BNE - Condorcet https://condorcet.ch Bildungsperspektiven Sun, 28 Jan 2024 20:16:55 +0000 de-DE hourly 1 https://condorcet.ch/wp-content/uploads/2019/05/favicon-100x100.png BNE - Condorcet https://condorcet.ch 32 32 Anfällig für ideologisch gefärbten Unterricht https://condorcet.ch/2024/01/anfaellig-fuer-ideologisch-gefaerbten-unterricht/ https://condorcet.ch/2024/01/anfaellig-fuer-ideologisch-gefaerbten-unterricht/#comments Sun, 28 Jan 2024 16:00:58 +0000 https://condorcet.ch/?p=15775

Der Bildungsjournalist Daniel Wahl führte ein Gespräch mit Professor Mario Andreotti über den Rahmenlehrplan der Gymnasien, der das neue Fach "Bildung für Nachhaltige Entwicklung" einführen will. Der Artikel ist am 16.1.24 im Nebelspalter erschienen.

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Die Fakten: Im Entwurf des Rahmenlehrplans der Gymnasien wird neu das Fach “Bildung für Nachhaltige Entwicklung” (BNE) verankert. Dieses neue Fach macht die Schule anfällig für ideologisch gefärbten Unterricht, wie der Germanist und Historiker, Professor Mario Andreotti, kritisiert.

“Die Tendenz zur Indoktrination ist sichtbar. Die Gymnasien sollen ein bestimmtes Verhaltensmuster, eine bestimmte Verhaltensveränderung in Richtung Gutmenschen erwirken.”

 

Daniel Wahl, Journalist des Nebelspalters

Warum das wichtig ist: Lehrkräfte dürfen gemäss Beutelsbacher Konsens (siehe unten) den Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen, sondern sollen Schüler in die Lage versetzen, sich mithilfe des Unterrichts eine eigene Meinung bilden zu können. Dies ist der Zielsetzung der politischen Bildung geschuldet, die Schüler zu mündigen Bürgern heranzubilden.

Doch die Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ist ein weltweites Programm mit einer politischen Agenda (sustainable Development). Sie ist in der Bildungs-Agenda der UNESCO (Education) verankert, mit verschiedensten Zielen, wie Geschlechtergleichheit, Armut- und Hungerbekämpfung, Klimamassnahmen, verantwortungsvoller Konsum.

  • Dabei handelt es sich um einen Unterricht, der von rechter Seite als Linksdrall an den Schulen bezeichnet wird (Link)
  • Nachhaltige Entwicklung ist Staatsziel der Schweiz und in der Bundesverfassung (Art. 2 und 73) verankert.
  • Als oberstes und wichtigstes Ziel des neuen Fachs BNE steht die «Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft», die nicht nur das Klima und die Biodiversität schützt, sondern auch Rassismus, soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeiten bekämpft.

Gemäss Andreotti beginnt mit dem Begriff “Transformation” bereits das Problem.

“BNE beinhaltet einen gesteuerten Wandlungsprozess, was mit der Steuerung von Schülern zu tun hat. Es ist eine Absicht dahinter, eine politische Agenda.”

 

The Big Picture: Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) hat zusammen mit dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) die Reform “Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität” angestossen. Im Kern geht es darum, den Maturitätsabschluss schweizweit vergleichbar zu machen und das Niveau und die Qualität der gymnasialen Ausbildung in Bezug zum Hochschulzugang zu sichern. Letztlich will man verhindern, dass die Universitäten und Hochschulen nicht auf die Idee kommen, eigene Eintrittsbarrieren zu errichten und Aufnahmeprüfungen zu machen.

Darauf ist zu achten: Die BNE ist ein Teil des neuen Rahmenlehrplans und als transversales Fach definiert. Das heisst:

  • Die Grundlagen für die BNE sollen im Fachbereich Geographie vermittelt werden.
  • Zudem soll die BNE in jedes Fach einfliessen, teilweise “en passant”.
  • Auch weitere Unterrichtsgefässe, wie zum Beispiel Studienwochen, sollen die Gymnasiasten für das Themensammelsurium “Nachhaltige Entwicklung” sensibilisieren.
Mario Andreotti, Geschichtsprofessor: Eine gefährliche Entwicklung.

