmen - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Warum ich ein Konzeptmuffel bin https://condorcet.ch/2021/04/warum-ich-ein-konzeptmuffel-bin/ https://condorcet.ch/2021/04/warum-ich-ein-konzeptmuffel-bin/#comments Sun, 25 Apr 2021 09:05:21 +0000 https://condorcet.ch/?p=8359

Konzepte sind – vor allem in Steuerungsgremien - immer wieder angesagt. Manchmal sinnvolle Planungshilfen, mutieren sie zu Alibiübungen oder Beschäftigungstherapien und enden oft in praxisferner Gestaltungswut. Condorcet-Autor Alain Pichard kann davon ein Liedchen singen.

The post Warum ich ein Konzeptmuffel bin first appeared on Condorcet.

]]>
Alain Pichard. Lehrer Sekundarstufe 1, Orpund (BE): Realitätsferne Konzepte

Dem FCB-Captain Valentin Stocker hat sie einen mehrwöchigen Urlaub mit Trainingsverbot eingebracht, seine Bemerkung: «Wir haben kein Konzept.»

Das kann man über die Schulen in Coronazeiten nicht behaupten. Hier herrscht eine regelrechte Konzeptionitis. Über deren Sinnhaftigkeit lässt sich allerdings nachdenken. Am 14. Februar schrieb der Tagesanzeiger: «680 Kinder schickte die Schule Milchbuck am vergangenen Montag nach Hause, vom Kindergärtler bis zum Sekundarschüler. (…) Zum Ausbruch kam es, obwohl die Einrichtung ein 16-seitiges Schutzkonzept vorgibt. ‹Beim Betreten eines neuen Raumes werden die Hände gewaschen›, steht darin. Die Abstandsregeln und die Maskenpflicht sind geregelt. Sportgegenstände oder Computer müssen von jedem Nutzer gereinigt werden. ‹Speisen und Getränke dürfen nur sitzend konsumiert werden›, heisst es im Regelwerk.»

16 Seiten! Man stelle sich das einmal ganz praktisch vor. Da werden auf 16

16 Seiten Hygienekonzept: Wer soll das kontrollieren?

Seiten minutiös alle nötigen Hygienemassnahmen aufgezählt, welche dann von rund 700 Personen gelernt, verstanden  und eingehalten werden sollten. Der TA-Journalist verschwendet keinen Gedanken auf den Umstand, wie zielführend ein solches Regelwerk überhaupt in einem lebendigen Betrieb mit Kindern sein kann, sondern empört sich darüber, dass die Lehrkräfte die Regeln vielerorts missachten. Noch schlimmer empfindet er die Tatsache, dass die Einhaltung der diversen Schutzkonzepte von den Behörden nicht stringenter überwacht werde.

Lehrpersonen, die das umsetzen wollen, verzichten aufs Turnen und putzen mit ihren SchüerInnen 45 Minuten lang Bälle, Sprossenwand, Bändel, Barren.

Eine Lehrkraft schrieb in einem Kommentar denn auch bissig: «Turngeräte sind nach jedem Gebrauch zu reinigen? Lehrpersonen, die das umsetzen wollen, verzichten aufs Turnen und putzen mit ihren SchüerInnen 45 Minuten lang Bälle, Sprossenwand, Bändel, Barren, Kletterstangen und, nicht zu vergessen, den Hallenboden. Ich lade alle Inspektoren ein, mir mal eine coronakonforme Turnstunde vorzuführen. Nur schon in der Garderobe ist das Einhalten des Mindestabstandes oft unmöglich.»

Auch Lehrkräfte konzeptionieren gerne

Nun ist es ja keineswegs so, dass Konzepte von praxisfernen Gremien ausgeheckt und dann den ausführenden Schulen verordnet werden. Sehr oft legt sich «die Praxis», sprich das Kollegium, selber das Korsett eines Konzepts an – freilich meistens auf Weisung von oben. Eine Zeit lang arbeiteten unsere Schulen ganz besessen an mannigfachen Konzepten: Gesundheitskonzept, Gewaltpräventionskonzept, Ernährungskonzept, Leseförderungskonzept, Lagerkonzept, Kommunikationskonzept, Elternmitwirkungskonzept, Beurteilungskonzept, Notfallkonzept, Feueralarmkonzept, Digitalkonzept, Medienkonzept … Sie sind Thema etlicher Konferenzen, erfordern Arbeitszeit und füllen zuletzt die Schubladen in den Büros der Schulleitungen.

«Damit», so meine Worte, «haben wir die Velotouren beerdigt.»

