Kommentare zu: Wer unklar schreibt, denkt nicht klar – Wie geht die Schule mit der deutschen Sprache um? https://condorcet.ch/2020/10/wer-unklar-schreibt-denkt-nicht-klar-wie-geht-die-schule-mit-der-deutschen-sprache-um/ Bildungsperspektiven Tue, 06 Oct 2020 18:23:28 +0000 hourly 1 Von: Felix Schmutz https://condorcet.ch/2020/10/wer-unklar-schreibt-denkt-nicht-klar-wie-geht-die-schule-mit-der-deutschen-sprache-um/#comment-329 Tue, 06 Oct 2020 18:23:28 +0000 https://condorcet.ch/?p=6565#comment-329 Mario Andreotti bedauert zu Recht das Schwinden der sprachformalen Kompetenz, das sich heute auch in akademischen Kreisen bemerkbar macht. Ein Grund ist sicher die unselige Abspaltung der Form vom Inhalt. Dazu Folgendes:
1. Die sprachliche Form ist seit Ende des 19. Jahrhunderts eine normierte Konvention, die an Inhalte gebunden ist. Das heisst: Schreibende und Lesende knüpfen an die Form inhaltliche und an den Inhalt formale Erwartungen. Werden diese durchbrochen, entsteht Irritation, welche die Kommunikation erschwert. Es entstehen ungewollte Bedeutungen oder Unklarheiten «zwischen den Zeilen»:
Z.B. Höflichkeitsform im Geschäftsbrief immer klein: «Der Bankberater nimmt mich als Kunden gar nicht ernst. Er scheint auch ein bisschen beschränkt zu sein.»
Oder: «Color X ist geschaffen mit dem Stil im Geist.» «Als Kunde werde ich mit einer solchen Gerätebeschreibung veräppelt. Was soll der Unsinn?»

2. “Di Welovarerinn schtürrste alls si ube die Trammsinen fur.”
Rechtschreibung und Zeichensetzung lenken das Verständnis. Die Voraussetzung ist allerdings, dass sowohl Schreibende als auch Lesende die Konventionen kennen. Das obige Beispiel mag extrem erscheinen, aber schon eine Verwechslung von “das” und “dass” nach dem Komma kann verwirrend wirken und die inhaltliche Entschlüsselung erschweren, indem man gezwungen wird, die Sätze mehrmals zu lesen.

3. Je komplexer die Inhalte, desto mehr tragen formale Verstösse zur Verwirrung bei. Das kann bei wissenschaftlichen Texten oder Verträgen, deren Bedeutung nicht klar ausgedrückt wird, alles andere als harmlos sein. Das zeigt sich schon in der Zweideutigkeit des folgenden unglücklichen Satzes auf der Einladung zu einer Konferenz:

“Es wird nach der Verabschiedung von Herrn Rektor Kühne ein Apéro organisiert.”

]]>