Andreotti hält dies für “eine ganz gefährliche Entwicklung”, die an zwei von drei Prinzipien für den politischen Unterricht rüttelt, welche an einer Bildungstagung 1976 in Deutschland verabschiedet wurden. Die Prinzipien unter dem Namen “Beutelsbacher Konsens 1976” gelten als Standard für den Unterricht an Schulen.

  1. Indoktrinationsverbot: Der Lehrer soll den Schülern nicht seine Meinung aufzwingen.
  2. Gebot der Kontroversität: Der Lehrer soll das Thema aus gegensätzlichen Perspektiven beleuchten.
  3. Gebot der Schülerorientierung: Der Schüler soll im Unterricht in die Lage versetzt werden, seine eigene Position zu reflektieren und sich am politischen Prozess zu beteiligen.

Doch im Entwurf zum Rahmenlehrplan der Entwicklung der gymnasialen Maturität schimmern die Werte und Haltungen durch, welche die Gymnasiasten übernehmen müssen.

  • Es beginnt damit, dass Geographie unter Geistes- und Sozialwissenschaften subsumiert – im Vordergrund steht die soziale, nicht die naturwissenschaftliche Komponente.
  • Beispielsweise müssen Schüler Probleme und Anwendungen der Gegenwart unter dem Aspekt der Energie recherchieren, beschreiben und beurteilen. Als Beispiel werden Treibhauseffekt, Sonnenenergie, Graue Energie, genannt, nicht aber Atomenergie.
  • Die Beschreibung der BNE ist mit Worthülsen durchsetzt wie “gerechte Gesellschaft”, “gesteuerte Wandlungsprozesse”, “Menschen aller Geschlechteridentitäten”, “ganzheitlich”, “transformativ” usw.

Auch Honecker sprach von einer “gerechten Gesellschaft”

Es komme zwar immer auf den einzelnen Lehrer an, wie er solche Worthülsen mit konkreten Inhalten fülle, sagt Andreotti und erinnert daran, dass der Erste Sekretär der sozialistischen DDR, Erich Honecker, auch von einer “gerechten Gesellschaft” gesprochen habe. Im Rahmenlehrplan erkennt Andreotti aber bereits, welche Haltungen und Prämissen gesetzt sind, und wie die Gymnasiasten zu denken haben:

  • Der Mensch macht die Natur kaputt.
  • Rauchen und Autofahren sind schlecht.
  • Chancengerechtigkeit gilt als absolutes Ziel.
  • Der moderne Mensch muss globale Perspektiven einnehmen.

“Es sind zum Teil Werte, die der Französischen Revolution – konkret der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte – entliehen sind. Wenn ich das politisch übersetzen darf: Das ist Linksdrall am Gymnasium.”

Wie es weitergeht: Vorgaben über die Dauer des Unterrichts in BNE werden auf der gesamtschweizerischen Ebene keine gemacht. Der Kanton St. Gallen plant beispielsweise die BNE als eigenes Fach im Maturitätsjahr zu behandeln und setzt dafür eine Stunde ein.

  • Die konkrete Umsetzung liegt in der Zuständigkeit der Kantone.
  • Die revidierten Texte – Verordnung und Reglement, Vereinbarung und neuer Rahmenlehrplan – sollen am 1. August 2024 in Kraft treten.

Wer mehr dazu wissen will:

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Ein “pädagogischer” Kuhhandel: Geografielektionen erhalten – dafür mehr Sensibilität bei politischen Themen https://condorcet.ch/2020/11/ein-paedagogischer-kuhhandel-geografielektionen-erhalten-dafuer-mehr-sensibilitaet-bei-politischen-themen/ https://condorcet.ch/2020/11/ein-paedagogischer-kuhhandel-geografielektionen-erhalten-dafuer-mehr-sensibilitaet-bei-politischen-themen/#respond Mon, 23 Nov 2020 05:08:13 +0000 https://condorcet.ch/?p=6994

Im Kanton Zürich soll der Geografieunterricht zugunsten der Mintfächer abgebaut werden. Dagegen wehren sich die Geografielehrer und schlagen einen "pädagogischen Kuhhandel" vor. Warum das nicht zielführend ist, erklärt uns Condorcet-Autorin Yasmine Bourgeois.

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Yasmine Bourgeois, Mittelstufenlehrerin ohne Wollsocken, Gemeinderätin der FDP in Zürich: Gesinnung erzeugen ist keine Aufgabe der Schule.