Velotouren mit einem Erwachsenen pro 6 Schülern?

Vor ein paar Jahren arbeitete unser Kollegium an einem Outdoor-Konzept. Die Schulleitung hatte gerade viel Zeit, und in einer Nachbarschule hatte es einen Unfall auf einer Velotour gegeben. Und so geriet die Kollegen-Runde in Fahrt und ich als notorischer Konzeptmuffel in die Defensive. Das Kollegium legte sich personelle Ressourcen zu, über die es gar nicht verfügte. Eine Velotour beispielsweise sollte fortan eine erwachsene Begleitperson pro 6 Schutzbefohlene haben. Meine 24 SchülerInnen zählende Klasse hätte also neben mir noch 3 weitere erwachsene Begleitpersonen gebraucht. «Damit», so meine Worte, «haben wir die Velotouren beerdigt.»

Nun haben aber Konzepte die angenehme Eigenart, in den Schubladen zu verschwinden und vergessen zu gehen. Bereits nach drei Monaten vor unserem traditionellen Sporttag, dessen Sportstätte wir als ganze Schule mit dem Velo ansteuern, war das Problem der personellen Unterdotierung offensichtlich. Ich protestierte, nun völlig zum Schlitzohr mutiert, und verwies auf unser Outdoor-Konzept. «Wir müssen den Sporttag absagen», forderte ich eine versteinerte Schulleitung auf. Man nahm mich glücklicherweise nicht ernst, aber ebenso wenig akzeptierte man die Stupidität des Konzepts. Man dürfe, so der Tenor, solche Papiere nicht allzu ernst nehmen, beschied man mir. Es zähle der gesunde Menschenverstand. Und – man wisse ja, dass diese Konzepte eben für die Schublade seien. Man müsse sie einfach haben, wenn danach gefragt werde.

AG Mobbing-Konzept: überraschend nüchtern

Zurzeit arbeiten wir an unserer Schule an einem Mobbingkonzept, ausgelöst durch unsere Schulsozialarbeiterin, die das Gefühl hatte, Mobbing sei an unserer Schule ein grosses Problem. So setzte sich denn eine Arbeitsgruppe zusammen, zu der auch ich – kurz vor meiner Pensionierung – verknurrt wurde. Und natürlich wurden zu diesem komplexen Thema auch Fachpersonen konsultiert. An einer Zoomsitzung informierten uns zwei Mitarbeiterinnen der Berner Gesundheit über die Bedeutung des Begriffs, all seine möglichen Varianten und ihre diesbezüglichen Angebote. Erstaunlicherweise gelang es mir, die Buchung dieser Expertinnen zu verhindern. Überhaupt lässt sich die Arbeit an diesem neuen Konzept ertragen. Interessante Gespräche, wenig Alarmismus, gute Inputs. Es wird wohl nicht das letzte Konzept sein, dass ich in meiner im Sommer endenden Berufslaufbahn bearbeiten darf. Es steht noch das Schutzkonzept des zukünftigen Rentners bevor, der sein Kollegium in seinem Garten zu einer Abschlussparty einladen will. Aber da muss ich wohl noch auf das BAG-Konzept für den Monat Juni warten, worauf dann das Feinkonzept meiner kantonalen Erziehungsdirektion folgt.

Böse Zungen behaupten, dass meine Frau auch schon an einem Konzept arbeitet, das ihr helfen soll, mit dem frischgebackenen Rentner im Hause umzugehen.

 

 

 

The post Warum ich ein Konzeptmuffel bin first appeared on Condorcet.

]]>
https://condorcet.ch/2021/04/warum-ich-ein-konzeptmuffel-bin/feed/ 5
Jugend ohne Plot – ein Essay übers Jungsein in Coronazeiten https://condorcet.ch/2021/03/jugend-ohne-plot-ein-essay-uebers-jungsein-in-coronazeiten/ https://condorcet.ch/2021/03/jugend-ohne-plot-ein-essay-uebers-jungsein-in-coronazeiten/#comments Sun, 07 Mar 2021 16:31:27 +0000 https://condorcet.ch/?p=7962

"Eine bessere Welt nach Corona. Was wir aus der Krise gelernt haben" war das Essay-Thema für eine Maturandenklasse. Chiara Hornemann nahm es zum Anlass darüber zu reflektieren, was es für sie heisst, in Zeiten der Pandemie und der damit einhergehenden Einschränkungen jung zu sein. Sie moniert, dass die Jungen und ihre Bedürfnisse von der Politik als letzte beachtet werden. Dabei gehe es um mehr als nur ein wenig Partyleben. Wir schenken ihr hier als junger Gastautorin gerne Gehör.

