Kommentare zu: Individuelle Unterschiede beim Sprachenlernen in der Primarschule https://condorcet.ch/2022/03/individuelle-unterschiede-beim-sprachenlernen-in-der-primarschule/ Bildungsperspektiven Sun, 13 Mar 2022 12:39:26 +0000 hourly 1 Von: Müller Gächter https://condorcet.ch/2022/03/individuelle-unterschiede-beim-sprachenlernen-in-der-primarschule/#comment-623 Tue, 08 Mar 2022 22:05:56 +0000 https://condorcet.ch/?p=10631#comment-623 Werter Herr Schmutz
Erstaunt nehme ich zur Kenntnis, dass es unmöglich scheint, eine sachliche Auseinandersetzung über Sprache und Sprechen lernen zu führen.
Hätte John B. Carroll seine eigenen Kinder, falls er welche gehabt hat, von Geburt an betreut und Tagebuch darüber geführt, hätte er keine künstliche Sprache erfinden müssen, um zu erfahren, dass Kinder währen der ersten drei Lebensjahre:
– die Fähigkeit, Laute zu erkennen
-die Fähigkeit, sich schnell Wörter einzuprägen
-die Fähigkeit, sprachliche Regeln abzuleiten
haben.
Bertheles Ziel ist anscheinend, Gesichtspunkte der Psychologie für den Erfolg beim Erlernen einer Zweitsprache mittels eines bestimmten Lehrmittels ins Zentrum zu stellen und zu beurteilen. Dies setzt aber die Analyse dieses Lehrmittels und der Vergleich mit anderen ähnlichen Lehrmitteln, deren didaktischen Angaben, methodischen Hinweisen und allfälligen Ideologien voraus.

Den Inhalt von Bertheles Arbeit habe ich zur Kenntnis genommen. Mein Vorschlag ist, sich mit dem Buch von Hartmut Günther (1988): Schriftliche Sprache. Strukturen geschriebener Wörter und ihre Verarbeitung. Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft. Tübingen, Niemeyer zu befassen, denn was Schüler und Schülerinnen meist vor sich haben, sei es in einem Buch oder am Computer oder mit sonst einem ähnlichen Gerät, ist mehrheitlich schriftliche Sprache.
Mit freundlichen Grüssen Barbara Müller Gächter

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Von: Franz Lemmermeyer https://condorcet.ch/2022/03/individuelle-unterschiede-beim-sprachenlernen-in-der-primarschule/#comment-622 Mon, 07 Mar 2022 08:09:20 +0000 https://condorcet.ch/?p=10631#comment-622 Das Dumme an Kindern aus der Sicht der Bildungsforschung ist, dass sie keine Elementarteilchen sind. Das macht Experimente an ihnen etwas schwierig und “Messergebnisse” mehr oder weniger überflüssig. Ich vertraue dem Urteil eines schlechten Pädagogen mehr als dem von 50 Bildungsforschern. Und nein, ich werde die Studie nicht lesen.

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Von: Felix Schmutz https://condorcet.ch/2022/03/individuelle-unterschiede-beim-sprachenlernen-in-der-primarschule/#comment-621 Sun, 06 Mar 2022 13:11:11 +0000 https://condorcet.ch/?p=10631#comment-621 Mir scheint, die Kommentare von Aebersold und Müller Gächter zielen an der Forschung von Berthele & Idry vorbei. Die repräsentative Studie behandelt NICHT den Erstsprachenerwerb im frühen Kindesalter und NICHT die auditiven, motorischen und visuellen Schwächen der logopädisch auffälligen Kinder. Sie behandelt auch NICHT den Spracherwerb im Zielgebiet oder den immersiven Fremdsprachenunterricht mit mindestens 50% Lektionen in der Zielsprache. Und es geht auch NICHT darum, schwache Lernende in die Pfanne zu hauen.
Vielmehr geht es um das SCHULISCHE Fremdsprachenlernen (L2, L3, L4) à 2 bis 3 Lektionen, wie momentan in der Schweiz üblich. Die Probanden waren Primarschulkinder, die zu Beginn des fünften bis zum Ende des sechsten Schuljahres einer Testbatterie ausgesetzt wurden. Diese in der Fachwelt anerkannten linguistischen und psychologischen Tests ermittelten Resultate zu Faktoren, die in der Fremdsprachenerwerbsforschung und in der Psychologie beigezogen werden, um die Unterschiede im Lernen zu erklären, die Herr Aebersold in einem kurzen Wikipedia-Artikel gefunden hat. Einbezogen waren deutschsprachige Kinder, Kinder mit Migrationshintergrund; nicht berücksichtigt wurden Kinder, die zweisprachig Deutsch/Französisch oder Deutsch/Englisch aufwachsen. Die Forschung zum Fremdsprachenerwerb unter schulischen und ausserschulischen Bedingungen wird seit etwa 60 Jahren betrieben. Rod Ellis gab 2015 einen guten Überblick über den Forschungsstand in «Understanding Second Language Acquisition». Berthele & Idry beziehen alle Studien zu ihrer Thematik mit ein und diskutieren sie ausführlich. Ferner widmen sie sich einer Altersgruppe, die in der Forschung bisher noch weniger häufig berücksichtigt wurde. Aebersold und Müller Gächter sind aufgerufen, die Studie selbst zu lesen. Sie ist im Internet in Gänze verfügbar und zeugt von hoher wissenschaftlicher Integrität.