Kaum hat man den Lehrplan 21 in der Volksschule eingeführt, soll er auch schon seinen Weg in die Gymnasien finden, denn das Langgymnasium umfasst die obligatorischen Schuljahre 7 und 8.

Bedeutungsverlust der Profession

Um neu die Mint-Fächer zu stärken, sollen diese 1.5 Lektionen mehr umfassen. Weiter sollen die Fächer Informatik und Religion und Kultur eingeführt werden. Natürlich kann die Anzahl Lektionen nicht beliebig erhöht werden, ohne an anderen Orten fühlbare Abstriche zu machen. Konkret hat man die Lateinstunden und die Geografielektionen im Visier. Die angekündigte Reduzierung der Geografiestunden hat – nicht ganz unerwartet – Proteste bei den Geografielehrern ausgelöst. Das ist verständlich, denn einerseits gehört das geografische Wissen durchaus in den Humboldtschen Bildungskanon, vermittelt Orientierung und Einordnung. Andererseits geht es natürlich um den Bedeutungsverlust der Profession. Ähnlich wie unsere Bauern, die sich im Kampf um Subventionen seit längerem als Landschaftsschützer und Ökologiebeauftragte ausgeben, versuchen die Geografielehrer nun, sich als die Garanten der Nachhaltigkeit darzustellen. So zumindest argumentiert beispielsweise Lucius Hartmann, der oberste Gymilehrer der Schweiz. Er schlägt vor, die Lektionen, welche die Gymnasien zusätzlich frei verteilen können, den Geografen zuzuteilen, vorausgesetzt, sie verpflichten sich dazu, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in ihren Lehrplan aufzunehmen.

Es ist obsolet, wenn Lucius Hartmann den Geografielehrern verspricht, dass  ihre Lektionenzahl wieder erhöht werden, wenn sie bereit seien, BNE in ihren Lehrplan aufzunehmen – sie müssen es ohnehin tun.

Die BNE ist offizielles Staatsziel der Schweiz und in der Bundesverfassung verankert. Der Lehrplan 21 der Volksschule hat BNE ebenfalls integriert. Insofern ist es obsolet, wenn Lucius Hartmann den Geografielehrern verspricht, dass  ihre Lektionenzahl wieder erhöht werden, wenn sie bereit seien, BNE in ihren Lehrplan aufzunehmen – sie müssen es ohnehin tun.

Die Ansicht, dass eine Kürzung der Geografielektionen nicht sinnvoll ist, teile ich. Aber nicht der Nachhaltigkeit wegen. Das bedarf sicher einer tiefer gehenden Begründung.

Auf der Internet Seite von Education 21 werden Inhalte und Fragestellungen von BNE wie folgt definiert:

SchülerInnen setzen sich mit Lebensstilen auseinander

«BNE ist kein neues Fach, sondern knüpft an viele aktuelle Themen an, die in der Schule etabliert und im Lehrplan verankert sind. […] Die Schülerinnen und Schüler setzen sich unter Einbezug globaler/lokaler und zeitlicher Entwicklungen mit Lebensstilen auseinander und damit mit überfachlichen Themen wie beispielsweise Ernährung, Mobilität und ressourcenschonende Technik oder Konsum. BNE beinhaltet und lanciert neue Inhalte und Fragestellungen und bezieht zur Zielerreichung weitere überfachliche Bildungszugänge mit ein wie zum Beispiel UmweltbildungGlobales LernenGesundheitsförderungPolitische Bildung und Menschenrechtsbildung sowie ökonomische Bildung

Wir sind uns wohl alle einig, dass BNE seine Berechtigung in den Lehrplänen hat. So werden diese Themen insbesondere in der Volksschule auch begeistert von den Lehrpersonen aufgenommen und entsprechend in den Unterricht miteinbezogen.

Verschiedene Wege bei der Umsetzung

Die Frage stellt sich nun, wie diese Inhalte in den Schulen vermittelt werden. Hier gibt es verschiedene Wege.

Mit der Legitimation der Verfassung und der Lehrpläne fühlen sich Lehrkräfte frei, ihre von der politischen Ausrichtung gefärbte Meinung in ihren Unterricht einfliessen zu lassen. Spricht man sie darauf an, ist die Antwort voraussehbar. Nämlich, es sei klarer Auftrag, dies im Unterricht zu thematisieren.