The post Jugend ohne Plot – ein Essay übers Jungsein in Coronazeiten first appeared on Condorcet.

]]>
Chiara Hornemann, Maturandin an der Kantonsschule Zürich Nord: Etwas, das zur persönlichen Entwicklung gehört.

Ein Hoch auf die Zeit, in der wir per Anhalter die Städte im Nahen Osten bereisten oder mit einem spärlich renovierten, alten VW-Bus Roadtrips quer über die Balkanhalbinsel unternahmen, in bizarren Hippie-Gemeinschaften durch die Nacht tanzten oder mit intellektuellen Obdachlosen über den Sinn des Lebens philosophierten. Ein Hoch auf die Zeit, in der wir schlammgebadet auf dem endlosen Festivalgelände zelteten. Ein Hoch auf die Zeit, in der wir «Freiheit» in vollen Zügen geniessen durften – Erlebnisse, von denen die Generation Z wohl nicht erzählen werden kann. Was macht Jungsein in Zeiten einer Corona-Pandemie aus, wenn Feiern, Reisen und Lebensgenuss von staatlich verordneten Massnahmen unterbunden wird?

Doch wer genauer hinsieht, bemerkt darin eine Art «Essenz der Jugendjahre», etwas, was einfach zur persönlichen Entwicklung gehört.

Das «Loch in der Jugend», das Gefühl, etwas verpasst zu haben, ist dabei nicht zu unterschätzen: Auf den ersten Blick mag das Partyleben als reine Vergnügungsphase erscheinen, auf die man ohne Weiteres verzichten kann. Doch wer genauer hinsieht, bemerkt darin eine Art «Essenz der Jugendjahre», etwas, was einfach zur persönlichen Entwicklung gehört: Es ist die Zeit, in der man durch Erlebnisse zu Lebenserfahrung gelangt, eine Zeit, in der man Menschen kennenlernt, Freundschaften knüpft, Neues ausprobiert. Man ergründet die eigenen Grenzen, lernt sich sozial korrekt zu verhalten und bildet sich durch den Austausch mit den unterschiedlichsten Menschen eine eigene Meinung. Die Persönlichkeitsentwicklung hängt von der Gestaltung dieser Lebenszeit ab! Was passiert mit uns Jungen von heute, denen eine solche Chance genommen wird? Depressionen nehmen deutlich zu, Langeweile führt zum Stressaufbau und zu aggressiven Entladungen. Verwunderlich ist das nicht, doch wird auch etwas dagegen unternommen?

Mini- und Nebenjobs, von denen viele Studenten abhängen, sind von einem auf den nächsten Tag gestrichen, Praktika abgesagt worden.

Stark betroffen, wenig beachtet

Für die Wirtschaft ist der Staat rasch zur Stelle

Die Altersgruppe zwischen 17 und 22 Jahren ist von den Pandemiemassnahmen mit am härtesten betroffen. Für sie gab es die radikalsten Veränderungen, und doch werden ihre Bedürfnisse und Probleme am wenigsten beachtet. Um die Wirtschaft und die Leidtragenden der Geschäftsschliessungen zu unterstützen, war der Staat rasch zur Stelle: Kredite, Kurzarbeitergeld und Sozialhilfe sorgen dafür, die wirtschaftliche Situation zu sichern. Und wo ist die Hilfestellung für die Jungen? Der Staat hat ja bewiesen, wie schnell und effizient er handeln kann. Aber die Prioritäten liegen ganz klar woanders, als bei den Bedürfnissen der Nachfolgegeneration. Natürlich, die Versorgung der Schwerkranken hat im ersten Moment Vorrang. Doch die Probleme, mit denen die Jugend sich konfrontiert sieht, werden auch nach so vielen Monaten der Pandemie nicht ernsthaft debattiert. Mini- und Nebenjobs, von denen viele Studenten abhängen, sind von einem auf den nächsten Tag gestrichen, Praktika abgesagt worden. Zu reden wäre von den etlichen Lehrstellengesuchen, die abgelehnt wurden. Dafür hat das Parlament bisher kein Auge. Das Paradoxe dabei: Es wird zuerst denen geholfen, die schon etwas haben: den Firmen, den Angestellten, dem Fundament des Schweizer Wohlstands. Denen, die dazu noch nicht unmittelbar beitragen, also dem 19-jährigen Maturanden, der ein Austauschsemester in Australien geplant hat, helfen die Entscheidungen des Bundesrats nicht.