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Von: Müller Gächter https://condorcet.ch/2022/03/individuelle-unterschiede-beim-sprachenlernen-in-der-primarschule/#comment-620 Sun, 06 Mar 2022 09:02:57 +0000 https://condorcet.ch/?p=10631#comment-620 Sprechen und Sprachen lernen
Keiner der sieben zum Anfang des Beitrages aufgeführten Punkte trifft ursächlich zu. Es ist einmal mehr eine der als wissenschaftlich bezeichneten Forschungsarbeiten, die ins Leere trifft, aus gerechnet von der Universität Fribourg, die eine Abteilung für logopädische Ausbildung leitet mit dem Schwerpunkt auf Evidenz. Was darunter zu verstehen wäre, wurde von Daniel Tröhler diskutiert. Auch die vom allwissenden Historiker aufgeführten “sozialen, affektiven, kognitiven und allgemeinbiographischen Ursächlichkeiten” treffen daneben.
-Logopädie macht klar, dass die Gestaltung der Sprache selbst Schwierigkeiten bietet mit Bezug auf “Sprechen und Sprache, Lesen und Schreiben”. Diese Schwierigkeiten einem Fünftel der Kinder anzulasten und sie als sprachlich schwach oder gestört zu bezeichnen wirkt sich fatal aus.
Bereits um 1900 unterscheidet der Genfer Sprachwissenschafter FERDINANDE SAUSSURE zwischen “langue et parole”. Im deutschsprachigen Raum fehlt diese Differenzierung.
-Logopädie verweist auf die unterschiedliche Verarbeitung von Hör- und Seheindrücken (siehe GÜNTHER HARTMUT (1988)
-Logopädie zeigt auf, wie sich Sprechen vom Bébé an motorisch entwickelt, angeleitet über die Spiegelneuronen von Sehen und Hören (siehe:JAKOBSON ROMAN (1969): Kindersprache, Aphasie und allgemeine Lautgesetze)
– Logopädie folgt der natürlichen Sprechentwiklung während der ersten drei Lebensjahre (siehe KRUSE SILKE(2012/3):Kindlicher Grammatikerwerb)
-Logopädie beschreibt die neuronalen Abläufe beim Sprechen und Verstehen von Sprache (siehe SCHWARZ CÉCILD (1985):Systematische Logopädie
-Logopädie verweist auf die nötigen Übungsmöglichkeiten bem Sprechen und Schreiben (siehe CHALL S. JEANNE (1967,1983/3,2000):What’s going on in the classroom?
-Logopädie weiss, dass beim Sprechen lernen das sich Merken können des Sprechklangs massgebend ist. Dies beginnt bereits im Körper der Mutter mit der Sprechmelodie und ist, wie eine Musikalität, unterschiedlich angelegt, aber keine fixe Grösse. Darauf bezogen gilt das gleiche wie beim Sport: Wer übt, kommt weiter, denn beim Sprechen wie beim Schreiben und auch bei Lebenserfahrungen machen sind sehr viele Muskeln beteiligt. Das emotionale Verarbeiten setzt mit der Vorpubertät ein.
Dr. Barbara Müller Gächter, Logopädin und Primarlehrerin seit 1959

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Von: Peter Aebersold https://condorcet.ch/2022/03/individuelle-unterschiede-beim-sprachenlernen-in-der-primarschule/#comment-619 Sat, 05 Mar 2022 10:01:12 +0000 https://condorcet.ch/?p=10631#comment-619 Aus der logopädischen Praxis weiss man, das Sprachenlernen mit der Übung und den Übungsgelegenheiten zusammenhängt. Je früher und intensiver, desto leichter wird eine Sprache erlernt. In der Schule haben die Frühfremdsprachen zur Reduktion von Deutschstunden geführt, was weniger üben bedeutet. Je mehr Fremdsprachige mit Menschen aus dem Gastland in direktem und idealerweise handelndem Kontakt sind, beispielsweise bei Sport, Spiel, Haushalt oder Handwerk, und dabei ausschliesslich in der Sprache des Gastlandes gesprochen wird, desto schneller lernen sie die neue Sprache.

Gemäss Wikipedia wird die weitverbreitete Annahme einer angeborenen Sprachbegabung innerhalb der Sprachwissenschaft nicht vertreten. Zwar gibt es in der Tat Personen, welche selbst mit höchster Anstrengung keine Fremdsprache erlernen können und andere (polyglotte Menschen), die sich damit erstaunlich leicht tun. Doch ist eine genetische Begründung dieses Phänomens nicht gelungen. Das Scheitern am Erlernen einer Fremdsprache hängt eher von vielen biografischen Faktoren des einzelnen Menschen ab. So spielen soziale, affektive, kognitive und allgemeinbiographische Ursächlichkeiten eine entscheidende Rolle.

Die Möglichkeiten, die individuellen Sprachunterschiede pädagogisch auszugleichen, werden nicht durch die Gene eingeschränkt, sondern besonders durch die begrenzte Zeit, die für den Deutsch- und Fremdsprachenunterricht zur Verfügung steht sowie die Anzahl sprachschwacher Schüler in einer Klasse. Die gründliche Kenntnis der Muttersprache (inklusive Grammatik) bildet auch die Basis für das Fremdsprachenlernen.

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