Unterstützt werden sie dabei von Unterrichtsmaterialien, deren Eindeutigkeit kaum etwas zu wünschen übrig lässt, wie untenstehende Ausschnitte dokumentieren:

«Wer ohnehin schon viel hat, profitiert von der Globalisierung, wer dagegen wenig hat, gerät noch mehr unter wirtschaftlichen Druck.»

«Wir werden durch Medikamente versklavt», statt uns gesund zu ernähren.

«Chemiemultis machen Farmer abhängig. Monsanto etwa ist ein Hersteller von «trojanischer Saat», der seine Gegner «finanziell fertig» macht. Seine Gegner dagegen sind «Helden»».

«NGOs» fordern «Wohlstand für alle statt Reichtum für wenige». Sie verlangen deshalb Regeln, «die allen Menschen ein gutes Leben ermöglichen». Und wollen eine Wirtschaft, «in der nicht nur der Gewinn im Zentrum steht, sondern auch Mensch und Umwelt».

«Autofahrer sind «Anerkennungs-Typen». «Ein Auto zu besitzen, ist mehr als nur ein eigenes Fortbewegungsmittel zu haben. Ein Auto ist Statusobjekt, ein Symbol. Damit zeige ich, dass ich es im Leben zu etwas gebracht habe, selbständig bin, Geld besitze usw.»

Solche Inhalte sind schlicht und einfach nicht politisch neutral. Stehen sie so in einem Lehrmittel, entspricht das nicht der gesetzlich verankerten politischen Neutralität. Schulamt und Volksschulamt sehen unverständlicherweise keinen Handlungsbedarf und schieben die Verantwortung an die Lehrer ab. Es sei Aufgabe der Lehrpersonen, diese Inhalte neutral wiederzugeben.

Keine Frage, Lehrer sind nicht neutral und sie müssen es auch nicht sein. Es geht um Mündigkeit.

Neugier wecken und nicht indoktrinieren

Keine Frage, Lehrer sind nicht neutral und sie müssen es auch nicht sein. Aber sie müssen professionell handeln, das heisst, sie müssen die Kinder befähigen, durch Unterricht Zusammenhänge zu verstehen, ihre Neugier wecken, wissenschaftliche Denkweisen zu entwickeln. Kurzum: Sie müssen die Kinder zu mündigen Menschen erziehen, die sich ihre Meinung später selber bilden können.

Indoktrination, Umerziehung, Bombardierung mit einschlägigem Filmmaterial ist hier nicht vorgesehen und vor allem auch nicht nachhaltig. Häufig bewirkt ein solcher Unterricht das Gegenteil von dem, was man eigentlich beabsichtigt.

Dem geneigten Leser und auch den BefürworterInnen von BNE seien auch die Verfassungsgrundsätze unseres Kantons in Erinnerung gerufen:

So heisst es im

Art. 116 Öffentliche Schulen

1 Kanton und Gemeinden führen qualitativ hochstehende öffentliche Schulen.

2 Diese sind den Grundwerten des demokratischen Staatswesens verpflichtet. Sie sind konfessionell und politisch neutral.

Aber auch im Bildungsgesetz ist die konfessionelle und politische Neutralität verankert:

  • 2. Bildungs- und Erziehungsaufgaben

1 Die Volksschule erzieht zu einem Verhalten, das sich an christlichen, humanistischen und demokratischen Wertvorstellungen orientiert. Dabei wahrt sie die Glaubens- und Gewissensfreiheit und nimmt auf Minderheiten Rücksicht. Sie fördert Mädchen und Knaben gleichermassen.

Wird die Bekundung des guten Willens zudem noch als Kompetenz gehandelt, als prüfbare und messbare Kompetenz bewertet, dann enden wir bei einem Erziehungsbegriff mit totalitärem Anspruch.

Leider werden genau auf diese Weise Kinder – insbesondere im Volksschulalter– beeinflusst.

Insofern plädiere ich zwar dafür, dass nicht bei den Geografielektionen gekürzt wird, fordere die Verantwortlichen aber dazu auf, dem Bildungsgedanken der Schule mehr Gewicht zu geben. Gesinnung zu erzeugen ist keine Aufgabe einer öffentlichen Schule und darf deshalb auch kein Lehrplanziel sein. Wird die Bekundung des guten Willens zudem noch als Kompetenz gehandelt, als prüfbare und messbare Kompetenz bewertet, dann enden wir bei einem Erziehungsbegriff mit totalitärem Anspruch.

Yasmine Bourgeois

 

 

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