Unter den Jugendlichen macht sich eine gewisse Angst und Ungewissheit über die Zukunft breit. Und es ist nicht das erste Mal, dass die Sorgen der Jugendlichen unter den Teppich gekehrt werden; auch in der Klimakrise, die scheinbar auch wieder auf Eis gelegt wurde, mussten sich die Jungen erst lautstark Gehör verschaffen und Druck ausüben, bis sich die Schweizer Politik mit dem Thema befasst hat. Sie hat aber anscheinend keine Lektion daraus gezogen, dass sich ihre Sorgen später als international zu bekämpfendes Problem offenbart haben. Nein, sie begeht denselben Fehler noch einmal und schenkt Jugendlichen und ihren Bedürfnissen kein Gehör.

Der Altersmeridian liegt in der Schweiz bei 42, der Bundesrat liegt darüber.

Das liegt nicht zuletzt an der Unterrepräsentation der Jüngeren bei der politischen Entscheidungsgewalt. Der Altersmedian liegt momentan bei gut 42 Jahren. Das Alter einer grossen Mehrheit der Bundesräte liegt über diesem Wert. Das wäre grundsätzlich kein Problem, doch wenn der Wille nicht da ist, die Sorgen der Generation Z ernst zu nehmen, dann ist es höchste Zeit, die politische Partizipation auch für Jüngere zugänglich zu machen. Wie wäre es da mit einer Jugendlobby? Skigebiete, Fluggesellschaften und Gastro-Bereiche haben eine mächtige Lobby, die sich für ihre Interessen in der Politik einsetzt. Eine Lobby für die Jugend ist dagegen inexistent. Ein Ort, an dem die Jugend ihre Anliegen, Ängste und Probleme geltend machen kann, die dann auch präventiv behandelt und beachtet werden, wäre bitternötig.

Heutzutage werden die Jungen erst zum Thema, wenn sie selbst zum Problem werden.

Heutzutage werden die Jungen erst zum Thema, wenn sie selbst zum Problem werden. Zum Beispiel weil man in ihnen wegen ihres Sozialverhaltens den Hauptverteiler des Virus sieht. Die Erwartung, als junge Generation die Verantwortung über die ältere Generation zu tragen, wird dabei als selbstverständlich angesehen. Selbstverständlich ist das aber vor allem dann nicht, wenn man das Gefühl hat, dass das Verantwortungsbewusstsein nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Wo ist die Verantwortung gegenüber den Jungen?

Die körperlichen Beschwerden bei einer Viruserkrankung sind für die wenigsten ein Problem, doch die psychischen Folgen, die mit der Isolierung, dem fehlenden sozialen Kontakt und Austausch einhergehen, sind auf keinen Fall minderwertiger!

Jugendliche zeigen sich mehrheitlich verantwortungsvoll.

Die Coronakrise hat gezeigt, dass wir es mit einer verantwortlich handelnden, einer «seriösen» Generation zu tun haben, junge Leute, die zum Schutz der Allgemeinheit die Sicherheitsmassnahmen einhalten, die selbstverständlich Masken tragen, die über lange Zeit ihre Bildung zuhause selbst organisieren, die für die Grosseltern den Einkauf erledigen, sich kümmern, wo es nötig ist – die aber auch eins ihrer wertvollsten Jahre aufopfern, möglicherweise sogar zwei. Die körperlichen Beschwerden bei einer Viruserkrankung sind für die wenigsten ein Problem, doch die psychischen Folgen, die mit der Isolierung, dem fehlenden sozialen Kontakt und Austausch einhergehen, sind auf keinen Fall minderwertiger! Es ist deshalb umso wichtiger, auch die Jungen zu unterstützen, ihre Anliegen anzuhören, ihnen eine Stimme zu geben und eine Lösung für ihre ernstzunehmenden Probleme zu finden.

Schliesslich spielen wir hier alle mit unserer Zukunft!

 

Chiara Hornemann

 

Quellen:

https://www.sueddeutsche.de/politik/corona-krise-der-staat-vergisst-die-jungen-1.5133466

https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/wer-im-bundesrat-zu-kurz-kommt-die-tessiner-sind-es-nicht-ld.1293222

 

The post Jugend ohne Plot – ein Essay übers Jungsein in Coronazeiten first appeared on Condorcet.

]]>
https://condorcet.ch/2021/03/jugend-ohne-plot-ein-essay-uebers-jungsein-in-coronazeiten/feed/ 1