Kommentare zu: Covid-19 und die Unterrichtsforschung, 4. Teil https://condorcet.ch/2020/07/covid-19-und-die-unterrichtsforschung-4-teil/ Bildungsperspektiven Sat, 25 Jul 2020 17:42:50 +0000 hourly 1 Von: Felix Schmutz https://condorcet.ch/2020/07/covid-19-und-die-unterrichtsforschung-4-teil/#comment-282 Sat, 25 Jul 2020 17:42:50 +0000 https://condorcet.ch/?p=5834#comment-282 In seinen Beiträgen zeigt Herzog auf, dass evidenzbasierte Forschung auf pädagogischem Gebiet stets begrenzte und vorläufige Ergebnisse hervorbringt, nicht aber die «Wahrheit» schlechthin. Vielleicht könnte man herausstreichen, woran das auch noch liegt:

1. Selbst in den Naturwissenschaften und in der Mathematik, welche die strengsten Massstäbe an Wissenschaftlichkeit verlangt, kommt es vor, dass bestens belegbare und messbare Forschungsresultate durch neue Aspekte und veränderte Perspektiven zu Erkenntnissen führen, die bisheriges Wissen in Frage stellen. Das heisst: Wissenschaftliche Erkenntnisse sind nicht einfach absolut objektivierbaren Kriterien unterworfen, sondern auch beeinflusst durch zeitaktuell geltende Aspekte und Wertvorstellungen.

Umso anfälliger ist ein Fach wie die Pädagogik, deren Komplexität es viel schwieriger macht, durch reduktive Fragestellungen ein klares Bild von Ursachen und Wirkungen zu erhalten. Die Gefahr, Forschungsvorhaben zu verzerren, indem man sich von Hypothesen, vorgefassten Meinungen und modischen Überzeugungen leiten lässt, ist gross. Z.B. werden Korrelationen gerne als Kausalitäten gesehen, wenn die eigene Überzeugung dadurch bestätigt wird. Oder: Wichtige Bedingungen werden bei der Interpretation der Ergebnisse nicht berücksichtigt.

2. Herzog relativiert zu Recht die evidenzbasierte pädagogische Forschung, aus der Bildungsfachleute gerne «Wahrheiten» gewinnen möchten, die sie zu Bildungsprogrammen erheben und in monströse Reformprojekte verwandeln. Er propagiert deshalb als Korrektiv den Austausch unter den Erziehungswissenschaftlern.

Wichtige Erkenntnisse gewinnen jedoch auch die Leute an der Front, die Lehrerinnen und Lehrer, die ständig in der Praxis am lebenden Objekt ganzheitlich austesten, was ihnen von Bildungsprogrammen vorgegeben wird. Der Praxistest bringt oft sehr viel schneller ans Licht, was Studien oder Statistiken erst mit grossem Aufwand erhärten können. Deshalb wäre als weiteres Korrektiv zu fordern, dass praxisgewohnte Lehrpersonen in den wissenschaftlichen Diskurs stärker eingebunden werden. Oft wird die Erfahrung von Lehrkräften nicht ernst genommen, sondern überheblich darüber hinweggegangen von Leuten, die sich noch nie oder schon lange nicht mehr in einem Klassenzimmer haben bewähren müssen. Lehrpersonen werden oft als tumbe Funktionäre in einem Räderwerk gesehen, denen die Fähigkeit zur Reflexion und zum Überblick abgeht.

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Von: Peter Aebersold https://condorcet.ch/2020/07/covid-19-und-die-unterrichtsforschung-4-teil/#comment-280 Thu, 23 Jul 2020 16:01:52 +0000 https://condorcet.ch/?p=5834#comment-280 Die Humanwissenschaften (Psychologie, Pädagogik, Anthropologie, Humanbiologie, Humanmedizin, Soziobiologie, Ethnologie usw.) befassen sich mit dem Menschen als Forschungsobjekt. Eine Eigenheit der Humanwissenschaften ist die Tatsache, dass das Anwenden der im Studium und in der wissenschaftlichen Arbeit gewonnenen Qualifikation und erarbeiteten Resultate nicht allgemein oder generalisiert zugeordnet werden können, sondern ausschliesslich individuell zu bestimmen sind.

Während bei den Wissenschaften, die sich mit den körperlichen Eigenschaften (Medizin usw.) befassen, die Forscher sich im allgemeinen einig sind, klaffen die Forschungsresultate, wenn es sich um die psychischen Eigenschaften des Menschen handelt, immer noch weit auseinander. Oft behilft man sich mit dann biologischen Erklärungsansätzen. Der Grund dafür könnte sein, dass sich die körperlichen Eigenschaften im Gegensatz zu den psychischen nicht beeinflussen lassen.

Laut Adolf Portmann ist der Mensch ein „Nesthocker“ mit einer offenen Präge- und Lernphase im „sozialen Uterus“ der Familie. Elternhaus und Schule haben deshalb eine besondere erzieherische Verantwortung. Das ermöglicht jedoch, dass Erziehungsfehler mit psychologischer Hilfe korrigiert werden können. Es gibt offenbar eine weltweite Tendenz eine Verhaltensänderung durch Konditionierung (Behavorismus) herbeiführen zu wollen, anstelle einer Psychotherapie von innerpsychischen Vorgängen, weil die Erzieher beim Behavorismus nicht einbezogen werden müssen.

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Humanwissenschaft
https://www.bbc.com/news/magazine-17583123 BBC: France’s autism treatment ‘shame’

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